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Veröffentlicht am 15.04.2023

Schicksale

Solange wir leben
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Ganz ehrlich? Die Bücher, die ich bisher von David Safier in die Hand bekommen habe, haben mir nicht gefallen. Umso neugieriger war ich auf den neuen Roman, der ein ernsthafteres Thema verspricht und ...


Ganz ehrlich? Die Bücher, die ich bisher von David Safier in die Hand bekommen habe, haben mir nicht gefallen. Umso neugieriger war ich auf den neuen Roman, der ein ernsthafteres Thema verspricht und mir tatsächlich wesentlich mehr zusagt. Der Autor hat hier nicht nur das Schicksal seiner Eltern und nächsten Verwandten im Dritten Reich zu Papier gebracht, sondern auch das Leben seiner Mutter und seines Vaters im Nachkriegsdeutschland, ihr Kennenlernen, ihre nicht immer einfache Beziehung, ihre privaten und wirtschaftlichen Probleme und Krisen.
Wenn es um die eigene Familiengeschichte geht, ist es naturgemäß schwierig, objektiv zu sein. Safier kann seine Verbundenheit mit der Familie natürlich nicht ausblenden, aber ich finde, ihm ist eine gewisse Sachlichkeit gut gelungen, und er schildert sehr ehrlich auch die Charakterschwächen der Eltern. Er reißt dabei grundsätzliche Fragen an wie: Kann ich nach dem Krieg im Land der Mörder meiner Eltern leben? Kann ich eine nicht-jüdische Frau ehelichen? Oder verrate ich damit meine Familie?
Der lockere, lebendige Schreibstil des Autors nimmt den Leser mühelos mit auf eine Zeitreise, die nicht ganz siebzig Jahre umspannt. In mehrere Zeitabschnitte von 1937 bis 2005 unterteilt, schildern verschiedene Kapitel das Leben seines Vaters Joschi im Wechsel mit dem der wesentlich jüngeren Mutter Waltraut, ohne dass ein Moment der Langeweile aufkommt.
Also, diese Seite Safiers hat mir gut gefallen.

Eine Anmerkung noch an das Lektorat: Es haben sich einige Fehler eingeschlichen, die sicher nicht nur mir störend aufgefallen sind…

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Veröffentlicht am 03.04.2023

“Raus aus der engen Pappschachtel…"

Die Radfahrerin
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„… endlich raus aus diesem Leben … In dem ich mir vorkomme wie in einem verriegelten Käfig!“
Die erst 22 Jahre alte Anna Kopchovsky fristet mit ihrem Mann Max und den drei kleinen Kindern ein ärmliches ...

„… endlich raus aus diesem Leben … In dem ich mir vorkomme wie in einem verriegelten Käfig!“
Die erst 22 Jahre alte Anna Kopchovsky fristet mit ihrem Mann Max und den drei kleinen Kindern ein ärmliches Dasein in dem jüdischen Ghetto Bostons. Zermürbt vom täglichen Überlebenskampf geht sie auf die Wette zweier Geschäftsmänner ein: sie will in einem Jahr mit dem Fahrrad um die Welt reisen - als Frau im Jahre 1894. Was den meisten Menschen damals ungeheuerlich schien, half der sich verstärkenden Frauenrechtsbewegung, weitere Freiheiten zu erkämpfen. Neben bequemerer Kleidung und mehr Mobilität brachte das Damenradeln vor allem größeres Selbstbewusstsein.
In ihrem lockeren, lebendigen Schreibstil schildert Susanna Leonard die strapaziöse Weltreise, welche die mutige junge Frau unter dem Namen Annie Londonderry antritt. Mit viel Einfühlungsvermögen erzählt sie von den vielen kleinen und großen Höhepunkten und Erfolgen ihres Abenteuers, aber ebenso intensiv von den zahlreichen Hindernissen, die Annie überwinden muss, und vor allem den Gewissensqualen und Schuldgefühlen ihren Kindern gegenüber. Da tatsächlich nur noch wenige Aufzeichnungen und Daten zur Person Annies existieren, versetzt sich die Autorin intensiv in Annies Situation; lässt neben historischen auch etliche erfundene Charaktere agieren. Insgesamt gelingt ihr ein eindrucksvolles Bild der gesellschaftlichen Lage gegen Ende des 19. Jahrhunderts, und sie versteht es wirklich überzeugend, ihre Leser dorthin mitzunehmen.

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Veröffentlicht am 24.03.2023

Informativ und unterhaltend

Deutsche Geschichte in 100 Zitaten
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Bereits der Titel des Buches macht neugierig: ist es möglich zweitausend Jahre "deutsche" Geschichte in nur einhundert Zitate zu packen?
Christoph Marx hat eine Auswahl an berühmten (und auch weniger ...

Bereits der Titel des Buches macht neugierig: ist es möglich zweitausend Jahre "deutsche" Geschichte in nur einhundert Zitate zu packen?
Christoph Marx hat eine Auswahl an berühmten (und auch weniger bekannten) Zitaten getroffen und sie in ihrem historischen Zusammenhang kommentiert. Sie reichen von der Germanen- bis in die Neuzeit und sind in chronologischer Reihenfolge in acht Abschnitte unterteilt. Jedem dieser Kapitel ist ein sehr kurzer geschichtlicher Überblick vorangestellt, in dem der Autor auf eine wirklich eingängige, für jeden Leser gut verständliche Art die wichtigsten historischen Fakten und Daten zusammenfasst. Auch jedem der „geflügelten Worte" schließt er eine knappe Erklärung an.
Lobend zu erwähnen sind die Illustrationen und vor allem die Kapitel-einleitenden Vignetten, die das technische Know-How des jeweiligen Zeitalters anhand der charakteristischen Transportmittel illustrieren.
Der solide Halbleineneinband und das Cover mit Porträts berühmter Persönlichkeiten tragen ebenfalls wesentlich zu dem positiven äußeren Eindruck bei.
Obwohl die Schwierigkeit bei einem solchen Vorhaben vermutlich in der Auswahl der Zitate besteht, ist Christoph Marx hier ein, wie ich finde, repräsentativer Querschnitt gelungen.
Gleichzeitig informativ und unterhaltend, bietet dieser kurze Ausflug in die Geschichte alle Voraussetzungen, um ein breites Publikum anzusprechen.


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Veröffentlicht am 27.02.2023

Fiktion und Wirklichkeit

Morgen, morgen und wieder morgen
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Über gemeinsames Nintendo-Spielen entsteht zwischen Sam und Sadie eine Kinderfreundschaft, die allerdings nur sechshundertneun plus vier Stunden andauert. Nach diesem Bruch treffen sie per Zufall Jahre ...

Über gemeinsames Nintendo-Spielen entsteht zwischen Sam und Sadie eine Kinderfreundschaft, die allerdings nur sechshundertneun plus vier Stunden andauert. Nach diesem Bruch treffen sie per Zufall Jahre später als Studenten wieder aufeinander, und erneut ist es ein Computerspiel, das beide zusammenführt. Sie beschließen, in Zusammenarbeit eine eigene Spielidee zu realisieren. Beruflicher Erfolg bleibt nicht aus, doch privat gibt es Probleme...
In lockerem, aber nicht oberflächlichem Stil erzählt Gabrielle Zevin von den Kindern Sadie und Sam und ihrem Werdegang als Studenten und später Spieleentwickler. Das Setting, die USA in den neunziger Jahren und Anfängen des 21. Jahrhunderts, als Romanhintergrund wird glaubhaft und lebendig vermittelt. Auch die Charaktere sind mit all ihren positiven wie auch negativen Eigenschaften authentisch dargestellt ebenso wie die (zahlreichen) Probleme, mit denen sie konfrontiert werden.
Zevins Idee, ihren Roman im Milieu von Computerspielen und Spieleentwicklern handeln zu lassen, ist sicher originell und wirklich fantasievoll und unterhaltsam ausgeführt. Doch bei allem habe ich den Eindruck, dass die Hauptfiguren sich zwar beruflich weiter entwickeln, aber persönlich kaum Fortschritte machen, auch wenn sie schon lange ihre zwanziger Jahre überschritten haben. Oder sollte das so von der Autorin beabsichtigt sein? Das erschließt sich mir nicht.
„Morgen, morgen und wieder morgen…" - der Spieler eines Videogames hat die Möglichkeit, bei Misserfolg unbeschadet immer wieder von vorn beginnen - gilt das auch für unser reales Leben?


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Veröffentlicht am 01.02.2023

Seelensammler und Tupilak

Die Polidoris (Bd. 1)
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Als ihre Eltern von einer Tiefsee-Expedition nicht zurückkehren, kommen Roberta und die Zwillinge Petronella und Pellegrino in die Obhut ihrer Großeltern, in dem kleinen Ort Tildrum. Schon sehr bald erleben ...

Als ihre Eltern von einer Tiefsee-Expedition nicht zurückkehren, kommen Roberta und die Zwillinge Petronella und Pellegrino in die Obhut ihrer Großeltern, in dem kleinen Ort Tildrum. Schon sehr bald erleben die Geschwister, dass die alte Villa mit Namen „Polidorium“, die nun ihr Zuhause sein soll, so einige dunkle Geheimnisse birgt. Hier existiert nicht nur das Beerdigungsinstitut von Großvater Pernell, sondern auch ein „Museum der Toten“. Exponate wie eine doppelköpfige geschnitzte Figur oder ein Schneckenhorn als „Seelensammler" verbergen obskure Eigenschaften. Ob es den Kindern gelingt, Licht in die mysteriösen Begebenheiten im Haus zu bringen?
Es ist eine mitreißende, dynamische Geschichte, die Anja Fislage hier erzählt. In leicht zu lesendem, gehobenem Schreibstil werden Themen wie Freundschaft, Liebe, Mut und Tod angesprochen. Gemeinsam mit den jungen Protagonisten lässt sie ihre Leser die mysteriösen Vorfälle in dem Haus erkunden - nach dem Wahlspruch der Polidori-Familie: „Angst bändigen, beobachten, Schlüsse ziehen und handeln“. Mit unerwarteten Wendungen gelingt es der Autorin, den Leser bis zum Ende des Buches in Atem zu halten und immer wieder die Spannung ansteigen zu lassen.
Die zahlreichen ausdrucksvollen Bilder und aparten Vignetten der Illustratorin Verena Wugeditsch tragen zum Grusel-Erlebnis bei; alle Darstellungen sind passend in schlichtem Schwarz-weiß gehalten. Originell finde ich die als Bildergalerie gestalteten Vor- bzw. Nachsatzblätter, die einen guten Eindruck der handelnden Personen wiedergeben.
Eine wirklich packende Lektüre für alle jungen Leser, die es aufregend mögen!

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