Toxic
Cleopatra und FrankensteinEigentlich muss eine Rezension von „Cleopatra und Frankenstein“ mit Trigger-Warnungen starten. Vielen Trigger-Warnungen: Alkoholmissbrauch, Drogenmissbrauch, Depression, Suizid, Machtmissbrauch, toxischer ...
Eigentlich muss eine Rezension von „Cleopatra und Frankenstein“ mit Trigger-Warnungen starten. Vielen Trigger-Warnungen: Alkoholmissbrauch, Drogenmissbrauch, Depression, Suizid, Machtmissbrauch, toxischer Beziehung, toxischen Freundschaften, Demenz, Tod und vermutlich noch ein paar. Wer damit klar kommt, dürfte an Coco Mellors Debütroman Spaß haben. Oder sagen wir lieber: „Spaß“.
Cleo trifft Frank in einer Silvesternacht. Ein halbes Jahr später heiraten sie. Nicht für ihr Visum, wie Freunde lästern, aus Liebe, auch wenn sie ein ungleiches Paar mit zwanzig Jahren Altersabstand sind. Sie Künstlerin, er Agenturchef. Im New Yorker Freundeskreis gibt es Überschneidungen, im Rauschmittelkonsum auch, aber schnell nutzt sich die rosarote Brille ab. Sie rutscht zurück in ihre Depression, er in den Alkoholismus, ein Drama reiht sich ans nächste, bis es zu einer Katastrophe kommt.
„Cleopatra und Frankenstein“ ist so eine Art Anti-Friends oder -How I met your Mother. Die Figuren tun sich alle nicht gut, sind egoistisch, egozentrisch, unsympathisch, süchtig und selbstzerstörerisch. Fast ohne Ausnahme. Dennoch entwickelt die Geschichte ihren ganz eigenen Reiz, die das Buch zu einem – wie es auf dem Klappentext steht – echten Pageturner machen. Coco Mellors stellt in rasanter Geschwindigkeit die Figuren vor, ihre kleinen und großen persönlichen Dramen, führt plötzlich noch einmal, nach mehr als der Hälfte des Buchs, noch einmal eine neue, nicht ganz unwichtige Figur in einem komplett neuen Schreibstil ein, lässt eine andere, relevant eingeführte so fallen, wie die Figur eine der beiden Hauptpersonen. Das ist eigen, eigenartig vielleicht auch, aber auch ein gewisses Vergnügen.
Der Roman wird in einem Atemzug mit Sally Rooney genannt, ist dabei aber deutlich schneller, amerikanischer, lauter. Kann man mögen, kann man doof finden, muss jeder für sich selbst entscheiden. Auf fast jeder Seite werden Alkohol und/oder Drogen konsumiert, wer damit nicht klar kommt, wird an diesem Buch kein Lesevergnügen finden. Das ist alles sehr belastend, fast fragwürdig, findet im Ende des Buchs aber einen passenden Abschluss.
Eines lässt sich auch ohne Spoiler verraten, ja, eh ahnen: Dieser Roman, diese Figuren werden kein happy end finden können. Aber ein happiest possible ending. Der Weg dahin ist aufregend, nervenaufreibend, anstrengend. Aber auch unterhaltsam und stark geschrieben. Und das macht „Cleopatra und Frankenstein“ zu einem der interessanteren Bücher 2023.