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Veröffentlicht am 09.10.2016

Des Vaters letzte Reise

Niemand weiß, wie spät es ist
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" Und auch, wenn ich wie wir alle den Sinn nicht erkennen kann, möchte ich auf den Sinn wetten. Das macht unser Leben einfach größer und erfüllter.

Als Nora Weilheim zur Testamentsverlesung ihres Vaters ...

" Und auch, wenn ich wie wir alle den Sinn nicht erkennen kann, möchte ich auf den Sinn wetten. Das macht unser Leben einfach größer und erfüllter.

Als Nora Weilheim zur Testamentsverlesung ihres Vaters vorgeladen wird, muss sie sich mit einer ungewöhnlichen Bitte des Verstorbenen auseinandersetzen. Er hat verfügt, dass Nora unter notarieller Aufsicht eine Reise absolvieren muss, die sie quer durch Österreich führen wird und erst nach Erfüllung dieser Aufgabe, wird die Nachlassverfügung aktiv. Etwas missmutig gestimmt macht sich die junge Frau auf den Weg. Der ihr zugeteilte Begleiter treibt sie in seiner Spießigkeit an den Rand der Verzweiflung und wächst ihr doch nach und nach ans Herz. Doch noch bevor die beiden ihr Ziel erreicht haben, machen sie eine folgenschwere Entdeckung, denn Noras Vater bezweckt mit dieser organisierten Wanderung noch etwas ganz anderes ...

Dieser Roman überrascht mit einer humorvoll-traurigen Geschichte, die ebenso profan wie besonders ist. Eine durchaus realistische Ausgangssituation wird hier zur Bewährungsprobe und bewirkt eine charakterliche Veränderung samt Weiterentwicklung bei den Protagonisten.

Der Autor schickt die arbeitslose, chaotische Nora, die keine besonderen Lebenspläne hat und sich eher auf Sinnsuche befindet mit dem anscheinend organisierten, pedantischen und veganen Bernhardt auf eine ganz besondere Reise. Die Charaktere sind liebevoll und detailliert beschrieben, so dass man als Leser beide Figuren mag und ihre Kauzigkeit zu schätzen weiß.

Mittels Brief- bzw. Videobotschaften gibt Noras Vater die Etappenziele bekannt und offenbart in seinen posthumen Ansprachen viele Emotionen, gibt Dinge preis, von denen seine Tochter nichts wusste und erzählt von der großen Liebe zu seiner frühzeitig verstorbenen Frau, Noras Mutter. Gerade diese Sequenzen haben viele philosophische Denkansätze und zeugen von Lebenserfahrung und großer Liebe. Der Transfer an den Leser gelingt hier mühelos.

Zeitweise verläuft die Geschichte etwas handlungsarm, gewinnt aber durch eine unerwartete Wendung in den Beziehungsverhältnissen zwischen Nora und ihrem Begleiter wieder an Schwung und Aussagekraft, so dass ein rundherum gelungener Wohlfühlroman entsteht, der direkt aus dem Leben gegriffen scheint.

Ich vergebe 4,5 Lesesterne (aufgerundet 5) für diese herzliche, direkte und emotionale Geschichte, die mich mit humorvollen Sequenzen, tiefen Wahrheiten und traurigen Erkenntnissen überzeugen konnte. Eine Geschichte, die davon erzählt, wie wichtig es ist, offene und aufrichtige Beziehungen zu führen, wie bedeutsam die Liebe für den Menschen sein kann und auch, dass es niemals zu spät ist, über seine Verfehlungen nachzudenken und einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Das Thema Trauer wird hier nicht stilisiert sondern als eine Möglichkeit geschildert, die sich bietet, um Resümee zu ziehen. Sehr ehrlich, sehr wahr und absolut lesenswert.





Veröffentlicht am 07.10.2016

Das Spiel deines Lebens

Golden Boy
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„Denn was wir entdecken, wenn wir meinen, wir könnten die Gedanken eines anderen lesen, sind nur unsere eigenen, abgeschwächten Erwartungen an sie.“

Inhalt

Die beiden Brüder Radha und Manjuth Kumar haben ...

„Denn was wir entdecken, wenn wir meinen, wir könnten die Gedanken eines anderen lesen, sind nur unsere eigenen, abgeschwächten Erwartungen an sie.“

Inhalt

Die beiden Brüder Radha und Manjuth Kumar haben als angehende Profi-Cricket-Spieler die einmalige Chance, ihrem Leben in den indischen Slums zu entkommen und sich stattdessen ein selbstbestimmtes, finanziell unabhängiges Leben aufzubauen. Für diese Möglichkeit gibt ihr ehrgeiziger Vater alles und sorgt mit rigiden Erziehungsmaßnahmen dafür, dass sich die Heranwachsenden seinem Willen unterordnen. Tatsächlich gelingt es dem jüngeren Bruder Manju, sich als „Golden Boy“ in die Herzen der Zuschauer und seiner reichen Mäzene zu spielen, doch während seine Cricket-Karriere auf den Höhepunkt zusteuert, erkennt er, wie unfrei und abhängig er immer bleiben wird, ganz egal wie seine Leistungen sein werden und er beschließt kurzerhand, dem geliebten Sport zu entsagen, um seinem Herzen zu folgen …

Meinung

Dies war mein erster Roman aus der Feder eines indischen Autors und ich habe auch keinen kulturellen Bezug zu dem Land, so dass ich mich vollkommen offen und ohne besondere Erwartungen an diesen Roman aus dem C.H. Beck Verlag gewagt habe. Leider musste ich bereits im ersten Viertel erkennen, dass meine Unwissenheit bezüglich des gesellschaftlichen Hintergrunds zu einiger Verwirrung führte. Gerade die ständigen Namens- und Ortsbeschreibungen, ergaben für mich kaum einen Sinn und ich habe sie oftmals überlesen, um den Lesefluss aufrecht zu erhalten. Der Schreibstil selbst ist auch nicht ohne, denn Herr Adiga vollzieht ungewöhnliche Zeitsprünge und wechselt die Erzählperspektiven sehr häufig und ohne erkennbares Muster.

Erst nach gut der Hälfte des Romans entwickelt sich die eigentliche Erzählung, eine Geschichte, die den Leser in ein fremdes Land entführt, in dem der Sport eine derart wichtige Rolle einnimmt, dass er sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht und das Leben vieler junger Inder beeinflusst. Aravind Adiga schildert nicht nur eine besondere Konkurrenzsituation zwischen Brüdern, sondern auch ein gestörtes Vater-Sohn-Verhältnis. Er prangert die Korruption einer Gesellschaftsschicht an, beschreibt aber auch die Aussichtslosigkeit einer Rebellion und er vermag es, die Hoffnungslosigkeit und Querelen, die man als Beteiligter unmittelbar und tagtäglich erlebt sehr intensiv und nachhaltig zu beschreiben. Für die aufstrebenden Sternchen am berühmten Sportlerhimmel steht immer alles auf dem Spiel und sobald man einen Rekord gebrochen hat, wird der nächste prompt erwartet. Die individuelle Prägung, die persönliche Motivation bleibt auf der Strecke und ein Scheitern auf dem Parcour ist gleichbedeutend mit einem Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit. Und ebenso dramatisch und traurig gestaltet sich auch der Weg der Kumar-Brüder, die ihre erlangte Position nicht erfüllen und auf der Suche sind, nach einer anderen Freiheit, einer Freiheit jenseits ihres begrenzten Umfeldes.

Fazit

Ich vergebe wohlwollend 3 Lesesterne für diesen Roman, der sich für mich nur schwer erschließen ließ, weil ich immer das Gefühl hatte, die Grundaussage nicht recht zu verstehen und irgendeinen wichtigen Punkt nicht zu fassen bekam. Zahlreiche angerissene Themen und willkürliche Handlungssprünge haben das Lesen ebenfalls negativ beeinflusst. So dass ich nicht zuordnen konnte, ob es nun um das Erwachsenwerden, die eigene sexuelle Orientierung, den Umgang mit öffentlichen Anschuldigungen oder ein schwieriges persönliches Familienleben ging. Es ist ein bisschen von allem und doch nichts Ganzes. Hin und wieder blitzte dann doch ein Gedankengang auf, der mich kurzzeitig interessierte und die Hoffnung auf eine tiefere Wahrheit hat mich bis zum Schluss nicht ganz verlassen. Vielleicht ist dies kein Buch, welches man als Einsteigerlektüre in die indische Schreibkultur nehmen sollte, dafür ist es zu komplex.

Veröffentlicht am 29.09.2016

Vom Wunder eines zweiten Lebens

Noah will nach Hause
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„So viele Leben, es erschien logisch, dass sie alle miteinander zusammenhingen. Sie hatten es nur vergessen, das war alles.“
Janie liebt ihren 4-jährigen Sohn Noah über alles und möchte ihn nicht als ...

„So viele Leben, es erschien logisch, dass sie alle miteinander zusammenhingen. Sie hatten es nur vergessen, das war alles.“
Janie liebt ihren 4-jährigen Sohn Noah über alles und möchte ihn nicht als Patient der Psychiatrie einstufen lassen, obwohl er Dinge benennt, von denen er nichts wissen kann und in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt. Fieberhaft sucht sie nach einer Lösung für ihr persönliches Problem und lernt den Wissenschaftler Anderson kennen, der bereits zahlreiche Forschungen an thailändischen Kindern durchgeführt hat. Sein Fachgebiet, welches von vielen nur müde belächelt wird, ist die Erforschung des Phänomens Wiedergeburt. Seine Studien wecken in Janie die große Hoffnung, für Noah eine passende Lösung zu finden. Doch sein letzter großer Fall wird für Anderson eine Herausforderung, vor allem in einem Kulturkreis, der an ein Leben nach dem Tod nur wiederwillig glauben mag.
In ihrem Debütroman widmet sich die amerikanische Autorin Sharon Guskin einer recht ungewöhnlichen Thematik für einen Roman. Und gerade diese Besonderheit verleiht dem Buch einem besonderen Reiz, weil man sich als Leser in die Lage der verzweifelten Mutter hineinversetzt und versucht, ihre Gedanken und Hoffnungen zu verstehen. Tatsächlich scheint es der mangelnde Glaube unseres Kulturkreises zu sein, der die Möglichkeit eines zweiten Lebens in einem anderen Körper ausschließt, auch wenn darin viel Potential und ungeahnte Möglichkeiten schlummern.
Die Lebensgeschichte von Noah ist eine sehr schöne Umsetzung, die eindeutig das Augenmerk auf die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind legt und weniger auf philosophisch, spirituelle Erkenntnis. Der Schreibstil liest sich locker und leicht und es kommt auch kein Schwermut auf, die Sprache selbst ist sehr einfach gehalten und verzichtet bewusst auf einen komplizierten Satzbau. Manchmal war es mir etwas zu schlicht, fast profan. Besondern einprägsam fand ich die differenzierte Auseinandersetzung mit der Mutterrolle. Denn Frau Guskin beschreibt nicht nur die verzweifelt suchende Mutter Janie, sondern auch die verzweifelt hoffende Mutter Denise, deren Sohn Opfer eines Verbrechens wurde und nun im Körper von Noah weiterlebt. Bei all diesen Verflechtungen steht die Liebe im Vordergrund und der Glaube daran, dass es nicht immer schlecht sein muss, eine geliebte Person zu verlieren, sondern das es auch Freude bedeuten kann sie wiederzufinden und dabei festzustellen, dass es im Leben manchmal mehr gibt, als man auf den ersten Blick erfassen kann. Die Hoffnung, die sich daraus für den eigenen Lebensweg ergibt, beinhaltet die Kernaussage des Buches. Dieser Roman stimmt nachdenklich, fröhlich und traurig und appelliert an die Emotionen des Lesers.
Fazit: Ich vergebe 4 Lesesterne und eine Leseempfehlung für diesen Roman, der zwei Lebenswege auf ungewöhnliche Art und Weise verbindet, der Menschen zusammenführt und trennt, der die schönen Seiten des Lebens zeigt und dem Tod den Schrecken nimmt. Eine alles umfassende Theorie, die man zwar nicht glauben muss aber über die es sich nachzudenken lohnt, weil sie die Chance auf ein Wunder offenbart, zu Herzen geht und einen Hoffnungsschimmer hinterlässt, auch dort wo eigentlich nur Trauer und Unverständnis herrscht. Das einzige, was ich etwas vermisst habe war der Tiefgang in der Erzählung, die Bedeutung der Geschehnisse für den Einzelnen, der Blick hinter die Dinge und die Frage nach dem Warum. Ich vermute aber, diese Erzählweise wurde bewusst gewählt, damit jeder Leser seine eigenen Interpretationen anstellen kann und Antworten findet, die nirgends geschrieben stehen.

Veröffentlicht am 27.09.2016

Der Zerfall einer einst intakten Familie

So glücklich wir waren
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„Geheimnisse machen einen stark, aber auch einsam. Sie quälen vor allem diejenigen, die sie hüten.“

Inhalt

Alma findet nach Jahren des Schweigens endlich den Mut ihrer schwangeren Tochter Antonia von ...

„Geheimnisse machen einen stark, aber auch einsam. Sie quälen vor allem diejenigen, die sie hüten.“

Inhalt

Alma findet nach Jahren des Schweigens endlich den Mut ihrer schwangeren Tochter Antonia von ihrer eigenen Vergangenheit zu erzählen, von einem Elternhaus, welches innerhalb weniger Jahre komplett zerbrach. Ein Vater der nach Depressionen eines Tages Selbstmord beging, eine Mutter, die dem schweren Krebsleiden erlag und ein drogensüchtiger Bruder, der über Nacht verschwand. So schmerzhaft auch ihr eigenes Leben war, so sehr wünscht sich die Mutter, dass Antonia unbeschwert durch die Schwangerschaft gehen kann und erkennt, welches Potential aber auch welche Verantwortung eine eigene Familie mit sich bringt. Und so macht sich Antonia auf die Reise nach Ferrara in die Heimatstadt ihrer Mutter, um dort vor Ort die Gegebenheiten zu erkunden und herauszufinden, was damals wirklich geschah …

Meinung

Nachdem ich in diesem Jahr schon einige italienische Romane gelesen habe, war ich sehr gespannt auf diesen hier aus der Feder von Daria Bignardi, von der ich bisher noch kein weiteres Buch kenne. Der Klappentext verspricht einen großartigen Thriller der Gefühle und macht neugierig. Und tatsächlich fesselt die Erzählung von Beginn an und die Intensität der geschriebenen Worte nimmt im Verlauf der Geschichte sogar noch zu, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.

Ein sehr bildlicher Schreibstil, hervorragend herausgearbeitete Charaktere, die allesamt ganz verschiedene Eigenschaften besitzen und dadurch sehr menschlich wirken und nicht zuletzt ansprechende Landschaftsbeschreibungen haben mich überzeugt. Schriftstellerisches Können garantiert hier niveauvolle Lesestunden, mit einer Familie, die mir am Ende der Erzählung trotz meines erworbenen Wissens relativ fremd geblieben ist. Besonders hervorheben möchte ich die Vielschichtigkeit dieser dramatischen Familiengeschichte, die so viele Emotionen beherbergt und an so vielen Stellen durch leise bröckelnde Mauern zum Einsturz gebracht wurde. Die Tragik liegt für mich nämlich nicht nur in der Schicksalshaftigkeit, die durch äußere Umstände den Mitgliedern der Familie aufgebürdet wurde (Drogensucht, Depression), sondern in erster Linie durch eine selbstauferlegte Schuld, die sich durch kontinuierliches Schweigen von einer in die nächste Generation fortsetzt. Der Leser begegnet hier in zwei verschiedenen Erzählsträngen einmal der Mutter und dann der Tochter, die sich nicht wirklich nahestehen und doch versuchen die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu verstehen. Man spürt auf jeder Seite den Wunsch, reinen Tisch zu machen, den Dingen auf den Grund zu gehen und vergangene Unterlassungen zu beheben. Leider bewirkt die Aufklärung der Vergangenheit nicht das gewünschte Resultat, denn wo jahrelanges Schweigen herrschte, bringt neue Erkenntnis auch keine tiefere, schmerzlosere Wahrheit.

Fazit

Ich vergebe 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung für diesen anspruchsvollen, facettenreichen Familienroman, der durch eine bewegte Vergangenheit führt und den Leser für die Befindlichkeiten und Mängel in einem einst intakten Familienverband sensibilisiert. Auch wenn ich mich mit vielen Handlungen nicht identifizieren konnte, schließt sich der Kreis der Geschichte und nach Beenden der Lektüre lässt sich noch lange über die Inhalte reflektieren. Ein Roman mit Nachklang und einer echten Botschaft, nämlich der Tatsache, dass persönliches Glück auch sehr eng damit in Verbindung steht, wie gut es dem Individuum gelingt menschliche Nähe aufzubauen und zu erhalten.

Veröffentlicht am 26.09.2016

Ein Leben im Krieg, ein Leben in Freiheit

Marlene
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„Im Krieg gibt es keine Guten. Das Gute ist eine Illusion, über die der Teufel lacht.“

Inhalt

Marlene Kalten agiert im Verborgenen als Widerstandskämpferin gegen das Naziregime und versucht mittels Spionage ...

„Im Krieg gibt es keine Guten. Das Gute ist eine Illusion, über die der Teufel lacht.“

Inhalt

Marlene Kalten agiert im Verborgenen als Widerstandskämpferin gegen das Naziregime und versucht mittels Spionage die geplanten Angriffe und strategischen Zielstellungen der überzeugten Nationalsozialisten zu vereiteln. Immer wieder gerät sie dabei in höchste Lebensgefahr, aus der sie manchmal nur der Zufall und dann wieder ihr unerbittlicher Einsatz rettet. Marlene muss jedoch einsehen, dass der Krieg jedes Opfer fordert, welches er kriegen kann und ihr Lebensziel richtet sie bald nur noch nach einer Prämisse aus: Überleben um jeden Preis, ganz egal wie erniedrigend und grausam die Rahmenbedingungen sind, nur ihr Wille wird sie retten. Rückblickend erzählt die mittlerweile betagte Frau, die mit Geburtsnamen Anna von Dürkheim heißt, von den menschenvernichtenden Maßnahmen der Deutschen Naziregierung, von einem Leben unter Zwang, Folter, Vergewaltigung und Hunger und dem steten Lauf der Zeit, der es ihr dennoch ermöglichte, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Ein Leben in Freiheit, nach Jahren der Entbehrung …

Meinung

„Marlene“ ist der Nachfolgeroman zu „Honigtot“, der bereits im Jahre 2014 erschien und bildet mit diesem eine Einheit, wobei man auch problemlos mit dem zweiten Band beginnen kann, so wie ich es getan habe. Auf gut 500 Seiten entwirft Hanni Münzer nicht nur das Portrait einer starken Frau, die sich weder Vorschriften machen lässt noch an ihrem gesunden Menschenverstand zweifelt, sie zeigt auch vorzüglich die Umstände und Lebensbedingungen der Menschen unter der Herrschaft der Nationalsozialisten auf. Und so ergibt sich ein rundherum gelungener, historisch beeindruckender Roman der auf jeder Seite überzeugt. Fiktion und Realität vermischen sich kaum merklich und die Gesellschaftskritik wirkt wie ein Spiegel, denn als Leser erkennt man durch die verschiedenen, gut herausgearbeiteten Charaktere, wie Menschen in Krisensituationen reagieren, welchen Mut sie beweisen oder welche Schuld sie auf sich laden. Besonders fasziniert hat mich nicht die fast heldenhafte Protagonistin, sondern vielmehr das Zusammenspiel der vereinten Kräfte im Kampf gegen die Übermacht des Bösen. Menschliche Werte wie Treue, Zusammenhalt, Liebe und Zuwendung beleben hier ganz entscheidend die Entwicklung, denn nur dadurch konnte eine alles umfassende Aufbruchstimmung nach Ende des 2. Weltkrieges entstehen.

Fazit

Ich vergebe 5 Lesesterne für diesen mitreißenden, emotionalen, historischen Roman, der tatsächlich großes „Kopfkino“ bietet, ebenso wie es der Aufkleber des Verlages verspricht. Für mich war das Lesen ein großes Vergnügen und mein Interesse an historisch orientierten Romanen ist dadurch erneut geweckt. Ich möchte „Marlene“ gerne zu einem Lesehighlight des Jahres 2016 küren, weil dieser Roman fast schon epochale Züge aufweist und doch nur von den turbulenten Geschehnissen eines Menschenlebens berichtet. Es hat mir ausgesprochen gut gefallen, wie die großen Ereignisse im inneren eines Landes aufgegriffen werden und die Schnittpunkte mit der Geschichte eines Individuums vereint werden. Daumen hoch für diesen spannenden Schmöker. Den Vorgänger setze ich nun auch auf meine Wunschliste.