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Veröffentlicht am 17.06.2024

Wim Schneider in Höchstform

Im Eichtal
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An einem nebligen Samstagabend findet ein Spaziergänger im Braunschweiger Eichtal Müllsäcke voller menschlicher Gliedmaßen. Kriminalhauptkommissar Wim Schneider, der gerade seinen Umzug beendet hat, wird ...

An einem nebligen Samstagabend findet ein Spaziergänger im Braunschweiger Eichtal Müllsäcke voller menschlicher Gliedmaßen. Kriminalhauptkommissar Wim Schneider, der gerade seinen Umzug beendet hat, wird von seiner neuen Kollegin Rosalie Helmer hinzugerufen, um sich ein Bild vor Ort zu machen, obwohl er erst am Montag seine neue Arbeitsstelle antreten wird. Die zerstückelte Leiche scheint unvollständig zu sein, was weitere Maßnahmen notwendig macht. Kurze Zeit später taucht eine Fingerkuppe im Naturhistorischen Museum auf, was nahelegt, dass dieser Fall mit dem Fund im Eichtal zusammenhängt. Der neue Kripochef macht Wim und Rosalie Dampf unter dem Hintern, die beiden ermitteln fieberhaft, als das Ermittlerteam durch den Täter aufs Korn genommen wird.

Bereits zum dritten Mal ermittelt der schrullige, um nicht zu sagen sehr spezielle Wim Schneider und vorab kann ich schon verraten, dass der vorliegende Band für mich persönlich der beste dieser Reihe ist. Ein wenig Vorwissen aus den vorherigen Teilen ist notwendig, um die Verwicklungen der beteiligten Personen zueinander nachvollziehen zu können, allerdings kann jedes Buch unabhängig voneinander gelesen werden, denn es gibt genug Hinweise, die zum besseren Verständnis beitragen. Die Fälle selbst sind immer abgeschlossen und rückwirkend verraten wird ebenfalls nichts, was von Belang ist.

Zu Beginn hatte ich kleine Probleme damit, die vielen Personen und Orte auseinanderzuhalten, wurde ein wenig erschlagen von den vielen Nebenschauplätzen. Hier hätte ich mir ein Verzeichnis gewünscht, das eine Zuordnung erleichtert hätte. Mit hoher Konzentration gelang es mir aber nach und nach, die Namen und Örtlichkeiten zu differenzieren, sodass ich den Kriminalfall genießen konnte. Und der hatte es in sich, denn viele verschiedene Spuren waren auszuwerten, Zeugen zu befragen und es war ein langer Weg bis zur Lösung, der spannend und abwechslungsreich gestaltet wurde. Erst nach und nach verstand ich die komplexen Zusammenhänge, Geheimnisse wurden gelüftet, Intrigen enthüllt. Genial verband der Autor die einzelnen Fäden miteinander und präsentierte eine Lösung, die stimmig und nachvollziehbar war. Erwähnen möchte ich hierbei den tollen Humor, der nie ins Lächerliche abrutschte, aber durch seine Derbheit mich manchmal laut auflachen ließ. Ein großartiger Krimi und ein toller dritter Teil, der mich ungeduldig auf die Fortsetzung warten lässt. Absolute Leseempfehlung dafür von mir.

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Veröffentlicht am 14.06.2024

Mörderisch gut

Marconi und der tote Krabbenfischer
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Ein Krabbenfischer wird tot aufgefunden, eine Harpune steckt in dem Mann. Dem früheren Kriminalhauptkommissar Massimo Marconi aus München, der soeben seine neue Stelle als Dienststellenleiter der Polizeistation ...

Ein Krabbenfischer wird tot aufgefunden, eine Harpune steckt in dem Mann. Dem früheren Kriminalhauptkommissar Massimo Marconi aus München, der soeben seine neue Stelle als Dienststellenleiter der Polizeistation in St.-Peter-Ording angetreten hat, sind leider die Hände gebunden, was die Ermittlung angeht, denn mit dem Umzug in den Norden ging gleichzeitig eine Degradierung einher. Eine andere Möglichkeit gab es nicht für Marconi, der sich als Vormund um die verwaisten Kinder seines Bruders kümmern soll und möchte. Das hindert aber den Münchner mit italienischen Wurzeln nicht daran, mit seinen zwei untergebenen Kollegen eigene Ermittlungen anzustellen. Ärger ist da natürlich vorprogrammiert.

Als der Autor mich gefragt hat, ob ich seinen Krimi lesen möchte, habe ich sofort begeistert zugesagt, ohne auch nur zu recherchieren, um was es inhaltlich geht. Hätte ich es gemacht, hätte ich wahrscheinlich abgewunken, weil das Buch auf den ersten Blick so überhaupt nicht in mein Beuteschema passt, aber bereits jetzt kann ich verraten, dass dies ein großer Fehler gewesen wäre. Krimis sind zwar tatsächlich immer noch mein bevorzugtes Genre, aber die Nordsee als Schauplatz spricht mich eigentlich überhaupt nicht an. Umso überraschter bin ich, wie kriminell es dort zugeht, wenn man Daniele Palu Glauben schenken mag. Ich hoffe, was meinen letzten Satz angeht, nimmt mich die Leserin und der Leser dieser Rezension nicht wirklich ernst, denn genauso wie die vorliegende Geschichte fiktiv ist, ist mein Wissen spärlich über die Gegend, in der die Handlung spielt, was ich nach der Lektüre jedoch dringend ändern möchte. Nicht fiktiv ist allerdings der ernste Hintergrund des Falls, der im Nachwort erläutert wurde und mich schaudern ließ.

Der herzzerreißende Prolog schmiss mich mitten ins Geschehen, bereits da war ich neugierig darauf, die genauen Hintergründe zu erfahren. Dies musste aber vorerst warten, denn die Tat folgte kurz darauf und los ging es mit der Ermittlung, die eigentlich verboten war. Der tolle Schreibstil und der feine Humor begleiteten mich durch das Buch, die Figuren waren schön ausgearbeitet und durch Weglassen oder Verschweigen konnte auch eine gewisse Spannung aufgebaut werden, die manchmal abflachte, was aber meinem persönlichen Geschmack geschuldet war. Zu Beginn war es mir etwas zu viel Natur und zu wenig Tempo, was natürlich mit daran lag, dass es der erste Teil einer Reihe ist, sodass die Umgebung und die Personen einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Was ich aber explizit thematisch meide, weil es in der Realität gegenwärtig ist, das ist Umwelt, Klima, Aktivisten und alles, was damit zusammenhängt. Zum Glück haben sich meine Befürchtungen nicht erfüllt, dass diese Themen im Vordergrund stehen, wenn sie auch viel Platz einnehmen im Buch. Die Mischung war genau richtig, sodass ich in dieser Hinsicht sehr zufrieden war.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich großartig unterhalten wurde; ehrlich gesagt rauschte ich förmlich durch das Buch, dass es nicht mehr feierlich war. Der Fall ist abgeschlossen, aber eine gewisse Enthüllung zum Schluss lässt vermuten, dass dies erst der Anfang einer wunderbaren Lesereise war. Ich freue mich drauf!

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Veröffentlicht am 13.06.2024

Wer wir sind im Leben

Mattanza
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Entgegen allen Hoffnungen gebärt die Tochter des Anführers des traditionellen Thunfischfangs nicht den ersehnten Enkelsohn, eine dritte Tochter ist es geworden. Die Inselbewohner Katrias sind erstaunt, ...

Entgegen allen Hoffnungen gebärt die Tochter des Anführers des traditionellen Thunfischfangs nicht den ersehnten Enkelsohn, eine dritte Tochter ist es geworden. Die Inselbewohner Katrias sind erstaunt, als der Raìs das Mädchen trotzdem zu seiner Nachfolgerin erwählt, zu sich nimmt und ausbildet. Nora weiß noch nicht, was für ein schweres Erbe auf sie wartet, abhängig von den Besitzern der Tonnara, beeinflusst durch den Lauf der Welt.

„Eleonora war eine Mogelpackung; sie war das Kind, das sich an die Stelle eines anderen geschoben und das niemand gerufen hatte. In jener Februarnacht, in der sie geboren wurde, hatten die Tonnaroti erkannt, dass selbst Gott nicht unfehlbar war, an Eleonora klebte der Fluch der Insel, und niemand konnte etwas dagegen tun.“ (Seite 10)

Alles begann im Jahr 1960, als der ersehnte Enkelsohn ausblieb und das abergläubische Inselvolk schlimme Auswirkungen befürchtete. Über fünfzig Jahre lang durfte ich ihnen über die Schulter schauen, nahm Anteil, hab getrauert, die Daumen gehalten, fühlte ihre Freude genauso wie ihren Schmerz. Die Bewohner der Insel mit ihren Ängsten und Sorgen, ihren Marotten und dem unerschütterlichen Glauben, dass alles gut wird, egal, was kommt, schlichen sich in mein Herz, nahmen dort Platz, machten sich breit und hielten es gefangen bis zuletzt. Das Beharren an einer Tradition, die sich im Laufe der Jahrzehnte auf Katria nicht verändert, aber irgendwann aus verschiedenen Gründen überholt hat, konnte ich verstehen, auch wenn der Thunfischfang auf eine blutige, um nicht zu sagen barbarische Art erfolgte. Die Beschreibungen faszinierten und stießen mich gleichermaßen ab.

„Die Tonnara mit ihren vier Phasen hatte gerade begonnen: Cruciatu, das Spannen und Fixieren der Verankerungsseile, Calatu, das Ausbringen der Netze, Mattanza, das Töten, und Salpatu, das Einholen und Einlagern der Reusenanlage, wonach alles bis zum nächsten Jahr aus dem Kopf verbannt war.“ (Seite 55)

Die Geschichte konnte leise und melancholisch, aber auch stürmisch und ungezügelt sein, genauso wie das Meer, das die Insel umgab. Zu Beginn irritierten mich die vielen italienischen Begriffe, die zum Glück später immer wieder übersetzt worden sind. Die Sprache war schön, manchmal fast poetisch, ich fühlte mich wohl und wäre gerne geblieben, auch wenn der Zauber verging und die Tradition mit ihm. Ich fühle Sehnsucht nach Katria, würde gerne aufs Meer hinaus, zu den Wellen und zu dem Wind, bleibe dankbar dafür, dass ich dabei gewesen bin.

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Veröffentlicht am 11.06.2024

Nur die Wahrheit zählt

Das Schweigen des Wassers
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Anfang der Neunzigerjahre kehrt Hauptkommissar Groth nach vielen Jahren im Westen in seine Heimatstadt zurück, allerdings nicht ganz freiwillig. Als Aufbauhelfer Ost schult er seine Kollegen in westdeutscher ...

Anfang der Neunzigerjahre kehrt Hauptkommissar Groth nach vielen Jahren im Westen in seine Heimatstadt zurück, allerdings nicht ganz freiwillig. Als Aufbauhelfer Ost schult er seine Kollegen in westdeutscher Polizeiarbeit. Eines Tages spricht ihn ein Mann durch das Fenster seiner Dienststelle an, erzählt Groth, dass er verfolgt wird und verspricht Beweise. Als kurz darauf die Leiche des Bootsverleihers Siegmar Eck im örtlichen See gefunden wird, will sein Vorgesetzter den Fall als Unfall zu den Akten legen. Groth aber hat Zweifel, handelt es sich bei dem Toten um seinen Gesprächspartner, der nie zurückgekommen ist, und verbeißt sich in die Ermittlungen, wobei er Hilfe eines ostdeutschen Kollegen bekommt, der genauso wie er in Ungnade gefallen ist, wenn auch aus anderen Gründen. Alles weist auf einen zehn Jahre alten Mord hin, der nie zufriedenstellend aufgeklärt werden konnte.

„Er trägt eine weite Cordhose, die ihm selbst mit Gürtel fast über die Hüften rutscht. Wie alt mag er sein? Um die dreißig vielleicht? Schwer zu schätzen im schwindenden Licht. Das Gesicht des Mannes wirkt grau. Wenn Groth richtig sieht, ist er barfuß, ein Detail, das Groth nicht einzuordnen weiß.“ (Seite 17)

Inspiriert von dem wahren Mordfall Karin Grabowski, Tochter eines Oberstleutnants der Kriminalpolizei, zum Zeitpunkt des Todes 20 Jahre alt, aus dem Jahr 1979, der erst in den 1990er Jahren neu aufgerollt und später aufgeklärt werden konnte, hat die ehemalige Richterin Susanne Tägder einen Kriminalroman geschrieben, der es in die Liste meiner Top Ten in diesem Genre geschafft hat. Mit feiner Sprache, Sätzen, die unbeirrt ins Schwarze treffen, und völlig unaufgeregt nähert sie sich dem Geschehen an, zwei Perspektiven bemüht sie dafür. Beide Charakter sind so sperrig wie unnahbar und wachsen mir trotzdem ans Herz, denn menschlich sind beide und bescheiden, dazu dermaßen authentisch, dass es weh tut.

„Es folgen Seiten um Seiten, und als Groth durch ist und das Heft zuklappt, sitzt er benommen da, denn es hat gerade ein Toter zu ihm gesprochen.“ (Seite 78)

Es ist ein ruhiges Buch, das sich viel mit den zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt und mit der Frage, was Heimat ist. Der Kriminalfall wirft zudem die Frage auf, was sonst alles so vertuscht worden ist und warum. Der Weg zur Lösung, auf der Suche nach Wahrheit, hätte nicht spannender sein können, noch lange nach dem Zuklappen hat mich das Buch beschäftigt und blieb in meinem Kopf. „Diese Autorin ist gekommen, um zu bleiben“ wird auf dem Buchrücken ein weiterer großartiger Autor, nämlich der von mir sehr geschätzte Andreas Pflüger, zitiert. Dem möchte ich mich uneingeschränkt anschließen. Ich freue mich sehr auf weitere Bücher der Autorin!

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Veröffentlicht am 06.06.2024

Ein atemberaubendes Abenteuer

Die Töchter des Bärenjägers
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Der berüchtigte Bärenjäger Heikki Leskinen ist tot, gestorben im Kampf mit einem Bären. Als kurze Zeit später die ungeliebte Mutter stirbt, machen sich die sieben Schwestern auf den Weg in die Wildnis, ...

Der berüchtigte Bärenjäger Heikki Leskinen ist tot, gestorben im Kampf mit einem Bären. Als kurze Zeit später die ungeliebte Mutter stirbt, machen sich die sieben Schwestern auf den Weg in die Wildnis, um sich hundertfünfzig Kilometer von der Zivilisation entfernt ein eigenes Leben aufzubauen. Völlig unbedarft und unvorbereitet stellen sich die jungen Frauen dem rauen Dasein, nicht ahnend, dass der nahende Winter keine Gnade kennt.

„Ich konnte den Blick nicht von den drei Schwestern wenden. Sie zogen mich an, so diskret wie möglich umkreiste ich ihren Stand. Notierte ihre groben, von Kratzern und Wunden übersäten Hände, ihre langen Finger und die Schmutzränder unter den Nägeln, als sie ihren Kunden Pilze in Papiertüten reichten.“ (Seite 9)

Eine zu Beginn namenlose Erzählerin nahm mich mit auf die Reise in die finnischen Wälder, bekundete ihre Faszination für die Familie Leskinen und erzählte eine Geschichte über die sieben Schwestern, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, obwohl sogar zwei Zwillingspaare darunter waren. Anfangs tat ich mich schwer mit dem Buch und befürchtete schon, dass ich es abbrechen würde, als der Zauber zu wirken begann. Dies lag nicht etwa an den Schwestern oder ihrem Umgang miteinander, denn dieser war wild und ungestüm, von schwesterlicher Liebe gab es keine Spur, im Gegenteil war ich entsetzt darüber, wie barbarisch es zwischen ihnen zuging. Es lag auch nicht an der Sprache, die derb und oft mit den schlimmsten Schimpfausdrücken und unflätigsten Wörtern gespickt war. Anscheinend war ich einfach der gleichen Faszination erlegen, wie es der Erzählerin passiert ist, und konnte den Blick nicht mehr abwenden.

Ich bin froh, das Buch gelesen zu haben, obwohl mich bis kurz vor dem Ende jede der sieben Schwestern regelrecht abgeschreckt, um nicht zu sagen abgestoßen hat. Es gab nichts, was dazu beigetragen hätte, dass bei mir auch nur ein Funken Sympathie für eines der Mädchen beziehungsweise jungen Frauen gewachsen wäre. Dies muss man bei einer solchen Geschichte aber aushalten können und das habe ich mit großem Genuss getan. Auf den letzten Seiten versöhnte ich mich mit einigen der Schwestern, spürte fast so etwas wie Stolz auf die Leistung manch einer von ihnen. Es war eine aufregende, manchmal anstrengende, insgesamt aber eine atemberaubende Reise in eine andere Welt. Große Leseempfehlung!

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