Ein verschwundenes Mädchen, zwei gebrochene Leben – und die Suche nach Wahrheit und Identität
Beeren pflückenAmanda Peters Beeren Pflücken ist ein zutiefst berührender Debütroman, der mich von der ersten Seite an nicht mehr losgelassen hat. Im Zentrum steht das plötzliche Verschwinden der kleinen Ruthie, das ...
Amanda Peters Beeren Pflücken ist ein zutiefst berührender Debütroman, der mich von der ersten Seite an nicht mehr losgelassen hat. Im Zentrum steht das plötzliche Verschwinden der kleinen Ruthie, das nicht nur ihre Familie erschüttert, sondern über Jahrzehnte hinweg nachwirkt – besonders bei ihrem Bruder Joe und einer Frau namens Norma, die Jahrzehnte später beginnt, ihre eigene Herkunft zu hinterfragen.
Erzählt wird die Geschichte aus zwei wechselnden Perspektiven: Joe, der als Kind seine Schwester zuletzt gesehen hat und seitdem von Schuld und Trauer verfolgt wird, und Norma, die in einer wohlhabenden Familie aufwächst, aber früh spürt, dass ihre Vergangenheit nicht der entspricht, was man ihr erzählt. Beide Lebenswege sind geprägt von Unsicherheit, Verlust und einer tiefen Sehnsucht nach Zugehörigkeit.
Was mich besonders beeindruckt hat, ist die feinfühlige Darstellung indigener Lebensrealitäten – ohne Klischees, dafür mit viel Tiefe und Respekt. Peters gelingt es, nicht nur individuelle Schicksale zu erzählen, sondern auch gesellschaftliche Missstände wie Rassismus, kulturelle Entwurzelung und das Wegsehen der Behörden gegenüber marginalisierten Gruppen aufzuzeigen. Das Buch behandelt dabei schwierige Themen wie Kindesentzug, Alkoholismus und Krankheit mit einer erstaunlichen Balance aus Zurückhaltung und emotionaler Wucht.
Der Roman lebt weniger von spannungsgeladenen Wendungen als von der inneren Entwicklung seiner Figuren. Trotz der dunklen Themen bleibt immer ein Hauch von Hoffnung spürbar. Peters’ Sprache ist klar, poetisch und voller Empathie – jede Zeile wirkt durchdacht, jede Emotion authentisch.
Beeren Pflücken ist nicht nur ein Familienroman, sondern auch eine leise, kraftvolle Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, verloren zu gehen – und sich selbst vielleicht doch noch zu finden. Ein Buch, das bleibt.