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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.03.2019

Ungewöhnlich

1793
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Zum Inhalt:
Im Herbst 1793 zieht der Häscher Mickel eine Leiche aus dem Wasser. Dieser sind nicht nur alle Gliedmaßen amputiert, es fehlen auch Augen und Zunge. Der Jurist Cecil Winge wird als Sonderermittler ...

Zum Inhalt:
Im Herbst 1793 zieht der Häscher Mickel eine Leiche aus dem Wasser. Dieser sind nicht nur alle Gliedmaßen amputiert, es fehlen auch Augen und Zunge. Der Jurist Cecil Winge wird als Sonderermittler eingesetzt und gemeinsam mit Mickel versucht er, das Geheimnis des Mordes zu ergründen und der Leiche einen Namen zu geben. Dabei muss er sich gegen zwei Gegner behaupten: Seine Schwindsucht und die Ränkespiele der Obrigkeit – und beide Gegner sind stark.

Mein Eindruck:
An diesem Buch ist Vieles ungewöhnlich, vor allen Dingen aber eins: Ungewöhnlich gut gelungen. Zuerst einmal die Reihenfolge. In vier Kapitel aufgeteilt, die sich allesamt im Jahr 1793 zumeist in Stockholm abspielen, beginnt die Geschichte im Herbst. Danach springt sie erst in den Sommer und dann sogar in den Frühling zurück, um schließlich wieder in den Vorwärtsgang Richtung Winter zu schalten. Und der Leser genießt die Sprünge, da zu jeder Zeit klar ist, dass man die Vergangenheit braucht, um die Zukunft zu verstehen, die Spannung jedoch auf diese Weise viel größer ist, als sie bei einer chronologischen Abfolge gewesen wäre. Dazu führt Natt och Dag zwei weitere Hauptfiguren ein, deren Geschichten „ihre“ Jahreszeit beherrschen und erst spät lässt er erkennen, wie alle vier zueinander und zu dem Grund der Verstümmelung des Opfers stehen.
Die Story in ihrer Gänze ist dabei unvorstellbar grausam. Das noch nicht einmal, weil wieder und wieder gefoltert und haarklein beschrieben werden würde, - wer auf dauernden Splatter wartet, wird ganz im Gegenteil enttäuscht sein. Das meiste passiert im Kopf und wenn ein Gefühl wirklich vorherrschend ist, dann ist es der Schrecken über das, was Menschen anderen Menschen antun, einfach weil sie es können, weil ihnen danach ist und weil sie bar jeder Menschlichkeit sind. So ist dieser Krimi mehr Sittengemälde und Lehrstunde zum Thema Charakterstärke, die sich nicht in schönen Kleidern und einem Titel zeigt, sondern unabhängig von Rang und Namen ist.
Leider kann es bei dem Gesundheitszustand Cecil Winges wohl keine Fortsetzung geben. Möglicherweise ist das jedoch sogar gut, denn selbst für so einen begabten Autor dürfte es schwierig sein die Messlatte zu überspringen, die er mit 1793 gelegt hat.

Mein Fazit:
Der Mensch ist dem Menschen sein Wolf. Perfekt!

Veröffentlicht am 01.02.2019

Tote Studentinnen in Dublin

Ich bringe dir die Nacht
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Zum Inhalt:
Zehn Jahre, nachdem Alisons Freund Will als Serienkiller verurteilt wurde, sterben zwei Studentinnen in Dublin auf eine ähnliche Art und Weise wie damals. Malone, ein irischer Polizist, fragt ...

Zum Inhalt:
Zehn Jahre, nachdem Alisons Freund Will als Serienkiller verurteilt wurde, sterben zwei Studentinnen in Dublin auf eine ähnliche Art und Weise wie damals. Malone, ein irischer Polizist, fragt sich, ob die Verhaftung damals nicht auf einem fatalen Irrtum und falschen Spuren beruhte und lässt sich auf einen Kontakt mit Will ein, welcher behauptet, Informationen zu haben. Doch Will möchte mit niemandem reden, außer mit Alison. Diese war seit der Zeit der Morde nicht mehr in Irland und lässt sich nur schwer von der Polizei zur Kooperation überreden. Doch schließlich fliegt sie nach Dublin, besucht Will, beginnt erst zu zweifeln, dann zu ermitteln und gerät schließlich in das Visier des (neuen?) Killers.

Mein Eindruck:
Catherine Ryan Howard bedient sich verschiedener Personen und Zeiten, um den Lesern die Sicht der Dinge zu schildern. In der Vergangenheit gibt es praktisch nur eine Hauptperson: Alison, die zusammen mit ihrer Kindheitsfreundin nach Dublin zieht, um dort das Studentenleben zu genießen. Die Protagonistin der Gegenwart ist zwar ebenfalls Alison; dieser Zeitpunkt befasst sich jedoch auch – in einigen, wenigen Kapiteln – mit den Gedanken von Will und denen des Täters. Und genau die Beschreibung der Gefühle und Gedanken ihrer Figuren ist das, was die Story ausmacht. Man bekommt einen sehr guten Eindruck des Widerstreits in Alisons Seele, der Verzweiflung Wills über sein Schicksal und die Beweggründe des Täters und hofft und bangt mit den Figuren. Diese sind bis in die Nebencharaktere so durchkomponiert, dass man praktisch pausenlos Möglichkeiten durchspielt und wieder verwirft. Dadurch, dass Howard geschickte Wendungen in ihre Geschichte einbaut, kann man nie sicher sein, ob der Schein vielleicht doch trügt, - und genau das sollte ein Psychothriller bieten.

Mein Fazit:
Ein perfektes Verwirrspiel

Veröffentlicht am 26.12.2018

Sehr gut konstruiert

Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 9)
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Zum Inhalt:
Der Tod eines älteren Mannes führt nach der Durchsuchung des Grundstücks zum Fund mehrerer Frauenleichen unter einem provisorischen Fundament. Die Opfer verschwanden bundesweit und vor vielen ...

Zum Inhalt:
Der Tod eines älteren Mannes führt nach der Durchsuchung des Grundstücks zum Fund mehrerer Frauenleichen unter einem provisorischen Fundament. Die Opfer verschwanden bundesweit und vor vielen Jahren. Es stellt sich heraus, dass ihr Todeszeitpunkt auf den Muttertag fiel, - dieses Datum scheint von tieferer Bedeutung für den Täter zu sein. Hat er möglicherweise etwas mit dem alten Mann zu tun, der gemeinsam mit seiner verschwundenen Frau über Jahre Pflegekinder aufgenommen hat?

Mein Eindruck:
Bei „Muttertag“ handelt es sich eindeutig um eines der besten Bücher von Nele Neuhaus um ihre Ermittler Pia Sander und Oliver von Bodenstein. Die Anzahl der Personen ist überschaubar und dank der Liste zu Beginn des Buches gut einzuordnen, die Schauplätze plastisch geschildert. Die Idee, die Gedanken des Täters jetzt und zum Zeitpunkt seiner Morde kursiv zu drucken, erleichtert zusätzlich die Lesbarkeit. Und so kann sich die Leserschaft wunderbar auf einen perfekt konstruierten Mordfall konzentrieren, der ein um das andere Mal auf eine falsche Fährte führt. Trotz massivster privater Verwicklungen der Beamten stören diese nicht als lästiges Beiwerk, sondern sorgen für zusätzliche Anspannung, - etwas, dass ein Autor erst einmal bei mit oft zu viel Privatgedöns belasteten Lesern leisten muss. Dass Neuhaus schreiben kann hat sie schon oft bewiesen, trotzdem ist es bewundernswert, wie sie es schafft, den Spannungsbogen über 550 Seiten straff zu halten und zu keiner Zeit zu langweilen oder unnötige Nebenkriegsschauplätze aufzubauen. In diesem Buch hat alles seinen Grund, jeder Nebensatz sitzt, jede Kleinigkeit sollte beachtet werden. Dann kann man als aufmerksamer Leser auf den Täter kommen, - und das ist (so finde ich) die größte Belohnung bei einem Whodunnit.

Mein Fazit:
Familiär, gut ausgeklügelt und zu jedem Zeitpunkt ein Genuss. In einem Wort: Perfekt!

Veröffentlicht am 25.11.2018

Unsterblich oder einfach tot?

Die Unsterblichen
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Zum Inhalt:
Vier Geschwister hören von einer Wahrsagerin, die imstande ist, jedem den Todestag vorherzusagen. Neugierig geworden, besuchen sie die Frau und diese nennt ihnen ihre Daten. Mit diesem Wissen ...

Zum Inhalt:
Vier Geschwister hören von einer Wahrsagerin, die imstande ist, jedem den Todestag vorherzusagen. Neugierig geworden, besuchen sie die Frau und diese nennt ihnen ihre Daten. Mit diesem Wissen ausgestattet leben Simon, Karla, Daniel und Varya ihr Leben, - mehr oder weniger glücklich, mehr oder weniger erfüllt. Bis zum Ende.

Mein Eindruck:
Was würdest du tun, wenn du das Datum deines Todes wüsstest? Leben auf Teufel komm heraus? Mit deinem Schicksal hadern, dich ihm ergeben oder dagegen ankämpfen? Vor dieser Frage stehen die vier Gold-Geschwister, nachdem sie eine Zigeunerin besucht haben, und alle vier finden eine eigene Antwort auf die Frage. Dafür hat die Autorin ihr Buch nach dem Prolog in vier Teile geteilt, welche sich mit der jeweils nächsten sterbenden Person beschäftigen und dieses fast ausschließlich. Denn bis auf Karla und Simon, die ersten Delinquenten, pflegen die vier – wenn überhaupt - nur noch losen Kontakt zueinander und so ist diese Konzentration folgerichtig. Man mag gar nicht glauben, dass die Autorin erst 28 ist, so viel Tiefe zeigen ihre Charaktere, so viel Unterschiedlichkeit billigt sie ihnen zu. Und bei allen kommt irgendwann der Punkt, an dem man sie als Leser schütteln möchte, weil man merkt, wie sie auf ihr Unheil zuwanken – und es stellt sich die Frage, ob „selbsterfüllende Prophezeiung“ nicht auch eine Antwort sein kann, die insbesondere bei Karlas Schicksal naheliegt.
Mein persönlicher Lieblingssatz – in diesem Buch findet sich tatsächlich einer – ist „So wie sie das beschreiben, hört es sich an, als könnten wir selbst entscheiden, ob wir leben oder überleben wollen.“ Denn genau das zeigt sich in der Geschichte – derjenige, der länger lebt, hat nicht unbedingt mehr Lebensqualität. Ganz im Gegenteil nimmt der Rausch der Lebendigkeit bei jedem weiteren Schicksal ab, bis er bei Varya fast ganz verschwindet.

Mein Fazit:
Jedes Leben kann erfüllt sein, selbst wenn es nur kurz dauert. Das ist ein sehr schöner Gedanke, der nachhallt.

Veröffentlicht am 11.11.2018

Sandwich

Das Heer des Weißen Drachen
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Zum Inhalt:
Der weiße Drache ist erwacht. Er sammelt ein Heer von Drachen und wandelt Menschen in Verderbte um: Innerlich wie äußerlich entstellt, nur noch ein fernes Abbild ihrer einstigen Menschlichkeit, ...

Zum Inhalt:
Der weiße Drache ist erwacht. Er sammelt ein Heer von Drachen und wandelt Menschen in Verderbte um: Innerlich wie äußerlich entstellt, nur noch ein fernes Abbild ihrer einstigen Menschlichkeit, jedoch mit dem Wissen eines Schwarms und der Fähigkeit, in Gedanken zu kommunizieren. Mit dieser Armee geht er gegen die verbliebenen „echten“ Menschen vor um sich die Erde untertan zu machen.

Mein Eindruck:
Das typische Sandwich-Buch einer Trilogie: Es beginnt für Leser ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes verwirrend und endet mit einem überdimensionalen Cliffhanger. Aber wenn man den ersten Teil der Reihe „Das Erwachen des Feuers“ gelesen hat, ist „Das Heer des Weißen Drachen“ nur noch eines: Großartige Fantasy mit wenig Ehre aber dafür noch mehr Blut – auf dem Schlachtfeld und als Elixier für diejenigen Menschen, die blutgesegnet sind und den Lebenssaft der verschiedenen Drachen auf viele Arten nutzen können. Und auch wenn es für mein Dafürhalten ein wenig zu viel Kampfgetümmel gibt, nutzt Ryan seine Fantasie auch für geschmackvollere Dinge wie ein eigenes Kartenspiel (welches im Anhang sogar inklusive Regeln erklärt wird) und eine erschaffene Welt mit Gerätschaften, die aus dem Fundus eines Leonardo da Vincis anmuten. Und trotz der vielen Seiten liest man sich relativ schnell durch diesen Schmöker, den Ryan wählt für jedes seiner Kapitel einen Helden aus, dessen Sicht der Dinge und Gedanken den Inhalt bestimmen. Dabei findet auch bei einer Erzählung in der dritten Person eine große Identifikation mit der jeweiligen Figur statt, da nicht nur das Erlebte, sondern ebenfalls Gefühle thematisiert werden. Die Namen sind dabei teilweise gewöhnungsbedürftig, doch ein umfangreiches Glossar zum Schluss hilft der Leserschaft wenigstens in Teilen weiter. Nicht vollumfänglich, denn kurioserweise finden Personen Erwähnung, die nur auf einer Seite ins Geschehen eingreifen, während andere, die für die Geschichte wirklich wichtig sind, überhaupt nicht aufgeführt werden.
Der Schreibstil des Autors macht es leicht, sich seine Welt vorzustellen. Er schmückt aus, wo es notwendig ist, überlädt die Story trotzdem nicht. Die Anzahl der Charaktere ist dem Band (und der Trilogie) angemessen, die Hauptpersonen gut über die Schichten und die Welt verteilt – so erfährt man die Gedanken der Verderbten ebenso wie die der Agenten, der braven Soldaten und
der gewitzten Menschen aus der Unterschicht. Diese Vielschichtigkeit trägt die Geschichte und lässt einen verzweifelt nach dem Termin für den Abschluss in deutscher Übersetzung suchen.

Mein Fazit:
Ein Mittelstück, das Kenntnisse des ersten Teils benötigt. Aber mit diesem Wissen einfach nur super!