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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.05.2019

(Alp)Traumfabrik

Der blutrote Teppich
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Zum Inhalt:
Hardy Engel hat den Traum von der Schauspielerei aufgegeben und widmet sich ganz seiner Detektei im Hollywood der 20er Jahre. Immer knapp bei Kasse freut er sich über den Auftrag, den der Regisseur ...

Zum Inhalt:
Hardy Engel hat den Traum von der Schauspielerei aufgegeben und widmet sich ganz seiner Detektei im Hollywood der 20er Jahre. Immer knapp bei Kasse freut er sich über den Auftrag, den der Regisseur William Desmond Taylor ihm erteilen will. Doch dann wird Taylor erschossen und Hardy bei dem Versuch der Aufklärung von allen Seiten behindert. Denn viele haben nicht nur die sprichwörtliche Leiche im Keller und scheuen sich auch nicht, dieser noch einige weitere hinzuzufügen: Hohe Tiere im Filmgeschäft, der Politik und nicht zuletzt bei der Polizei.

Mein Eindruck:
Wie schon bei seinem ersten Krimi aus den ersten Jahren der Traumfabrik beweist Weigold den richtigen Riecher für Skandale, die damals wie heute die Gemüter bewegen. Ein toter Regisseur, viele bekannte Namen unter Verdacht, schöne Frauen, skrupellose Männer und mittendrin Hardy Engel, der sich nicht korrumpieren lässt. Der perfekte Held, da er eben nicht perfekt ist: Kein Geld, um seine alte Liebe trauernd, Glasauge, hoher Verbrauch von verbotenem Alkohol, aber trotzdem die weißeste Weste innerhalb aller Schattierungen von grau bis tiefschwarz. Großen Spaß bereiten immer wieder die Erwähnungen der Personen des öffentlichen Interesses, von denen der Autor einige in seinem Werk auftreten lässt: Charlie Chaplin, Carl Laemmle, Cecil B. DeMille sind nur einige, die Weigold aufs schriftstellerische Korn nimmt und genüsslich seziert. Weigold besitzt einen absolut gängigen Schreibstil und ein Talent für Beschreibungen. Sein Detektiv ist mit genau der richtigen Prise Selbstironie und schwarzem Humor ausgestattet und – da er in der ersten Person erzählt – tappen die Leser gemeinsam mit dem Ermittler im Dunkeln, bis sich der Fall klärt. Doch da wir uns in Hollywood befinden, gibt es zum Schluss die große Nebelmaschine und alle Aufklärung geht in Rauch auf. Glücklicherweise gibt es einen Epilog, denn nach dem Fall ist vor dem Fall. Und mit dem erkämpften Respekt und seinem kleinen Netzwerk von einigen Aufrechten sollte es Hardy gelingen, hoffentlich bald noch einige Vertuschungen aufzudecken und seltsame Todesfälle zu klären. Diese werden ganz bestimmt wieder ein Spaß für seine Leser sein, selbst wenn sie (natürlich) zwischen den dicken Deckeln eines unveröffentlichten Drehbuchs verschwinden und sich die Politik gemeinsam mit den Filmbossen für das höhere Gut verbündet: Money makes the world go round.

Mein Fazit:
Guter Stil, auch wenn der Anzug nicht sitzt

Veröffentlicht am 15.05.2019

Fulminant

The Fourth Monkey - Das Mädchen im Eis
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Zum Inhalt:
Nachdem der Fourth Monkey Killer Bishop entkommen ist, werden wieder Mädchen tot aufgefunden. Und obwohl die Handschrift an Bishop erinnert, meint der Polizeibeamte Sam Porter noch etwas Anderes ...

Zum Inhalt:
Nachdem der Fourth Monkey Killer Bishop entkommen ist, werden wieder Mädchen tot aufgefunden. Und obwohl die Handschrift an Bishop erinnert, meint der Polizeibeamte Sam Porter noch etwas Anderes in den Morden zu sehen. Etwas, oder Jemand. Deshalb macht er sich auf die Jagd. Suspendiert und misstrauisch beäugt vom FBI, nur mit Hilfe einer Anwältin und dem unterschlagenen Tagebuch aus Bishops Kindheit. Denn dort hofft er Antworten zu finden, doch manchmal findet man mehr, als man sucht. Und nicht immer gefällt einem das, was man findet.

Mein Eindruck:
Dieser Autor wagt eine Gratwanderung, indem er in seiner Geschichte relativ viele Klischees und NoGos benutzt, die eine deren überdrüssige oder zartbesaitete Leserschaft stören könnten. Der Protagonist Sam Porter hat Probleme, den Tod seiner Frau zu verkraften, der Antagonist Bishop eine über alle Maßen schwere Kindheit, die Morde werden an unschuldigen Kindern verübt und zudem noch sehr detailliert beschrieben und grausam ausgeführt. Zu allem Überfluss verweist er auf eine sehr ärgerliche Weise oft auf den Vorgänger „Geboren, um zu töten“. Denn einerseits wird man das Buch nicht mehr lesen wollen, da alle Twists und Geheimnisse bekannt sind, andererseits bemerkt man schnell, dass die Lücken im Verständnis fast zu groß sind. Aber – und genau das ist die große Kunst Barkers – eben nur „fast“. Denn er beherrscht die große Kunst zu unterhalten, von allen Zutaten genau so viel für den Cocktail „Thriller“ zu verwenden, dass dieser schmeckt und süchtig macht, - nach der nächsten Seite, dem nächsten Kapitel, dem nächsten Buch. Seine Charaktere sind gut gewählt, handeln folgerichtig, man kann mit ihnen fiebern, sie verstehen, mit ihnen leiden und sie verachten; alles zu seiner Zeit und jedem so, wie ihm gebührt. Und so manches Mal bringt man widersprüchliche Gefühle für widersprüchliche Menschen auf und so manches Mal wird man von ihren Handlungen komplett überrascht. Doch auch diese Twists geraten Barker verständlich und nach dem großen Knall in der Gegenwart führt er die Leser zurück in die Vergangenheit, die vieles erklärt und die Gier auf den nächsten Band nährt.

Mein Fazit:
Hoffentlich lässt das nächste Buch nicht allzu lange auf sich warten

Veröffentlicht am 05.05.2019

Perfekt konstruiert

Auris
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Zum Inhalt:
Um das Trauma ihrer eigenen Vergewaltigung zu verarbeiten, hat die Radiomoderatorin Jula einen Podcast eingerichtet, auf dem sie über wahre Verbrechen und Justizirrtümer berichtet. Ihre neueste ...

Zum Inhalt:
Um das Trauma ihrer eigenen Vergewaltigung zu verarbeiten, hat die Radiomoderatorin Jula einen Podcast eingerichtet, auf dem sie über wahre Verbrechen und Justizirrtümer berichtet. Ihre neueste Geschichte befasst sich mit dem Akustik-Profiler Hegel. Nie anders als rechtschaffen aufgetreten, sitzt dieser seit einem Jahr in Haft, da er einen überaus brutalen Mord gestanden hat. Obwohl Hegel Jula darum bittet, dass sie die Finger von seinem Fall lässt, bemerkt sie Ungereimtheiten in der Beweisfolge und stürzt sich in ein Abenteuer, welches nicht nur sie, sondern auch ihren kriminellen Halbbruder Elyas in Gefahr bringt.

Mein Eindruck:
Ja, der Name Fitzek zieht im Bereich der Psychothriller. Dass er allerdings noch auffälliger auf dem Cover abgebildet ist als der von Vincent Kliesch, obwohl nur die Idee von dem Bestsellerautor geliefert wurde, wird diesem Roman und seinem Autor absolut nicht gerecht. Denn weder in Schreibstil, noch in Spannungsaufbau, Brutalität und Begabung, die Leser in die Irre laufen zu lassen, steht Kliesch im Schatten des großen Meisters. Seine beiden Protagonisten sind klug gewählt: Eine hippe, junge Journalisten und ein genialer Wissenschaftler – die Basis für kluge und interessante Dialoge und Gefechte ist damit vorhanden. Und noch etwas gefällt: Dieses Buch soll der Auftakt zu einer Reihe sein, was die Einführung mehrerer Nebencharaktere voraussetzt. Trotz dieser Anforderung schafft es Kliesch, genügend Zeit auf den Fall zu verwenden und so viele falsche Spuren zu legen, dass selbst geübte Leser dieses Genres bis kurz vor Schluss über die Auflösung rätseln – und letztendlich sogar noch einmal überrascht werden. Private Verwicklungen der Charaktere sind dabei nicht störend sondern notwendig und bringen die Story voran. Der Cliffhanger – und eigentlich sind es sogar zwei – ist genial. Denn er stört nicht den Abschluss einer Geschichte, lässt aber trotzdem nach dem nächsten Band der Reihe gieren.

Mein Fazit:
Furioser Auftakt, gerne bald mehr

Veröffentlicht am 28.04.2019

Mein ist die Rache

Nemesis
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Das Buch ist der vierte Teil einer Reihe um das Verhältnis der Staatsanwältin C.J. zu dem Serienmörder Cupido. Es gibt viele Querverweise zu Vorkommnissen in den vorhergehenden Romanen (mit inhaltlichen ...

Das Buch ist der vierte Teil einer Reihe um das Verhältnis der Staatsanwältin C.J. zu dem Serienmörder Cupido. Es gibt viele Querverweise zu Vorkommnissen in den vorhergehenden Romanen (mit inhaltlichen Spoilern derselben), so dass ein nachträgliches Lesen dieser Bücher große Überraschungseffekte dort zerstören würde. Auch die folgende Rezension spoilert deshalb die Vorgänger und sollte von Lesern missachtet werden, die sich die Bücher noch zu Gemüte führen wollen. Für alle anderen gilt: „Nemesis“ ist ohne Vorkenntnisse der älteren Bücher gut lesbar.

Zum Inhalt:
C. J. muss keine Angst mehr vor Cupido haben – schließlich hat sie selbst den Serienmörder und –Vergewaltiger getötet und dessen Leiche vergraben. Sein Vermächtnis treibt sie jedoch alsbald um, als ein Frauenkörper mit einer Tätowierung gefunden wird. Dieser weist auf den von Cupido erwähnten Snuff-Video-Ring hin, dem einige superreiche und sehr hoch angesehene Mitglieder der Gesellschaft angehören. Da C.J. klar ist, dass diesen Männern nicht mit dem Gesetz beizukommen ist, macht sie sich auf ihren ganz persönlichen Rachefeldzug – immer in Angst davor, damit ihre Ehe und Karriere aufs Spiel zu setzen.

Mein Eindruck:
Hoffman spielt meisterhaft auf der Klaviatur des Grauens. Dabei weiß sie im brutalen Massaker genauso zu überzeugen wie bei den subtilen Andeutungen, die beispielsweise die Kontaktaufnahme mit den Opfern begleiten und die Nackenhaare bei der Leserschaft aufrichten lassen. Fast in jedem Satz ist zumindest ein Unbehagen gewollt, jede Figur erhält gebührende Aufmerksamkeit, jedes Motiv für jede Tat kristallisiert sich ganz klar heraus. Wunderbar gelingt es der Autorin, die Leserschaft bei allem Glauben in Gesetzestreue zumindest im Ansatz von der Notwendigkeit der Selbstjustiz zu überzeugen und davon, dass ein Weg manchmal gegen die eigene Überzeugung und das eigene (Un)rechtsbewusstsein gegangen werden muss.
Der Schreibstil ist schnörkellos und trotzdem eindringlich, der Spannungsaufbau perfekt und die Aufmerksamkeit bleibt von der ersten bis zur letzten Seite ununterbrochen erhalten. Das Ende bietet zwar ein wenig zu viel perfekte Familie, bildet jedoch einen perfekten Abschluss des perfekten vierten – und höchstwahrscheinlich letzten – Teils der Reihe um C.J. und ihr Trauma.

Mein Fazit:
Gelungen, wenn man die Moral dem nicht ganz gesunden Gerechtigkeitssinn opfert


Veröffentlicht am 10.03.2019

Hinterlistig gut

Ein perfider Plan
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Zum Inhalt:
Der Autor Horowitz will sich nicht nachsagen lassen, dass er nur erfundene Sachen beschreiben kann und lässt sich auf ein Geschäft mit dem Ex-Polizisten Hawthorne ein. Dieser berät seine Ex-Kollegen ...

Zum Inhalt:
Der Autor Horowitz will sich nicht nachsagen lassen, dass er nur erfundene Sachen beschreiben kann und lässt sich auf ein Geschäft mit dem Ex-Polizisten Hawthorne ein. Dieser berät seine Ex-Kollegen bei schwierigen Fällen und denkt, dass er damit leckeres Futter für eine krimisüchtige Leserschaft anbieten kann. Die erste Zusammenarbeit der beiden behandelt den Mord an einer Dame der Londoner Society, die genau an dem Tag getötet wurde, an dem sie selbst ihre Beerdigung in Auftrag gab. Zufall?

Mein Eindruck:
Was für ein köstlicher Einfall, - und wie schön wird der Leser verwirrt, er knobelt, ist unschlüssig. Horowitz packt sehr viel Wahres in seine Geschichte (ja, er schreibt für „Inspector Barnaby“, ja, die Alex Rider Bücher sind von ihm) und beglückt zusätzlich eine wichtige Person mit dem Hintergrund „Homeland“ und dem Vornamen „Damian“. Und so fragt man sich dadurch bei dem ganzen Rest, ob nicht doch einiges stimmen könnte und Hawthorne eine reale Person ist. Aber das ist noch nicht alles, was ein Leserherz erfreut. Sein literarisches Ich ist selbstironisch, die Perspektive immer glaubhaft und – last but not least – leitet er seine Auflösung großartig her. Die Ermittlung könnte so geschehen, wie sie geschildert wird: In mehrere Richtungen, bis sich die richtige Spur folgerichtig entwickelt und zu der verantwortlichen Person führt, - inklusive Motiv, Ablauf und Verhaftung. Dass die Figur sich selbst den Titel zu diesem Buch aussucht, versteht sich von selbst. Denn Horowitz ist zwar Autor, das Superhirn heißt jedoch Hawthorne und man kann sich jetzt schon auf den nächsten Fall freuen, den er mit seinem persönlichen Watson aufklären wird. Eines sollte nämlich noch erwähnt werden: Schreiben kann der Tony – und nicht nur Barnaby.

Mein Fazit:
Mir geht es wie Horowitz, - ich kann Hawthorne nicht widerstehen….