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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.10.2023

Trotz allem schön und tröstlich

Der Trost der Schönheit
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Ich habe das Buch in atemloser Spannung gelesen und zugleich gemerkt, wie ich beim Lesen anfing, tiefer und ruhiger zu atmen. Beim Lesen bin ich mit auf die Jagd gegangen nach einem großen Begriff: Was ...

Ich habe das Buch in atemloser Spannung gelesen und zugleich gemerkt, wie ich beim Lesen anfing, tiefer und ruhiger zu atmen. Beim Lesen bin ich mit auf die Jagd gegangen nach einem großen Begriff: Was ist Schönheit? Und habe mit der Autorin das Gefühl geteilt, dass dieser Begriff sich immer wieder entzieht, sich nicht in Worte fassen lässt, immer mehr als Worte ist, dass der Begriff Freude und Schmerz zugleich umfasst, dass in ihm die Sehnsucht steckt, die den Schmerz des Vergänglichen immer in sich trägt, sonst wäre kein Sehnen mehr.
In phantastischen Bildern beschreibt die Autorin das Schöne im Alltäglichen, das Schöne im Schrecklichen, das Schöne wider das Schreckliche. Sie schreibt von schrecklichen Erfahrungen, global wie persönlich, und kommt zugleich immer wieder auf das Tröstliche zurück, dass in allem Schönen auf dieser oft so hässlichen Welt ruht. Sie vermittelt diese unbändige Suche nach dem Trost und zugleich das Tröstende, das nur findet, wer sucht, mit einer enormen Sprachkraft. Immer wieder habe ich mich beim Lesen nickend, bestätigend, teilend und dankend erlebt für ein wunderschönes und tröstliches Buch, das nicht einlullt, sondern aufruft, das Schöne zu suchen, zu sehen und anzunehmen, also finden zu wollen. Wichtiger und hilfreicher als jeder Lebensratgeber in einer schwierigen Zeit!

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Veröffentlicht am 15.10.2023

Mit Längen

Die Glücksfrauen - Der Geschmack von Freiheit
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Ich hatte an das Buch andere Erwartungen. Ich dachte, etwas von den verschiedenen Schicksalswegen der drei Freundinnen Luise, Maria und Annie zu lesen. Im Mittelpunkt steht Luise, die als politische Widerständlerin ...

Ich hatte an das Buch andere Erwartungen. Ich dachte, etwas von den verschiedenen Schicksalswegen der drei Freundinnen Luise, Maria und Annie zu lesen. Im Mittelpunkt steht Luise, die als politische Widerständlerin bereits vor 1939 in die USA immigriert mit dem Ziel, dort ein Café für sich und ihre Freundinnen zu eröffnen, wenn diese ihr ins Exil folgen werden. Doch verliert sie über die Kriegswirren jede Spur von ihnen.
Auf der zweiten Zeitschiene, dem Jahr 2023, reist Luises Enkelin nach New York, um das Erbe ihrer Großmutter anzutreten. Damit verbunden ist allerdings die Aufgabe, die beiden Freundinnen oder ihre Nachkommen aufzuspüren, damit auch sie Anteil an ihrem Erbe nehmen können.
Achtung Spoiler: Leider braucht es das ganze Buch, um am Ende der Suche nichts herausgefunden zu haben, weswegen sich noch zwei Fortsetzungsbände anschließen.
Sicherlich bietet das Leben von Luise als Immigrantin in New York einige interessante Einsichten. Auch am Ende, als Luise noch einmal unmittelbar nach Kriegsende nach Deutschland zurückkehrt, nimmt das Buch an Fahrt und Spannung auf. Dazwischen aber längt es sich doch ziemlich in den Liebeswirren, die sowohl Großmutter als auch Enkelin in ihren Zeiten jeweils durchleben. Ich denke, das Buch hätte besser auf die Fortsetzungen verzichtet und durch die Auflösung der Frage nach den verschwundenen Freundinnen an Spannung gewonnen.

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Veröffentlicht am 02.10.2023

Langweilig

Zeiten der Langeweile
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Zuerst muss ich wohl entschuldigend sagen, dass ich einfach eine Generation bin und mir das Verständnis für diese Art der Problematik fehlt. Allerdings war genau das der Grund, warum mich die Idee des ...

Zuerst muss ich wohl entschuldigend sagen, dass ich einfach eine Generation bin und mir das Verständnis für diese Art der Problematik fehlt. Allerdings war genau das der Grund, warum mich die Idee des Buches ansprach: weil ich eine andere Generation bin und Verständnis für diese Problematik gewinnen wollte. Wie ergeht es der Generation der digital natives, wenn sie sich von der Nabelschnur der social medias zu lösen versuchen: welche Erfahrungen machen sie, was ändert sich für sie, was ist der Gewinn, was sind die Kosten?
Ich bin – zum Glück, wie ich nach Lektüre des Buches erneut finde – in einer Welt ohne Handys, ohne PC, ohne Internet und ohne 24h-TV groß geworden. Ich habe keine Langeweile ohne all das, ich vereinsame nicht ohne all das. Und ich weiß trotzdem, dass wir heute alle irgendwelche Spuren im virtuellen Dschungel hinterlassen und verzichte deshalb auf viele dieser vermeintlich verlockenden Angebote, ohne die es sich aber auch gut leben lässt und somit ohne das Gefühl, mir entgehe etwas Elementares. Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, in eine derartige Paranoia zu verfallen, ob unserer Spuren im Netz. Denn, wenn täglich eine Horde von zig Elefanten zigfach über dieselben Pfade trampelt, wer würde sich da die Mühe machen, die Fußstapfen eines x-beliebigen Elefanten zu suchen und zu verfolgen, wenn er sie denn fände. Elefanten sind nicht nur bei Nacht alle grau.
Diese Erkenntnis des Romans von Jenifer Becker, dass Spuren im Netz nicht mehr oder nur sehr schwer zu löschen und noch schwerer zu vermeiden sind, ist also ziemlich banal, die geschilderten Konsequenzen für das Leben der Protagonistin ziemlich „drüber“.
Erschreckend an dem Roman finde ich, dass einer promovierten Akademikerin nichts Besseres einfällt, mit ihrer Zeit zu tun, als Werbeprospekte und amerikanische Frauenzeitschriften aus dem Müll der Nachbarn zu lesen und die Zeit damit totzuschlagen, sich vor der Öffentlichkeit, die im Zweifel gar nicht an ihr interessiert ist, zu verschanzen. Irgendetwas Lebenspraktisches kriegt sie nicht auf die Reihe, einen Gewinn scheint sie aus dem selbst gewählten Experiment nicht zu ziehen, zurück scheint sie aber auch nicht zu können und zu wollen. Einzig tröstlich ist, dass es sich um einen Roman, also um Fiktion handelt, die man wohl nicht zu ernst zu nehmen braucht oder, wohlmeinend, als übertrieben sehen kann, damit auch der letzte, der möchte, die nicht vorhandene Botschaft versteht.
Zum Glück habe ich keine solche Langeweile, dass ich ein so langweiliges Buch wie „Zeiten der Langeweile“ ein zweites Mal lesen müsste. Zumindest ist der Titel Programm, denn genau das hat mir das Buch beschert: Zeiten der Langeweile.

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Veröffentlicht am 02.10.2023

Stellvertretend

Aenne und ihre Brüder
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für viele derjenigen, die im Krieg groß wurden oder schon erwachsen waren, nie über das Erlebte sprechen konnten oder wollten und jetzt nicht mehr darüber sprechen können, schreibt Reinhold Beckmann dieses ...

für viele derjenigen, die im Krieg groß wurden oder schon erwachsen waren, nie über das Erlebte sprechen konnten oder wollten und jetzt nicht mehr darüber sprechen können, schreibt Reinhold Beckmann dieses Buch über seine Mutter und ihr Erleben des Krieges, ihre Verluste, ihre Gefühle, ihren Schmerz und ihren Umgang damit. Zum Glück aller nachfolgenden Generationen gibt es Menschen wie Reinhold Beckmanns Mutter, die das Vergangene, so schlimm und schmerzlich es auch gewesen sein mag, im Gedächtnis und damit vor dem Untergehen bewahrten und durch ihr Erzählen der Nachwelt lebendig hielten. Wir brauchen diese Erinnerungen, um das Vergangene zu begreifen unsere Vorfahren besser zu verstehen, die Gegenwart besser zu gestalten und es in Zukunft besser zu machen. Dazu brauchen wir die Bücher, die Menschliches aus menschlicher Perspektive schildern, mit Mitgefühl, mit Verständnis und mit aufrichtigen Interessen, nicht mit belehrendem Ton und erhobenem moralischen Zeigefinder. Ein solches Buch hat Reinhold Beckmann geschrieben und damit einen wichtigen und lesenswerten Beitrag zum Umgang mit der deutschen Vergangenheit, der uns mit dem Erstarken rechtsgesinnter Kräfte gerade wieder einholt und immer wieder einholen wird, denn Vergangenheit ist nie vorbei. Aber wie sie in uns und unserer Zeit weiterlebt, das können wir, die wir jetzt leben, zum Glück beeinflussen.

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Veröffentlicht am 18.09.2023

Eher keine Romabiographie

Fräulein Schopenhauer und die Magie der Worte
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Adele lebt nach dem Tod des Vaters mit ihrer Mutter ein recht unkonventionelles Leben in den Kreisen der Intellektuellen von Weimar zur Zeit Goethes. Immer wieder geplagt von Geldnöten und Krankheiten ...

Adele lebt nach dem Tod des Vaters mit ihrer Mutter ein recht unkonventionelles Leben in den Kreisen der Intellektuellen von Weimar zur Zeit Goethes. Immer wieder geplagt von Geldnöten und Krankheiten muss sie sich dem Leben stellen: Obwohl sehr musisch und feingeistig, hat Adele auch eine zupackende Seite, mit der sie versucht, das sehr verschwenderische Leben der Mutter in geregelte Bahnen zu lenken und in den Konflikten mit dem schwierigen Bruder zu vermitteln. Dabei fällt es schwer, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Dass Adele eher dem weiblichen Geschlecht zugetan ist, macht es für sie nicht leichter.
Der Autorin gelingt es gut, die damalige Zeit und die Lebensumstände verschiedener Frauen in ihr, sei es ledig, verheiratet, verwitwet, sei es konventionell oder eher freigeistig, lebendig vor Augen erstehen zu lassen. Auch ihre Figuren sind voller Leben und der Leser folgt gespannt ihren Wegen.
Mir persönlich hätte manchmal noch mehr Einblick in das kulturelle und geistige Leben der Zeit gefallen. Auch vergisst man immer wieder, dass der Bruder Adeles jener berühmte Arthur Schopenhauer ist, der die Philosophiegeschichte bedeutend mitprägte. Lediglich die unsympathisch, misanthropische Art lässt an ihn denken. Hier wäre etwas mehr Tiefgang schon schön gewesen. Dafür hätte ich gerne auf das ganze Gefühlshin- und her in Adeles Leben verzichtet, das bisweilen ein wenig sprunghaft und wenig motiviert wirkt. Und letztlich dann doch die Frage aufwirft, inwieweit die Figur eine starke, unabhängige Frauengestalt darstellt. Für mich ist sie dafür viel zu sehr den Ansprüchen von Bruder und Mutter und der Unsicherheit in ihrer Gefühlswelt ausgeliefert.
Auch fehlt mir die im Titel angekündigte „Magie der Worte“.
Ich war stärker von einer Romanbiographie und weniger von einer historisch angehauchten „Frauengeschichte“ ausgegangen.

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