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Veröffentlicht am 03.01.2023

"Für euch" - Das Leben einer sehr beeindruckenden Frau

Für euch
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Das Leben schreibt manchmal ganz besondere Geschichten. Ich könnte mich nun kurz fassen und statt ewig nach Umschreibungen und passenden Worten zu suchen, einfach nur sagen: "Für euch" von Iris Sayram ...

Das Leben schreibt manchmal ganz besondere Geschichten. Ich könnte mich nun kurz fassen und statt ewig nach Umschreibungen und passenden Worten zu suchen, einfach nur sagen: "Für euch" von Iris Sayram ist eine große Geschichte über eine sehr beeindruckende Frau, die immer versucht hat alles zu geben und sich bis zum Schluss aufgeopfert hat, damit es ihnen besser geht, ihre Tochter alles haben kann und sie auch endlich das Glück finden. "Für euch" ist die Biografie oder eine Art Liebeserklärung an Iris eigene Mutter, die in ihrem Leben so einiges einstecken musste und sehr viele Herausforderungen gemeistert hat, ohne auch nur einmal zu jammern. Iris Sayram erzählt dabei sehr bewegend und mitreißend von nahezu allen Ereignissen und Dingen an die sie sich erinnert oder die sie in Gesprächen über die Mutter erfuhr - vom Kennenlernen ihrer Eltern, ihrer eigenen Geburt, dem Aufwachsen und Leben in Köln in den 80er und 90er Jahren, ihre eigene Kind- und Schulzeit, der Inhaftierung der Mutter, Iris' eigene Empfindungen bis hin zu den Über-Wasser-halte-Jobs und dem letzten Krankenhausaufenthalt dieser plötzlich sehr gebrechlichen, aber zähen Frau.

Normalerweise wäre für einen Roman an sich der Verlust des Vaters, die Geschichte über die Inhaftierung der Mutter und das Zurücklassen der 14-jährigen Tochter oder wie eine junge Frau von ihrer Familie verstoßen wird, als sie ihren Mann, einen türkischen Gastarbeiter, kennenlernt, ein füllendes Thema, aber Iris Sayram geht noch viel weiter, zieht ihren eigenen Werdegang und den Weg ihrer Mutter nach, deren Leben so einige tiefe Kerben und Spuren hinterlassen hat und das so leicht, nachfühlbar und mitreißend... wahnsinn. "Für euch" ist dabei aber nicht nur so ein bewegender, gar trauriger Lebenslauf, sondern auch eine Art Mutmachbuch, zumindest wenn man nicht zu der vermögenderen Gesellschaftsschicht gehört. Es geht immer irgendwie weiter. Man wird im Leben an so vielen Ecken hängenbleiben, viele Kämpfe kämpfen, teilweise sich gegen die eigene Familie auflehnen, am Hungertuch nagen, Auswege suchen und doch lohnt es sich immer weiterzumachen, aufstehen und nach vorn blicken. Und gerade diese Geschichten sind es, die am Ende bewegen oder wie Cordt Schnibben es so schön sagt: "Manche erben Immobilien, Firmen, Geld. Andere eine große Geschichte."
Für mich ein sehr tolles, starkes Buch und eine sehr berührende Geschichte, die ich mehr als gern gelesen habe.

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Veröffentlicht am 22.11.2022

"Intimitäten" - ein erstaunlich vielschichtig, philosophischer Roman über das Leben und die Frage nach Gerechtigkeit

Intimitäten
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In Katie Kitamuras Roman "Intimitäten" (Ü:Kathrin Razum) lernen die Leserinnen eine Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof kennen. Nachdem ihr Vater nach langer Krankheit verstarb, ihre Mutter sich ...

In Katie Kitamuras Roman "Intimitäten" (Ü:Kathrin Razum) lernen die Leserinnen eine Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof kennen. Nachdem ihr Vater nach langer Krankheit verstarb, ihre Mutter sich nach Singapur zurückzog, bewarb sie sich eher impulsgesteuert in Den Haag. In New York, wo sie sich um ihren Vater kümmerte, fühlte sie sich einfach nicht mehr wohl oder jetzt endlich frei und so versucht sie sich in den Niederlanden ein neues Leben aufzubauen. Hier lernt sie auch Adriaan kennen, mit dem sie eine Beziehung eingeht. Doch als es ernster wird, reist dieser zu seiner Noch-Ehefrau und den Kindern, und lässt nichts von sich hören. Konnte sie sich so in ihm täuschen?

Auch die Arbeit am internationalen Gerichtshof verlangt ihr einiges ab. Das es hier ein 'anderes' Arbeiten als bei den Vereinten Nationen sein wird, war ihr bereits im Vorfeld klar. "Schließlich befasste sich der Gerichtshof ausschließlich mit Genoziden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen." Doch in ihrer Funktion als Übersetzerin kommt sie den angeklagten Kriegsverbrechern erstaunlich näher als gedacht. Teilweise sind es gar intime Momente, in denen sie ihnen 1:1 aus ihrer Kabine heraus die Übersetzung ins Ohr spricht oder zur Verständigung zwischen den Verteidigern und dem Angeklagten hinzugerufen wird. Wir verfolgen eben jene intensive Momente, beobachten einen Prozess am Gerichtshof, lernen sie und ihr Handeln, ihr Denken und ihre Aufgewühltheit in den verschiedensten Situationen kennen und kommen vor allem auch der Frage nach der Gerechtigkeit näher.

"Aufgabe der Dolmetschenden war es nicht nur, etwas mitzuteilen oder darzubieten, sondern auch, das Unaussprechliche zu wiederholen. Vielleicht war dies der eigentliche Grund für die Beklemmung, die am Gerichtshof und unter den Dolmetschern zu spüren war. Die Tatsache, dass unsere tägliche Arbeit auf der wiederholten Beschreibung - Beschreibung, Ausführung und detaillierten Schilderung - von Sachverhalten gründete, die außerhalb des Gerichtshofs im Allgemeinen beschönigt oder schlicht nicht benannt wurden."



Des weiteren stellen sich auch immer wieder die Fragen, was Wahrheit und was eine kalkulierte Lüge, Schauspielerei oder was Gerechtigkeit ist. Welchen Einfluss hat der Gerichtshof überhaupt? Kann man internationale Mörder und Verbrecher belangen? Ist es das wert, einem Opfer sein Leid erneut ins Gedächtnis zu rufen? Und wie kann man das ausgesprochene Wort in eine andere Sprache transferieren, ohne das Bedeutungen, der tiefe Schmerz oder die Aggression und Wut verloren geht oder neue Interpretationen hinzukommen? Schon ein Stocken oder ein Zittern in der eigenen Stimme, kann auf die Zuhörer schon ganz anders wirken. Aber kann es einen überhaupt kalt lassen, die Stimme eines Verbrechers oder eines Opfers zu sein? Genau diesen und vielen weiteren Fragen spürt Katie Kitamura in diesem Roman nach, lässt Einblicke in einen nach außen hin sehr verschlossenen Gerichtstrackt zu und schafft es sehr empathisch uns auf eine Protagonistin blicken zu lassen, die zwischen allem steht und zeitgleich selbst nur ein Teil des menschlichen Schauspiels ist.

"Dem Gerichtshof und all seinen Aktivitäten wohnte eine gewisse Spannung inne, die aus dem Widerspruch zwischen der Intimität persönlichen Leids und dessen öffentlicher Zurschaustellung entstand. Ein Gerichtsverfahren war eine wohlkalkulierte komplexe Darbietung, an der wir alle beteiligt waren und aus der sich niemand vollkommen heraushalten konnte."



Egal wie gut man jemanden kennt oder besser gesagt zu kennen glaubt, alles bleibt nur ein Ausschnitt, aus dem unser Gefühl und unsere Gedanken ein vollständiges Bild des jeweils anderen erstellen. Und ob das der Realität entspricht, ob man einem Mörder seine Tat ansieht, Lügen und Beschönigigungen aufdecken kann und ob sich nahestehende Personen wirklich in und auswendig kennen... ist zweifelhaft. Katie Kitamura konfrontiert die Leser
innen ihres Romans mit sehr vielen intimen Situationen, Gedanken und eben auch mit vielen unausgesprochenen Dingen, Zweifeln, Vorurteilen des menschlichen Handelns.

Die Inszenierung einer Aussage am Gericht, die Offenheit eines Partners, von Freunden und Verwandten oder x-beliebigen Menschen, die kurzzeitig unsere Aufmerksamkeit erregen, gefühlt kann man sich nie wirklich sicher sein, ob es echt ist, so passiert ist, eine wirklich tiefere Verbindung besteht oder alles wirklich der Wahrheit entspricht. Manchmal belügen wir uns sogar selbst und versuchen stets andere einzuschätzen, mit unseren Erfahrungen abzugleichen, Unsicherheiten im Auftreten oder der Stimme zu deuten. Intime Momente sind dabei so eine Art Vertrauensbeweis und doch immer nur eine Perspektive und Erkenntnisgewinn.

Und gerade diesen Themenkomplex - das menschliche Handeln und Denken - finde ich wahnsinnig spannend. Kitamura beginnt sich diesem Thema durch die Sprache und dem Ort, von dem nur wenig nach Außen dringt, zu nähern, zieht immer größere Kreise, es kommt zu verschiedenen Begegnungen und alles endet dann doch wieder bei ihrer Protagonistin, die einfach nur irgendwo ankommen und Halt finden mag. Fast schon ruhig, sachlich und neutral erklärt sie dabei die Vorgänge und Schwierigkeiten am Gerichtshof, sowie Grenzen der Gerechtigkeit, die Bedeutung der Übersetzung und Sprache, lässt persönliche Erlebnisse ihrer Erzählerin außerhalb des Hofs mit einfließen und beschreibt sehr empathisch und offen von ihren Gedanken, Gefühlen und Zweifeln. Einen Spannungsbogen sucht man in diesem Roman vergeblich und doch ist es gerade das Ungewisse, das ruhige, professionelle Verhalten und die emotionale, aufgewühlte Kehrseite, sowie die Interaktion auf unterschiedlichsten Eben das, was die Leser*innen durch den Roman treibt. Für mich hätte es gern noch einen größeren Aha-Moment geben können, aber wie im echten Leben, kennt und erlebt man immer nur einen Ausschnitt vom Wesen und Leben des anderen, schreibt seine eigene Geschichte, teilt Fragmente mit anderen und weiß am Ende eigentlich nur selbst, ob man so ist, wie man wirklich ist. Dieser Ausschnitt war toll. Die Bilder, sowie zahlreichen Fragen werden mich sicher noch eine ganze Weile begleiten.

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Veröffentlicht am 17.01.2022

Professor Tod, mit roten Schleifchen... wenn so ein "Perfect Day" plötzlich eine ganz andere Bedeutung bekommt

Perfect Day
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Bei roten Schleifen, denkt man häufig an Geschenke, doch in Romy Hausmanns Thriller "Perfect Day" ist es das genaue Gegenteil. Es sind Hinweise für einen schmerzhaften Verlust, wenn nicht sogar für das ...

Bei roten Schleifen, denkt man häufig an Geschenke, doch in Romy Hausmanns Thriller "Perfect Day" ist es das genaue Gegenteil. Es sind Hinweise für einen schmerzhaften Verlust, wenn nicht sogar für das größte Unglück, das Eltern passieren kann. Der sogenannte Schleifenmörder führt Passanten oder zufällig Vorbeigekommene mittels roten Schleifen zu seinen Opfern. Seit etwa vierzehn Jahren treibt er schon in Berlin sein Unwesen. Und immer sind es Mädchen, zwischen sechs und zehn Jahren, die er an unterschiedliche, abgelegene Orte im Berliner Umland entführte und tötete. Lange tappte die Polizei im Dunkeln. Bis auf die Schleifen, die gleiche Tötungsart und ein paar Schuhabdrücke, gab es nie wirkliche Hinweise. Doch nun kommt endlich ein Stein ins Rollen, denn ein Spaziergänger will dem Mörder kurz nach seiner letzten Tat über den Weg gelaufen sein. Die Polizei fackelte nicht lange und nahm den fünfundfünfzigjährigen Anthropologen und international angesehenen Philosophieprofessor Walter Lesniak fest. Die wenigen Anhaltspunkte schienen zu passen. Für die Medien war des natürlich ein gefundenes Fressen. Sie nannten ihn das Monster oder "Professor Tod", der barbarische Experimente an Kindern verübte, aber war es wirklich so einfach?

"Hast du dich jemals gefragt, ob der Mann aus der Zeitung, das >Monster<, wie sie ihn nennen, Familie hat? Hat er, Jakob. Nämlich mich. Ich bin die Tochter des mutmaßlichen Schleifenmörders, der in den letzten dreizehn Jahren neun kleine Mädchen entführt und getötet haben soll. Ich war dabei, als sie ihn verhaftet haben..."

Walter Lesniak verbrachte eben jenen Abend gemeinsam mit seiner Tochter Ann. Sie hatten Pizza bestellt und wollten gemeinsam einen netten Abend verbringen, als sich das Einsatzkommando auf ihn stürzte und abführte.
Ann glaubt nach wie vor nicht an die Schuld ihres Vaters, wahrscheinlich ist sie dabei fast die einzige. Und so versucht sie nun krampfhaft nach und nach Spuren zu entschlüsseln, dem echten Mörder auf die Schliche zu kommen und die Eltern ehemaliger Opfer zu befragen... praktisch, dass sie gerade erst einen Job in einem Fastfood-Restaurant angenommen hat, bei dem, wie sich jetzt herausstellt, die Mutter eines der früheren Opfer arbeitet, ihre Freundin, die vor zig Jahren einfach so verschwand, plötzlich wieder auf der Matte steht und helfen will und ihr Freund Jakob ihr nun erst recht zur Seite steht. Wobei... vielleicht haben sie alle auch ganz andere Absichten, nicht alles scheint wie es ist, Wahnvorstellungen, Verzweiflung, Angst kreuzen ihren Weg und am Ende? Wird man ihr Glauben schenken? Wir werden es sehen oder auch nicht, denn plötzlich taucht auch vor Anns Fenster eine kleine, unschuldige Schleife auf und ein weiteres Mädchen verschwindet... What a Perfect Day, nicht wahr?

"Rote Schleifenbänder, die als Wegweiser zu den Leichen dienten, und nun ein rotes Band, das an einen Trieb des alten Oleanders, auf unserer Terrasse geknotet ist. Für ein paar Sekunden stehe ich einfach nur da, starr und starrend und nicht fähig zu begreifen. Es ist wie bei einem Tsunami; sämtliche Gedanken und Gefühle ziehen sich in weite Ferne zurück, wo sie sich merterhoch sammeln, um anschließend auf mich zuzustürzen und mich niederwalzen.
Dann weiß ich es plötzlich: der Mörder. Er [...] war hier."



Ich finde ja an sich Romy Hausmanns Thriller schon sehr besonders und in den beiden Vorgängern "Marta schläft" und "Liebeskind" bewies sie schon sehr eindrucksvoll was für durchtriebene Abgründe in den Menschen lauern und wozu Psychopathen so alles fähig sind. Und so auch hier. Ungewöhnlich fand ich zunächst die Herangehensweise, die Tochter ermittelt in einem Fall, der für die Polizei nun nach Jahren erfolgloser Suche, endlich abgeschlossen werden kann. Sie widersetzt sich dabei so einigen Vorschriften, klaut Dokumente und geht an so einigen Stellen viel zu weit und doch kommt derdie Leserin gemeinsam mit ihr nach und nach dem ganzen Treiben und den Beschuldigungen auf die Spur. Im Zentrum der Beschreibungen stehen dabei nicht wie üblich der Täter oder die Opfer selbst, sondern die Angehörigen. Eben jene, die mit der ganzen Schuld, dem Schmerz und dem plötzlichen Verlust klarkommen mussten und sich dafür verschiedene Wege gesucht haben. Romy Hausmann zeigt hier fast schon ein buntes Potpourri aus Ausflüchten, psychischen Herausforderungen und sehr spezieller Trauerbewältigung.
Anns Perspektive, die Beschreibungen einer Verführung eines Kindes bzw. die Gedanken des Täters oder der Täterin, sowie Aufnahmen von Verhörgesprächen wechseln sich während des Lesens ab. Hin und wieder werden kurze, aufgeschriebene Begriffsdefinitionen der kleinen Ann über Schrekk, Endschlossenheit, Einsamkeit... mit eigestreut. Generell ist es ein sehr lebhafter Plot, bei dem garantiert keine Langeweile aufkommt und das Gefühl zwischen Angst, Beklemmung und Hoffnung auf die Lesenden überspringt. Ohne nun zu viel zu verraten, "Perfect Day" hat mich binnen weniger Seiten komplett in Beschlag genommen, gefordert, überrascht und das so ganz ohne große Blutrünstigkeit. Naja gut, auf die kurzen Beschreibungen wie die Mädchen an ihren Pulsadern aufgeschlitzt wurden und verbluteten, waren für mich, so als ungeübter Krimileser, schon recht viel, aber ansonsten habe ich die Wendungen, die sich plötzlich auftuenden Möglichkeiten und die Verfolgung schon sehr genossen und bis zum Schluss mit Ann mitgefiebert. Natürlich kann man nun an dieser oder jener Stelle sagen, dass mit Hausmann die Fantasie etwas durch ging, aber welcher Krimi oder Thriller entspricht schon hundertprozentig dem Möglichen? Für mich war es ein toller Ritt mit sehr tiefen Gedanken, neuen Blickwinkeln, vielen Abgründen und einem sehr spannenden, psychopathischen Spiel. Und vergleichend, ist es vielleicht dann sogar ihr bestes Buch. Nur schade, dass der Song "Perfect Day" nun so einen sehr grausamen Beigeschmack bekommt...

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Veröffentlicht am 01.05.2020

Pandatage - wie ein Kostüm nahezu alles verändern kann

Pandatage
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"Ein Panda steht für Frieden und Feundschaft" heißt es im Allgemeinen, doch in James Gould-Bourns neuem Roman "Pandatage" erhält dieser normalerweise eher niedliche Gefährte noch eine ganz andere Bedeutung.

Danny ...

"Ein Panda steht für Frieden und Feundschaft" heißt es im Allgemeinen, doch in James Gould-Bourns neuem Roman "Pandatage" erhält dieser normalerweise eher niedliche Gefährte noch eine ganz andere Bedeutung.

Danny Maloony ist absolut kein Glückspilz, alles scheint im Moment den Bach runterzugehen. Seine Frau Liz starb vor einem Jahr bei einem tragischen Autounfall und hinterließ damit eine fürchterlich große Lücke in seinem, aber auch in Williams Leben. Will hatte eine ganz besondere Beziehung zu seiner Mutter. Während Danny hauptsächlich arbeiten ging und kaum Zeit mit ihm verbrachte, war seine Mutter für ihn wie eine gute Freundin, die bessere Hälfte, Unterstützung und Ausflugsorganisatorin. Sie teilten alles miteinander und Danny war für ihn mehr so Vater und Fremder zugleich.
Seit dem Unfall ist plötzlich alles anders. Will weigert sich zu sprechen, er will so wenig wie möglich auffallen, unsichtbar werden, mit der Situation klar zu kommen. Er frisst alles immer mehr in sich hinein und so als wäre das noch nicht schlimm genug, häufen sich bei Danny weitere Probleme und Sorgen. Er hat Schulden, kann die Miete nicht mehr bezahlen, sein Job steht auf der Kippe und durch den bedrohlichen Besuch seines Vermieters Reg kommt er erneut zu spät und wird gefeuert. Er versucht nun händeringend einen neuen Job zu finden, was als Bauarbeitsgehilfe nicht gerade einfach wird und gibt sein letztes Geld für ein dusseliges Pandakostüm aus. Er fasst fix den Entschluss im Park als Straßenkünstler zu arbeiten, doch dabei macht er sich vor allem eins: Lächerlich. Als sich dann die Pole-Tänzerin Krystal sich seiner erbarmt und ihm Nachhilfe im Tanzen gibt, schafft Danny endlich die Aufmerksamkeit der Parkbesucher zu gewinnen und die Kasse klingen zu lassen, doch für seine Schulden reicht dies noch lange nicht.
Währenddessen sorgt sich auch der neue Lehrer um William. Der Kleine wird von einigen Schülern gemobbt und verkriecht sich immer mehr...

"Ich glaube, was ich zu sagen versuche, ist Folgendes, Will. Wenn etwas Schreckliches, Unbegreifliches geschieht, dann braucht es manchmal etwas ebenso Unerwartetes, damit wir begreifen können."

Und dieses Unerwartete stellt dann die Begegnung mit einem Menschen im Pandakostüm dar. Als er erneut nach der Schule schikaniert wird, schreitet dieser ein und es entwickelt sich zwischen den beiden eine Art Freundschaft. Will vertraut sich diesem ulkigen Wesen an und setzt damit ungeahnt sehr viel mehr in Bewegung.

"Pandatage" ist für mich ein recht besonderes Buch. Gerade für die aktuelle Zeit ist es eine perfekte, leichtere Unterhaltungslektüre mit ernsterem Hintergrund. Die Trauerverarbeitung, deren Auswirkungen und eine sich erneut entwickelnde, innige Vater-Sohn-Beziehung und die Herausforderungen des Lebens sowie kuriose Zufälle und Begegnungen prägen diesen Roman. Sehr empathisch und fein nähert sich James Gould-Bourn den Gefühlen und Empfindungen des kleinen Will an und entwickelt dabei so eine abstruse, lustige, aber auch berührende, traurige Geschichte. Zwar finde ich es so ein bisschen schade, dass viele Handlungen vorhersehbar sind und bis zum Ende hin keine wirklichen Überraschungen stattfinden und doch fühlte ich mich bis zur letzten Seite sehr gut unterhalten. Es ist ein Buch, dass ich eher als etwas leichtere Kost einordnen würde, bei dem man sich nicht so sehr konzentrieren muss und irgendwie könnte das alles auch so eine witzige Fernsehkomödie sein. Zumindest habe ich viele Situationen vor meinen inneren Auge gesehen, fand es irgendwie rührend, reizend und schön zugleich. Ich empfehle dieses Buch jedem, der etwas Ablenkung benötigt, vielleicht sogar eine schwierigere Zeit durchmacht oder durchgemacht hat, denn was dieser Roman zeigt, ist dass es zwar immer schlimmer werden kann, aber Unerwartetes und verrückte Ideen sich manchmal als Lebensretter entpuppen können und der Zusammenhalt zwischen der Familie, Freunden und den Menschen selbst nahezu alles überwinden und helfen kann.

An vielen Stellen hat mich dieser Roman übrigens an "Die wundersame Mission des Harry Crane" von John Cohen erinnert, ein Buch, dass ich ebenso gerne gelesen habe und auch so eine kuriose Entwicklung des Protagonisten nach dem Tod seiner Ehefrau beinhaltet. Alles natürlich mit einem HappyEnd. Und manchmal sind es gerade diese Bücher, die einem eine große Freude bereiten können und alles Fragliche da draußen etwas abfangen. Also ich mochte es sehr gerne und kann dieses Buch für seichtere Gemüter oder blödere Zeiten eigentlich nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 08.04.2020

Was Glaube bewirken kann ...

Ein wenig Glaube
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"Ein wenig Glaube" von Nickolas Butler ist für mich ein sehr besonderes Buch. Im Großen und Ganzen geht es um die familiäre Liebe, die Abhängigkeit, den Glauben und irgendwie auch um die Angst und den ...

"Ein wenig Glaube" von Nickolas Butler ist für mich ein sehr besonderes Buch. Im Großen und Ganzen geht es um die familiäre Liebe, die Abhängigkeit, den Glauben und irgendwie auch um die Angst und den Verlust. Lyle und Peg Hovde leben im ländlicheren Wisconsin. Ihr erstes Glück blieb ihnen verwehrt, denn ihr Sohn Peter starb bereits nach einigen Monaten. Durch einen Zufall erfuhren sie von einem Mädchen, das ein Kind gebar und dieses einfach nicht behalten könne. Sie setzen alles daran, das Kind zu adoptieren und ihm ein behütetes Leben zu schenken. Jahre sind seit dem vergangen, Lyle und Peg sind bereits Großeltern und ihre Tochter Shiloh kehrt mit ihrem Enkelsohn Isaac wieder nach Hause zurück. Während Shiloh arbeiten fährt, kümmert sich Peg um den 5 Jährigen und zwischen ihnen scheint eine ganz besondere Bindung zu bestehen. Doch dann tritt ihre Tochter einer neuen Glaubensgemeinschaft bei. Sie verliebt sich in den Pfarrer und dem Kind werden plötzlich heilende, göttliche Kräfte nachgesagt. Während Shiloh sich nun komplett im neuen Glauben verliert, erahnen die Großeltern bereits Schlimmstes. Ereignisse und Beschuldigungen folgen und die ganze Familienbeziehung wird auf eine harte Probe gestellt. Die Tochter verliert den Glauben an ihre Eltern, sie behauptet Lyle sei ein schlechter Einfluss für Isaac, sei mit dem Teufel verbandelt. Er darf Isaac nicht mehr sehen, soll Abstand halten. Und doch will er am Ende nur eins: seinen Enkel vor dem Einfluss dieser ominösen Sekte retten und das bevor alles zu spät ist.

Nickolas Butler hat mich mit diesem Roman sehr an Kent Harufs Geschichten aus Holt, Colorado erinnert. Es ist ein eher ruhigeres, unaufgeregtes Buch, in dem der äußere Einfluss eine Familie entzwei bringt. Aber es geht wie der Titel schon verrät um den Glauben. Einmal durch diese neue Glaubensgemeinschaft, die alles durcheinander bringt, und Isaac heilende Kräfte nachsagt und auch trotz der staatlichen Verbote Heilungsgebete/-prozessionen abhält, aber es handelt eben auch vom Glauben an bessere Zeiten und an die stärkere emotionale Bindung zwischen den einzelnen Familienmitgliedern und Freunden. Der Glaube wirkt hier wie ein rettender Anker, der letzte Strohhalm, der alle möglichen Kräfte noch einmal mobilisiert. Und so ist es dann auch eine ganz besondere Freundschaftsgeschichte. Ich kann da nun gar nicht so genau ins Detail gehen, denn ruhigere Romane haben ja immer den 'Nachteil', dass da nicht ganz so viel passiert, aber genau das ist die Stärke dieses Buchs. Butler fokussiert sich auf seine Protagonisten, mit jeder weiteren Seite entwickelt sich so eine traute Verbundenheit mit den Großeltern. Man spürt Lyles Verzweiflung, aber auch seine immer wiederkehrende Freude, den Glauben, seinen Optimismus und seine Einsatzbereitschaft. Dieser besondere, feinfühlige Roman basiert auf einer realen Begebenheit, bei der 2008 ein 11 jähriges Mädchen aufgrund so einer fanatischen Glaubensgeschichte ums Leben kam. Es bleibt zu hoffen, dass sich so etwas nicht noch einmal wiederholt. Glaube kann Berge versetzen/mobilisieren; Fanatismus zum frühzeitigen Ende führen. Eine sehr berührende Geschichte.

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