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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.07.2019

Bitter

Dann schlaf auch du
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Zum Inhalt:
Myriam und Paul sind beide beruflich erfolgreich – sie als Anwältin, er als Musikproduzent – und gönnen sich für ihre beiden kleinen Kinder den Luxus eines Kindermädchens. Keines mit Migrationshintergrund, ...

Zum Inhalt:
Myriam und Paul sind beide beruflich erfolgreich – sie als Anwältin, er als Musikproduzent – und gönnen sich für ihre beiden kleinen Kinder den Luxus eines Kindermädchens. Keines mit Migrationshintergrund, sondern Louise, eine Blondine mit guten Referenzen. Doch schleichend beginnt Louise, sich in dem Leben der Familie einzunisten. Als sie bemerkt, dass Myriam und Paul das nicht länger dulden werden, kommt es zur Katastrophe.

Mein Eindruck:
Das Buch beginnt direkt mit dem Paukenschlag des Doppelmordes an zwei kleinen Kindern und dem Selbstmordversuch der Mörderin. Danach gleitet die Geschichte in ein ruhigeres Fahrwasser und Slimani führt ihre Leser ganz behutsam in den Abgrund. Durch die Kenntnis des Schlusses stellt sich gleich zu Beginn ein unbehagliches Gefühl ein, - egal, wie viel Liebe, Zärtlichkeit und Rosenduft Louise versprüht. Als dieses Gefühl irgendwann auch das glückliche Paar erfasst, ist es schon zu spät. Und obwohl Slimani eindringlich schildert, lässt sie viel im Unklaren. Zum Schluss bleibt man genauso fassungslos wie zu Beginn, ungeachtet dessen, dass man meint, eine ganze Menge über Louises Gefühle und ihr Leben mit und abseits der Kinder gelesen zu haben. Doch alles ist an der Oberfläche, in die Tiefe gelangt man nicht und ist trotz der 200 Seiten Text und den Einblicken in die Vergangenheit und die Gedanken der Täterin so fassungslos, wie zu Beginn des Buch. Warum die Verzweiflung Louises an ihrem Dasein in einen erweiterten Suizid mündet, bleibt unklar, - ebenso wie der Verbleib der Menschen, die bis dahin in ihrem Leben eine Rolle spielten. Dass man sich dennoch nicht von der Autorin verschaukelt fühlt, ist die große Kunst Slimanis. Denn wie sie die immer größer werdende dunkle Wolke über dem vermeintlich glücklichen Leben malt, ist meisterhaft.

Mein Fazit:
Unsagbar traurig

Veröffentlicht am 16.07.2019

Großartig, ohne Abstriche!

Achtsam morden
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Zum Inhalt:
Der Anwalt an Björn Diemel muss an vielen Fronten kämpfen: Die Kanzlei, in der er arbeitet, befördert ihn 1. nicht, weil er 2. den cholerischen, Björn in die Ecke treibenden Gangsterboss Dragan ...

Zum Inhalt:
Der Anwalt an Björn Diemel muss an vielen Fronten kämpfen: Die Kanzlei, in der er arbeitet, befördert ihn 1. nicht, weil er 2. den cholerischen, Björn in die Ecke treibenden Gangsterboss Dragan betreut, der 3. von Björns misstrauischen Freund bei der Polizei akut eines Mordes verdächtigt wird. Zu allem Überfluss ist seine Frau dermaßen genervt von der Situation, dass sie nicht nur 4. schlechteste Ehelaune verbreitet, sondern zusätzlich 5. einen Umzug mit der gemeinsamen Tochter Emily androht. Die einzige Chance, diesem gesammelten Stress zu entkommen, scheint in einem Achtsamkeitsseminar zu liegen. Dieses absolviert Björn und das so erfolgreich, dass er seine Probleme allesamt löst. Blutig, aber achtsam!

Mein Eindruck:
Selten bin ich mit Jan Böhmermann auf einer Wellenlänge, was Humor anbetrifft. Aber seine Meinung, die im Klappentext zitiert wird, kann ich vorbehaltlos unterschreiben. Wenn Monty Python ein Buch geschrieben hätte, wäre es wohl ähnlich dem von Karsten Dusse geraten: Tiefschwarzer Humor, politisch inkorrekt bis ins Mark, weder Kinder noch Ausländer oder Frauen werden verschont, Polizisten sind korrupt, die Anwaltschaft bigott, die Umwelt wird auf Kosten von Kinderarbeit und einem CO2-Abdruck, der Goliath zur Ehre gereicht, nur pseudomäßig von modernen Gutmenschen gerettet.
Dusse schreibt nicht nur bildhaft, sondern so flüssig, dass man sich in einem Strom von gut gesetzter Achtsamkeit verlieren könnte, während man tief ein- und ausatmet. Überhaupt die Bilder: Kriminelle Großkaliber, die ihr Meeting auf Kindergartenstühlchen abhalten und über Fischstäbchen und Buchstabensuppe sinnieren, - auf diese Idee muss man erst einmal kommen und sie ist nicht die einzige, die zu spontanem Gelächter auf der Couch veranlassen lässt. Selbst blutrünstige Szenen werden durch die perfekte Absurdität der Ereignisse abgemildert. Dusses kurze Kapitel (immer mit einer Achtsamkeits-Übung als Einleitung) laden dabei immer zu einem Weiterlesen ein. Wirklich „gute“ Menschen gibt es in diesem Buch zwar nicht, trotzdem kristallisiert sich sehr schnell für die Leser heraus, wem man ein Happy-End wünscht und wem eben nicht, - Kollateralschäden gerne inbegriffen.

Mein Fazit:
Ein Highlight am Krimihimmel!

Veröffentlicht am 15.07.2019

Schwankt zwischen Tiefe und Untiefe

Something in the Water – Im Sog des Verbrechens
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Zum Inhalt:
Erin und Mark finden während ihrer Flitterwochen bei einem Tauchgang vor Bora Bora eine Tasche mit wertvollem Inhalt: Bargeld, Diamanten und ein USB-Stick, augenscheinlich bei dem Flugzeugabsturz ...

Zum Inhalt:
Erin und Mark finden während ihrer Flitterwochen bei einem Tauchgang vor Bora Bora eine Tasche mit wertvollem Inhalt: Bargeld, Diamanten und ein USB-Stick, augenscheinlich bei dem Flugzeugabsturz russischer Krimineller verloren gegangen. Durch die Arbeitslosigkeit Marks in finanzieller Bredouille, beschließt das Paar nach einigem Hin und Her, sich ungeachtet der Gefahr den Fund anzueignen. Gleichzeitig treibt Erin ihr eigenes Projekt voran: Einen Dokumentarfilm, der sich mit der baldiger Haftentlassung dreier Krimineller befasst: Die der jugendlichen Brandstifterin Holly, die von Alexa, die ihrer Mutter Sterbehilfe geleistet hat und die des alten Bandenchefs Eddie, der wie damals Al Capone über eine fehlerhafte Buchführung zu Fall gebracht wurde. Durch dieses Engagement gerät Erin in das Visier der Polizei und bald bekommen die beiden Frischvermählten Ärger. Großen Ärger.

Mein Eindruck:
Das Debüt von Catherine Steadman kommt langsam, dann aber gewaltig. Ihre Ich-Erzählerin ist zwar manchmal von einer erschreckenden Naivität, kommt damit aber auf bezaubernde Weise ganz gut durch ihr Leben. Und auch wenn die Entwicklung der Geschichte und seiner Protagonistin sehr viele Buchseiten in Anspruch nimmt, ist es schön zu lesen, wie zum Schluss sämtliche Fäden zusammengefügt werden. Ein guter Schreibstil und eine passende Interpretin am Hörbuch-Mikrofon lassen die Story lebendig werden und - insbesondere zum Ende hin – die Spannung steigern. Da Erins Handlungen eher unorthodox und (auch für ihren Ehemann Mark) öfter einmal überraschend sind, schlägt die Geschichte einige unerwartete Haken, bis sie nach etwa 80 Prozent eine Aufklärung über den fulminanten Beginn des Buches anbietet. Doch wer die Befürchtung hegt, dass ab jetzt nur noch seicht und vorhersehbar geplätschert wird, sieht sich mit einer absolut überraschenden Wendung konfrontiert.
Aber bei allem Lob gibt es auch Grund zu Tadel: Fast alle Figuren werden hauptsächlich über ihr Aussehen definiert. Die Autorin legt zwar Erin in den Mund, dass sie als Filmemacherin auf so etwas achten muss, trotzdem langweilt es irgendwann, mehrfach über die Kleidergröße der Protagonistin informiert zu werden. Dafür erfährt man relativ wenig über das Zusammenleben mit ihrem Ehemann, insofern es nicht direkt mit der Herausforderung durch den Zufallsfund zu tun hat. Außerhalb von „ich liebe ihn, er ist so attraktiv“ bleibt nicht viel und das mag für eine oberflächliche Beziehung reichen, für eine Ehe ist es zu wenig.

Mein Fazit:
Ein Buch, das oft an der Oberfläche bleibt, wenn es jedoch in die Tiefe von Verwicklungen geht, wird es wunderbar nebulös und überraschend.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Unbekömmlicher Quark

Die Magdalena-Verschwörung
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Zum Inhalt:
Die an Leben und Werk Maria Magdalenas sehr interessierte, rothaarige, intelligente und sympathische Journalistin Maureen Paschal und ihr wahnsinnig reicher, gutaussehender, besorgter und anbetungswürdiger ...

Zum Inhalt:
Die an Leben und Werk Maria Magdalenas sehr interessierte, rothaarige, intelligente und sympathische Journalistin Maureen Paschal und ihr wahnsinnig reicher, gutaussehender, besorgter und anbetungswürdiger Freund Berenger kaufen ein Anwesen in Frankreich und haben dabei das unglaubliche Glück, in einem Raum auf Dokumente zu stoßen, die Anne Boleyn – ihres Zeichens ebenfalls spirituelle Anhängerin Magdalenas – gehört haben.

Überglücklich vertieft sich Maureen in die Dokumente, ungeachtet der Gefahr durch einen Frauenmörder, der es just auf den Schlag Frauen abgesehen hat, der gebildet, emanzipiert und in der Erforschung der Welt des Mittelalters zuhause ist. Und so erschließen sich der Leserschaft die Welt Anne Boleyns vom zarten Pflänzchen zur geköpften Königin und die Welt Maureens in einem Kokon von Wissen und Spiritualität auf den Spuren Annes und den gemeinsamen und doch getrennten Erfahrungen mit jungem Glauben und (manchmal) alten Männern, die anderen nicht den Dreck unter dem Fingernagel des Wissens gönnen.

Mein Eindruck:
Auch ich habe gerade eine Erscheinung. Ich sehe vor meinem geistigen Auge ein gutes Buch. Eines, das die Bezeichnung „Thriller“ verdient. Eines, in dem es glaubhaft gezeichnete Charaktere gibt. Eines, in dem nicht nur gepilgert, sondern angekommen wird. Eines, in dem die Mordumstände begründet und nicht nur wild ausgeschmückt sind.
Kurz: Ich sehe ein ganz anderes Buch als „Die Magdalena-Verschwörung“.

Auf zwei Zeitebenen (Anne Boleyn und Gegenwart) lässt McGowan ihre Figuren agieren. Doch eine wirkliche Verbindung der Erzählstränge gibt es nicht; zusätzlich geraten ihr beide sehr dröge. Anne Boleyn pilgert und pilgert, führt hochtrabende Gespräche in illustrer Frauenschar und ist immer wieder höchst entzückt, beglückt und so intelligent und schön, dass nur Neid, Missgunst und eine Kopfverletzung Heinrichs sie zu Fall und unter das Schwert bringen. Maureen wiederum liest, heult vor Glück über ihren Fund und recherchiert, erfährt von Morden an ihr bekannten Frauen, ist aber so abgeklärt, mutig und stark, dass sie natürlich überhaupt nichts davon an sich heran lässt. Die Leser übrigens auch nicht – denn genauso langweilig, emotionslos und blutleer (nur ohne Lauferei) wie die Vergangenheit ist der Gegenwartspart beschrieben. Die Krönung des Geschreibsels zeigt sich jedoch in einem Showdown, der in Hollywood mit der goldenen Himbeere in sämtlichen Kategorien ausgezeichnet werden würde. Dämlich, überspitzt, mit einem Motiv, das irgendwie aus der Schublade für „nehme ich, wenn ich eine Schreibblockade habe“ gezogen wird und ohne jedwede befriedigende Erklärung bleibt. Möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass der Vergangenheitsteil nach jahrelanger Recherchearbeit entstanden ist, die Gegenwart jedoch später hinzugefügt wurde und sehr heutigen Klischees entspricht: Milliardäre wohin man schaut, der Böse surft im Darknet, obenauf eine dicke Schicht Feminismus.

Das Einzige, was noch ein bisschen die Wertung rettet, sind die Einblicke in die Politik, die sich in Annes Tagen vom Werben des Königs bis zu ihrem Tod zeigen. Viel zu wenig, um dieses Buch empfehlen zu können, welches nicht Fisch (interessanter Historien-Schmöker) und schon gar nicht Fleisch (Thriller) ist.



Mein Fazit:
Kolossaler Kokolores

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Figuren
  • Idee
Veröffentlicht am 06.07.2019

Hintergründig

Wo die Angst beginnt
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Zum Inhalt:
Seit der Fotograf Mark seine Frau bei einem Unfall verloren hat, vergräbt er sich in seinem Haus. Doch dann vermittelt ihm Cleo, seine Schwester, den Auftrag, Evie zu portraitieren und er ...

Zum Inhalt:
Seit der Fotograf Mark seine Frau bei einem Unfall verloren hat, vergräbt er sich in seinem Haus. Doch dann vermittelt ihm Cleo, seine Schwester, den Auftrag, Evie zu portraitieren und er verliebt sich in die junge Frau. Aber kurz nachdem eine Tochter das vermeintliche Glück komplett macht, erleidet Evie immer wieder Verletzungen, von denen sie behauptet, dass ihre eigene Schusseligkeit daran schuld ist. Und schließlich findet wieder ein Drama in dem schönen Haus am Meer statt, welches nur eine Person überlebt und für das die andere dieses Mal angeklagt wird.

Mein Eindruck:
Ein besonderes Kompliment ist Rachel Abbott dafür zu machen, dass sie ihre Leser sehr lange über die Gemengelage Mord, Unfall, Körperverletzung, Selbstmord und häusliche Gewalt an der Nase herumführt. Und das dabei so geschickt macht, dass man bei aller Verblüffung durchaus auf die Umstände hätte kommen können, wenn man von Anfang an aufmerksam gelesen hätte. Erst kurz vor der Auflösung lässt sie eine Hauptperson einen Satz sprechen, der dem geübten Thriller-Leser die Aufklärung nahe bringt. Und nahe ist einem der Fall, egal ob von Evie in der ersten Person geschildert oder in der dritten Person (aber immer mit einem Charakter im Mittelpunkt) erzählt wird. Absolut eindringlich schildert sie die Qualen, die durchlebt werden, die Hintergründe der Aktionen sind deutlich und die Charakteranzahl ist gut gewählt: Wenig genug, um glaubwürdige Tiefe zu erzeugen aber eben auch so viele, dass das Ziel der Entlarvung nicht zu einfach gerät. Das Personal bei Gericht und Polizei fügt sich sehr gut in die Schar und lässt fast bedauern, dass es sich bei „Wo die Angst beginnt“ um einen alleinstehenden Thriller handelt, es also keine weitere Entwicklung in einem Folge-Buch geben kann.
Das Ende des Buches ist perfekt, bietet es nicht nur restlose Aufklärung, sondern auch noch ein gewisses Augenzwinkern.

Mein Fazit:
Rundum gelungen