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jules_jude

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.04.2023

Feinfühliges und leise erzähltes Porträt einer Stadt und deren Bewohner

Das Café ohne Namen
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Unaufgeregt und mit feiner Beobachtungsgabe erzählt Robert Seethaler in seinem Roman "Das Café ohne Namen" von Robert Simon, der am Anfang des Buches noch Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitenmarkt in ...

Unaufgeregt und mit feiner Beobachtungsgabe erzählt Robert Seethaler in seinem Roman "Das Café ohne Namen" von Robert Simon, der am Anfang des Buches noch Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitenmarkt in Wien in den 1960er-Jahren ist. Zwanzig Jahre nach Kriegsende befindet sich Wien im Aufbruch und Robert Simon ergreift die Gelegenheit und erwirbt ein Café. Bald schon wird sein Café Treffpunkt der arbeitenden und ärmeren Bevölkerungsschicht, die in seinem Café für einen Moment ihren tristen und harten Alltag für entfliehen können. Im Verlaufe der Geschichte begegnet man ehemaligen Näherinnen, Boxern, Künstlern, Metzgern oder auch Obdachlosen und wird Zeuge ihrer Wünsche und Sehnsüchte. So entsteht ein feinfühliges Gesellschafts- und Zeitporträt von Wien in den 60er- und 70er-Jahren.

Wie der Titel des Romanes schon andeutet, hat Robert Simons Café keinen Namen. Demzufolge steht auch nicht das Café an sich, sondern die unterschiedlichen porträtierten Personen im Vordergrund der spärchlichen Handlung, allen voran sein Besitzer Simon, seine Gäste und seine Angestellten. Mit viel Gespür für die leisen Töne, zeichnet Seethaler ein einfühlsames und differenziertes Bild der einzelnen Charaktere und erzählt hierbei fast schon vignettenhaft von einzelnen Ereignissen in deren Leben. Es kommt dabei gelegentlich zu großen Zeitsprüngen, die die ansonst flüssig und stimmungsvoll sowie leicht melancholischen erzählte Handlung etwas sprunghaft und zusammenhangslos erscheinen lässt. Der Sogwirkung des Romans tut diesen jedoch keinen Abbruch, die trotz der ereignisarmen Handlung entsteht.

"Das Café ohne Namen" ist ein Roman, der erst nach und nach seine Wirkung voll erzielt und den man erst auf sich wirken lassen muss. Hier ist kein Wort zu viel, es kommt auf die Zwischentöne an. Es ist ein leises und gefühlvolles Porträt einer Stadt im Wandeln und eines ärmeren sozialen Milieus. Lediglich etwas weniger große Zeitsprünge hätten der Handlung gutgetan.
Nicht nur für Fans von Robert Seethaler empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 22.04.2023

Lauwarme Mördersuche auf einer Insel

Wenn Worte töten
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Als Ex-Polizist und jetzt Privatdetektiv Daniel Hawthorne und der Autor Anthony Horowitz zu einem exklusiven Literaturfestival auf die Insel Alderney eingeladen werden, ahnen sie noch nicht, dass sie sich ...

Als Ex-Polizist und jetzt Privatdetektiv Daniel Hawthorne und der Autor Anthony Horowitz zu einem exklusiven Literaturfestival auf die Insel Alderney eingeladen werden, ahnen sie noch nicht, dass sie sich bald mitten in einer Mordermittlung wiederfinden. Zunächst verläuft noch alles wie geplant im Verlauf des Literaturfestivals. Hawthorne und Horowitz lernen die anderen Festivalgäste kennen, darunter eine blinde Wahrsagerin, französische Dichterin, ein bekannter Fernsehkoch, ein Historiker und ein Kinderbuchautor. Jedoch schon kurz nach Beginn des Festivals wird der Geldgeber des Literaturfestivals unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden. Daraufhin wird die Insel abgeriegelt, niemand darf sie betreten oder verlassen. Steht der Mord im Zusammenhang mit einem geplanten Stromprojekt auf der Insel oder ist der Mörder unter den Gästen des Literaturfestivals zu finden? Hawthorne und Horowitz beginnen zu ermitteln.

Eines muss man Horowitz lassen, er schafft es unterhaltsame und gut zu lesende Krimis zu schreiben, die in der Regel mit gut konstruierten Handlungsverläufen überzeugen können. Er versteht es, den Leser zu fesseln, indem er immer wieder infrage stellt, wer der Mörder sein könnte. Man kennt alle Verdächtigen, man hat alle Hinweise gehört, aber trotzdem kann die Auflösung am Ende überraschen.
Leider konnte mich dieser Kriminalroman im Kriminalroman nicht so wirklich begeistern, wie ich mir das erhofft habe.
Zum einen fiel es mir schwer, mich mit der Dynamik zwischen Hawthorne und Horowitz anzufreunden. Sie arbeiteten nicht wirklich zusammen, sondern eher jeder für sich und Hawthorne ließ Horowitz manchmal etwas dümmlich dastehen. Sympathisch ist was anderes.
Was die Handlung angeht, begann diese vielversprechend und erinnerte stellenweise an locked-room-Krimis à la Agatha Christie. So richtig außergewöhnlich und fesselnd ist "Wenn Worte töten" jedoch im Vergleich zu diesen jedoch nicht.

Wer auf der Suche nach einem kurzweiligen und unterhaltsamen Krimi ist und Fan von Horowitz, wird Gefallen am dritten Band um Horowitz und Hawthorne finden. Ein Muss ist jedoch nicht.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Temporeicher Agententhriller, aber auch nicht mehr

Seventeen
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"Seventeen" von John Brownlow handelt von 17, dem besten Auftragskiller der Welt. Die Bezeichnung "17" deswegen, weil vor ihm sechzehn andere Leute davor seinen Posten innehatten. Er ist weltweit gefürchtet ...

"Seventeen" von John Brownlow handelt von 17, dem besten Auftragskiller der Welt. Die Bezeichnung "17" deswegen, weil vor ihm sechzehn andere Leute davor seinen Posten innehatten. Er ist weltweit gefürchtet außer von einem sein Vorgänger, Agent Nr. 16, der vor einiger Zeit spurlos verschwunden ist. Als 17 den Auftrag erhält, 16 zu finden und zu töten, geht die Mission schief, und aus dem Jäger wird der Gejagte. Doch die eigentliche Gefahr geht von jemand anderes aus.

"Seventeen" ist ein temporeicher und anspruchsloser Agenten-Thriller, der vor allem durch gute Nonstop-Action à la James Bond besticht.
Obwohl aus der Ich-Perspektive des Protagonisten geschrieben, bleibt die Charakterbeschreibung eher oberflächlich und inhaltliche Tiefe kommt zu keinem Zeitpunkt wirklich auf. Trotzdem gelingt es Agent Nr. 17 einem beim Lesen durch seine sarkastische und unterhaltsame Erzählweise die Leser*innen in seinen Bann zu ziehen und man folgt ihm gerne.
Von der Geschichte an sich sollte man sich jedoch nicht zu viel erwarten, "Seventeen" erfindet das Genre des Agententhrillers nicht neu. Die Handlung ist nicht sehr ausgeklügelt und hält wenig überraschende Wendungen bereit, eine typische 08/15-Agentengeschichte eben.

Dank der kurzen Kapitel und der hohen Erzählgeschwindigkeit schafft es der Thriller dennoch, Spannung zu erzeugen und für einen netten und actionreichen Zeitvertreib für zwischendurch zu sorgen.
Für Fans von James Bond und temporeicher Agentenromanen zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Fesselndes und wendungsreiches Katz-und-Maus-Spiel

Going Zero
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Zehn Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um die Spionagesoftware FUSION zu testen, die von Cy Baxter entwickelt wurde. Er behauptet, dass seine Software jeden überall auf der Welt aufspüren ...

Zehn Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um die Spionagesoftware FUSION zu testen, die von Cy Baxter entwickelt wurde. Er behauptet, dass seine Software jeden überall auf der Welt aufspüren kann, aber die ausgewählten Teilnehmer wollen ihm das Gegenteil beweisen. Sie haben genau 30 Tage Zeit, um unterzutauchen und unentdeckt von der Spionagesoftware zu bleiben. Wer es schafft, wird mit 3 Millionen Dollar belohnt. Doch nicht alle sind auf das Geld aus, Kaitlyn Day verfolgt ein anderes Ziel und ehe man sich versieht, ist aus dem Katz-und-Maus-Spiel ein spannender und wendungsreicher Roman geworden, in dem auch Liebesgeschichten und Agenten- und Geheimdiensttätigkeiten eine Rolle spielen.

Anfangs steht noch die Jagd auf die verschiedenen Teilnehmer mit unterschiedlichen Überwachungsprogrammen, allem voran die Jagd nach der auf den ersten Blick unscheinbaren Bibliothekarin Kaitlyn Day, die wider Erwartens der Software und dem Team um Cy Baster ständig entwischt, im Vordergrund. Wenn man bedenkt, all welche Methoden angewendet werden, um die Teilnehmer aufzuspüren wie z. B. mittels Auswertung von Kreditkartenkäufe, Internetsuchen, familiären und freundschaftlichen Bekanntenkreis oder Telefondaten, fühlt man sich beim Lesen auch selbst beobachtet, was ein leicht beklemmendes Gefühl auslöst. Doch als dann Kaitlyn ihr wahres Gesicht zeigt, nimmt der Roman noch mal so richtig an Fahrt auf und entwickelt sich in eine Richtung, die man so am Anfang nicht wirklich erwartet hat.

Der Spannungsbogen wird durch überraschende Wendungen konstant hochgehalten, sodass man dank der kurzen, aus verschiedenen Perspektiven geschriebenen Kapitel nur so durch die Seiten fliegt. Teils liest es sich wie ein Drehbuch und der Handlungsverlauf spielt sich wie ein fesselnder, actionreicher Film vor dem inneren Auge ab. Trotz der Schnelligkeit der Handlung schafft es der Autor hierbei, ein umfängliches Bild der unterschiedlichen Charaktere und deren Motivation zu zeichnen. Einzig Cy Baxter erschien mir manchmal etwas zu stereotypmäßig und blass in seiner Darstellung als unmoralischer Softwareentwickler.

"Going Zero" von Anthony McCarten ist ein Roman, der zum Nachdenken über unsere Abhängigkeit von der Technologie anregt und wie man durch sie überwacht wird bzw. werden kann. Er wirft viele Fragen zum Datenschutz auf, zum nie endenden Durst nach Macht und Kontrolle und zu den Mitteln, die Menschen für diese Kontrolle einsetzen.
Es ist ein gut geschriebener und packender Roman, der mit der Zeit an Komplexität gewinnt und sich zum Hightech-Thriller mit Regierungs- und Geheimdienstbeteiligung entwickelt.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Solider und unterhaltsamer, aber spannungsarmer Krimi

30 Tage Dunkelheit
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"30 Tage Dunkelheit" von Jenny Lund Madsen hat es mir nicht einfach gemacht.

Hannah ist eine angesehene Romanautorin, aber ihre Bücher verkaufen sich nicht gerade wie warme Semmeln. Zudem leidet sie momentan ...

"30 Tage Dunkelheit" von Jenny Lund Madsen hat es mir nicht einfach gemacht.

Hannah ist eine angesehene Romanautorin, aber ihre Bücher verkaufen sich nicht gerade wie warme Semmeln. Zudem leidet sie momentan unter einer Inspirationskrise. Sie reagiert vermehrt dünnhäutig, was auf einer Buchmesse dazu führt, dass sie in Anwesenheit eines Krimibestsellerautors übermütig behauptet, jeder könne innerhalb von 30 Tagen einen Krimi schreiben. Sie schließt eine Wette ab, dass sie genau das schaffen wird und reist dazu nach Island in ein kleines ruhiges Dorf. Doch mit der Ruhe ist schon bald Schluss, denn es taucht die Leiche eines Jungen auf. Bei dem ertrunkenen Jungen handelt es sich um den Sohn eines Fischers und schon bald wird aus literarischer Fiktion Wirklichkeit und Hannah wird in die Ermittlung hineingezogen, was nicht jedem im Dorf gefällt. Je näher Hannah dem Geheimnis kommt, umso gefährlicher wird es für sie.

Die Idee hinter dem Kriminalroman fand ich interessant und der Anfang hat mir noch gut gefallen. Ein unterhaltsamer und atmosphärischer Schreibstil zusammen mit einer vielversprechenden Handlung sorgen für flüssiges Lesen. Bis auf das Ende lässt der Kriminalroman jedoch an Spannung missen, einzig zum Ende hinnimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf, auch wenn von den Geschehnissen etwas zu überzogen dargestellt.
Anfangs hatte ich auch meine Probleme mit der Protagonistin Hannah warm zu werden, sie ist zynisch und kommt ziemlich unsympathisch rüber, was es schwierig macht, mit ihr mitzufiebern. Man ist eher genervt von ihr als Charakter, zum Ende hin wird es aber ein bisschen besser.
Zudem hatte ich auch das Gefühl, dass der Roman nicht wusste, ob er eher eine Parodie auf das Krimi-/Thrillergenre sein wollte oder ein literarisch angehauchter Kriminalroman. So konnte mich weder der Kriminalfall noch der kritische Blick auf die Buchbranche komplett überzeugen, obwohl beide Handlungsstränge an sich durchaus Potenzial hatten.

Trotz der inhaltlichen Schwächen ist "30 Tage Dunkelheit" ein gelungener Debütroman, der vor allem durch seinen flüssigen und stimmungsvollen Schreibstil überzeugen kann. Ein solider Krimi, mehr aber auch nicht.

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