Zwischen leisen Tönen und lauter Wahrheit ein Roman, der nachhallt
Himmlischer FriedenManchmal trifft man auf ein Buch, das still beginnt – fast unbemerkt – und einen dann über viele Seiten hinweg nicht mehr loslässt. Himmlischer Frieden von Lai Wen ist genau so ein Werk. Es hat mich überrascht, ...
Manchmal trifft man auf ein Buch, das still beginnt – fast unbemerkt – und einen dann über viele Seiten hinweg nicht mehr loslässt. Himmlischer Frieden von Lai Wen ist genau so ein Werk. Es hat mich überrascht, bewegt und lange beschäftigt.
Im Mittelpunkt steht Lai, eine junge Frau, die in einem einfachen Pekinger Viertel aufwächst. Doch das eigentlich Politische des Romans schiebt sich erst nach und nach in den Vordergrund. Anfangs sind es die familiären Strukturen, die mich besonders berührt haben: die Wärme der Großmutter, das Schweigen des Vaters, die Unruhe des kleinen Bruders – Figuren, die nicht nur skizziert, sondern tief gezeichnet sind. Die Großmutter hat mich besonders beeindruckt: keine Heldin im klassischen Sinn, aber jemand, der standhaft bleibt, wo andere sich wegducken.
Lai beobachtet, liest, denkt viel – zunächst eher im Stillen. Doch gerade aus dieser Zurückhaltung entwickelt sich eine kraftvolle Entwicklung. An der Universität trifft sie auf neue Denkansätze, alte Freunde und politische Ideen, die ihr Weltbild erschüttern. Die Erzählung bleibt dabei stets persönlich, nie pathetisch, und genau das macht sie so glaubwürdig. Die Autorin vermeidet einfache Botschaften – vielmehr tastet sie sich sprachlich präzise und mit spürbarer Aufrichtigkeit an komplexe Fragen heran.
Dass es am Ende um die Proteste 1989 geht, ist nicht der alleinige Kern der Geschichte – vielmehr bildet dieses Ereignis den Kulminationspunkt eines inneren Weges. Für mich war es gerade die lange Vorbereitung darauf, das behutsame Herantasten an politische Verantwortung, das Himmlischer Frieden zu einem besonderen Roman macht.
Ja, das Buch ist umfangreich. Ja, es hätte an manchen Stellen gestrafft werden können. Aber ich bin froh, dass es das nicht wurde. Denn die Details, die Zwischentöne, die kleinen Szenen – sie alle tragen dazu bei, dass dieser Roman wirkt wie ein gelebtes Leben.
Fazit:
Ein bemerkenswerter, tiefgründiger Roman über Erwachsenwerden unter politischem Druck, über Mut und Erinnerung – und darüber, wie persönliche Geschichten Geschichte schreiben. Ein stilles, kraftvolles Buch.