Platzhalter für Profilbild

meggie3

Lesejury Profi
offline

meggie3 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit meggie3 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2024

Ein wirklich schöner Roman

Windstärke 17
0

Ida flieht nach dem Tod ihrer Mutter aus der gemeinsamen Wohnung, weil sie es nicht mehr aushält und alles hinter sich lassen möchte. Spontan entscheidet sie sich, nicht zu ihrer Schwester Tilda und ihrer ...

Ida flieht nach dem Tod ihrer Mutter aus der gemeinsamen Wohnung, weil sie es nicht mehr aushält und alles hinter sich lassen möchte. Spontan entscheidet sie sich, nicht zu ihrer Schwester Tilda und ihrer Familie nach Hamburg zu fahren, sondern einfach weiter ans Meer. Sie landet auf Rügen und lernt durch Zufall Knut und Marianne kennen, die sie bei sich aufnehmen und als Familienmitglied akzeptieren. Dort erlebt Ida ein Familienleben, wie sie es aus ihrer Kindheit nicht kannte. Sie darf in Knuts Kneipe „Die Robbe“ helfen und verbringt die verbleibende Zeit mit Marianne und Schwimmen. Sie versucht, zur Ruhe zu kommen und mit den Bildern, die sie verfolgen, klarzukommen. Und sie lernt zu vertrauen und Bindung zuzulassen, lernt Leif kennen und lässt sich langsam auf ihn ein. Doch als alles besser zu werden scheint, wird Ida mit Mariannes schwerer Krankheit konfrontiert und muss für sich herausfinden, wie sie damit umgehen kann.

Der Roman hat mich sehr berührt, an einigen Stellen musste ich ihn zur Seite legen, weil ich sehr mit Ida mitgelitten habe. Dennoch habe ich ihn gerne gelesen, mir dabei aber die Zeit genommen, die ich brauchte.

Caroline Wahl kann das Fühlen und Handeln von Charakteren sehr authentisch beschreiben, sodass ich es als Leserin nachvollziehen kann, auch wenn es nicht unbedingt rational ist. Der Roman befasst sich mit Schuldgefühlen, Wut, Trauer, Ohnmacht und Unsicherheit, bietet aber auch Auszeiten davon und schöne, ausgelassene Momente, die das Lesen leichter machen und Hoffnung und Mut transportieren. Ein wirklich schöner Roman.

Wer den ersten Roman von Caroline Wahl, der sich in erster Linie um Idas Schwester Tilda dreht, noch nicht gelesen hat, dies aber noch tun möchte, sollte „22 Bahnen“ zuerst lesen. Trotzdem kann „Windstärke 17“ unabhängig von „22 Bahnen“ gelesen werden, er baut einfach auf den Geschehnissen aus dem ersten Roman auf und nimmt entsprechend einige zentrale Punkte vorweg.

Mir hat „Windstärke 17“ außerordentlich gut gefallen. Es gelingt wenigen Autor*innen und Romanen, mich auf diese Weise nachhaltig zu berühren.

Veröffentlicht am 21.05.2024

Drei Frauen zu unterschiedlichen Zeiten am gleichen Ort

Unter dem Moor
0

In „Unter dem Moor“ geht es um drei sehr verschiedene Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der Region am Stettiner Haff gelebt haben.
Die junge Ärztin Nina stellt fest, dass sie so, wie sie bisher ...

In „Unter dem Moor“ geht es um drei sehr verschiedene Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der Region am Stettiner Haff gelebt haben.
Die junge Ärztin Nina stellt fest, dass sie so, wie sie bisher gelebt hat, nicht weitermachen kann. Sie fühlt sich überfordert und erschöpft. Sie beschließt, sich eine Auszeit zu nehmen. Als ihr Freund beruflich ins Ausland geht, ergreift sie die Gelegenheit, um für einige Wochen raus aus dem trubeligen Berlin zu kommen. Sie mietet sich ein Haus am Stettiner Haff und versucht mit ihrer anspruchsvollen Hündin zur Ruhe zu kommen. Allerdings stößt sie dort eines Tages auf der Suche nach ihrer entlaufenen Hündin auf menschliche Knochen…
Der zweite Erzählstrang befasst sich mit der Geschichte von Sigrun, die während der DDR in dem gleichen Ort am Stettiner Haff lebt. Sie wünscht sich mehr, als der Ort ihr bietet und hadert mit ihrer Rolle in der DDR.
Der letzte Strang geht um Gine, die 1936 zu einem Landjahr gezwungen wird. Dort muss sie harte Lebensbedingungen und harte Arbeit sowie ein schreckliches Erlebnis ertragen.

Die Zeit am Stettiner Haff verbindet die drei Frauen und der Autorin gelingt es durch das Abwechseln der Erzählstränge, die Zusammenhänge langsam deutlich zu machen. Ähnlich wie bei einem Krimi konnte ich als Leserin überlegen, wie die Erlebnisse der Frauen zusammenhängen könnten.
Die Protagonist*innen wirken auf mich authentisch und ich habe mitgefühlt. Ganz besonders gut gelungen fand ich die atmosphärischen Beschreibungen des Stettiner Haffs und die Stimmung, die zu den jeweiligen Zeitpunkten dort herrscht.

Insgesamt hat mir der Roman gut gefallen. Wer sich auf verschiedene, zunächst nicht zusammenhängende, Erzählstränge einlassen möchte und mit Beschreibungen von Natur und Atmosphäre etwas anfangen kann, dem oder der könnte „Unter dem Moor“ gefallen.

Veröffentlicht am 14.04.2024

Sehr spannender zweiter Fall für Art und Nele

Die Dämmerung (Art Mayer-Serie 2)
0

In einem Wald wird eine aufwändig mit einem Hirschgeweih inszenierte Leiche gefunden. Es handelt sich um die bekannte Wohltäterin Charlotte Tempel, die zeitnah den Medienpreis „Hirsch“ erhalten soll. Schnell ...

In einem Wald wird eine aufwändig mit einem Hirschgeweih inszenierte Leiche gefunden. Es handelt sich um die bekannte Wohltäterin Charlotte Tempel, die zeitnah den Medienpreis „Hirsch“ erhalten soll. Schnell gerät ihre Tochter Leo unter Verdacht, die als Klimaaktivistin mit dem Leben und Handeln ihrer Mutter nicht immer einverstanden war. Insbesondere Ermittler Art hat Zweifel an ihrer Schuld, obwohl Leos Handeln und ihre Reaktionen auf die Ermittlungen sie verdächtig machen.

Neben den Ermittlungen haben beide Ermittler:innen und Protagonist:innen mit sich selbst bzw. eigenen Problemen zu tun. Nele steht kurz vorm Mutterschutz und muss sich darüber klar werden, wie sie ihr Leben nach der Geburt ihres Kindes gestalten möchte und kann. Art hingegen ist noch immer auf der Suche nach der Mutter seiner siebenjährigen Nachbarin Milla und nimmt eine zunehmend größere Rolle im Leben des Mädchens ein.

Mir hat der erste Band um Art und Nele schon extrem gut gefallen, dieser Band steht dem ersten in keiner Weise nach. Ich mag die Protagonist:innen und wie die beiden sehr unterschiedlichen Charaktere mehr und mehr zusammenwachsen, dabei aber ihre Individualität nicht verlieren. Der Spannungsaufbau ist top, von Seite eins an mochte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Marc Raabe gelingt ein guter Spagat zwischen der detailreichen Ermittlungsarbeit und ausreichend (und auch nicht zu viel) Raum für die Protagonist:innen. Neben dem Inhalt finde ich das Cover sehr gelungen. Es springt ins Auge und weist Parallelen zum ersten Teil auf, sodass es einen Wiedererkennungswert hat.

Auch den zweiten Teil kann ich sehr empfehlen. Wer Spannung und interessante Protagonist:innen mag, kommt hier auf seine Kosten. Ich kann den nächsten Band kaum erwarten und freue mich schon sehr auf ihn.

Veröffentlicht am 03.04.2024

Lesenswerter Roman

Annas Lied
0

Der Roman erzählt die Geschichte von Hannah, die Anfang der 1920-er Jahre in eine jüdische Familie in Dänemark hineingeboren wird. Als Leser*in begleitet man sie ab dem Jahr 1929, als sie acht Jahre alt ...

Der Roman erzählt die Geschichte von Hannah, die Anfang der 1920-er Jahre in eine jüdische Familie in Dänemark hineingeboren wird. Als Leser*in begleitet man sie ab dem Jahr 1929, als sie acht Jahre alt ist, bis ins Jahr 2019. Der Roman schildert Hannahs Jugend aus ihrer Perspektive: ihre Kindheit mit den vier Brüdern und ihrer Familie, viel Musik, die Veränderungen in den 30-er Jahren durch den deutschen Nationalsozialismus, der auch Auswirkungen auf die dänischen Juden hatte, und den 2. Weltkrieg. Nach dem zweiten Weltkrieg werden die Veränderungen deutlich und Hannah muss sich mit der bevorstehenden arrangierten Hochzeit und ihrem damit verbundenen Umzug nach Paris auseinandersetzen…

Der Roman zeigt eindrücklich die Diskrepanz zwischen den Träumen und der Liebe einer jungen Frau und den glaubensbedingten Anforderungen der Familie an sie. Dem Autor ist es sehr gut gelungen, Hannas schwierige Situation greifbar zu machen. Hannas ganzes Leben durchzieht die große Liebe zur klassischen Musik und ihrer Liebe zum Klavierspielen. Auch wenn zum Teil detailliert Klavierstücke und das Klavierspielen beschrieben werden, hatte ich als eher unmusikalische Person weder Probleme dem Inhalt zu folgen noch das Gefühl der Langeweile. Im Gegenteil, mich hat Hannas große Liebe zum Klavierspiel sehr beeindruckt.

Ich mag den Schreibstil des Autors, der Roman hat sich sehr gut lesen lassen. An einigen Stellen hätte ich mir gewünscht, dass er noch weiter in die Tiefe geht. Manchmal waren mir die Zeitsprünge auch etwas zu groß. Trotz der über 500 Seiten hatte der Roman meinem Empfinden nach keine Längen.
Hannas Geschichte verdeutlicht beispielhaft, wie Vertreibung, Flucht und Umbrüche die Geschichten und Leben vieler jüdischer Familien geprägt haben. Mir ist einiges noch klarer als zuvor geworden, auch weil Benjamin Koppel sehr eindrücklich schreibt.

Mir hat „Annas Lied“ sehr gut gefallen. Ich würde es allen empfehlen, die sich auf einen Roman über ein fast hundertjähriges Leben einlassen mögen.

Veröffentlicht am 24.03.2024

Highlight-Buch: Absolut lesenswerter Roman

Demon Copperhead
0

Demon Copperhead hat es von klein auf nicht leicht. Seine Mutter ist drogensüchtig, er muss sich schon sehr früh um sich und letztlich auch seine Mutter kümmern. Lichtblick ist die Nachbarsfamilie, die ...

Demon Copperhead hat es von klein auf nicht leicht. Seine Mutter ist drogensüchtig, er muss sich schon sehr früh um sich und letztlich auch seine Mutter kümmern. Lichtblick ist die Nachbarsfamilie, die ihn fast wie einen weiteren Sohn behandelt. Armut und Perspektivlosigkeit ziehen sich durch seine Kindheit. Dennoch hat er Humor, liebt das Zeichnen und beobachtet genau. Er ist ein liebenswerter Protagonist und trifft in seinem Leben glücklicherweise auch immer wieder auf Menschen, die ihm wohlgesonnen sind.

Der Roman erzählt die Geschichte des Demon Copperhead, von seinem Aufwachsen bis hinein ins Erwachsenenleben. Er befasst sich thematisch mit dem US-amerikanischen Sozialsystem, der Schere zwischen Stadt und Land und „abgehängten“ Regionen und der Opioidkrise in den USA. Bei all den schweren Themen und den vielen Tiefschlägen, die Demon durchaus erleiden muss, hat der Roman meinem Empfinden nach wenig Schweres an sich. Es gibt immer wieder Passagen, die mich haben durchatmen lassen.

Absolut herausragend finde ich, wie die Autorin Demons Weg beschreibt. Mit vielen Tiefen, aber auch einigen Lichtblicken. Die Sprache lässt sich sehr gut lesen und es gab einige Passagen, die inhaltlich und sprachlich so berührend waren, dass ich sie mehrmals gelesen habe.

Auch wenn der Roman über 850 Seiten stark ist, ich fand ihn keine Seite zu lang. Auch wenn der Mittelteil mit der Beschreibung einer Generation, die in die Sucht rutscht, schwer zu ertragen war, habe ich das Buch wirklich gern gelesen. Der Autorin ist es gelungen, sehr ernste und bedrückende Themen in dem Roman so zu verpacken, dass es mich zwar berührt und mitgenommen, mich aber nicht komplett runtergezogen hat und ich gerne weitergelesen habe. Obwohl ich teilweise nur darauf gewartet habe, was als nächstes Furchtbares passiert und gehofft, dass es anders kommt…