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Veröffentlicht am 19.11.2025

Unser Held feiert Geburtstag

Gregs Tagebuch 20 - Bock auf Party?
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„Jedes Jahr bekommt man die eine Chance, sich etwas zu wünschen, was das ganze Leben verändern könnte. Aber wenn der Moment dann endlich da ist, ist der Druck oft viel zu groß.“

Greg hat Geburtstag und ...

„Jedes Jahr bekommt man die eine Chance, sich etwas zu wünschen, was das ganze Leben verändern könnte. Aber wenn der Moment dann endlich da ist, ist der Druck oft viel zu groß.“

Greg hat Geburtstag und wünscht sich nichts sehnlicher als… das perfekte Geschenk. Aber da das eigentlich noch nie geklappt hat, muss er sich zunächst überlegen, wie das Wünschen von Erfolg gekrönt sein könnte.

Ein großer Wunsch wäre eine legendäre, richtig coole Geburtstagsparty. Oder wenn das schon nicht klappt, dann wenigstens die eine wertvolle Sammelkarte. Seine Wünsche scheinen (wieder einmal) nicht in Erfüllung gehen zu wollen, genau genommen bahnen sich wieder jede Menge Katastrophen in Gregs Leben an…

„Bock auf Party?“ ist ein typisches Greg-Buch: Kurzweilig, toll bebildert, für Selbstleser. Die Story folgt dem gewohnten Ablauf: Greg befindet sich im Struggle mit dem Alltag eines Fast-Teenagers.
Was meinem Sohn besonders an diesem Band gefällt: Wir erfahren von Gregs Wünschen, es geht ums Sammeln und er feiert coole Partys. Das Buch ist sehr witzig.

Wie alle Greg-Bücher wurde auch dieses in Rekordgeschwindigkeit vom Kind selbst gelesen und dann an einen Freund weitergereicht. Es handelt sich um eine dieser Kinderbuchreihen, die tatsächlich die jungen Leser selbst abholen. Wer einen Lesemuffel zu einem Bücherwurm machen möchte, sollte ihn mit dieser Buchreihe zu locken versuchen. Oft ist das aber gar nicht nötig, weil sich im Freundeskreis schnell rumspricht, dass diese Bücher toll sind.

Als Erwachsene kann ich das gutheißen. Selbst wenn es zweifelsohne didaktisch wertvollere Bücher gibt, soll Lesen in erster Linie Spaß machen. Und den hat man, wenn man die Lektüre selbst aussuchen darf.

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Veröffentlicht am 29.10.2025

Menschen im Hotel

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels
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„Aber manchmal ist es leichter, die Unzulänglichkeiten eines Menschen, den du lieb hast, zu akzeptieren, als wenn du dir einredest, er könnte auch anders. Sonst wirst ja wahnsinnig."

Angelika Moser, ...



„Aber manchmal ist es leichter, die Unzulänglichkeiten eines Menschen, den du lieb hast, zu akzeptieren, als wenn du dir einredest, er könnte auch anders. Sonst wirst ja wahnsinnig."

Angelika Moser, Tochter einer alleinerziehenden Mutter, versucht im Wien der Achtziger Jahre aus dem Leben des „Hausmeisterbankerts“ auszubrechen und im Grand Hotel Frohner als Buchhalterin Karriere zu machen. Sie startet mit nichts als ihrer Ordnungsliebe und ihrem Stolz, ohne jegliche familiäre Unterstützung. Ganz im Gegenteil muss sie sich sogar von ihrer bestimmenden und urteilenden Mutter lösen, die für ihre Tochter nie ein vermeintlich besseres Leben vorgesehen hatte.

Wir begleiten Angelika für etwa 25 Jahre ihres Lebens. Das Leben einer Frau, die mehr als nur das uneheliche, ungebildete und arme Kind aus dem Gemeindebau sein möchte. Doch wie soll sie das ohne finanzielle Möglichkeiten schaffen? Wille und Ehrgeiz scheinen nicht auszureichen. Am Tiefpunkt ihrer Möglichkeiten und finanziellen Kräfte bietet sich ihr eine Chance auf Unterstützung, die verführerisches Ausbaupotential hat.

Fabula Rasa ist eine wunderbar groß-angelegte Geschichte, die uns die Möglichkeit bietet unsere Protagonistin ein Vierteljahrhundert zu begleiten ohne in Hast zu verfallen. Eine humorvolle, sehr echte und sympathische Geschichte. Dabei lässt Vea Kaiser auch die großen Themen nicht aus: Einsamkeit, Liebe, Geld.

Ich habe mich in diesem Roman so Zuhause gefühlt. Er hat mich über einige Tage begleitet und war ein großes Lesevergnügen. Man leidet, lacht und lebt mit Angelika.

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Veröffentlicht am 13.10.2025

DIe Welt in hundert Jahren

Was wir wissen können
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„Vierzehn junge [Student*innen] hingen in sich zusammengesunken um den Tisch. Sie waren mit den Folgen aufgewachsen, hatten schon ihre Großeltern endlos darüber reden hören. Die Vergangenheit war bevölkert ...


„Vierzehn junge [Student*innen] hingen in sich zusammengesunken um den Tisch. Sie waren mit den Folgen aufgewachsen, hatten schon ihre Großeltern endlos darüber reden hören. Die Vergangenheit war bevölkert von Idioten. Wen interessiert’s? Das Thema war abgehakt. Die jungen Leute saßen hier, weil der Kurs Pflicht war. Sie selbst waren längst weiter.“

So sehen das die jungen Menschen der Zukunft, wenn sie auf uns zurückblicken, die wir die Klimakatastrophe nicht ernst genommen haben. Sie leben in einer neuen Realität, ihrer einzigen. Und diese Lebensrealität gründet auf den fatalen Folgen, die die Klimakatastrophe haben wird.
Das ist ein zugleich gruseliges und hoffnungsschimmerndes Szenario. Immerhin gibt es noch Menschen in hundert Jahren. Es gibt keine schöne, intakte Natur mehr. Beschwerliches Reisen wird notwendig und der Umzug der überlebenden Menschen auf noch bewohnbare Flecken Erde. Das Internet funktioniert, das Leben ist digitaler geworden.
Wie arbeitet und forscht ein Literaturwissenschaftler in hundert Jahren, der sich auf einen Schriftsteller aus unserer heutigen Gegenwart spezialisiert hat? Die Informationsgrundlage ist enorm groß. Unsere digitalen Spuren haben überdauert. Analoge Archivarbeit scheint trotzdem noch nicht überflüssig zu sein. Zumindest dann nicht, wenn man auf der Suche nach einem literarischen Stück ist, das nur in einer einzigen Anfertigung auf Papier existierte.

Ian McEwan beschreibt dieses Zukunftsszenario für 2119. Wir machen uns mit dem Literaturwissenschaftler Thomas Metcalfe auf Spurensuche in einer Vergangenheit, die unsere heutige Gegenwart ist. Metcalfe sucht nach einem verschollenen Gedicht des Dichters Francis Blundy.

Die Idee zu diesem Buch finde ich herausragend. Die Umsetzung ist allerdings nur mittelmäßig gelungen. Einige Gedanken scheinen nicht zu Ende gedacht und man bekommt den Eindruck, dass Ian McEwan teilweise zu sehr von der Gegenwart auch für sein Zukunftsszenario ausgeht (Archivarbeit in nicht digitalisierten Tagebüchern, die eine gefährliche Reise nötig macht?). Zudem hat er es sich mit dem Ehepaar Blundy sehr einfach gemacht, in dem er die beiden als spießige, akademisch gebildete Leute gestaltet, die sich aufs Land zurückziehen und in weiten Teilen ihr analoges Leben wahren. Das bildet nicht die Lebensrealität jetziger junger Menschen ab. Die Einblicke in das Seelenleben anderer Protagonisten der Vergangenheit sind holprig bis elegant gestaltet. Ausgehend davon, dass wir die Geschichte aus der Perspektive des Literaturwissenschaftlers in 100 Jahren erfahren, darf der Erzähler dann doch manchmal auktorial auftreten. Es wird damit begründet, dass auch Daten der anderen (natürlich ebenfalls berühmten) Figuren zugänglich sind.
Man hätte sich vielleicht dir Begründungen sparen können und den Erzähler der Vergangenheit kommentarlos allwissend auftreten lassen können. Daraus hätte eine sehr spannende, interessante Erzählweise werden können. Die albernen Begründungen zerstören das aber.

Dieser Roman lässt mich ein bisschen unbefriedigt zurück. Das Potenzial zu einer richtig guten Erzählung ist greifbar, doch letzten Endes wirkt die Geschichte schnell und unbedacht zu Papier gebracht.

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Veröffentlicht am 13.10.2025

DIe gleichberechtigten Frauen des Bauhauses?

Frauen am Bauhaus Dessau
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„Außerdem galt als oberste Maxime: »Keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung, aber auch absolute gleiche Pflichten in der Arbeit aller Handwerker.« Das ...


„Außerdem galt als oberste Maxime: »Keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung, aber auch absolute gleiche Pflichten in der Arbeit aller Handwerker.« Das war revolutionär, waren doch Frauen immer noch mit der Lupe zu suchen an den Universitäten, wo sie erst ab dem Jahr 1895 zugelassen wurden, und auch das nur mit Einschränkungen.“

So der Beginn der Kunstschule und Bewegung Bauhaus. Ich erinnere mich an eine Fernsehserie mit Anna-Maria Mühe, in der sie die Bauhaus Studentin Dörte Helm spielt. Diese Serie zeigt, dass Frauen am Bauhaus eine freiere Rolle hatten, in ihrer Kunst und ihrem Streben ernst genommen wurden. Allerdings mit Abstrichen.

Wie sehr auch im Bauhaus die Männer wieder die Hauptrollen an sich rissen, macht dieses Buch von Unda Hörner deutlich. Die meisten weiblichen Künstlerinnen haben wir leider heute wieder vergessen und es bedarf einer Erinnerung an sie, wie Hörner sie mit ihrem kurzweiligen Buch schafft.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Frauen am Bauhaus eher ausgenutzt als unterstützt wurden. Ihr kreatives Schaffen, ihre Ideen und Entwürfe, ihre Assistenz und Arbeit - all das hat am Bauhaus genauso wie andernorts den Männern eine mühelose Grundlage zur Selbstentfaltung und -beweihräucherung geschaffen. Ideenraub eingeschlossen.

Angefangen bei Isa Gropius, die der Kunstschule aufopferungsvoll assistierte - eine Rolle wie sie noch heute viele Frauen als Haus- und Ehefrauen oder Mütter wie selbstverständlich inne haben, über die baldige Einordnung der weiblichen Studentinnen in vermeintlich „weibliche“ Arbeitsbereiche (Textil) bis hin zum Diebstahl der Arbeit einiger Künstlerinnen, indem sie mit dem Namen eines männlichen Kollegen etikettiert wurden. All diese für das Patriarcht so typischen Unterdrückungsmechanismen haben auch am Bauhaus dafür gesorgt, dass uns Namen wie Lucia Moholy-Nagy, Gunta Stölzl und Anni Albers heute bewusst in Erinnerung gerufen werden müssen.

Unda Hörner macht das auf die ihr übliche Art: Unterhaltend und interessant. Eine empfehlenswerte, kurzweilige Lektüre.

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Veröffentlicht am 01.10.2025

Eine lange Autofahrt

Der Tag, an dem Max dreimal ins Auto gekotzt hat
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„Wie dem auch sei. Zusammenfassend muss man sagen, dass am Morgen doch nicht alle gut gelaunt waren. Im Gegenteil. Eigentlich waren alle irgendwie missmutig. Also alle außer Tiffany. Tiffany war super ...


„Wie dem auch sei. Zusammenfassend muss man sagen, dass am Morgen doch nicht alle gut gelaunt waren. Im Gegenteil. Eigentlich waren alle irgendwie missmutig. Also alle außer Tiffany. Tiffany war super drauf. Einfach eine Einstellungssache.“

Die Großtante heiratet (zum wiederholten Male), also macht sich die komplette Familie auf nach Wuppertal: Mama, Papa, Oma, Opa, Tiffany und ihre älteren Geschwister Luisa und Max. Letzterer hat am Abend vorher eine Party besucht und sitzt nun mit der Diagnose „Kleiner Feigling“ leidend auf der Rückbank.

So eine Autofahrt, noch dazu eine lange, mit der ganzen Familie ist kein Zuckerschlecken. Da prallen unterschiedliche Befindlichkeiten auf kleinstem Raum aufeinander und es passieren viele kleine Katastrophen. Für die Leserin ist das allerdings sehr erbaulich.

So wurde dieses neue Buch rund um Tiffany und ihre Familie sehnsüchtig erwartet und in einer halben Stunde vom Kind (9) gelesen.
Die Protagonisten sind verrückte, liebenswerte Persönlichkeiten. Eigentlich sehr normal, aber lustig karikiert. Themen wie Alkoholkonsum, Nacktheit, Sex, Beziehungen werden ganz selbstverständlich, ehrlich und saukomisch dargestellt.

Die großartigen Illustrationen von Astrid Henn heben die Geschichte auf eine visuelle Ebene. Die Figuren werden durch die Bilder noch lebendiger und lustiger.

(Nett sind auch die kleinen Crossover-Reverenzen zu anderen Werken von Kling.)

Kurzum: Marc-Uwe Klings Bücher machen einfach Spaß. Und zwar nicht nur den Kindern.

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