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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.01.2018

ein außergewöhnlicher Erzählstil, aber mich konnte die Geschichte nicht berühren

Außer sich
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Der Roman „Ausser sich“ von Sasha Marianna Salzmann hatte mein Interesse geweckt aufgrund des interessant klingenden Klappentextes und seiner Nominierung zum Deutschen Buchpreis. Im Verlauf der Lektüre ...

Der Roman „Ausser sich“ von Sasha Marianna Salzmann hatte mein Interesse geweckt aufgrund des interessant klingenden Klappentextes und seiner Nominierung zum Deutschen Buchpreis. Im Verlauf der Lektüre wurde ich jedoch zunehmend enttäuscht, zu aneinander gestückelt wirken die einzelnen Kapitel, die Figuren zu blass, die Erzählung konnte mich nicht berühren.

Dabei bietet Geschichte viel, die Hauptfigur Alissa stammt aus einer jüdisch russischen Familie mit einigen charismatischen Vorfahren, Alissa selbst ist mit ihren Eltern, ihrem Großvater und ihrem Zwillingsbruder Anton Mitte der 90er Jahre von Moskau nach Deutschland umgesiedelt. Mit Mitte 20 verlässt Anton die Familie und verschwindet zunächst spurlos. Eine Postkarte aus Istanbul lässt Ali ihrem Bruder nachreisen, doch nachdem auch sie schon zuhause viele Brücken in ihrem Leben abgebrochen hatte, gerät die Suche nach Anton schnell in den Hintergrund, sie verfällt den Reizen der Stadt Istanbul und lässt sich Treiben, mehr auf der Suche nach sich selbst.

Insbesondere der Teil um Alis und Antons Aufenthalte in Istanbul ist mir zu gewollt kunstvoll angelegt, die Sprache ist teils überspitzt bildhaft, so dass Ali als Figur sehr nebulös bleibt, dann wieder extrem vulgär und abstoßend, was eine sehr große Distanz zu den Figuren schafft, so dass mir ihr Schicksal beim Lesen zunehmend egal war.

Die angesprochenen Themen wie Migration, Identität nicht nur im Sinne von einer Heimat-Zugehörigkeit sondern auch von Geschlechtsidentität sind tiefgreifende und aktuelle Themen, die hier darunter leiden, dass das Buch ungeordnet wirkt und zu vieles in den nebulösen wie in einem Drogenwahn aufgelösten Gedanken Alis unter geht.

Am interessantesten habe ich noch die Rückblenden in die Familiengeschichte empfunden, die einen Bogen spannt vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die sowjetische Nachkriegszeit und die ebenso von Unterdrückung wie von mythisch anmutendem Heldentum erzählt. Die Rückblenden erfolgen nicht chronologisch und wirken meist zufällig und zusammenhangslos eingestreut, was das Lesen und Verstehen ebenso erschwert, wie die verschiedenen Namen, mit denen die einzelnen Personen benannt werden. Die Schicksale der Familienmitglieder sind geprägt von dem Eindruck, dass sie alle überwiegend in Unglück gelebt haben, Liebe, Unbeschwertheit und die Erfüllung von Träumen haben kaum Platz. Aber auch diese negatives Stimmungen erklären nicht, weshalb Ali und Anton ihr Leben und ihre Freunde aufgeben, um in einem fremden Land ihr eigenes Selbst derart herabwürdigen und ausnutzen zu lassen.

Ich kann den Hype um dieses Buch nicht nachvollziehen, mir fehlt hier die klare Aussage. Das Buch ist offenbar mit Absicht so angelegt, ich bin ein zu rational denkender Mensch, als dass mich das ansprechen könnte.

Veröffentlicht am 04.01.2018

zu unglaubwürdig und konstruiert

Remember Mia
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„Remember Mia“ von Alexandra Burt ist ein Thriller, der in der Aufmachung und Ankündigung an Bücher wie „Gone Girl“ oder „Girl on the Train“ erinnert aber nicht mit deren Komplexität und Tiefe mithalten ...

„Remember Mia“ von Alexandra Burt ist ein Thriller, der in der Aufmachung und Ankündigung an Bücher wie „Gone Girl“ oder „Girl on the Train“ erinnert aber nicht mit deren Komplexität und Tiefe mithalten kann.

Im Mittelpunkt steht die junge Mutter Estelle Paradise die nach einem Autounfall mit Gedächtnisverlust im Krankenhaus aufwacht. Ihre 7 Monate alte Tochter Mia ist verschwunden, Polizei, Öffentlichkeit und sogar ihr Ehemann Jack halten sie für die Mörderin des Babys, denn Mia befand sich nicht mit im Unfallwagen sondern war schon drei Tage vorher unter mysteriöse Umständen aus der elterlichen Wohnung verschwunden, ohne dass Estelle sie vermisst gemeldet hätte. Umso verzweifelter versucht Estelle ihre Erinnerung wieder zu finden, sie reflektiert die nicht immer einfache Beziehung zu ihrer Tochter und fragt sich, ob sie fähig wäre, ihrem eigenen Kind etwas anzutun.

Anfangs vermag das Buch noch einigermaßen zu fesseln und Spannung aufzubauen, im Verlauf wirkt es aber zunehmend zäher, unglaubwürdiger und konstruierter. Sowohl Estelles Verhalten als auch die Reaktionen ihrer Umfelds und beteiligter Polizisten erschienen mir zu oft als unglaubwürdig und konstruiert. Anfangs habe ich beim Lesen noch mit gerätselt, es ergeben sich wechselnde Thesen zu möglichen Szenarien, zu früh im Buch ist der Fall jedoch gelöst und geht es in erster Linie um eine Aufarbeitung. Hier flacht der Spannungsbogen sehr ab, während es am Anfang noch passend wirkte, dass Estelles Gefühle eher gedämpft wirken, kann die Geschichte zum ende hin immer weniger emotional berühren.

Dazu mag beigetragen haben, dass ich in dem Hörbuch die Sprecherin die Geschichte mit wenig Variation und einem unpassend breiten Dialekt liest. Dieser nüchterne Ton lähmt die Erzählung zusätzlich, so dass ich im Vergleich zu anderen Thrillern nur auf eine Wertung von drei Sternen komme.

Veröffentlicht am 11.12.2017

ein temporeicher, solider Krimi aus Skandinavien

Dominotod
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„Dominotod“ ist ein temporeicher Thriller, bei dem es mir schwergefallen ist, ihn zwischendurch aus der Hand legen zu müssen, so sehr habe ich mich von dem Zeitdruck anstecken lassen, unter dem die Ermittler ...

„Dominotod“ ist ein temporeicher Thriller, bei dem es mir schwergefallen ist, ihn zwischendurch aus der Hand legen zu müssen, so sehr habe ich mich von dem Zeitdruck anstecken lassen, unter dem die Ermittler in diesem Fall stehen.
In der Nähe der schwedischen Stadt Sundsvall wird die Leiche des Arztes Thomas Hoffmann gefunden, der vier Tage lang von seinem Mörder gefangen gehalten und vor seinem Tod gequält wurde. Dann verschwindet ein weiterer Kollege aus dem Krankenhaus spurlos, sein zurückgelassenes Namensschild und ein Dominostein deuten darauf hin, dass auch Erik Jensen in die Hände desselben Täters geraten ist. Zur Erstellung eines Täterprofils wird die Psychiaterin Nathalie Svensson aus Uppsala mit einem Team zu den Ermittlungen hinzugezogen. Die Zeit drängt, wenn Erik noch lebend gefunden werden soll. Nathalie muss erfahren, dass ausgerechnet ihre Schwester die letzte Person war, die ihn lebend gesehen hat, und dass Estelle ihr nicht die ganze Wahrheit verrät. Könnte Sie etwas mit dem Fall zu tun haben? Es gibt aber noch andere Verdächtige, die über glaubhafte Motive verfügen, so dass die Teams parallel in verschiedene Richtungen ermitteln müssen.
Eine Stärke des Buchs ist das Tempo, die Geschichte spielt sich während zwei ereignisreicher Tage ab, es gibt viele Hinweise, mehrere Verdächtige, der Leser weiß wenig mehr als die Ermittler und kann miträtseln. Einige Rückblicke in die Jahre 2005 und 2008 geben dem Leser ein paar zusätzliche Informationen, die jedoch nicht eindeutig den Täter entlarven. Neben Nathalie ist auch einer der Polizisten aus Sundsvall persönlich in den Fall involviert, da der verschwundene Arzt sein bester Freund ist. Das schafft eine besondere emotionale Nähe zu dem Fall, auch wenn die Charaktere ansonsten etwas blass wirken.
„Dominotod“ ist der 2. Band um die Nathalie Svennson, es werden ein paar Hintergrundinformationen zu ihrer Vorgeschichte und dem ersten Teil eingestreut, um ihre Gemütsverfassung zu erklären. Ich kenne den ersten Band nicht, hatte aber auch nicht den Eindruck, dadurch im Nachteil zu sein. Wer „So tödlich nah“ ebenfalls lesen möchte, sollte das vorher tun, da hier einige Details auch zum Ausgang der Geschichte verraten werden.
Der Krimi wirkt solide und ist spannend aufgebaut, die Charaktere können nicht ganz überzeugen. Die Reihe dreht sich zwar um Nathalie Svensson, ihre Rolle bei der Lösung des Falls ist aber eher gering, Johan Axberg wirkt da als Persönlichkeit und kompetenter Ermittler überzeugender. In Schweden gibt es übrigens eine eigene Krimireihe um Johan Axberg, die bereits vor dieser Serie von Jonas Moström geschrieben und veröffentlicht wurde.

Veröffentlicht am 03.12.2017

eine beeindruckende und emotionale Erzählung

Quicksand: Im Traum kannst du nicht lügen
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„Im Traum kannst Du nicht lügen“ ist ein starkes Buch, dass ich am Anhang als etwas langatmig empfunden habe, das mich im Verlauf aber immer mehr in seinen Bann gezogen hat.
Zu Beginn des Buchs steht die ...

„Im Traum kannst Du nicht lügen“ ist ein starkes Buch, dass ich am Anhang als etwas langatmig empfunden habe, das mich im Verlauf aber immer mehr in seinen Bann gezogen hat.
Zu Beginn des Buchs steht die 18-jährige Maja Norberg vor Gericht, sie ist angeklagt, an einem Blutbad in ihrer Schule beteiligt gewesen zu sein, bei dem unter anderem ihr Freund Sebastian, ihr beste Freundin Amanda und ein Lehrer erschossen wurden. Aber ist Maja wirklich schuldig? Wie konnte es dazu kommen, dass dieses beliebte Mädchen aus reichem Elternhaus in so eine Tragödie verwickelt und zu einem derartigen Hassobjekt wurde?
Die Autorin lässt Maja in der Ich-Perspektive in Rückblicken von den Ereignissen erzählen, die zu dem Blutbad geführt haben aber auch von ihrer Zeit im Gefängnis, von ihren wechselnden Gefühlen und ihren Ängsten.
Der Prozess, der sich über insgesamt drei Wochen erstreckt, bildet eine Art Rahmenhandlung, während der Maja noch einmal mit der Tat aber auch mit ihrer Beziehung zu ihrem Freund Sebastian Fagerman konfrontiert wird, dem Haupttäter, der durch sie zu Tode gekommen ist.
Der Leser bleibt bis zum Schluss im Ungewissen darüber, in wieweit Maja schuldig oder ein Opfer ist, die tatsächlichen Ereignisse, Hintergründe und Zusammenhänge werden nur schrittweise herausgearbeitet. Der Spannungsbogen ist dabei durchweg hoch, auch trotz der wechselnden Zeitebenen verliert man nie den Überblick.
Eine große Stärke des Buches liegt in der Intensität und Offenheit mit der Maja ihre Eindrücke schildert. Die Autorin wird in der Erzählung zu Maja, diese spricht den Leser zum Teil direkt an, was eine große Nähe zur Hauptfigur schafft. Ihre Wut ist ebenso greifbar wie ihre Verzweiflung.
Im Verlauf der Geschichte war mir Maja mal mehr, mal weniger sympathisch, mal ist ihr Verhalten abstoßend, mal leidet man mit ihr, wenn Freunde und Familie sie missverstehen und allein lassen.
Das Buch ist ein Drama, das Fragen von Schuld und Verantwortung, von Bestrafung und Versöhnung aufwirft aber bewusst keine Antworten gibt, sondern den Leser sich sein eigenes Urteil fällen lässt. Es geht um Liebe, Freundschaft, Jugend, Drogenmissbrauch, soziale Verantwortung und Klassenunterschiede. Ein Thriller der besonderen Art, der nachhallt und oft sprachlos macht. Ich werde mir die Autorin auf jeden Fall merken, dieser Erzählstil ist beeindruckend realistisch und nahe gehend.

Veröffentlicht am 16.11.2017

spannend, bewegend, selten hat mich ein Buch so aufgewühlt.

Kleine Stadt der großen Träume
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Fredrik Backman ist vermutlich vielen Lesern bekannt als der Autor von "Ein Mann namens Ove". Jetzt hat er einen neuen Roman geschrieben, der ebenfalls das Potential besitzt viele Herzen zu gewinnen; „Kleine ...

Fredrik Backman ist vermutlich vielen Lesern bekannt als der Autor von "Ein Mann namens Ove". Jetzt hat er einen neuen Roman geschrieben, der ebenfalls das Potential besitzt viele Herzen zu gewinnen; „Kleine Stadt der großen Träume" ist der erste Teil einer geplanten Serie um die fiktive nordschwedische Stadt „Björnstad" und ihre Bewohner.In dieser kleinen Stadt, die in einer unwirtlichen Gegend ums Überleben und gegen den wirtschaftlichen Abstieg kämpft, gibt es wenig Hoffnung auf Besserung der Lage, aber es gibt eine Eishockey-Juniorenmannschaft, die es bis ins Halbfinale der Landesmeisterschaften geschafft hat.
Die 17-jährigen Eishockeyspieler sind der Stolz der Stadt, der Club ist das Zentrum und die Zukunft des Ortes, er stellt ein Synonym dar für Loyalität und Gemeinschaft. Nach einem Sieg der Mannschaft hat ihre kleine Stadt Aussicht, der neue Standort der Eishockeyschule zu werden, die neue Talente und Sponsoren anlockt, vielleicht gibt es dann sogar eine neue Eishalle und ein Einkaufszentrum, das Arbeitsplätze schafft und die Abwanderung der Bewohner stoppt.
Doch in der Nacht nach dem Halbfinale geschieht etwas, dass nicht hätte passieren dürfen, und das in Björnstad alles verändert, die Gefüge verschiebt, einige Persönlichkeiten zerbricht und andere in sich wachsen lässt.
Was bedeutet ein Team für eine Stadt? Was bedeutet ein Sport für eine Familie? Was bedeutet ein einziges Spiel für eine Gesellschaft, die um ihr Überleben kämpft?
Einfach alles. Es bedeutet nur alles.
Im Mittelpunkt des Buchs stehen die Hockeyspieler Kevin, Benji und Amat, der Trainer David, der Sportdirektor Peter und seine Tochter Maya, sowie Peters Frau Mira, die zwischen ihrem Beruf als Anwältin und dem ruhigen Leben im Wald als Ehefrau und Mutter zerrissen wird. Das Buch dreht sich nur bedingt um Hockey, der Sport bildet den Aufhänger um zu zeigen, was passieren kann, wenn Geld und Macht wichtiger sind als Gerechtigkeit. Es ist eine Geschichte über Familien, über Freundschaft und Loyalität, über weibliche Verletzlichkeit, männliches Rückgrat und Elternschaft. Es geht auch um Klasseunterschiede, um Ausgrenzung, darum, ein Kind zu sein, erwachsener zu werden, ein Erwachsener zu sein und alt zu werden. Über Trauer und Liebe und große Geheimnisse. In der Tat hat dieses Buch so viele verschiedene Facetten wie es Charaktere hat.
Dieses Buch berührt, der Autor versteht sich großartig darauf, die Gefühle und Beweggründe der Personen so treffend zu vermitteln, dass man sich beim Lesen in sie hineinversetzen kann. Das Buch ist schonungslos, zeigt Stärken und Schwächen auf, die Geschichte ist ebenso glaubhaft wie unfassbar, vermutlich hat mich als Mutter dreier Kinder im Teenageralter die Geschichte umso mehr mitten ins Herz getroffen und mich darüber grübeln lassen, wie ich mich wohl in der einen oder anderen Situation verhalten hätte.
Im Schwedischen wurde die Geschichte Björnstads bereits weitererzählt, ich werde auf jeden Fall verfolgen, was mit Benji, Amat, Maya und Ana in der Zukunft passiert.