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Veröffentlicht am 20.03.2022

Du hast den Farbfilm vergessen (Nina Hagen)

Stadt, Land, Dorf
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Ich selbst bin ein echtes Landkind und weiß, wie sich Dorfleben als Kind, Jugendliche und Erwachsene "anfühlt", welche schrägen Typen, echte Urgesteine und liebenswerte Menschen auf dem Dorf zu finden ...

Ich selbst bin ein echtes Landkind und weiß, wie sich Dorfleben als Kind, Jugendliche und Erwachsene "anfühlt", welche schrägen Typen, echte Urgesteine und liebenswerte Menschen auf dem Dorf zu finden sind und wie aus einer Dorfgemeinschaft schon die ein oder andere Fehde entstanden ist.

Wenn dann auch noch ein Buch erscheint, das das Dorfleben und seine Skurrilitäten genauer unter die Lupe nimmt, weckt das natürlich meine Neugier und mein Interesse, wie zwei Zugezogene aus der Stadt mit den Eigenarten des dörflichen Lebens umgehen und sich in die, meist homogene, Gemeinschaft der Bewohner:innen integrieren.

Aber in Stadt.Land.Dorf fehlt mir so ziemlich alles, was an Leben im Dorf vermittelt werden könnte. Angefangen von den Farben der Fotos, die einfach nicht vorhanden sind und alles trist und grau erscheinen lassen. Unweigerlich schleicht sich Nina Hagen mit "Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael" ins Ohr und dieser Song begleitet mich durch den ganzen Bildband.

Ja, es gibt sie, die Einsamkeit auf den Feldwegen, die immer größer werdenden Monokulturen, der Vormarsch der Biogasanlagen, der Zank und Streit um die Windräder - die zwar für die Energiewende notwendig sind, in deren Nähe aber niemand wohnen möchte. Nachhaltiges Leben zu gestalten fängt meist auf dem Reißbrett an und lässt sich nur schwer in die Tat umsetzen, da die vermeintlich guten Ideen aus der Stadt kommen und mit dem Landleben vor Ort kollidieren. Aber es gibt auch Kirmes, Schützen- und Sängerfeste, Waldgottesdienste, Dorfromantik mit Fachwerkhäusern,Schafweiden, Osterfeuer und Garagenfeten.

Irgendwie finden sie alle in diesem Buch ihre Erwähnung und werden abgelichtet, aber der echte Funke springt einfach nicht über. Ich hätte mir erhofft, in diesem Buch zu erleben, was den Menschen auf dem Land wichtig ist- nicht nur der klischeemäßig perfekte (Roll-)Rasen im (Vor-)Garten, die obligatorische Doppelgarage und das bewusste Umdenken zu regionalen Erzeugnissen im Einkaufskorb.

Der Bildband soll eine Liebeserklärung an all die Facetten des Landlebens sein, trifft aber weder ansatzweise mein Herz noch meine Liebe zum Dorfleben. Die Texte geben nur einen sehr vagen Einblick, stellen nicht wirklich die Herausforderungen und Kontraste in den Vordergrund und bleiben, wie auch die Fotos, weit hinter meinen Erwartungen zurück. So trist und fad, wie hier der Eindruck entsteht, ist es nämlich gar nicht auf dem Dorf.

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Veröffentlicht am 15.03.2022

Die vielen Gesichter des täglichen Scheiterns

heute graben
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Was kommt nach dem Ende der ersten großen Liebe ? Eine undurchdringbare Leere, eine ewige Suche nach "Ersatz" und nach möglichen Füllstoffen, die das Loch im Herzen kitten.

So ergeht es einem anonymen ...

Was kommt nach dem Ende der ersten großen Liebe ? Eine undurchdringbare Leere, eine ewige Suche nach "Ersatz" und nach möglichen Füllstoffen, die das Loch im Herzen kitten.

So ergeht es einem anonymen Ich-Erzähler, der tief traurig seiner Liebe zu A. nachhängt, gefangen im täglichen Hamsterrad seines Berufs als Totengräber ist und erste Gehversuche als Schriftsteller unternimmt.

Während Mario Schlembach in "heute graben" das grandiose Scheitern eines männlichen Erzählers immer wieder in grotesken Tagebucheinträgen versucht den Leser:innen nahe zubringen, stößt er selbige mit seiner Stakkato-artigen Schreibwiese immer wieder von seiner Hauptfigur weg und schafft es leider nicht, die selbst gezogenen Gräben zu überwinden.

Der verzweifelte Versuch, sich mit einer Reihe weiblicher Bekanntschaften zu verabreden, um in ihnen eventuell die große Liebe zu finden, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn sobald die Sprache auf seinen Beruf als Totengräber kommt, suchen die vermeintlich Angebeteten das Weite und lassen den Ich- Erzähler allein auf weiter Flur stehen.

Da helfen weder die minimal dosierte Ironie noch der spärlich zu findende schwarzer Humor und die Leser:innen merken deutlich, wie sich eine depressive Grundstimmung breit macht.

Ab und an zeigt jedoch Mario Schlembach sein ganzes Können als Autor, indem er wunderschöne poetische Passagen in all die traurigen Momente einfließen lässt. Mit Sätzen wie "Das Ich möchte Wurzeln schlagen, aber die Sprache bleibt Treibsand" oder "Ich werfe meine Angel nach Sprache aus. Nur Gestammel rüttelt an der Schnur" umgarnt er die Leserschaft und lässt die Sonne in all dem Grau scheinen.

Tod und Leiden, Scheitern und Verzweiflung sind in diesem Roman übermächtig und drücken Ironie und Wortwitz komplett in eine dunkle Ecke, aus der sie sich nicht wirklich befreien können.

Es mag da draußen viele Fans geben, die dieses Buch lieben werden. Meinen Nerv hat es leider nicht getroffen.

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Veröffentlicht am 07.03.2022

Von einem Thriller meilenweit entfernt

Perfect Day
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Es ist wie einer immer wiederkehrender böser Traum, aus dem es kein Erwachen gibt...und das seit 14 Jahren. Seit dieser Zeit nämlich treibt ein Täter sein Unwesen, lässt Mädchen spurlos verschwinden und ...

Es ist wie einer immer wiederkehrender böser Traum, aus dem es kein Erwachen gibt...und das seit 14 Jahren. Seit dieser Zeit nämlich treibt ein Täter sein Unwesen, lässt Mädchen spurlos verschwinden und zeigt mit roten Schleifenbändern den Weg zu ihren Leichen. Die Polizei tappt im Dunkeln. Mit der Verhaftung von Walter Lesiak scheint der große Coup gelungen. Aber seine Tochter Ann ist überzeugt davon, dass ihr Vater niemals zu solchen Taten fähig ist und will beweisen, dass er zu Unrecht im Gefängnis sitzt...

Mit dem ersten Zeilen aus "Perfect Day" entsteht eine unglaublich spannungsgeladene Situation, die mich mit ihren Klauen regelrecht in die Seiten zieht. Wenn schon nach wenigen Worten eine so nervenzerreißende Stimmung herrscht, wie wird dann erst der Rest des Buches ?

Die Antwort fällt leider erschreckend nüchtern und enttäuschend aus, denn Romy Hausmann ist mit diesem Buch meilenweit davon entfernt, die typischen Merkmale eines Thrillers in ihrem Buch einzuarbeiten und die Leser:innen an die Seiten zu fesseln.

Wo ist die allgegenwärtige Angst, die sich dauerhaft wie ein dunkler Schatten an meine Fersen heftet und mich geradezu lähmt, wenn ich die nächste Seite umblättern will ? Wo ist das blanke Entsetzen, dieses Kribbeln der Nervenenden in den Fingerspitzen, weil ich in mitreißenden Szenen vor lauter Anspannung vergesse, Luft zu holen, weil mich das Gelesene schockiert und traumatisiert ? Ich lese und lese, aber ich finde eben nichts dergleichen.

Vielmehr quäle ich mich durch die Seiten, weil mich Ann mit ihrer Art einfach nur nervt. Sie wirkt fahrig und verwirrt, lässt nicht wirklich zu, dass ich einen Zugang zu ihren Gedanken und Gefühlen erhalte und weist mich daher immer mehr ab. Als Schlüsselfigur hat sie eine große Rolle inne, die sie nicht einmal halbwegs gut füllen kann. Die Schuhe, die ihr die Schreibende zugedacht hat, sind einfach zu groß, um in ihnen laufen zu können. Gerade hier liegt so viel Potenzial, das ungenutzt bleibt.

Der Schreibstil ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig - die eingeschobenen "Wir"-Parts hinterlassen mehr Fragezeichen, als dass sie für Aufklärung sorgen und sind in meinen Augen überflüssig. So ganz wollen diese Sequenzen nicht zum übrigen Buch passen und stören daher den Lesefluss.

Was bleibt, ist der negative Eindruck- ich bin hier eher an die Grenze der ertragbaren Langweile gegangen, anstatt über diese hinaus gejagt zu werden, wenn ich Angst, Entsetzen und subtile Boshaftigkeit als Wegweiser im Buch finde. Selbst die Lösung birgt keinerlei Überraschung und reiht sich daher in die Monotonie des Buches ein.

Schade um die verschenkte Lesezeit.

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Veröffentlicht am 04.03.2022

Ein ziemlich holpriger Start

Abschied von der Heimat
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Wir denken oft und gerne an den böhmischen Wind.
Uns war sein Lied vertraut, daheim schon als Kind.
Weit in der Ferne rauscht nun leis' der böhmische Wind.
Er wird noch wehen wenn wir längst nicht mehr ...

Wir denken oft und gerne an den böhmischen Wind.
Uns war sein Lied vertraut, daheim schon als Kind.
Weit in der Ferne rauscht nun leis' der böhmische Wind.
Er wird noch wehen wenn wir längst nicht mehr sind.

(Ernst Hutter)


Erika ist gerade einmal fünf Jahre alt, da beschließen die Eltern, sie nach Böhmen zu Tante Mimi zuschicken, um daheim im Rheinland dem nagenden Hunger zu entfliehen. In der Fremde gelingt es ihr, trotz der harten Hand ihrer Tante, zu einer selbstbewussten jungen Frau heranzuwachsen, die gemeinsam mit ihren Freundinnen das Leben genießt. Das ändert sich jedoch, als das Sudetenland 1938 von den braunen Fantasten besetzt wird. Und wieder einmal steht Erika vor dem Nichts, denn sie soll der böhmischen Heimat den Rücken kehren...


Gabriele Sonnberger verarbeitet in der Böhmen-Saga Erinnerungen ihrer Mutter und lässt ihre Leser:innen daran teilhaben. Daraus formt sie die Figur Erika, die die Leser:innen durch die Geschichte führen soll, um ihnen die bewegte Vergangenheit näher zu bringen. Und da liegt auch schon das Problem - kann ich mich zu Beginn noch mit der kleinen Erika anfreunden, verliert sie mit der Zunahme an Lebensjahren immer mehr Sympathiepunkte, da sie ein recht wankelmütiger Charakter wird.

Auf der einen Seite kann sie es nicht ausstehen, wenn Ungerechtigkeit herrscht und andere benachteiligt werden. Auf der anderen Seite scheint sie sich sang- & klanglos ihrem Schicksal zu ergeben. Passt nicht wirklich zusammen und es fällt mit schwer, ihre Handlungen als glaubhaft zu beschreiben. Kann es sein, dass sich die Schreibende nicht traut, die Rückschau ihrer Mutter mit all den Fehlentscheidungen, schmerzhaften Narben und widersprüchlichen Gefühlen aufzuarbeiten, da sie ihr zu nahe steht ?

Auch missfällt mir, dass die Autorin hier die Wesenszüge ihrer Figuren sehr dramatisch kippen lässt. Gerade bei Coele, der zu Beginn ein sehr, sehr guter Freund von Erika ist, wird das deutlich. Die Schere spreizt sich bei seiner Verwandlung zum Bösen extrem und fast könnte man meinen, dass hier ein kompletter Austausch seines Wesens stattgefunden hat.

Es folgt eine Aneinanderreihung von Ereignissen, die in Erikas Leben eine Rolle spielen, ohne dass auf sie näher eingegangen wird. Sie beginnen und enden abrupt, ohne dass eine gewisse Verbindung besteht und sich die Leser:innen erst zusammenreimen müssen, in welchem Zusammenhang das Gelesene zu verstehen ist.

Manchmal habe ich das Gefühl, auf einem galoppierenden Pferd zu sitzen, das mich in rasender Geschwindigkeit durch die Geschichte bugsiert, weil sich Ereignisse, Schicksalsschläge und Emotionen regelrecht im Schnelldurchlauf an mir vorbei ziehen.

Es gibt unendlich viele Bücher, die sich mit der Thematik Vertreibung aus der Heimat unter der Herrschaft des braunen Sumpfes befassen, aber dieses hier gehört leider in die Kategorie nicht empfehlenswert.


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Veröffentlicht am 02.03.2022

Hinterlässt einen schalen Nachgeschmack, wie kalter Tee

Der Friesenhof
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Als Onno für immer die Augen schließt, sieht sich Gesa einer ungewissen Zukunft auf dem Friesenhof gegenüber. Ihr Vater hat einen Berg von Schulden hinterlassen und es gilt, den Hof in Familienbesitz zu ...

Als Onno für immer die Augen schließt, sieht sich Gesa einer ungewissen Zukunft auf dem Friesenhof gegenüber. Ihr Vater hat einen Berg von Schulden hinterlassen und es gilt, den Hof in Familienbesitz zu halten. Doch wie soll das gelingen, wenn kein Bauer auf dem Hof die Arbeit verrichtet und die anfallenden Tätigkeiten von den hinterbliebnenen weiblichen Angehörigen ausgeführt werden? Als wäre all das nicht genug, pocht Helgas Mann Günther auf die umgehende Auszahlung des Erbanteiles seiner Frau, um seinen eigenen Hof zu retten. Gesa sieht nur einen Ausweg - eine Anstellung zu finden, die nicht nur Geld in die Kasse spült, sondern auch endlich für Ruhe innerhalb der Familie sorgt. Ihr Weg fühtr sie direkt in die Geschäftsräume eines Teehandels...

Mit dem Zusatz "Die-Teehändler-Saga" weckt Fenja Lüders die Neugier auf tiefe Einblicke in die Welt des Tees, des Teehandels und der Zusammenstellung einer guten Teemischung. Und es scheint fast so, als würde auf den ersten Seiten diese Neugier schon eine direkte Befriedigung finden, denn mit dem Einbinden der ostfriesischen Teezeremonie zieht die Tradition von der Nordseeküste in die Handlung ein und das Knistern des Kluntje ist förmlich zu hören, wenn der Tee in die Tasse gegossen wird.

Aber das war es dann auch schon mit all der wunderschönen Herrlichkeit, denn der Tee findet nur ganz am Rande Beachtung und nimmt nur wenig Einfluss auf die Handlung.

Vielmehr ist es so, dass hier das Leben auf dem Hof mit all seinen Widrigkeiten in ausufernden Längen geschildert wird und die Aufarbeitung der braunen Vergangenheit von Schwager Günther im Vordergrund steht.

Dieser Mann ist ein absolutes Scheusal, nur auf seinen Vorteil bedacht und kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, seine eigenen Interessen zu wahren und diese mit Vehemenz durchzusetzen.

Damit drückt er alle andern Protagonist:innen komplett in den Hintergrund und sie haben es unglaublich schwer, sich freizuschwimmen und ihre Facetten zu zeigen. Gesa versucht zwar mit allen Mitteln, hier eine selbstbewusste und zukunftstorientierte Frau darzustellen, aber das gelingt ihr nur manchmal. Ihre Schwester Hanna ist eine naive Deern, grün hinter den Ohren und gleicht eher einem Hans-guck-in die Luft.

Einzig Frau Becker und Tanti können mit ihren Charakterzügen die Leser:innen überzeugen, denn sie wissen, worauf es ankommt, um mit beiden Beinen mitten im Leben zu stehen, den Stürmen zu strotzen und nicht unterzugehen.

Was ich hingegen vermisse ist die Geschichte des Tees, der hier ja ausschlaggebend sein soll- außer ein paar Tee-Verköstigungen im Kontor, einer Verkaufsfahrt mit Keno und den ab und zu getrunkenen Koopje im Friesenhof bleibt diese Thematik gänzlich unbeachtet. Für einen Auftakt einer großen Romanserie rund um den Tee sehr schwach und enttäuschend.

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