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Veröffentlicht am 11.12.2019

Wieder turbulente Zeiten für die Thalheims

Die Schwestern vom Ku'damm: Wunderbare Zeiten
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Berlin im Jahr 1952: Man muss das Leben tanzen, das ist das Motto von Silvie Thalheim. Während für ihre ältere Schwester Rike das Kaufhaus am Ku'damm an erster Stelle steht, hat die mittlere Schwester ...

Berlin im Jahr 1952: Man muss das Leben tanzen, das ist das Motto von Silvie Thalheim. Während für ihre ältere Schwester Rike das Kaufhaus am Ku'damm an erster Stelle steht, hat die mittlere Schwester nach den Jahren des Kriegs genug von Verlust und Verzicht und will nur das Leben genießen. In den Wirtschaftswunderjahren laufen die Geschäfte ohnehin bestens. So bleibt der attraktiven Silvie Zeit, ihre eigenen Träume zu verfolgen: Sie will als Rundfunkredakteurin beim RIAS Karriere zu machen. Doch seit ihr Zwillingsbruder aus dem Krieg heimgekehrt ist, ist alles anders. Oskar soll das Unternehmen leiten, aber er feiert lieber die Nächte durch. Und als ein verhasster Konkurrent die Geschäfte torpediert und den Thalheims alles zu nehmen droht, wird Silvie schließlich klar, dass sie endlich Verantwortung übernehmen muss…

„Die Schwestern vom Ku’damm – Wunderbare Zeiten“ ist der zweite Teil der 50er-Jahre-Trilogie von Brigitte Riebe.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus einem Prolog, der im Frühling 1952 spielt, sowie 14 Kapiteln. Während der erste Band der Thalheim-Reihe die Jahre 1945 bis 1951 behandelte, geht es nun um die Jahre 1952 bis 1957. Die Geschichte spielt vorwiegend, aber nicht ausschließlich in Berlin. Einheitliche Orts- und Zeitangaben erleichtern die Orientierung. Der Aufbau des Romans funktioniert gut.

Der Schreibstil ist – wie vom Vorgängerband gewohnt – flüssig, angenehm, anschaulich und bildreich. Er lässt viele Bilder entstehen. Durch die Vorkenntnisse aus Band 1 fiel es mir leicht, in die Geschichte einzutauchen. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, zunächst den Auftakt-Roman zu lesen. Die Handlung lässt sich zur Not aber auch unabhängig davon verfolgen.

Ein Fokus liegt erneut auf den starken Frauenfiguren im Roman. Nachdem Rike im Auftakt der Thalheim-Trilogie im Mittelpunkt stand, verschiebt sich der Schwerpunkt nun zu Silvie, die mir leider schon beim ersten Band nicht ganz so sympathisch war. Zwar konnte sie mir die Fortsetzung etwas näherbringen, denn sie macht eine Entwicklung durch. Dennoch wurde ich auch dieses Mal mit ihr nicht so ganz warm. Sie und die übrigen Charaktere wirken allerdings durchaus authentisch.

Die Stärke des Romans liegt wieder einmal in der fundierten Recherche, die an vielen Stellen deutlich wird. Historische Fakten und Details werden gekonnt in die fiktive Geschichte eingewebt. So gibt es selbst für geschichtsversierte Leser wissenswerte und interessante Aspekte zu entdecken, was den Roman zu einer gleichsam unterhaltsamen wie lehrreichen Lektüre macht. Die schon im ersten Band abgedruckte Chronik, die die wichtigsten historischen Ereignisse in Berlin auflistet, wird um die Jahre 1952 bis 1957 fortgeführt. Ein sinnvolles und hilfreiches Extra.

Mit mehr als 450 Seiten ist der Roman wieder recht umfangreich. Dennoch kommt beim Lesen keine Langeweile auf. Immer wieder baut sich durch Wendungen und Überraschungen Spannung auf. An einigen Stellen finde ich die Handlung jedoch etwas zu übertrieben dramatisch.

Das hübsche Cover, das das Design des Vorgängerbandes aufgreift, vermittelt Nostalgie und passt gut in die Optik jener Zeit. Der Titel „Wunderbare Zeiten“ ist meiner Ansicht nach aber nicht ganz treffend.

Mein Fazit:
„Die Schwestern vom Ku’damm – Wunderbare Zeiten“ von Brigitte Riebe ist eine gelungene Fortsetzung der Thalheim-Reihe, die zwar nicht ganz an den ersten Band herankommt, mir allerdings wieder schöne Lesestunden bereitet hat. Sicherlich werde ich auch noch den Abschluss der Trilogie lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.12.2019

Das Glück ist ein schlüpfriger Fisch

Für damals, für immer
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Kentucky im Juli: Das Leben von Evangeline Maeve Royce (30) scheint perfekt. Nach der Hochzeit mit Sergeant Eamon Royce, einem Polizisten, erwartet die Tänzerin die Geburt ihres Sohnes Noah. Sie ist hochschwanger ...

Kentucky im Juli: Das Leben von Evangeline Maeve Royce (30) scheint perfekt. Nach der Hochzeit mit Sergeant Eamon Royce, einem Polizisten, erwartet die Tänzerin die Geburt ihres Sohnes Noah. Sie ist hochschwanger und freut sich sehr auf das erste Kind, aber dann wird ihr Mann bei einem Einsatz tödlich von einer Kugel getroffen. Für Evi bricht eine Welt zusammen. Doch Dalton Berkeley-Royce, Eamons gleichaltriger Halbbruder und der Besitzer eines Fahrradladens, ist für die junge Mutter da. Können sie miteinander glücklich werden? Und wäre das im Sinne von Eamon?

„Für damals, für immer“ ist der Debütroman von Leesa Cross-Smith.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus sieben Kapiteln. Die ersten sechs sind in jeweils drei Abschnitte untergliedert: Erzählt wird jeweils aus der Sicht von Evangeline, Eamon und Dalton – und zwar in der Ich-Perspektive. Im letzten Kapitel kommen nur Evangeline und Dalton zu Wort. Das Geschehen spielt sowohl in der Gegenwart, die im Präsens erzählt wird, als auch in den Jahren zuvor. Viele Zeitsprünge und Rückblenden erfordern ein konzentriertes Lesen. Der Aufbau ist jedoch sorgsam durchdacht und funktioniert gut.

Sprachlich ist der Roman besonders. Positiv anzumerken ist, dass sich der anschauliche Schreibstil – je nach Perspektive – an die drei Protagonisten anpasst. Besonders in Evangelines Passagen zeigt sich eine poetische Note. Begeistern konnten mich immer wieder Sprachbilder, die zum Teil sehr kreativ sind. Auch das Aufgreifen und Übertragen von Termini aus der Musik gefällt mir gut. Allerdings zeigen sich in der deutschen Ausgabe auch einige sprachlichen Schwächen, vor allem dann, wenn zu wortwörtlich übersetzt wurde und der Text somit nicht idiomatisch wirkt.

Die drei Protagonisten sind interessante Charaktere mit Ecken und Kanten, die recht authentisch dargestellt werden. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt lässt sich gut nachvollziehen. Eamon und Dalton waren mir schon nach wenigen Seiten sympathisch. Evangeline bleibt leider jedoch bis zum Schluss merkwürdig blass.

Thematisch geht es um mehr als die Liebe. Auch Trauer, Verlust, Familie, Identität und Geheimnisse spielen eine wichtige Rolle. Dieser Mix macht die Geschichte emotional bewegend, aber nicht gefühlsduselig.

Ungewöhnlich ist, dass schon im ersten Kapitel einiges vorweggenommen wird. Der Fokus liegt nicht auf der Frage, ob Dalton und Evi zusammenkommen werden, sondern auf deren Vorgeschichte. Viel Raum nimmt daher die Vergangenheit von Eamon und Dalton ein. Vor allem in den Rückblenden hat der Roman einige Wendungen und Überraschungen zu bieten. In der Gegenwart ist die Geschichte recht handlungsarm. Im Großen und Ganzen bleibt der Roman auf mehr als 360 Seiten dennoch kurzweilig und unterhaltsam.

Das Cover ist optisch sehr ansprechend, wobei sich mir der inhaltliche Bezug nicht so ganz erschließt. Das gilt auch für den wohlklingenden deutschen Titel, wobei mir das amerikanische Original („Whiskey and ribbons“) mehr zusagt.

Mein Fazit:
Obwohl mich „Für damals, für immer“ von Leesa Cross-Smith nicht in allen Punkten überzeugen konnte, konnte mich die Geschichte fesseln. Ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Roman, der mich trotz seiner Schwächen gut unterhalten hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Gefühl
  • Cover
  • Charaktere
  • Handlung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 29.11.2019

Eine harte Bewährungsprobe

Das Weingut. Tage des Schicksals
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Die Pfalz im 19. Jahrhundert: Irene und Franz Gerban führen eine glückliche Ehe. Das ehemalige Dienstmädchen und der Erbe eines Weinguts haben aus Liebe geheiratet. In der Welt der besseren Kreise fühlt ...

Die Pfalz im 19. Jahrhundert: Irene und Franz Gerban führen eine glückliche Ehe. Das ehemalige Dienstmädchen und der Erbe eines Weinguts haben aus Liebe geheiratet. In der Welt der besseren Kreise fühlt sich Irene aber fremd. Die junge Mutter muss oft auf ihren Mann verzichten, der sich in der Politik engagiert und häufig unterwegs ist. Sie braucht eine eigene Aufgabe. So beginnt sie, sich für die Rechte der Arbeiterfrauen einzusetzen. Als sie dabei ihren ehemaligen Geliebten, den Arbeiterführer Josef Hartmann, wiedertrifft, ist Franz sehr eifersüchtig. Beide streiten sich. Ihre Ehe wird auf eine harte Probe gestellt und droht zu zerbrechen. Und dann kommt ein Geheimnis zum Vorschein, dass sie beide vor eine große Herausforderung stellt…

„Das Weingut – Tage des Schicksals“ ist der finale Band der Trilogie um die Weinhändler-Familie Gerban von Marie Lacrosse.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus sechs Teilen. Es gibt insgesamt 26 Kapitel mit einer angenehmen Länge. Sie werden eingerahmt von einem Prolog, der im Jahr 1874 spielt, und einem Epilog, der im Jahr 1892 angesiedelt ist. Die Haupthandlung umfasst die Jahre 1877 bis 1887. Die Schauplätze wechseln. Einheitliche Orts- und Zeitangaben machen die Orientierung jedoch einfach. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven. Der Aufbau des Romans wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist – wie schon in den beiden ersten Bänden – einfühlsam, anschaulich und lebhaft. Sprachlich ist der Roman an die damalige Zeit angepasst.

Aus der Reihe habe ich bereits die Teile 1 und 2 gelesen. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir daher leicht. Die Vorkenntnisse aus den beiden ersten Bänden sind zum Verständnis der Handlung sicherlich hilfreich und empfehlenswert. Durch mehrere kurze Zusammenfassungen werden die Grundzüge der bisherigen Geschehnisse aber auch für diejenigen klar, die erst mit dem dritten Band einsteigen.

Auch dieses Mal stehen Irene und Franz im Vordergrund, zwei sympathische Protagonisten mit Ecken und Kanten. Beide Charaktere werden wieder realitätsnah gezeichnet und durchlaufen eine interessante Entwicklung. Zudem gibt es eine Vielzahl an Nebenfiguren. Einige von ihnen wirken ein wenig eindimensional, was allerdings zu verschmerzen ist.

Die Handlung ist – dank Wendungen, Überraschungen und dramatischen Geschehnissen – abwechslungsreich. Trotz der mehr als 700 Seiten bleibt die Geschichte kurzweilig.

Gut gefallen hat mir, dass die Autorin wieder einmal eine historische Entwicklung näher beleuchtet. Im dritten Band geht es vor allem um die Frauenrechtsbewegung. Interessant fand ich es auch, noch einiges über den Weinanbau zu erfahren. So kann der Roman sowohl unterhalten als auch Wissen bieten. Die fundierte Recherche der Autorin zeigt sich auch im aufschlussreichen Nachwort „Wahrheit und Fiktion“. Darin erläutert sie, was auf tatsächlichen Begebenheiten fußt und welche Teile des Romans ihrer Fantasie entsprungen sind.

Ein Pluspunkt ist auch dieses Mal wieder das umfassende Zusatzmaterial. Es gibt eine Übersicht über die im Roman auftauchenden Personen, die auch damals real existierende Persönlichkeiten ausweist. Zur Verfügung gestellt wird außerdem ein Glossar mit Begriffen aus der damaligen Zeit. Darüber hinaus sind zwei Landkarten und ein Quellenverzeichnis eine hilfreiche Ergänzung.

Das Cover passt nicht nur gut zu den ersten beiden Bänden der Reihe, sondern übertrifft die beiden ersten Teile sogar noch durch seine sehr ansprechende Optik. Auch der Titel fügt sich wieder harmonisch in die Saga ein.

Mein Fazit:
Mit „Das Weingut – Tage des Schicksals" gelingt Marie Lacrosse ein sehr lesenswerter Abschluss der Familiensaga, der mit den beiden ersten Bänden mithalten kann und meine Erwartungen erneut voll erfüllt hat. Fans historischer Literatur kommen auch dieses Mal wieder auf ihre Kosten.

Veröffentlicht am 27.11.2019

Die dunklen Schatten der Vergangenheit

Der Geschmack unseres Lebens
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Alba im Norden Italiens: „La Cuccagna“, das Schlaraffenland, so hat die 32-jährige Ella Donati ihre neue Chocolaterie im Herzen der piemontesischen Stadt genannt. 32 verschiedene Sorten an Pralinen und ...

Alba im Norden Italiens: „La Cuccagna“, das Schlaraffenland, so hat die 32-jährige Ella Donati ihre neue Chocolaterie im Herzen der piemontesischen Stadt genannt. 32 verschiedene Sorten an Pralinen und ihre berühmte torta di nocciole hat sie im Sortiment. Das Rezept für den Haselnusskuchen hat sie von ihrer Mutter Francesca, deren früher Tod das Leben von Ella und ihrem Bruder Danilo, kurz Dino, überschattet. Nun ist auch noch ihr Vater Philippe nach längerer Krebserkrankung gestorben und Ella musste schweren Herzens die verschuldete Haselnuss-Plantage der Familie verkaufen. Sie leidet sehr darunter, dass nun in ihrem Elternhaus Michele Mariani, Anfang 40, mit seiner Frau Pippa und seiner Mutter Sophia wohnt. Plötzlich taucht Danilo nach längerer Abwesenheit wieder in Ellas Leben auf. Er ist bei Salvatore, einem alten Freund der Familie, untergekommen. Was seine Schwester aber nicht ahnt: Über der Familie Donati liegt ein dunkles Geheimnis, das jahrelang vor Ella verborgen wurde…

„Der Geschmack unseres Lebens“ ist ein Roman von Julia Fischer.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 43 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Sie werden eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog. Die Handlung umfasst die Zeit vom Zweiten Weltkrieg bis 2018, wobei das Hauptgeschehen im Jahr 2017 spielt. Zwischendurch sind jedoch immer wieder Rückblenden eingestreut. Zudem sind Briefe aus dem 19. Jahrhundert eingefügt. Die Orientierung fällt dank genauer Orts- und Zeitangaben jedoch leicht. Erzählt wird aus unterschiedlichen Perspektiven, vorwiegend aus der von Ella, Danilo, Michele und Salvatore. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist einfühlsam, anschaulich, bildhaft, atmosphärisch dicht und stellenweise poetisch. Mit viel Liebe zum Detail und in einem warmherzigen Ton entsteht ein ansprechendes Setting, das mich schon nach wenigen Kapiteln eingenommen hat.

Ich habe die Geschichte sowohl als Printausgabe als auch als Hörbuch genossen. Empfehlenswert sind beide Versionen. Zwar ist das Hörbuch gekürzt, doch wird es von der Autorin selbst gelesen, deren Professionalität als Sprecherin jedem einzelnen Track anzumerken ist.

Der Roman bietet eine tolle Bandbreite unterschiedlicher Charaktere, die gut ausgearbeitet sind und authentisch wirken. Mit Ella steht eine Protagonistin im Vordergrund, die zwar Ecken und Kanten hat, aber dennoch sympathisch ist. Auffällig ist dabei, dass auch die übrigen Personen komplex angelegt sind und jeder von ihnen seine eigene Geschichte hat.

Trotz der fast 400 Seiten wird es beim Lesen nie langweilig. Die Geschichte ist fantasievoll und enthält sogar märchenhafte Elemente. Dennoch bleibt die Handlung sowohl schlüssig als auch abwechslungsreich. Die unterschiedlichen Erzählstränge sind sinnvoll miteinander verknüpft. Die Geschichte hat darüber hinaus einige Wendungen zu bieten.

Gut gefallen hat mir der Mix an unterschiedlichen Themen, denn der Inhalt geht weit über eine simple Liebesgeschichte hinaus. Amüsante Passagen wechseln sich mit ernsteren, traurigen ab. Es geht unter anderem um Tod, psychische Krankheiten, Krieg, Sucht, Familiengeheimnisse und andere Probleme. Dadurch konnte mich das Buch immer wieder emotional berühren.

Ein weiterer Pluspunkt des Romans ist es, dass die Geschichte nicht nur unterhält, sondern auch viel Lehrreiches vermittelt. So erfährt man nebenviel viel Interessantes über die Region Alba und ihre Historie, über Trüffel und Haselnüsse sowie über die Produktion von Pralinen und Co. Dabei wird die fundierte Recherche der Autorin deutlich.

Erwähnenswert sind auch die Extras. Abgedruckt sind in der Printausgabe ein Rezept für Haselnusstrüffel sowie eine Liste mit Literaturempfehlungen. Besonders interessant ist auch das Nachwort der Autorin, in dem sie erklärt, welche Anteile ihres Romans fiktiv sind, welche auf wahren Begebenheiten beruhen und welche sogar autobiografischer Natur sind.

Das stimmungsvolle Cover ist optisch sehr gelungen. Auch der Titel gefällt mir gut.

Mein Fazit:
Mit „Der Geschmack unseres Lebens“ ist Julia Fischer ein vielschichtiger, tiefgründiger und gefühlvoller Roman gelungen, der – wie Schokolade – zartbitter ist und hervorragend mundet. Wieder einmal hat es die Autorin geschafft, mich auf ganzer Linie zu überzeugen.

Veröffentlicht am 10.11.2019

Die zerstörerische Macht der Familie

Das Erbe
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Eine Blechkiste mit wenigen Dingen hinterlässt Großvater Wolf seinem Enkel Karlchen, aber auch 221 Seiten Papier. Darauf schildert er sein Leben. Als Kind darf Wolf nur mit einem Helm oder anderem Sonnenschutz ...

Eine Blechkiste mit wenigen Dingen hinterlässt Großvater Wolf seinem Enkel Karlchen, aber auch 221 Seiten Papier. Darauf schildert er sein Leben. Als Kind darf Wolf nur mit einem Helm oder anderem Sonnenschutz vor die Tür. Meist schläft der Junge tagsüber. Nachts ist er wach, denn die Mutter glaubt oder behauptet zumindest, das Kind habe die Mondscheinkrankheit. Ein Umstand, der ihn von vielen Gleichaltrigen isoliert und ihn zum Alleinsein verdammt. Zwar stellt sich nach Jahren bei einem Arzt heraus, dass das mit der Krankheit ein Irrtum war. Doch auch als Erwachsener meidet Wolf das geschäftige Treiben draußen in der Stadt Hannover. Stattdessen zieht er die Nacht und ihre Einsamkeit vor. Das ändert sich erst, als Freddy, sein in England aufgewachsener Halbbruder, den er zuletzt als Baby gesehen hat, plötzlich bei ihm auftaucht. Aus der Freude über das Wiedersehen wird jedoch bald eine dunkle Ahnung, dass Wolf nicht die ganze Wahrheit über sein Leben kennt und Freddy eine Bedrohung für ihn werden könnte…

„Das Erbe“ ist der Roman eines deutschsprachigen Autors, der unerkannt bleiben will und unter dem Pseudonym R.R. SUL geschrieben hat.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit dem Brief an den Enkel, der als eine Art Prolog fungiert. Darauf folgen einige Kapitel, die wiederum in Abschnitte untergliedert sind. Der Roman umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten und spielt – aus heutiger Sicht - mal in der Vergangenheit und mal in der Zukunft. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Wolf – allerdings nicht streng chronologisch, denn es gibt immer wieder Zeitsprünge. Dennoch lässt sich die Geschichte gut verfolgen.

Sprachlich ist der Roman einzigartig. Der Schreibstil wirkt durch die kurzen, aber prägnanten Sätze und Satzteile zunächst recht simpel, erweist sich aber über weite Strecken als eindringlich und intensiv. Dem Autor gelingt es, mit wenigen Wörtern viel Atmosphäre zu transportieren. Besonders gut gefallen haben mir die treffenden und kreativen Sprachbilder, die sich durch den gesamten Text ziehen.

Mit Wolf steht ein interessanter, aber auch befremdlicher Charakter im Vordergrund. Sein Verhalten ist ziemlich speziell, zum Teil sogar verstörend, und stellenweise durchaus extrem. Auch die übrigen Personen sind recht eigenwillig und mehr oder weniger sonderbar.

Die Thematik hat mich sofort angesprochen. Die Macht, die die Familie auf Menschen und ihre weitere Entwicklung ausübt, die Suche nach der Wahrheit und die Nachwirkungen einer traumatischen Kindheit bringen psychologische Tiefe in die Geschichte und regen zum Nachdenken an.

Der Roman beginnt mit einem grandiosen Einstieg und erzeugt schon nach wenigen Seiten eine starke Sogkraft, die jedoch im weiteren Verlauf etwas abflacht. Durchweg herrscht eine gewisse Grundspannung, die dazu verleitet, zügig weiterzulesen. Die Handlung ist sehr dicht, auf nur etwas mehr als 200 Seiten passiert viel. Zudem spielt der Roman mit der Frage: Was ist die Wahrheit? Es entsteht ein Verwirrspiel, bei dem der Leser nicht weiß, wem er glauben soll und wem er trauen darf. Der Schluss hat mich allerdings ein wenig enttäuscht, denn für meinen Geschmack bleiben zu viele zentrale Fragen offen, zu viele Rätsel ungeklärt und zu viele Widersprüche unaufgelöst. Darüber hinaus wird das Geschehen zum Ende hin immer abstruser und leider auch unrealistischer.

Die düstere optische Aufmachung der gebundenen
Ausgabe macht einen wertigen Eindruck und passt gut zum Inhalt. Auch der vieldeutige Titel ist eine gute Wahl.

Mein Fazit:
„Das Erbe“ von R.R. SUL ist ein interessanter und aufwühlender Roman. Eine Lektüre, die mich fesseln konnte, aber auch ein wenig ratlos zurückgelassen hat.