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Veröffentlicht am 20.08.2018

Fesselnde Familiensaga

Das Weingut. In stürmischen Zeiten
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„...Nirgendwo hält der Schnitter Tod so schnelle und reiche Ernte wie im Krieg...“

In einer Gebäranstalt in Heidelberg bekommt Klara 1851 ein uneheliches Kind. Trotz ihrer Bitten darf sie das kleine Mädchen ...

„...Nirgendwo hält der Schnitter Tod so schnelle und reiche Ernte wie im Krieg...“

In einer Gebäranstalt in Heidelberg bekommt Klara 1851 ein uneheliches Kind. Trotz ihrer Bitten darf sie das kleine Mädchen nicht sehen. Die Schwester aber erfüllt ihr einen Wunsch und nennt das Kind Irene, bevor es im Waisenhaus abgegeben wird.
15 Jahre später lebt Irene in einem Waisenhaus in Speyer, als Wilhelm Gerban erscheint und genau sie als Dienstmädchen möchte. Das Gespräch zwischen Mutter Ignata und dem Weinhändler gleicht mit seinen Spitzfindigkeiten eher einem Schlagabtausch. Das beweisen die folgenden Worte von Wilhelm:

„...Ich sehe, dieses reizende Kind ist ein Rohdiamant. Augenscheinlich haben Sie es nicht verstanden, ihn zu schleifen. Daher möchte ich nun mein Glück versuchen...“

Zu dem Zeitpunkt war mir der Weinhändler noch sympathisch. DAS sollte sich im Laufe der Handlung gründlich ändern.
Die Autorin erzählt eine spannende Familiengeschichte vor dem Hintergrund des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71. Die historischen Fakten sind exzellent recherchiert und in einer fesselnden Handlung umgesetzt.
Wilhelm Gerban lebt mit seiner Frau Pauline und den Kinder Franz und Mathilde im Elsass. Er ist Deutscher, seine Frau Französin. Auch Franz hat infolge des Ehevertrags die französische Staatsbürgerschaft. Da er die Prinzipien der französischen Revolution verinnerlicht hat, fliegt er von einem Internat in Bayern. Bei seiner Heimkehr trifft er auf Irene. Zwischen den jungen Leuten entwickelt sich mehr als Freundschaft.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er ist abwechslungsreich. Dadurch werden die unterschiedlichen Facetten der Handlung gut herausgearbeitet. Mathilde ist ein Vaterkind. Er toleriert ihre Schwächen und Abgründe. Überheblich, intrigant und fordernd legt sie sich mit dem Personal an. Franz ist das ganze Gegenteil. Er versucht, auf dem Weingut die Lebensverhältnisse der Arbeiter zu verbessern. Der Krieg sorgt für die Vertiefung des Risses, der mitten durch die Familie geht. Franz stellt sich auf die Seite der Franzosen und muss zusehen, wie gnadenlos Männer, egal ob Deutsche oder Franzosen, in den Tod geschickt und geopfert werden. Eine der Reaktionen ist im Eingangszitat formuliert, eine Weitere liest sich so:

„...Wer hätte gedacht, dass der Krieg so dreckig ist?...“

Doch die Autorin konfrontiert mich nicht nur mit den furchtbaren Seiten des Krieges und den Zuständen auf den Schlachtfeldern, sie schildert auch Situationen von Hilfsbereitschaft und Barmherzigkeit.
Sehr gut werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit in einem gutbürgerlichen Haushalt beschrieben. Die Dienerschaft ist dem Dienstherrn gnadenlos ausgeliefert. Was eine Schwangerschaft für Folgen haben kann, wird an mehreren Beispielen deutlich. Doch auch hier gibt fließt ein Beispiel in die Geschichte ein, wo die Zusammenarbeit der Herrin und der Dienstboten im gedeihlichen Miteinander geschieht. Grundlage ist die Achtung des anderen.
Als Franz im Krieg ist, kommen bei Wilhelm seine dunkelsten Seiten zum Tragen. Bei Franz` Heimkehr ist nichts mehr so, wie es war.
Zu den positiven Nebenrollen der Geschichte gehört Pfarrer Hansberg. Seine Weihnachtspredigt sicher lange noch für Gesprächsstoff gesorgt. Das folgende Zitat stammt daraus.

„...Wer sind also wir schwachen Menschen, dass wir uns anmaßen, über die Würde und den Wert eines anderen Menschen ein Urteil zu fällen, der zwar gesündigt hat, aber dafür Vergebung verdient wie ein jeder von uns?...“

Ich möchte noch anmerken, dass er nicht nur gut reden konnte, sondern seine Worte auch gelebt hat. Er hatte eine offene Tür für Verstoßene.
Es gäbe noch viele Facetten des Romans, die erwähnenswert wären. Das aber würde den Rahmen dieser Rezension sprengen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Der Ehrgeiz der Eltern

Adlerschanze
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„...Wenn überhaupt, dann sind es eher die Eltern, die sich aufregen. Das ist wie in der Schule: wenn wir früher eine schlechte Note geschrieben haben, dann haben unser Eltern uns ausgeschimpft […] Und ...

„...Wenn überhaupt, dann sind es eher die Eltern, die sich aufregen. Das ist wie in der Schule: wenn wir früher eine schlechte Note geschrieben haben, dann haben unser Eltern uns ausgeschimpft […] Und heute rücken sie stattdessen dem Lehrer auf die Pelle...“

Kriminalkommissar Surendra Sinha aus Friedrichshafen hält sich in Hinterzarten auf, weil seine Mutter dort in einer Klinik liegt. Gleichzeitig wird in wenigen Tagen im Ort das Sommerskispringen stattfinden. Surendra gehört zu der handvoll Besucher, die sich für das Springen nicht interessieren. Doch dann ist er gerade vor Ort, als zwei englische Schwestern ein totes junges Mädchen finden. Für die Aufklärung des Mordes sind die Freiburger Kollegen zuständig.
Die Autorin hat einen fesselnden und abwechslungsreichen Krimi geschrieben. Neben den Mordermittlungen darf ich Surendra ins Krankenhaus zu seiner Mutter begleiten. Außerdem erfahre eine Menge über den Skizirkus und darüber, wie ein Sommerskispringen funktioniert.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Surendra fällt durch seine große Empathie auf. Er findet bei Gesprächen immer die richtigen Worte. Bei seinem Dialogen mit er Mutter allerdings muss man wohl ein paar Abstriche machen. Das liegt aber nicht in erster Linie an ihm. Sein ehemaliger Kollege formuliert seine Charakteristik so:

„...Deine Empathie ist deine größte Stärke – und zugleich deine größte Schwäche […] Du kannst dich in Menschen hineinfühlen, das ist eine gute Gabe für einen Kommissar – solange er ermittelt...“

Eigentlich will sich Surendra heraushalten, doch ab und an ergibt sich ein Gespräch. Seine Ergebnisse bringt er postwendend im Kommissariat vorbei. Bei der Gelegenheit erfahre ich dann auch, warum Kommissarin Michaela Lux anfangs deutlich ihre Abneigung gegenüber Surendra spüren ließ.
Moira ist die Freundin eines der hoffnungsvollsten Nachwuchsskispringer gewesen. Im Gespräch von Surendra mit dem Trainer wird deutlich, wie schwierig es ist, jedem die gleiche Chance zu geben und wie die Tagesform dabei zu berücksichtigen ist. Das obige Zitat stammt vom Trainer. Außerdem kommt ein alter, bisher unaufgeklärter Fall zur Sprache, der für einen der Sportler das endgültige Aus bedeutete. Er erlebte die folgende Aussage hautnah:

„...Es gibt keine Höhen, wenn dazwischen nicht auch Täler liegen...“

Moira, die Tote, hatte sich viele Feinde gemacht. Dementsprechend schwierig gestaltet sich der Fall. Außerdem hat ihr Tod Folgen für das Springen. Der Trainer will es nicht verantworten, unter dieser Belastung ihren Freund springen zu lassen.
Zu den stilistischen Höhepunkten gehört für mich der Dialog zwischen Surendra und seinem ehemaligen Kollegen. Es zeigt auf, welche Gefahren der Beruf in sich birgt. Amüsant dagegen sind die Gespräche zwischen Sohn und Mutter. Das hat mehrere Gründe.
Im Nachwort legt die Autorin klar, was Fiktion und was Realität ist.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 18.08.2018

Das Vermächtnis der Großeltern

Aus Opas Federhalter und Omas Handtasche
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„...Als mein Cousin Christoph vor etwa drei Jahren das kleine, unscheinbare Türchen unter der Dachschräge seines Elternhauses öffnete, ahnte noch niemand, welche Schätze dort seit Jahrzehnten unberührt ...

„...Als mein Cousin Christoph vor etwa drei Jahren das kleine, unscheinbare Türchen unter der Dachschräge seines Elternhauses öffnete, ahnte noch niemand, welche Schätze dort seit Jahrzehnten unberührt in der Dunkelheit der Dachkammer lagen...“

Mit diesen Zeilen beginnt die Autorin das Vorwort ihres Buches. Fotoalben, Tagebücher und der Inhalt der Handtasche der Großmutter aus dunkelblauen Leder erzählen die Geschichte einer Familie. Mit Hilfe der Fundstücke gestaltet die Autorin das Lebensbild ihrer Großeltern.
Am 11, Januar 1900 erblickte Alfred in Schlesien das Licht der Welt. Den Namen aber sollte er nur drei Tage tragen. Auf dem Standesamt wurde er als Arthur eingetragen. Wer genau wissen, will, wie es dazu kam, sollte das Buch lesen.
Sein Vater war Bergmann. Die Familie hatte eine Wohnung auf einem Bauernhof. Wenige Jahre später sollte Arthurs kleine Welt das erste Mal zerbrechen. Die Eltern ließen sich scheiden. Die Mutter zog mit den beiden Kindern zu ihren Eltern. Großmutter Ernestine konnte nur noch zwei Jahre für die Kinder da sein. Aber sie hat ihnen ein besonderes Erbe mitgegeben, was im folgenden Zitat zum Ausdruck kommt:

„...Doch Zeit genug, um Arthur und seinem Bruder Fritz das Samenkorn des Glaubens in ihr Herz zu legen, das sie ihr ganzes Leben lang tragen würde...“

Arthurs Kindheit und Jugend ist von Verzicht geprägt. Der begabte junge wird nie seinen Traumberuf lernen dürfen. Trotzdem geht er unverdrossen seinen Weg. Mit seinen Begabungen bringt er sich in der Kirchgemeinde ein. Ich erfahre, wie er seine zukünftige Frau Johanna kennenlernt. Die beiden bekommen vier Söhne. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs bleibt er Mensch, auch im Umgang mit den Zwangsarbeitern. Politische Themen spielen in der Familie keine Rolle. Dafür fühlen sie sich durch den Glauben auch in schwerer Zeit getragen.
Der Schriftstil lässt sich zügig lesen. Die große Schrift wirkt dabei angenehm. Als Besonderheit hat die Autorin die Tagebucheinträge des Großvaters und Briefe der Familie in die Geschichte eingefügt, natürlich in heutiger Schrift. Das gibt der Erzählung eine persönliche Note und ermöglicht mir als Leser einen Blick in die Gedankenwelt der Protagonisten. Der folgende Tagebuchausschnitt zeigt, dass Arthur über einen reichen Wortschatz und eine mit passenden Metaphern geschmückte Ausdrucksweise verfügte:

„...Der warmen Sonne Strahlen in ihrem hellen Schein schufen reine Freude in unsrer Brust. Der wolkenreine Himmel ließ gar nicht zu, dass man ihn hätte jemals grau und unfreundlich sich denken können...“

Doch auch ernste Themen und eine in die Tiefe gehende Auseinandersetzung mit dem Glauben finden sich in den Aufzeichnungen. So schreibt er:

„...Nicht passives Verhalten, sondern aktives Sein ist Leben. Nicht der Glaube allein führt vorwärts, sondern die Tat...“

In den Kriegs- und Nachkriegsjahren lebt die Familie das Geschriebene. Arthur denkt mit und verhindert so Unheil. Er bleibt selbst in Anfechtung seinen Überzeugungen treu.
War der Krieg schlimm, so wurde der Frieden furchtbar, denn plötzlich waren sie Fremde im eigenen Land. Schlesien gehörte ab sofort zu Polen. Positiv ist mir aufgefallen, dass zwar die Angst vor der Roten Armee thematisiert wurde, aber die Soldaten als Menschen dargestellt wurden, nicht nur als Sieger. Im Mittelpunkt standen positive Erfahrungen und Glaubenserlebnisse.
Zu besonderen Anlässen schreibt Arthur Gedichte. Sie zeugen von festem Glauben und Gottvertrauen, aber auch von gegenseitiger Liebe.
In der Mitte des Buches befinden sich Fotos, die den handelnden Personen ein Gesicht geben und das Buch sehr persönlich machen.
Im Anhang werden die ehemaligen deutschen Orte mit ihren heutigen polnischen Namen wiedergegeben.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es macht eine Zeit lebendig, die für uns Nachgeborene schon weit in der Ferne liegt. Es zeigt aber auch, wie sich die Lebensverhältnisse seitdem geändert haben. Das sollte man beim Lesen nicht aus den Augen verlieren, wenn einem das eine oder andere ungewöhnlich vorkommt. Wenn Arthur beschreibt, wie sie in ihrer neuen Heimat im Schwarzwald nach ihrer Ausweisung aus Schlesien aufgenommen wurden, dann sind Parallelen zu aktuellen Ereignissen augenfällig.

Veröffentlicht am 18.08.2018

Schicksale im Nordirlandkonflikt

Belfast Central
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„...Was hinter uns liegt und was vor uns liegt, sind Kleinigkeiten, verglichen mit dem, was in uns steckt...“

Wir schreiben das Jahr 1993. In Belfast macht Ryan ein Praktikum als Sanitäter. Eines Abends ...

„...Was hinter uns liegt und was vor uns liegt, sind Kleinigkeiten, verglichen mit dem, was in uns steckt...“

Wir schreiben das Jahr 1993. In Belfast macht Ryan ein Praktikum als Sanitäter. Eines Abends werden sie zu einem Einsatz im Bahnhof gerufen. Sie finden einen Verletzten. Doch ehe sie sich um ihn kümmern können, erscheint ein Polizist und erschießt Jarvis, Ryans Begleiter.. Ryan wird ebenfalls angeschossen. Dann aber ist der Polizist tot und Ryan erwacht im Krankenhaus. Wer war der Fremde, der ihm zu Hilfe kam?
Die Autorin hat einen fesselnden Thriller geschrieben. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Erst am Ende zeigt sich, das die Vorgänge am Bahnhof ihre Wurzeln in der Vergangenheit haben und wie schnell Freund zu Feind werden kann.
Ryan lassen die Vorgänge keine Ruhe. Auch die Warnung eines Polizisten kann ihn nicht von seinen Nachforschungen abbringen. Er stößt auf Adam, einen Schriftsteller. In dessen Heimatort will er mehr über ihn erfahren. Doch Adam hat Downpatrick 1932 verlassen und nie wieder betreten.
In Belfast treffen Ryan und Adam aufeinander. Diese Begegnung wird Ryans Leben grundlegend verändern.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er unterstützt die spannende Handlung. Einerseits erfahre ich, was 1993 geschieht und was hinter den Ereignissen am Bahnhof steckt, andererseits erzählt Adam Ryan nach und nach seine Lebensgeschichte. Gleichzeitig zeichnet die Autorin ein detailliertes Bild der Machtkämpfe zwischen Protestanten und Katholiken in Belfast. Dabei wird deutlich, dass es zwar auf beiden Seiten Friedensbemühungen gab, die aber dann konsequent von den eigenen Leuten boykottiert wurden. Es ist bitter, wenn eine Mutter am Grab ihrer Tochter, die in Gewaltdelikte verstrickt war, sagt:

„...Rache? Was hat Rache uns denn je gebracht – außer Tote?...“

Adam und Elaine erfahren beim Tod des katholischen Pfarrers, dass sie dessen unehelichen Kinder waren. Sie verlassen das Elternhaus und den Stiefvater. Deutlich wird dabei, dass Elaine die Planvollere ist und sich konkrete Gedanken über das Weiter gemacht hat. Nach und nach wird Adam ohne sein Wollen in die politischen Auseinandersetzungen eingebunden. Er hat keine Chance, sich aus daraus zu lösen. Das beweist das folgende Zitat.

„...Vergiss nie, wer dich füttert. Wenn ich dir und deiner Schwester heute den Geldhahn zudrehe, seid ihr nächste Woche verhungert...“

Bald zeigen sich Parallelen zwischen dem Leben von Adam und Ryan. Letzterer lehnt Waffen und Gewalt ab, wird aber nicht nur durch Adams Erzählungen mit den Auseinandersetzungen vertraut gemacht. Auch in seiner WG bahnen sich ungute Entwicklungen.
Das Geschehen der Vergangenheit war für mich der spannendere Teil. Hier wird klar, mit welch subtilen Methoden junge Leute für den Kampf rekrutiert worden. Wenn die Gewaltspirale einmal begonnen hat, ist es schwierig, sie zu stoppen.
Am Schluss werden alle losen Fäden zusammengeführt.
Eine Landkarte und ein Blick in die Geschichte Irlands ergänzen die Handlung.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es enthält nicht nur wesentliche Fakten über historische Zusammenhänge, es zeigt auch, wie tief die Auseinandersetzung in das persönliche Leben der Protagonisten eingegriffen hat. Mit einem nachdenkenswerten Zitat möchte ich meine Rezension beenden.

„...Es gibt nur zwei Tragödien im Leben. Die eine besteht darin, dass man nicht bekommt, was man sich wünscht, und die andere darin, dass man es bekommt...“

Veröffentlicht am 17.08.2018

Humorvoller bayrischer Krimi

Bülent Rambichler und die fliegende Sau
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„...Topkriminaler, ja so ein Unsinn.Du weißt doch ganz genau, dass unser Bülent noch nie wirklich was gerissen hat und bloß da hockt, wo er hockt, weil sein Chef so ein netter Kerl ist....“

Es ist früher ...

„...Topkriminaler, ja so ein Unsinn.Du weißt doch ganz genau, dass unser Bülent noch nie wirklich was gerissen hat und bloß da hockt, wo er hockt, weil sein Chef so ein netter Kerl ist....“

Es ist früher Morgen in Strunzheim in Franken. Erna und Trudl sind mit ihrem froschgrünen Opel unterwegs. Zuerst begegnen sie Suff und bauen fast einen Unfall. Dann liegt vor ihrem Auto eine tote junge Frau., die Metzgereifachverkäuferin Kerstin Rummsler. Bald steht das halbe Dorf an der Stelle. Der Deutsch-Türke Erkan Rambichler, der mit einer Strunzheimer verheiratet ist und auf einen Platz im Gemeinderat bei der nächsten Wahl hofft, sieht seine Chance gekommen. Sein Sohn ist Kriminalkommissar und soll seiner Meinung nach den Fall übernehmen. Seine Frau allerdings schätzt ihren Sohn sehr gut ein, wie das obige Zitat zeigt. Bülent liebt es bequem. Trotzdem wird er zusammen mit Astrid ins Dorf abgeordnet. Astrid freut sich, endlich zeigen zu dürfen, was sie kann. Allerdings hat sie mit Dorfleben keinerlei Erfahrung.
Der Schriftstil des Buches lässt sich gut lesen. Er zeichnet sich dadurch aus, das viele Situationen leicht überspitzt dargestellt werden. Das geht schon damit los, dass am Fundort der Toten fröhliches Dorftreiben herrscht, als die Kriminalisten erscheinen. Ab und an gibt es allerdings auch ziemlich derbe Ausdrücke. Astrids Eindrücke lesen sich so:

„...Mir scheint, hier kennt nicht nur jeder jeden, hier fließt auch gerne mal das gleiche Blut durch zu viele Adern...“

Die Ermittlungen ziehen sich hin. Es gibt eine Reihe von Verdächtigen. Dazu gehört die Freundin der Toten und ausgerechnet der ehemalige Jugendfreund von Bülent. Der wird wegen seines Alkoholkonsums nur Suff genannt. Während des Handlungsverlaufs erfahre ich als Leser, warum der Lebensweg der beiden Freunde so unterschiedlich verlaufen ist.
Gekonnt kreiert die Autorin besondere Protagonisten. Dazu gehören die schon erwähnten Schwestern Erna und Traudl. Mit fast 80 Jahren haben sie im Dorf noch alles unter Kontrolle, wobei Erna das Sagen hat und Traudl stets um Ausgleich bemüht ist.
Der katholische Pfarrer hat ebenfalls eine eigenartige Lebensauffassung.

„...Aber irgendwann...also wissen Sie, es ist bei mir mit den Frauen wie mit dem Essen, immer das Gleiche geht halt nicht. Irgendwann schmeckt auch der schärfste Braten nach nichts mehr...“

Zu humorvollen Situationen führt die Tatsache, dass Astrid Vegetarierin ist. Als sie Kerstins Arbeitgeber, den Metzger, befragen, der gerade bei der Herstellung von Würsten ist, wird die Situation so beschrieben:

„...Bülent trieb zur Eile. Er befürchtete schwer, dass seine Kollegin demnächst über alle Hygienevorschriften hinwegspeien würde...“

Außerdem sehen Bülents Eltern in Astrid eine potentielle Schwiegertochter.Da sieht man gern über Kleinigkeiten hinweg.
Teilweise verwendet die Autorin im Buch den fränkischen Dialekt. Damit hatte ich keinerlei Probleme. Er gibt der Geschichte eine lokale Authentizität. Im Glossar werden die wichtigsten Begriffe erläutert.