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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.09.2019

Beeindruckende Verluste. Detaillierte Erinnerungen. Kühle Aufzeichnungen.

Verzeichnis einiger Verluste
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Mit diesen Worten könnte ich Judith Schalanskys neuestes Werk "Verzeichnis einiger Verluste" zusammenfassen. An Schalansky kommt man als Literaturliebhaber eigentlich selten vorbei. Neben ihren sehr bekannten ...

Mit diesen Worten könnte ich Judith Schalanskys neuestes Werk "Verzeichnis einiger Verluste" zusammenfassen. An Schalansky kommt man als Literaturliebhaber eigentlich selten vorbei. Neben ihren sehr bekannten Büchern "Atlas der abgelegenen Inseln" und "Der Hals der Giraffe" und der Sammlung Naturkunden bei Matthes und Seitz widmet sie sich nun kleineren und größeren Verlusten der Geschichte. Zunächst muss man bei diesem Buch die Optik hervorheben. Es ist komplett schwarz weiß gehalten, nur die Typografie des Einbands ist in silber eingestanzt. Selbst die immer wieder auftauchenden Bilder, die jedes Kapitel bzw. jede Geschichte umrahmen, sind in schwarz auf schwarz gedruckt. Dieses Buch ist etwas zum Entdecken, manchmal auch nicht im direkten Sinne, wenn man den Fokus auf die jeweiligen einzelnen Geschichten legt.

Zunächst geht es in den Vorbemerkungen des Buchs um Verluste und Entdeckungen. Bereits im Vorwort wird Schalansky etwas detaillierter, vielleicht sogar persönlicher. Ein Wechselspiel zwischen Fakten und philosophischer Deutungen des Todes, der Hinterlassenschaften, der Erinnerung und des Fortschritts wird geschaffen und macht neugierig auf mehr. Den Kern des Buches bildet dann das eigentliche Verzeichnis, welches 12 verschiedene Dinge, Gebäude, Flächen, die im Laufe der Geschichte verschollen sind, künstlerisch thematisiert. Schalansky widmet sich so beispielsweise dem Verschwinden des Atolls Tunaki, dem Palast der Republik oder auch ihrer Heimatstadt Geifswald in Form eines verbrannten Gemäldes von Caspar David Friedrich. Jedes Kapitel selbst besitzt dann noch einmal eine Einleitung mit Wissenswertem zur 'Entdeckung und Geburt' sowie zum Todeszeitpunkt des 'Elements'. Erst dann beginnt das eigentliche Schauspiel in Form einer fiktiven Geschichte oder des Erlebten. Dieses macht aus dem Verzeichnis eine Art Sammlung vieler verschiedener Eindrücke, die in einem wunderbaren Sammelband zusammengefasst wurden.

Was soll ich sagen? Vom Design bin ich sehr, sehr angetan. Auch inhaltlich, war ich zunächst mehr als fasziniert und beeindruckt. Es machte insgesamt den Eindruck eines schlauen, informativen Büchleins, welches die Grundlage weiteren philosophischen Denkens bietet und so einige Verluste zurück ins Gedächtnis verfrachtet. Schalanskys poetische, recht distanzierte, detaillierte Beschreibungen unterstreichen diese Art und machten neugierig auf mehr. Als dann die eigentliche Geschichte zu dem entsprechenden Element beginnt, gibt es für mich einen sehr großen Sprung. Genau das, was ich an ihrer Art eben noch mochte, wurde der Erzählung zum Verhängnis. Teilweise recht fragliche Bezüge tauchen auf und die notwendige Emotionalität fehlt komplett. Viel mehr bleibt Schalansky in ihrer teilweise recht unnatürlichen Prosa hängen, wodurch für mich als Leser oftmals auch gar kein Bezug zu den Protagonisten möglich war. Desweiteren ist es nach wie vor schleierhaft, wieso der Abriss der Republik sich hauptsächlich am Rande einer verzwickten Ehegeschichte abspielt oder das verbrannte Bild Caspar David Frierichs zu einem Spaziergang durch die Natur Greifswalds einlädt. So ist dann auch jedem Ort, jedem Element irgendetwas Fragliches beigestellt. Und das, was eigentlich der Fokus sein sollte, driftet eher in eine komische Geschichte ab, die einen trotzdem nicht begeistern oder in den Bann ziehen kann. Obwohl ich Schalansky für ihre Art zu schreiben und für ihre Prosa großen Respekt zolle und das Design großartige finde, kann ich hier einfach nicht wirklich begeistert sein. Es ist schwierig. Vielleicht wäre es auch eher ein Buch für Fans gehobener Literatur, wobei auch dann die Bezüge großteils fraglich bleiben. Vielleicht bedürfen ihre Geschichten auch einfach Zeit und viel mehr Raum um zum Wesentlichen vorzudringen.

Ich jedenfalls weiß es nicht. Ich ging verloren.

Veröffentlicht am 26.09.2019

Eine gescheiterte Ehe, eine unglückliche Liebe.

Das Adelsgut
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Iwan Turgenjew war für mich eine kleine Herausforderung. Russische Literatur hat einen sehr einmaligen Charakter, der aufgrund zahlreicher russischer Namen nicht sonderlich leicht zu greifen ist. "Das ...

Iwan Turgenjew war für mich eine kleine Herausforderung. Russische Literatur hat einen sehr einmaligen Charakter, der aufgrund zahlreicher russischer Namen nicht sonderlich leicht zu greifen ist. "Das Adelsgut" ist eine Geschichte um Fjodor Lawretzki, der in seine russische Heimat zurückkehrt. Getrieben von der Liebe und doch nicht ganz zur Bindung fähig, so erscheint mir dieser Hauptcharakter zu sein. Dabei verkörpert er möglicherweise das Leben des Autors selbst. Um es mit Michail Schischkins Worten zu sagen: "Iwan Turgenjew hat sich mehrfach in seinem Leben in einer solchen Situation befunden, und jedes Mal haben ihn die Furcht vor Verantwortung für eine Familie und die Notwendigkeit, sich mit irdischen Sorgen zu belasten, zurückschrecken lassen." Fjodor hat sich in diesem Werk in Lisa, das unschuldige, junge Mädchen und Tochter seiner Cousine, verliebt. Zu dieser Zeit war Fjordor zwar noch mit Warwara verheiratet, allerdings schien diese Ehe mehr als gescheitert zu sein. Als er eines Tages vom Tod seiner Frau erfährt, scheint plötzlich das große Glück mit Lisa möglich. Doch diese entscheidet sich nach reiflichen Überlegungen ins Kloster zu gehen.

Turgenjew beschreibt sehr eindrucksvoll die Welt des Adels um 1842 - Beziehungen und das familiäre Verhalten. Auch Einflüsse des westlicheren Lebens, die der traditionellen russischen Ansicht gegenüberstehen, werden von Fjodor verkörpert.

Trotz dieser recht spannenden Themenwelt kann ich leider nicht sagen, dass mich dieses Buch sehr begeistert hat. Für mich war es äußerst schwierig den Faden zu behalten und das Wechselspiel zwischen den einzelnen Charakteren war so auch nicht gerade hilfreich. Die Beschreibungen und Bildwelt als solches finde ich für das Alter dieser Geschichte erstaunlich interessant, was vielleicht zusätzlich an der Neuübersetzung liegt. Das Nachwort von Michail Schischkin fand ich in diesem Fall ähnlich faszinierend und betrachte dies für eine weitere Einschätzung des Gelesenen als überaus hilfreich. Für Fans und geübtere Leser klassischer, russischer Literatur ist dieses Buch sicherlich ein Muss!

Veröffentlicht am 26.09.2019

Wie eine Lüge ganze Leben zerstören kann

Der Verrat
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Ellen Sandbergs Roman "Die Vergessenen" finde ich ja sehr großartig. Nun erschien vor einiger Zeit ihr neues Buch "Der Verrat", das den Leser in ein Weingut an der Saar einlädt. Doch hinter diesem renommierten, ...

Ellen Sandbergs Roman "Die Vergessenen" finde ich ja sehr großartig. Nun erschien vor einiger Zeit ihr neues Buch "Der Verrat", das den Leser in ein Weingut an der Saar einlädt. Doch hinter diesem renommierten, großen Hof, steckt eine große Familientragödie. Alles beginnt im Sommer 1997 als Pia sich in Thomas verliebt. Er hat einen Artikel über ihre Arbeit als Restaurateurin gelesen und besitzt zufällig ein sehr altes Bild, dass etwas Aufwand benötigt. Aus dem Auftrag entwickelt sich in recht kurzer Zeit mehr, sie heiraten und alles scheint toll, doch was sie bis dato nicht weiß, dass ihre Schwester Nane bereits vor ihr ein Verhältnis mit Thomas hatte. Für ihn war es einzig ein kurzzeitiger Spaß, für Nane jedoch die große Liebe, die dann schließlich im Stalking ihrerseits endete.
2018 wird Nane aus dem Gefängnis entlassen. Vieles hat sich geändert und sie scheint ihr Leben neu zu planen, doch die Frage was damals genau geschehen ist, lässt sie nicht los. Sie ist eine Mörderin. Sie wollte sich eigentlich an ihrer Schwester Pia rächen. Ein Autounfall sollte sie töten, doch in dem Auto saß nicht Pia, es war Henning, Thomas' Sohn. Und genau dafür ging sie in den Knast. Doch was sich damals wirklich abspielte, blieb nach wie vor geheim... bis ein Herzinfarkt alles neu ins Rollen bringt.

Ich würde jetzt so gerne sagen, dass es sich hier, ähnlich wie bei dem Vorgänger um einen tollen Roman handelte, doch bis auf den gleichen Aufbau, sind hier nur wenige Gemeinsamkeiten zu finden. Zu sehr driftet Ellen Sandberg mir hier in eine Familientragödie a la "Rote Rosen" ab. Ihre geschilderten Sexszenen finde ich eher peinlich, viele Charaktere mehr nervig, als toll. Ihr Schreibstil ist gut, aber der Geschichte selbst fehlte etwas oder es war in diesem Fall einfach zu viel. Zu viel Tragik, zu viele einzelne Personen, Flüche, Ereignisse. Selbst das Ende war in diesem Fall beinahe vorherzusehen und hat mich nicht aufs Geringste überrascht. Ich wollte das Buch mehrfach abbrechen, weil es mich um ehrlich zu sein doch recht genervt hat und doch hatte ich eigentlich noch Hoffnung auf Besserung, aber naja... ich wurde enttäuscht. Daher gibt's von mir hier auch nur eine 2-Sterne-Bewertung und die Hoffnung, dass der nächste Roman wieder besser wird und er dann keine fragwürdigen Familiengeheimnisse enthält.

Veröffentlicht am 26.09.2019

"Sind sie denn alle blind? Das bin ich!"

Farbenblind
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"Farbenblind" ist das Buch von und über den international bekannten Comedian Trevor Noah. Dieses ist bereits 2017 im Blessing Verlag erschienen und mir seit dem immer wieder begegnet oder begeistert empfohlen ...

"Farbenblind" ist das Buch von und über den international bekannten Comedian Trevor Noah. Dieses ist bereits 2017 im Blessing Verlag erschienen und mir seit dem immer wieder begegnet oder begeistert empfohlen worden. Nun habe ich es gelesen und was soll ich sagen? Es ist eine sehr aufwühlende und faszinierende Geschichte über einen Jungen, der zu einer politisch recht fragwürdigen Zeit bereits als Verbrechen geboren wurde. Er ist weder weiß noch schwarz, Rassenvermischungen durften damals nicht sein und waren illegal. Er, als Sohn einer Xhosa und eines Schweizers, wächst in der Zeit des Apartheitsregime in der südafrikanischen Township Soweto auf. Seine Mutter ist eine Rebellin, eine Kämperin und Gottesgläubige. So kommt es auch immer wieder zu neuen Herausforderungen (natürlich von Gott geschickt) denen beide sich stellen müssen. Trevor erzählt nun in seinem Buch 18 Geschichten bzw. Erlebnisse aus den verschiedensten Jahren. Anfangs als er sich nie wirklich mit seiner Mutter oder Vater zeigen durfte und sich daher hauptsächlich in Räumen aufhielt. Er erzählt von dem Vorfall als ihn seine Mutter aus einen fahrenden Bus stößt um ihm das Leben zu retten oder anderen Vorfällen, wie er einmal gestohlen hat und als Weißer durchging, von seinen ersten Erfahrungen mit Mädchen...

"Wenn ein amerikanischer Ureinwohner zu den Wölfen betet, ist er ein Wilder. Wenn ein Afrikaner zu seinen Vorfahren betet, ist er primitiv. Aber wenn Weiße zu einem Typen beten, der Wasser in Wein verwandelt, tja, dann ist das vollkommen vernünftig."

Auch wenn es mir schwer fällt hier meine Meinung zu äußern... Dieses Buch ist einfach nichts für mich. Ich kam in seine Erzählweise nicht rein und hab mich trotz der verrückten Umstände, in denen er aufgewachsen ist, mehr oder weniger gelangweilt. Die Zwischenkapitel, die jede Erzählung von einander trennen, enthalten genaueres über die Situation des Landes oder weitere Erklärungen und Gedanken, waren für mich persönlich leider oftmals spannender als jede der 18 Geschichten selbst. Ich weiß nicht warum, denn eigentlich bin ich ein großer Fan besonderer, biografischer Geschichten, aber hier ist der Funke einfach nicht übergesprungen. Gut, ich muss auch zugeben ich Trevor Noah überhaupt nicht kenne und seine Berühmtheit quasi auch an mir vorbeigezogen ist. Vielleicht ist es daher auch schwieriger eine Bindung zu dem Gelesenen aufzubauen, vielleicht ist sein unterschwelliger Humor auch einfach mit meinem Sinn nach Komik nicht kompatibel oder ich habe einfach gänzlich was anderes unter "ein fesselndes Buch - aufrüttelnd, traurig, komisch" erwartet.
Auch wenn ich gerne die Begeisterung aller anderen über dieses Buch teilen würde, möchte ich an dieser Stelle dazu raten sich zunächst etwas mit Trevor Noah zu beschäftigen. Sofern man auf einer ähnlichen Wellenlänge mit ihm ist, ist diese 'Autobiografie' sicherlich super, aber so kann ich in diesem Fall nur zwei Sterne geben, denn mehr ist einfach nicht drin.

Veröffentlicht am 26.09.2019

Ein dahinplätschernder Urlaub mit Konfliktstellung

So also endet die Welt
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Mit einem recht typisches Urlaubs-Szenario beginnt Philip Teirs Roman "So also endet die Welt" . Julia und Erik wollen gemeinsam mit ihren Kindern Anton und Alice Urlaub im familiären Sommerhaus an der ...

Mit einem recht typisches Urlaubs-Szenario beginnt Philip Teirs Roman "So also endet die Welt" . Julia und Erik wollen gemeinsam mit ihren Kindern Anton und Alice Urlaub im familiären Sommerhaus an der finnischen Westküste machen. Sie ist eine bekannte Autorin, möchte ihrer Schreibblockade entfliehen und hier versuchen einen zweiten Roman zu schreiben. Erik wurde kurz vor ihrem Urlaub entlassen und versucht dies vor seiner Frau geheim zu halten und die Zeit zu nutzen eine neue Lösung zu finden. Die beiden Kinder scheinen von der kleinen Idylle mitten in der Natur ohne (viel) Netz und Freunden nicht ganz so begeistert zu sein. Doch mit der Zeit ändert sich alles. Julia zieht sich immer weiter zurück und Erik verfällt dem Alkohol. Als dann noch Julias Jugendfreundin Marika mit einer Gruppe von Umweltaktivisten oder besser gesagt neumodischen Hippiegruppe auftaucht, scheint die Familie noch einmal vor ganz neuen Herausforderungen zu stehen - Eine neue Liebe, neue Erkenntnisse, ein Besuch der Eltern, neue Lebensformen und der Beseitigung ihrer inneren Konflikte.

"Zehn Wochen, dachte Julia jetzt.[...] Erst vor einer Stunde hatte sie darüber fantasiert, allein mit den Kindern zu leben, über ein anderes Leben, und als se sich jetzt an diese Vorstellung zurückerinnerte, kam sie ihr absurd vor."

Ach, was soll ich sagen? Wie der Klappentext schon verrät, passiert in diesem Roman zwischenmenschlich sehr viel. Philip Teir gibt seinen Charakteren sehr viel Raum und so entwickelt sich jeder unabhängig von den anderen und wirklich jeder bringt seine Probleme mit sich. Auch das aktuell recht wichtige Umweltthema scheint anfangs eine wichtige Rolle zu spielen, doch egal wie ich die Geschichte drehe und wende, am Ende bin ich von diesem Roman sehr enttäuscht. Philip Teir startet noch ganz gut und das erste Drittel würde ich sogar noch mit Maja Lundes "Die Geschichte des Wassers" vergleichen, doch dann driftet der gut geschriebene und unterhaltsame Roman in eine Geschichte ohne Tiefgang und wirkliche Aussagekraft ab. Alles plätschert dahin und alle Familienmitglieder kämpfen mit ihren inneren Konflikten. Als es dann schließlich um die Klimaerwärmung und die 'Hippie'Gruppe von nebenan geht, hatte ich zunächst die Hoffnung, dass sich hier nun das Ende der Welt nach und nach auftut. Doch das Ende sieht dann ganz anders aus... einzelne Probleme lösen sich und alles endet in einer neuen Aufbruchsstimmung.
Zwischendurch habe ich mich dann immer wieder gefragt, ob es vielleicht ein typisches Merkmal eines männlichen Autors bei solchen Geschichten wäre, dass hin und wieder gänzlich aus dem Nichts Informationen wie die Periode der Tochter Alice oder auch Sex ins Spiel kommen. Vielleicht ist es aber auch nur Zufall und unterstützt hier zahlreich den Plot... (Ironie) Jedenfalls die Grundidee des Romans finde ich gut, doch die Geschichte selbst ist stark ausbaufähig und somit kann ich hier weder eine Empfehlung aussprechen, noch mehr als 2 Sterne vergeben.