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Veröffentlicht am 08.09.2023

Alles weg

Eigentum
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Die Mutter, noch täglich vom Pflegepersonal in den Rollstuhl gesetzt, erkennt oft den eigenen Sohn nicht, erinnert sich aber minutiös an ihre Kindheit und Jugend. 95 harte, entbehrungsreiche Jahre, einen ...

Die Mutter, noch täglich vom Pflegepersonal in den Rollstuhl gesetzt, erkennt oft den eigenen Sohn nicht, erinnert sich aber minutiös an ihre Kindheit und Jugend. 95 harte, entbehrungsreiche Jahre, einen Weltkrieg und mehr als einmal die Erfahrung, wie es ist, wenn das Geld plötzlich nichts mehr wert ist. Ein lebenlang hat sie gespart und sich nie den Traum vom Eigentum erfüllen können, bis zu ihrem Tod und dem damit verbundenen Umzug in ihre eigenen 1,7 Quadratmeter.

Es liest sich schon stellenweise etwas schräg, wenn der Autor hier so über seine eigenbrötlerische Mutter schreibt, wie er ihre Lebenserinnerungen wiedergibt. Aber gerade das ist es, was das Buch interessant macht und abhebt vom Mainstream. Die nicht ganz 160 Seiten sind schnell weggelesen, der Stil des Autors macht es einem leicht ihm zu folgen, auch wenn seine Gedankengänge manchmal schon etwas konfus sind und auch die Erinnerungen der Mutter oft leicht wirr daher kommen. Sei es dem Alter geschuldet, oder einfach ihrer Dialektik. In den Ausführungen der Mutter kann es einem dann auch manchmal etwas lang werden, ähnlich wie in einem Gespräch mit der eigenen Großmutter, deren Geschichte vom Gottesdienst zu Ostersonntag, in den sie mit Rock und Strümpfen gezogen sind und bei dessen Ende ein plötzlicher Kälteeinbruch für Schneeverwehungen gesorgt hatte. Alles schon tausendfach in den verschiedensten Varianten gehört und trotzdem muss man Interesse vorgeben und an den richtigen Stellen zustimmend, oder erstaunt murren. Man kennts und mich hat es nicht gestört, wurden diese Episoden doch immer wieder unterbrochen von den Gedankengängen des Sohnes.

Der Autor erzählt auf berührende Weise von einer Frau, die es nie leicht hatte im Leben und die dadurch bis zuletzt geprägt wurde, einer Frau, die Andere mit ihrer offenen, direkten Art oft beleidigt hat, deren Nachhilfeschüler aber allesamt an ihrem Grab geweint haben. Er erzählt eine Lebensgeschichte, wie sie stellvertretend für viele aus dieser Generation ist, einer Generation, die wir bald einzig aus solchen Erzählungen kennen werden.

Das Buch kommt als schmales Hardcover mit Schutzumschlag daher, wobei ich den an braunes Packpapier erinnernden Umschlag jetzt etwas nichtssagend finde, aber man hat sich sicher etwas dabei gedacht. Hier sollte man sich tatsächlich nicht von der Optik abschrecken lassen und dem Buch eine Chance geben.

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Veröffentlicht am 03.09.2023

Düsterer Schwarzwald

Steinkalt
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Cora Brecht versucht mit einer Auszeit von ihrem Job als Kriminalpsychologin ihr Leben wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen. Nach dem Tod ihrer Mutter und der Scheidung von ihrem Mann hat sie Einiges ...

Cora Brecht versucht mit einer Auszeit von ihrem Job als Kriminalpsychologin ihr Leben wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen. Nach dem Tod ihrer Mutter und der Scheidung von ihrem Mann hat sie Einiges aufzuarbeiten. Während der Renovierungsarbeiten am Haus ihrer Eltern lebt sie etwas unkonventionell auf einem nahegelegenen Campingplatz, Gesellschaft soll ihr dabei ein Hund aus dem Tierheim leisten, Dackel Waldi, dessen Anwesenheit allerdings schnell für Ärger sorgt, einerseits durch sein ständiges Bellen und andererseits durch den beherzten Biss in die Wade eines kiffenden Jugendlichen auf der Nachbarparzelle. Doch damit fängt der Ärger für Cora erst an.

Autorin Isa Klink wählt für ihren Kriminalroman den recht beschaulichen Schwarzwald, allerdings wird direkt im Prolog klar, dass es hier nicht unbedingt immer so beschaulich zugeht. Angelehnt an das Märchen vom "Kalten Herz" von Wilhelm Hauff zeigt sie, dass die dichten Wälder auch eine düstere Seite haben können, gerade im Herbst/Winter, wenn die Sonne es nicht schafft durch die engstehenden Stämme der Bäume zu dringen.

Leider schafft es die Spannung, die im Prolog aufgebaut wird erstmal nicht wirklich ins Buch. Klar ist es interessant Cora zu begleiten, ihr Seelenleben kennenzulernen, sie mit ihren inneren Dämonen kämpfen zu sehen, aber auf die Länge gesehen reicht mir das für einen Krimi nur bedingt. Mit dem Fund einer Leiche wird dann wieder etwas Spannung aufgebaut und durch kurze Episoden mit dem Mörder lernt der Leser dessen "Arbeit" kennen. Immer wieder switcht die Geschichte dann aber zurück auf Cora, die mittlerweile als Verdächtige gilt und ihr kompliziertes Privatleben. Auch hier liest sich das Buch gut weg, aber mir ist das zu viel, da fehlt mir das Gleichgewicht zwischen Ermittlungen und Privatleben. Hinzukommt, dass mir Cora nie wirklich sympatisch geworden ist. Ich finde ihr Verhalten teils egoistisch und für eine Psychologin ziemlich unbeherrscht.

Das Buch ist ein gut gemachter Krimi, der seiner Hauptfigur viel Raum gibt. Die Geschichte ist teilweise sehr spannend, bei der Beschreibung der Morde setzt die Autorin eher auf leichte Gänsehautmomente, statt auf blutrünstige Schilderungen, daher ist der Krimi auch für solche Leser geeignet, die es nicht ganz so heftig mögen. Den Umstand, dass der Mörder durch das Märchen vom Holländermichel zu seinen Taten inspiriert wird, finde ich sehr interessant und schlüssig in die Geschichte eingebaut.

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Veröffentlicht am 31.08.2023

Wettlauf zum Mars

Janus
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Astronautin Jenny Nelson trainiert für ihren ersten Raumflug, in wenigen Wochen soll sie mit ihren Kollegen zur ISS aufbrechen. Die Nachricht über den Fund eines ausserirdischen Objekts auf dem Marsmond ...

Astronautin Jenny Nelson trainiert für ihren ersten Raumflug, in wenigen Wochen soll sie mit ihren Kollegen zur ISS aufbrechen. Die Nachricht über den Fund eines ausserirdischen Objekts auf dem Marsmond Phobos kippt allerdings alle bisherigen Pläne der NASA, denn nun gilt es so schnell wie möglich eine Mission zum Mars zu starten. Warum die Eile? Weil auch die Russen und die Chinesen zum Mars unterwegs sind, um das Objekt für sich zu beanspruchen.

In Janus kreiert Autor Phillip P. Peterson ein Szenario rund um ein allgemein bekanntes kosmisches Phänomen, denn den Monolith auf dem Marsmond Phobos, der eine wichtige Rolle im Buch spielt, gibt es tasächlich und es wurden in den letzten Jahren einige Sonden zum Mars gesendet. Es wäre also gar nicht so unwahrscheinlich, wenn eine dieser Sonden neue Daten liefert und auf Grund dieser Daten dann plötzlich unser gesamtes Weltbild ins Wanken gerät. Peterson wirft die Frage auf, wie die Staaten, die über Raumfahrttechnik verfügen, mit der Verantwortung, die die Entdeckung ausserirdischer Technik mit sich bringt, umgehen würden. Würde man gemeinschaftlich an der Erforschung arbeiten und die Erkenntnisse Allen zugänglich machen, oder gäbe es einen erbitterten Kampf um die ausserirdischen Ressourcen?

Leider beantwortet der Autor diese Frage sehr eindeutig und verfällt damit in ein ziemliches Schubladendenken. So liest sich sein Buch dann stellenweise auch wie ein Agententhriller aus Zeiten des Kalten Krieges. Es gibt nur Schwarz, oder Weiß, nur Gut, oder Böse und wer die Guten und wer die Bösen sind ist klar definiert. Natürlich erinnert die aktuelle Weltlage gerade sehr an diese Zeit, allerdings finde ich es nicht unbedingt fair hier direkt wieder alte Feindbilder aufzubauen. Auch abseits dieser Thematik verliert sich das Buch in einigen Klischees. Da werden die Amerikaner in Köln in ein Brauhaus zum Essen eingeladen, und natürlich wird man dort von der Kellnerin schräg angeguckt, wenn man etwas ohne Fleisch bestellen möchte und den Vergleich - "Was den Amerikanern der Waffenbesitz ist, ist den Deutschen ihr nicht existierendes Tempolimit" - fand ich jetzt auch nicht so passend.

Die Geschichte an sich ist eigentlich ziemlich spannend, obwohl sie erst nach der Hälfte des Buches wirklich Fahrt aufnimmt. Vorher dreht sich vieles um die persönlichen Befindlichkeiten von Astronautin Jenny. Der Leser taucht in ihr Privatleben ein und lernt ihren großen beruflichen Ehrgeiz kennen. Trotzdem fiel es mir schwer Nähe, oder Sympathie zu ihr aufzubauen. Erst im letzten Drittel geht es dann tatsächlich in Richtung Mars und man hat gerade zum Schluß den Eindruck, dass sich die Ereignisse hier ziemlich überschlagen, von den losen Enden ganz zu schweigen.

Obwohl sich der Stil des Autors gut lesen lässt und das Szenario ziemlich spannend und interessant ist, ist das Buch letztlich nicht ganz meins. In meinen Rezensionen zu anderen Büchern des Autors sehe ich das ähnlich, ich denke, ich werde wohl kein Fan mehr.

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Veröffentlicht am 27.08.2023

Berührend

Die Erinnerungsfotografen
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Man sagt ja immer, wenn man stirbt zieht das ganze Leben an einem vorbei. Aber welche Bilder, welche Erinnerungen sind es wohl, die einem da ins Gedächtnis kommen? Der erste Schultag, die Hochzeit, Geburt ...

Man sagt ja immer, wenn man stirbt zieht das ganze Leben an einem vorbei. Aber welche Bilder, welche Erinnerungen sind es wohl, die einem da ins Gedächtnis kommen? Der erste Schultag, die Hochzeit, Geburt der Kinder, welche Erinnerungen sind so gewichtig, so wertvoll, dass sie für die letzten Momente ausgewählt werden.
Im Fotostudio von Herrn Hirasaka darf jeder Verstorbene selbst aus seinen vielen Erinnerungen die Schönsten, Emotionalsten, Wichtigsten auswählen und sich diese in der Phase des Übergangs ansehen. Und sollte eine Erinnerung einmal verblasst sein, reist man mit zu ihrem Ursprung zurück und archiviert sie neu.

Sanaka Hiiragi hat einen eher ungewöhnlichen Handlungsort für sein Buch gewählt, ein vermeintliches Fotostudio als Zwischenstopp auf dem Weg ins Jenseits. Eine recht tröstliche Vorstellung wie ich finde. Kein Fegefeuer erwartet einen, oder Götter die das Herz wiegen, sondern ein netter älterer Herr, der einem eine Tasse Tee anbietet, die Lieblingssüßigkeit serviert und dann in Lebenserinnerungen schwelgt, die man längst vergessen glaubte, um so den Übergang so angenehm wie möglich zu gestalten.

Der Leser begegnet drei von Herrn Hirasakas Kunden und erfährt anhand ihrer Erinnerungen was für Menschen sie waren. Da ist die nette alte Dame, Kindergärtnerin aus Berufung, ein Gauner mit weichem Herz und letztlich ein kleines Mädchen, das unendliches Leid erfahren hat. Alle begleitet Herr Hirasaka, hat teil an ihren Erinnerungen, wohl auch weil er selbst keine hat.

Mich hat das Buch sehr berührt. Die leisen Töne, die letztlich so viel Kraft und Energie enthalten hallen noch lange beim Leser nach. Man wird während der Lektüre daran erinnert, wie schön das Leben auch in den kleinsten Momenten ist, man muss halt einfach nur genau hinsehen.

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Veröffentlicht am 27.08.2023

Umweltaktivismus

Unter falscher Flagge
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Baulöwe Teschner feiert auf einem Boot eine Firmenparty bei der auch hochrangige Hamburger Politiker anwesend sind. Die Partystimmung wird just in dem Moment von maskierten Personen gestört, als Teschners ...

Baulöwe Teschner feiert auf einem Boot eine Firmenparty bei der auch hochrangige Hamburger Politiker anwesend sind. Die Partystimmung wird just in dem Moment von maskierten Personen gestört, als Teschners Tochter endlich mit ihrem Vater über ihre Position in der Firma sprechen will. Bei den Bewaffneten handelt es sich um eine Gruppe Umweltaktivisten, die die Anwesenden nicht nur berauben, sondern auch erniedrigen und per Videoaufnahme bloßstellen wollen. Als es zu einem Handgemenge kommt löst sich ein Schuß und Teschner wird lebensgefährlich verletzt.

Marc Jansen liefert hier den ersten Fall um Polizeitaucherin Svea Roth. Die Bezeichnung Polizeitaucherin ist hier aber, wie ich finde, vielleicht etwas irreführend, denn Roth ist Kriminalbeamtin beim BKA Hamburg und das Tauchen nicht, wie ich ursprünglich angenommen habe, ihre Hauptaufgabe. Natürlich spielen sich viele Szenen im und ums Wasser ab, aber die meiste Zeit begleitet der Leser Svea Roth und ihren neuen Partner Jan bei den Ermittlungen an Land.

Zu Beginn des Buches werden dem Leser alle relevanten Figuren vorgestellt, wobei der Fokus eindeutig auf Svea liegt. Als Hauptfigur hat sie eine Vergangenheit, die die aktuellen Geschehnisse beeinflußt und sie als Person definiert, bei allen anderen Figuren wird nur wenig bis gar nichts an Hintergründen geliefert, je nachdem wie groß ihre Rolle innerhalb des Falls ist. Eigentlich schade, denn für mich hätte zumindest der Täter ein bisschen mehr Substanz vertragen können, um sein Handeln glaubwürdiger zu machen.

Der Schreibstil des Autors lässt sich leicht lesen, allerings hatte ich mehr als einmal Probleme mit seiner Ausdrucksweise. Manche Formulierungen, oder einzelne Wörter fand ich fehl am Platz. Auch das eine Situation fast eins zu eins später im Buch nocheinmal vorkommt hat mich etwas irritiert. andererseits war gerade bei den Tauchszenen seine Beschreibung äußerst intensiv und fesselnd.

Für mich hat der Autor in seinem Buch einiges richtig gemacht um einen spannenden Fall zu schaffen, der ganz in der Tradition eines Sonntagabend-Tatorts steht. Als Verfilmung würde der Fall wahrscheinlich auch noch besser funktionieren, als als Buch, einfach weil hier Emotionen noch viel deutlicher erkennbar wären. Alles in Allem solide Krimiunterhaltung mit Bezug zu aktueller Umwelthematik und einem spannenden Finale.

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