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Veröffentlicht am 23.09.2018

Kein Platz für Geister?

Tiergeister AG - Achtung, gruselig!
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Tomato Salata! Was passiert nur mit Spuk Ekelburg? Der kleine Dackel Arik hat noch gar nicht richtig begriffen, dass er bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, da wird er schon als Neuankömmling in der ...

Tomato Salata! Was passiert nur mit Spuk Ekelburg? Der kleine Dackel Arik hat noch gar nicht richtig begriffen, dass er bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, da wird er schon als Neuankömmling in der Spukschule für Geistertiere aufgenommen. Hier schließt er Freundschaft mit Schicksalsgenossen - doch Spuk Ekelburg, die tagsüber unter dem Namen Sankt Ethelburg als Schule für Menschenkinder dient, ist als Unterschlupf für die Geistertiere nicht mehr sicher. Arik, der Kinder liebt, schmiedet einen Plan, bei dem nicht nur seine spukigen Freunde sondern auch einige menschliche Schüler eine Rolle spielen…
Leichten Grusel und eine Menge Spaß verspricht Barbara Iland-Olschewskis Buch für Kinder ab 8 Jahren. In kindgerechter Sprache erzählt sie vom Schulbetrieb einer ganz besonderen Art. Lustig und lebendig schildert sie die Spukfächer der Geistertiere, die sich von denen der menschlichen Schüler sehr unterscheiden, und die (Freizeit-)Aktivitäten der Geisterschüler, die denen der Menschenkinder recht ähnlich sind. Die freundlich gesinnten Gespenster beweisen mit ihrer gewitzten Aktion, wie wichtig Zusammenhalt ist, dass Ziele gemeinsam leichter erreicht werden können und (Vor)Urteile nicht zutreffen müssen. Zahlreiche witzige Illustrationen, die ebenso fantasievoll sind wie der Text, runden die Geschichte ab. Diverse Lautäußerungen - farblich und in der Schriftart abgehoben vom übrigen Text - lockern das Schriftbild auf. Geheimnisvolle Pfotenabdrücke begleiten die kleinen Leser durch das Buch, ebenso wie kecke Würmer, die sich um die Kapitelanfänge ringeln. Und auch das Vorsatzblatt gibt einen Vorgeschmack auf ein bisschen Grusel und Ekel und beschert eine leichte Gänsehaut.

Veröffentlicht am 11.09.2018

"Wir sind die Herren Kinder"

Mein Freund Otto, das wilde Leben und ich
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Welche Verbindung besteht zwischen Hausaufgaben, einem knurrigen Kioskbesitzer und Gangsta-Rap? Die Freunde Matti und Otto, die sich bereits „ein ganzes Leben minus drei Wochen“ kennen, stecken in einem ...

Welche Verbindung besteht zwischen Hausaufgaben, einem knurrigen Kioskbesitzer und Gangsta-Rap? Die Freunde Matti und Otto, die sich bereits „ein ganzes Leben minus drei Wochen“ kennen, stecken in einem Dilemma: sie sollen für den Musikunterricht der Fünften Klasse einen Rap schreiben - nach dem Vorbild von Bruda Berlin. Aber sie sind zu brav; sie haben kein „Gangsta-Gen“, wie Otto sachlich feststellt, und sind weit entfernt von einem „wilden Leben“. Als die zwei Jungen schließlich entscheiden, den meist schlecht gelaunten Kioskbesitzer Hotte Zimmermann zum „Helden“ ihres Rapsongs zu küren und ihm obendrein einen Streich zu spielen, ahnen sie noch nicht, wie nah sie einem echten Abenteuer bereits sind…
Salopp und witzig erzählt Silke Lambeck das Großstadtabenteuer in einer modernen Sprache, die dem Lesealter der Kinder (ab 8 Jahren) angemessen ist. Dabei lässt sie den elfjährigen Matti selbst berichten. Erfrischend ehrlich schildert er seine Eindrücke und Ansichten von Schule und Familie. Aus Mattis Sicht nehmen die jungen Leser seine Umgebung wahr, erfahren die unmittelbare Bedrohung durch Immobilienhändler und deren dubiose Gehilfen, erleben den abenteuerlichen Ausflug von einem „besseren“ Kiez in einen Problembezirk und nehmen teil am entschlossenen, hilfsbereiten Handeln der Herren Kinder, wie sich Otto und Matti als Rapper nennen.
In ihrem Buch, welches das Großstadtleben vieler Kinder wirklichkeitsnah abbildet, spricht die Autorin in leichtem Ton gleich mehrere aktuelle Probleme an - vielbeschäftigte Eltern, Vorurteile, Gentrifizierung - und zeigt in unterhaltsamer Form, wie mit Freundschaft, Toleranz, Mut und Zusammenhalt einiges zum Guten bewirkt werden kann. Die zahlreichen Illustrationen von Barbara Jung ergänzen den Kinderroman auf harmonische Weise und tragen viel zum Lesevergnügen bei. Ihre gut durchdachten Zeichnungen zeugen ebenso von Mitgefühl und Humor wie der Text.
Mein Fazit: ein spannendes und witziges Kinderbuch vor aktuellem Hintergrund.

Veröffentlicht am 09.08.2018

Kind im Exil

Du springst, ich falle
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Es ist kein neues, aber immer aktuelles Thema , das Maryam Madjidi in ihrem Debütroman behandelt: das Suchen nach der eigenen Identität und der Zugehörigkeit von Kindern, die im Exil aufwachsen.
Als Sechsjährige ...

Es ist kein neues, aber immer aktuelles Thema , das Maryam Madjidi in ihrem Debütroman behandelt: das Suchen nach der eigenen Identität und der Zugehörigkeit von Kindern, die im Exil aufwachsen.
Als Sechsjährige landet Maryam mit ihren Eltern nach der Flucht aus dem Iran in Paris. Ohne Sprachkenntnisse muss sie sich dort an der Schule zurechtfinden. Geplagt von Heimweh und Sehnsucht nach ihrer Großmutter verstummt sie zunächst. Dann jedoch absolviert das Mädchen sehr erfolgreich Schule und Studium und schafft schließlich, was ihren Eltern nicht wirklich gelingt: sie ist „integriert“. Ihre Muttersprache Farsi lehnt sie ab. Erst als Erwachsene wird ihr das Dilemma wirklich bewusst: gehört sie nun zu Frankreich oder zum Iran? Wo ist ihre Heimat?
In leichter, schlichter Sprache schildert Madjidi ihre drei „Geburten“, wie sie die einzelnen Kapitel betitelt. Aneinander gefügte Episoden und poetische, märchenhaft anmutende Szenen bilden eine autobiografische Erzählung; die Beobachtungen und Ängste aus Kindersicht wirken unmittelbar und ohne Pathos. Eine chronologische Reihenfolge hält die Autorin nicht ein, vielleicht ebenfalls ein Zugeständnis an kindliches Erleben. Vor dem Hintergrund der brutalen Unterdrückung und Verfolgung im Iran erzählt Madjidi ihre eigene Geschichte, stellvertretend für viele andere Exilanten.

Veröffentlicht am 04.08.2018

Ein Roman wie ein Gemälde

Von Vögeln und Menschen
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Immer wieder schafft es Margriet de Moor, ihre Leser zu überraschen: kein Roman weist Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger auf. Dabei geht es in ihren Aussagen doch stets um Menschen, ihr Tun und die Beweg- ...

Immer wieder schafft es Margriet de Moor, ihre Leser zu überraschen: kein Roman weist Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger auf. Dabei geht es in ihren Aussagen doch stets um Menschen, ihr Tun und die Beweg- und Abgründe, die dahinter stehen.

In „Von Vögeln und Menschen“ geht es um ganz unterschiedliche Frauen, die auf unterschiedliche Weise miteinander in Beziehung stehen. Den Dreh- und Angelpunkt jedoch bildet Marie Lina. Ihr Leben gerät nicht erst als Erwachsene aus den Fugen, da sie eine Tat begeht, die sie ins Gefängnis bringt, sondern schon in Kinderjahren, als ihre Mutter eine Zuchthaustrafe verbüßen muss - für einen Mord, den sie nicht begangen hat. Warum hat Louise Bergman ein falsches Geständnis abgelegt? Wer ist der wahre Täter und warum bleibt er im Hintergrund? Stück für Stück trägt de Moor eine spannende Geschichte zusammen, nicht chronologisch, sondern in Zeitsprüngen und wechselnden Erzählperspektiven.

Die Autorin besitzt die Fähigkeit, mit Worten Bilder zu erschaffen. Ihr ruhiger, sachlicher Stil und ihre Art, besonders anschaulich zu beschreiben, erinnern mich an alte holländische Gemälde: Wie in einem Bild festgehalten erscheinen die Personen in diversen Situationen: mal als idyllisches Familienporträt, ein andermal als Momentaufnahme einer Ausnahmesituation, wobei der Hintergrund stets ein wenig vage im Dunkel bleibt. Und - wie bei einem Gemälde - empfindet der Leser/Betrachter doch stets eine gewisse Distanz zu den Protagonisten, obwohl er zahlreiche Details erfährt.

Auch wenn das Ende des Romans eigentlich zu Beginn bereits bekannt ist: Margriet de Moor versteht es brilliant, uns in das Geschehen hineinzuziehen und zu fesseln.

Veröffentlicht am 23.07.2018

Aufbruch

Ida
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Ida Bauer - als Siegmund Freuds „Fall Dora“ erlangte sie Berühmtheit. Doch abgesehen von Freuds Darstellung ihrer Psyche in der Hysterie-Analyse ist über ihr Leben nicht viel bekannt. Idas Urenkelin, ...

Ida Bauer - als Siegmund Freuds „Fall Dora“ erlangte sie Berühmtheit. Doch abgesehen von Freuds Darstellung ihrer Psyche in der Hysterie-Analyse ist über ihr Leben nicht viel bekannt. Idas Urenkelin, Katharina Adler, versucht nun in ihrem Buch, dem Wesen ihrer Urgroßmutter näher zu kommen.
Mit Bedacht versetzt sich die Autorin in die Person Ida Adler-Bauers. Sie schildert deren Situation stets aus dem Blick ihrer Protagonistin und verknüpft sie mit den vorherrschenden sozialen und politischen Bedingungen des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Ida prägen. Dabei geht die Autorin in ihrem Roman allerdings nicht chronologisch vor, sondern „springt“ in der Zeit, während sie uns Ida in unterschiedlichen Altersphasen nahe bringt - immer wieder einmal unterbrochen von kurzen Auszügen aus Freuds Hysterie-Analyse als Kontrast zu Idas eigenem Erleben. Liegt der berühmte Psychologe richtig mit seinen Deutungen? Ida selbst denkt anders darüber als ihr Arzt und wehrt sich auf ihre Weise.
Katharina Adler präsentiert dem Leser auf unterhaltsame Art die Ergebnisse ihrer Familien-Recherche, wobei manche Frage offen bleiben muss; denn die Protagonistin selbst kann ihre Erklärungen nicht mehr abgeben. Dennoch: aus einer Mischung aus realen Ereignissen und Fiktion ist eine spannende Romanbiografie entstanden, die Idas Leben - vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund - veranschaulicht. Nicht die Patientin als medizinischer Fall steht hier im Mittelpunkt, sondern Ida, der Mensch, und ihr Schicksal.