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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.03.2019

Hinterlistig gut

Ein perfider Plan
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Zum Inhalt:
Der Autor Horowitz will sich nicht nachsagen lassen, dass er nur erfundene Sachen beschreiben kann und lässt sich auf ein Geschäft mit dem Ex-Polizisten Hawthorne ein. Dieser berät seine Ex-Kollegen ...

Zum Inhalt:
Der Autor Horowitz will sich nicht nachsagen lassen, dass er nur erfundene Sachen beschreiben kann und lässt sich auf ein Geschäft mit dem Ex-Polizisten Hawthorne ein. Dieser berät seine Ex-Kollegen bei schwierigen Fällen und denkt, dass er damit leckeres Futter für eine krimisüchtige Leserschaft anbieten kann. Die erste Zusammenarbeit der beiden behandelt den Mord an einer Dame der Londoner Society, die genau an dem Tag getötet wurde, an dem sie selbst ihre Beerdigung in Auftrag gab. Zufall?

Mein Eindruck:
Was für ein köstlicher Einfall, - und wie schön wird der Leser verwirrt, er knobelt, ist unschlüssig. Horowitz packt sehr viel Wahres in seine Geschichte (ja, er schreibt für „Inspector Barnaby“, ja, die Alex Rider Bücher sind von ihm) und beglückt zusätzlich eine wichtige Person mit dem Hintergrund „Homeland“ und dem Vornamen „Damian“. Und so fragt man sich dadurch bei dem ganzen Rest, ob nicht doch einiges stimmen könnte und Hawthorne eine reale Person ist. Aber das ist noch nicht alles, was ein Leserherz erfreut. Sein literarisches Ich ist selbstironisch, die Perspektive immer glaubhaft und – last but not least – leitet er seine Auflösung großartig her. Die Ermittlung könnte so geschehen, wie sie geschildert wird: In mehrere Richtungen, bis sich die richtige Spur folgerichtig entwickelt und zu der verantwortlichen Person führt, - inklusive Motiv, Ablauf und Verhaftung. Dass die Figur sich selbst den Titel zu diesem Buch aussucht, versteht sich von selbst. Denn Horowitz ist zwar Autor, das Superhirn heißt jedoch Hawthorne und man kann sich jetzt schon auf den nächsten Fall freuen, den er mit seinem persönlichen Watson aufklären wird. Eines sollte nämlich noch erwähnt werden: Schreiben kann der Tony – und nicht nur Barnaby.

Mein Fazit:
Mir geht es wie Horowitz, - ich kann Hawthorne nicht widerstehen….

Veröffentlicht am 10.03.2019

Familie kann man sich nicht aussuchen

Sister, Sister - Zwei Schwestern. Eine Wahrheit.
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Zum Inhalt:
Zwanzig Jahre, nachdem ihr Vater sie in die USA mitgenommen hat, gibt es endlich ein Lebenszeichen von Alice, der Schwester von Clare, worüber diese und ihre Mutter sich zunächst sehr freuen. ...

Zum Inhalt:
Zwanzig Jahre, nachdem ihr Vater sie in die USA mitgenommen hat, gibt es endlich ein Lebenszeichen von Alice, der Schwester von Clare, worüber diese und ihre Mutter sich zunächst sehr freuen. Aber dann mehren sich seltsame Begebenheiten und Clare beginnt sich zu fragen, ob Alice eine geheime Agenda hat, - und wie diese vor allen Dingen in Bezug auf Clare, ihren Mann und ihre Kinder aussieht.

Mein Eindruck:
Ja, der Krimi ist in weiten Teilen vorhersehbar, trotzdem macht das Spiel mit den Sichtweisen an vielen Stellen Spaß. Vor allen Dingen dann, wenn Clare selber an ihrem Urteilsvermögen und an ihrer Wahrnehmung zweifelt. Die daraus resultierende Spannung ist jedoch bitter nötig, denn die Charakterzeichnungen geraten der Autorin ein wenig sehr eindimensional. Zusätzlich baut sie, um die Verzweiflung Clares noch mehr anzufachen, viel zu viele absolut unglaubwürdige Begebenheiten ein: Beispielsweise ist es schwer verständlich, dass das Umfeld den Behauptungen einer relativ fremden Frau viel aufgeschlossener gegenüber ist als derjenigen Person (Clare), die schon Ewigkeiten und dauernd mit diesen Personen zusammen lebt oder befreundet ist. Im Mittelteil wird diese Thematik zäh und zäher, so dass gut und gerne 50 Seiten gestrichen werden könnten. Das ist insbesondere deshalb ärgerlich, weil Sue Fortin eine Begabung hat, Dinge, Orte und Gefühle darzustellen, - wenn sich die Darstellung jedoch immer mehr im Kreis dreht, hofft man irgendwann, dass die Autorin doch einmal zu Potte kommt. Und das tut sie und vermag es doch noch mit einem Aspekt zu überraschen. Leider überspannt sie dann den Bogen zu sehr und ihr letzter Twist ist einer zu viel.

Mein Fazit:
Manchmal ist man lieber Einzelkind

Veröffentlicht am 06.03.2019

Kein "Kiss me Kate"

Mord braucht keine Bühne
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Zum Inhalt:
Kate Shakleton erhält den Auftrag eines überfallenen Pfandleihers, entweder die Beute wiederzubeschaffen oder seine Kunden von dem Verlust zu informieren. Sie verbindet das Nützliche mit dem ...

Zum Inhalt:
Kate Shakleton erhält den Auftrag eines überfallenen Pfandleihers, entweder die Beute wiederzubeschaffen oder seine Kunden von dem Verlust zu informieren. Sie verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen und besucht eine Kundin in der Nähe ihrer Bekannten Meriel, einer Theaterregisseurin, die mit ihrer Interpretation eines Stückes groß heraus kommen möchte. Und es kommt, wie es in einem Krimi kommen muss: Beim Verlassen des Theaters findet Kate eine Leiche und damit Fall Nummer 2…

Mein Eindruck:
… und wenig später auch noch Fall Nummer 3. Klingt verzwickt, - ist es aber nicht. Denn durch viele Zufälle und noch mehr unglaubwürdige Begebenheiten verbindet die Autorin Frances Brody all die Vorgänge, die sich in Harrogate ereignen. Dafür geht sie teilweise in die Zeit der Burenkriege zurück, die sie wirklich anschaulich zu gestalten weiß.
Aber was haben die Burenkriege mit dem Theater zu tun? So gut wie nichts, - wie auch der überwiegende Rest der Geschichte. Zwar sind sämtliche Laiendarsteller und die Regisseurin irgendwie in mindestens eine kriminelle Handlung verwickelt, ein Flair von Bühnenduft kommt aber nicht auf. Dafür lernt man ziemlich viele sehr unangenehme Menschen und eine selbstgerechte Detektivin kennen, die mehr durch Glück und Zufall als durch Ermittlungsarbeit zum Erfolg kommt.
Wer sich von Klappentext und Cover ein Cosy Crime mit Herz und Humor im Theatermilieu erwartet, wird also eher enttäuscht. Der verzweifelte Versuch Brodys, auf den Zug des „Sex sells“ aufzuspringen, gipfelt in einer für die Zeit und die Charakterzeichnung der Hauptfigur fast schon absurd überstürzt anmutende Bettgeschichte. Ein Kuss für Kate hätte dort gereicht und besser gepasst. Der Gipfel ist jedoch das überstürzte Ende, in das die Autorin noch einen doppelten Twist mit Tremolo und Tusch gepackt hat – Boulevard-Theater in Reinkultur.

Was bleibt, ist ein schaler Beigeschmack und – immerhin – eine interessante Betrachtung Londons kurz nach dem 1. Weltkrieg und des Krieges in Südafrika.

Mein Fazit:
Fragwürdige Moral und zu unsympathisch, - schade!

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  • Figuren
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  • Lesespaß
Veröffentlicht am 05.03.2019

Pakt mit dem Teufel

Eisige Tage
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Zum Inhalt:
Die Leipziger Kommissare Novic und Seiler werden zum Fundort einer Leiche gerufen. Der erschossene Anwalt war früher einmal für den Paten schlechthin in Leipzig tätig gewesen, - Iwanov. Doch ...

Zum Inhalt:
Die Leipziger Kommissare Novic und Seiler werden zum Fundort einer Leiche gerufen. Der erschossene Anwalt war früher einmal für den Paten schlechthin in Leipzig tätig gewesen, - Iwanov. Doch Iwanov streitet jede Verbindung zu dem Mord vehement ab und verspricht sogar Unterstützung bei der Suche nach den Hintergründen. Und diese Übereinkunft ist ein Pakt mit dem Teufel.

Mein Eindruck:
Der Autor beweist in dem ganzen Buch ein großes Einfühlungsvermögen. Er schenkt seinen Figuren eine Vorgeschichte, die ihr Handeln erklärt – sei es der Krieg oder schwierige Familienverhältnisse. Und seiner Leserschaft schenkt er ein Ende, das wahrhaftig wirkt, weil es nicht zu gut und nicht zu schlecht ist – wie im richtigen Leben eben. Und wie im richtigen Leben verschwimmen in diesem Buch öfter einmal die Grenzen zwischen Gut und Böse und genau diese Grautöne machen die Geschichte lebendig.
Die Story selbst ist sehr hartes Brot: Kinderpornographie, Kindesmissbrauch und das, was aus Kindern werden kann, wenn sie zu schnell erwachsen werden müssen. Der Schreibstil ist dabei immer sehr eindringlich, so dass man sich selbst oft bei einer Reaktion ertappen kann – sei es ein Kopfnicken oder auch – an einigen, wenigen Stellen – manchmal sogar ein kleiner Lacher. Pohl packt zu und das sehr fest. Das führt dazu, dass man durch diesen Pageturner fliegt und sich wundert, wie schnell die Zeit vergangen ist.
Der Klappentext weist auf weitere Bücher in Leipzig hin, - ob das Ermittlerpaar erhalten bleibt, muss sich noch zeigen. Falls dem so ist, bleibt wohl auch das Umfeld – und das kann noch sehr spannend werden. Denn ob man einen Pakt mit dem Teufel aufkündigen und wie sich das gestalten kann, ist fraglich bis unmöglich. Es bleibt eisige Kälte mit einer leichten Ahnung von Frühling.

Mein Fazit:
Ein guter Start

Veröffentlicht am 04.03.2019

Ungewöhnlich

1793
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Zum Inhalt:
Im Herbst 1793 zieht der Häscher Mickel eine Leiche aus dem Wasser. Dieser sind nicht nur alle Gliedmaßen amputiert, es fehlen auch Augen und Zunge. Der Jurist Cecil Winge wird als Sonderermittler ...

Zum Inhalt:
Im Herbst 1793 zieht der Häscher Mickel eine Leiche aus dem Wasser. Dieser sind nicht nur alle Gliedmaßen amputiert, es fehlen auch Augen und Zunge. Der Jurist Cecil Winge wird als Sonderermittler eingesetzt und gemeinsam mit Mickel versucht er, das Geheimnis des Mordes zu ergründen und der Leiche einen Namen zu geben. Dabei muss er sich gegen zwei Gegner behaupten: Seine Schwindsucht und die Ränkespiele der Obrigkeit – und beide Gegner sind stark.

Mein Eindruck:
An diesem Buch ist Vieles ungewöhnlich, vor allen Dingen aber eins: Ungewöhnlich gut gelungen. Zuerst einmal die Reihenfolge. In vier Kapitel aufgeteilt, die sich allesamt im Jahr 1793 zumeist in Stockholm abspielen, beginnt die Geschichte im Herbst. Danach springt sie erst in den Sommer und dann sogar in den Frühling zurück, um schließlich wieder in den Vorwärtsgang Richtung Winter zu schalten. Und der Leser genießt die Sprünge, da zu jeder Zeit klar ist, dass man die Vergangenheit braucht, um die Zukunft zu verstehen, die Spannung jedoch auf diese Weise viel größer ist, als sie bei einer chronologischen Abfolge gewesen wäre. Dazu führt Natt och Dag zwei weitere Hauptfiguren ein, deren Geschichten „ihre“ Jahreszeit beherrschen und erst spät lässt er erkennen, wie alle vier zueinander und zu dem Grund der Verstümmelung des Opfers stehen.
Die Story in ihrer Gänze ist dabei unvorstellbar grausam. Das noch nicht einmal, weil wieder und wieder gefoltert und haarklein beschrieben werden würde, - wer auf dauernden Splatter wartet, wird ganz im Gegenteil enttäuscht sein. Das meiste passiert im Kopf und wenn ein Gefühl wirklich vorherrschend ist, dann ist es der Schrecken über das, was Menschen anderen Menschen antun, einfach weil sie es können, weil ihnen danach ist und weil sie bar jeder Menschlichkeit sind. So ist dieser Krimi mehr Sittengemälde und Lehrstunde zum Thema Charakterstärke, die sich nicht in schönen Kleidern und einem Titel zeigt, sondern unabhängig von Rang und Namen ist.
Leider kann es bei dem Gesundheitszustand Cecil Winges wohl keine Fortsetzung geben. Möglicherweise ist das jedoch sogar gut, denn selbst für so einen begabten Autor dürfte es schwierig sein die Messlatte zu überspringen, die er mit 1793 gelegt hat.

Mein Fazit:
Der Mensch ist dem Menschen sein Wolf. Perfekt!