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Veröffentlicht am 20.02.2019

Interessante Dystopie, aber das Ende ist nicht geglückt.

Die Träumenden
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"Die Träumenden" von Karen Thompson Walker hat mich schon vom Klappentext her sehr angesprochen.

Kalifornien: Eine Studentin fühlt sich nach einer Party nicht wohl, legt sich schlafen und wacht nicht ...

"Die Träumenden" von Karen Thompson Walker hat mich schon vom Klappentext her sehr angesprochen.

Kalifornien: Eine Studentin fühlt sich nach einer Party nicht wohl, legt sich schlafen und wacht nicht mehr auf. Sie ist nicht tot, lässt sich aber nicht wecken. Schon bald darauf fallen weitere Mitschüler in einem tiefen Schlaf. Immer mehr Menschen werden müde, legen sich hin und wachen nicht mehr auf. Die Stadtbewohner geraten langsam in Panik, denn der Virus oder was immer es auch sein mag, breitet sich rasend schnell aus...

Die Grundidee der Dystopie ist gelungen. Es gab zwar schon ähnliche Plots, aber im Grunde ist die Umsetzung der Geschichte durch die Autorin neu. Das ist ein großer Pluspunkt in einem Genre, wo es kaum mehr Neues gibt. Der Schreibstil ist sehr distanziert und fast emotionslos. Als Leser beobachtet man die Ereignisse ähnlich wie die Menschen vor den TV-Geräten, die täglich über die Stadt in Quarantäne Bericht erstattet bekommen.
Es werden viele Personen vorgestellt, was eine Bindung zu den Figuren anfangs nicht wirklich ermöglicht. Abwechselnd begleiten wir die junge Studentin Mei, eine Außenseiterin am College, die auf derselben Etage im Wohnheim wohnt, wie die erste Schlafende. Wir lernen Ben und Annie kennen, die neu in die Stadt gezogen sind und vor kurzem Nachwuchs bekommen haben. Nathaniel und Henry, die befreundet sind, eine Psychiaterin, die zur HIlfe gerufen wird, die Schwestern Sarah und Libby, deren Mutter früh gestorben ist und deren Vater, ein Prepper, an sämtliche Verschwörungstheorien glaubt. Er hat für das Endzeitszenario vorgesorgt....

Trotz der Distanz zu den Figuren zeigt die Autorin gekonnt auf, wie sich die Menschen in der aufkommenden Notsituation verhalten. Es kommt zu Hamstereinkäufen, es wird geplündert und man versucht aus der Quarantäne zu flüchten. Hier gibt es jedoch keinen typischen Held, der alle errettet. Der Hauptprotagonist ist die ominöse Schlafkrankheit selbst.
Obwohl es im Roman kaum Dialoge gibt und die Distanz gewahrt bleibt, entwickelt das Buch einen Sog. Man fliegt durch die Seiten und zerbricht sich den Kopf darüber, was hinter dieser Epidemie stecken könnte. Warum sind keine Tiere davon betroffen? Wachen die Menschen wieder auf? Was passiert, wenn alle eingeschlafen sind?

Die psychologischen Aspekte der Autorin, wie Andeutungen betreffend Paralleluniversen, Traumdeutungen und unterbewusste Vorgänge, haben mich nicht zufrieden gestellt. Schon in ihrem ersten Roman "Ein Jahr voller Wunder" stellt sie die Frage: "Was ist Zeit"? Dieses Thema kommt auch hier immer wieder vor.
Positiv hingegen gestaltete sich die Charakterentwicklung der Figuren, die im Zentrum standen. Man lernt sie und ihre Handlungen im Laufe des Endzeitromans immer besser kennen.

Das Ende hat mich nicht wirklich glücklich gemacht. Es hat mich verwirrt und unzufrieden zurückgelassen. Worauf die Autorin eigentlich hinaus wollte, blieb mir ein Rätsel. Viele Fragen blieben offen. Man hat das Gefühl, dass Karen Thompson Walker am Ende die Ideen ausgegangen sind. Trotzdem wird mir das Buch in Erinnerung bleiben.

Schreibstil:
Wie bereits erwähnt ist der Schreibstil der Autorin sehr distanziert und sachlich. Man ist stiller Beobachter der Geschehnisse. Als Leser begleitet man verschiedene Figuren abwechelnd und erlebt hautnah ihre Sicht auf die Dinge mit. Der Roman ist in Präsens geschrieben und es gibt kaum Dialoge. Die Kapitellänge wechselt zwischen langen und sehr kurzen Kapitel.


Fazit:
Eine Dystopie, die fesselt, obwohl sie etwas distanziert daherkommt. Die ruhige Geschichte entwickelt trotzallem einen Sog, den man sich schwer entziehen kann. Das Ende hat mich allerdings nicht glücklich gemacht. Worauf die Autorin eigentlich hinaus wollte, verstehe ich nicht wirklich. So bleiben einige Fragezeichen und trotz spannender Lesestunden ein Gefühl von Ratlosigkeit.

Veröffentlicht am 18.02.2019

Der Zauber der Musik

Der Klang deiner Liebe
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Alexandra steht kurz vor der Hochzeit mit dem Orchestermusiker Johann, als ein tödlicher Autounfall ihn frühzeitig aus dem Leben reißt. Die junge Frau versinkt in tiefe Trauer. Die gemeinsame Liebe zur ...

Alexandra steht kurz vor der Hochzeit mit dem Orchestermusiker Johann, als ein tödlicher Autounfall ihn frühzeitig aus dem Leben reißt. Die junge Frau versinkt in tiefe Trauer. Die gemeinsame Liebe zur Musik hat die beiden Liebenden verbunden, doch nun ist jede Melodie in Alexandra verstummt. Sie versucht ihre Trauer durch Reisen in fremde Länder zu kompensieren und landet schlussendlich auf der Nordseeinsel Norderney. Mit dem Geld von Johanns Lebensversicherung richtet sie das Häuschen von Johanns Mutter Marianne her. Es wird zu einer kleinen Pension, die vorallem Menschen willkommen heißt, die ebenfalls schmerzliche Erfahrungen machen mussten. Mit ihrem Verständnis und ihrer einfühlsamen Art findet Alexandra zu sich selbst und hilft gleichzeitig auch ihren Gästen. Als jedoch ein sehr in sich verschlossener junger Mann mit seinem gehbehinderten Freund auftaucht, spürt Alex erstmals wieder so etwas wie Anziehung und hört wieder eine leise Melodie in ihrem Herzen...

In "Der Klang deiner Liebe" geht es vorallem um Trauerbewältigung und um Vergebung. Ich kenne die Autorin bereits aus anderen Romanen, die sie unter ihren Namen Elisabeth Büchle schreibt. Ihren Schreibstil finde ich unter ihrem Pseudonym Noa C. Walker noch poetischer und detailverliebter. Die Landschaftsbeschreibungen der Nordseeinsel Norderney, die Wetterbedingunen und das ganz spezielle Inselflair hat die Autorin wunderbar eingefangen. Als Österreicherin habe ich kaum Zugang zum typischen Leben am Meer, zu Flut und Ebbe, Meerestierchen und der Schifffahrt. Durch so wunderbar beschriebene Einzelheiten und bildhaften Beschreibungen bekomme auch ich ein sehr gutes Bild von den Gegebenheiten auf einer Insel.
Sehr gut gefallen hat mir auch der musiklische Anteil. Noa C. Walker verbindet viele Gefühle mit Musik. Dadurch fühlte ich mich sofort heimisch im Roman.
Auch die einzelnen Figuren glänzen mit liebevoller und lebendiger Charakterdarstellung. Alle Gedanken und Gefühlsregungen von Alexandra werden durch kursive Schrift vom restlichen Text abgehoben und dem Leser mitgeteilt. Sie ist eine junge Frau voller Herzlichkeit und Anteilnahme. Sie geht auf andere Menschen zu und ist für sie da.
Besonders gefallen hat mir Lotti, die flippige Nachbarin von Alex, die ihr immer zur Seite steht. Max und Marianne sind Johanns Eltern, die nie mit dem Verlust ihres Sohnes fertig geworden sind. Sie verdrängen ihre Trauer durch Wut und Hass. Einzig Alex versucht nach vorne zu blicken und zu vergeben. Denn letztlich geht es darum, was ein "nicht vergeben können" alles anrichten kann.... (O-Ton Noa C. Walker)
Auch die Nebenfiguren, wie einige Pensionsgäste, sind sehr liebevoll gezeichnet und ich hatte von ihnen immer ein klares Bild im Kopf-

Obwohl einige Gegebenheiten etwas vorhersehbar sind, gibt es durchaus überraschende Wendungen, die Spannung in die Geschichte bringen. Vorallem das letzte Drittel konnte mich an die Seiten fesseln.

Fazit:
Ein sehr emotionaler Roman, dessen Hauptthema Vergebung und Trauerbewältigung ist. Durch die bildhafte Landschaftsbeschreibung, den lebendigen Figuren und dem musikalischen Anteil, fühlte ich mich in dieser Geschichte sehr wohl. Wer jedoch selbst erst einen Verlust erlitten hat, dem würde ich eher von der Lektüre abraten, da er einem zu Beginn beim Lesen doch sehr mitnimmt. Für alle anderen Leser, die gefühlvolle (und auch ein bisschen kitschige) Romane lieben und mit dem Thema Verlust und Trauer umgehen können, kann ich "Der Klang deiner Liebe" gerne weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 16.02.2019

Eine Dilogie, die ich nur empfehlen kann!

Von Hoffnung getragen
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Hier sollte man auf jeden Fall den ersten Band zuerst lesen!

Auch den zweiten Band der Dilogie um die Vertreibung der Deutschrussen habe ich gemeinsam mit Andrea vom Blog Leseblick gelesen.
Bereits der ...

Hier sollte man auf jeden Fall den ersten Band zuerst lesen!

Auch den zweiten Band der Dilogie um die Vertreibung der Deutschrussen habe ich gemeinsam mit Andrea vom Blog Leseblick gelesen.
Bereits der erste Band "Wie Gräser im Wind" war für uns ein richtiges Lese-Highlight. Das Thema der Zwangsumsiedlung hat uns beide mitgenommen und uns für weitere Bücher zu diesem Thema entflammt. Zuerst aber haben wir den zweiten Band der Familiensaga gemeinsam gelesen. Dieser schließt nahtlos an den ersten an. Im Mittelpunkt stehen diesmal jedoch die Kinder der Familien Scholz und Pfeiffer, Yvo und Harri.

Harri ist gerade erst 16 Jahre alt geworden, als er in die Trudarmee einberufen wird. In diesem Zwangsarbeitslager, für Deutschrussen in Tscheljabinsk, steht er täglich vor einem Überlebenskampf. Selbst die ganz jungen Burschen müssen körperliche sehr schwere Arbeit leisten. Geschont wird niemand und so ist die Sterbensrate im Lager hoch. Doch Harri versucht alles, um zu überleben.
Yvo und ihre Mutter entkommen anfangs noch dem Arbeitslager und machen sich später ebenfalls nach Tscheljabinsk auf, um nach Erich zu suchen. Dort kreuzen sich auch die Wege von Harri und Yvo...

Die Deutschrussen stehen nicht erst seit ihrer Vertreibung (Band 1) ohne Heimat da. Kaum sind sie umgesiedelt, werden sie wiederum abgeschoben bis die meisten in Arbeitslagern enden. Dort herrscht kein unwesentliche Unterschied zu den Arbeitslagern der Nazis. Zerrissen zwischen zwei Ländern, die sich im Krieg als Feinde gegenüberstehen, stellen sich die Deutschrussen immer wieder die Frage, wohin sie nun eigentlich gehören.

Trotz laufender Rückschläge, Verluste und erloschener Zukunfsträume geben auch Harri und Yvo nicht auf. Sie verlieren nie den Mut und die Hoffnung. Dies ist auch das zentrale Thema in diesem zweiten Teil, der mir genauso zu Herzen ging, der aber ein bisschen Zuversicht widerspiegelt. Trotzdem war ich erschüttert, dass sich nach dem Ende des Krieges für die deutschstämmigen Russen kaum etwas ändert. Die Lager werden aufgelassen, doch die Zukunft sieht alles andere als rosig aus. Sowohl Harri, als auch Yvo werden ihre Berufswünsche "von oben" verweigert.

Die Lebensgeschichte ihrer Großeltern hat Ella Zeiss stellvertretend für die vielen deutschstämmigen Russen, die in Arbeitslagern unter unmenschlichen Bedingungen zu Tode gekommen sind, geschrieben. Leider dringen diese Schicksale kaum an die Öffentlichkeit. Wir lesen immer wieder nur über die Verbrechen der Deutschen, aber im Krieg - egal wo und wann, früher oder heute - sind Grausamkeiten allgegenwärtig....in jedem Land! Leider lernt der Mensch nicht aus seinen Fehlern...

Die beiden Bücher werden im Moment neu aufgelegt und ich kann nur jeden empfehlen diese Geschichte zu lesen.

Schreibstil:
Wie schon im ersten Band habe ich mit den Figuren mitgelitten und mitgebangt, war traurig, voller Hoffnung oder wütend. Ella Zeiss hat sehr intensiv und mit viel Empathie die Schicksale ihrer Vorfahren beschrieben. Sie klagt dabei nicht an, sondern zeigt vorallem den Mut und den Lebenswillen ihrer Figuren auf.
Es wird abwechselnd aus der Sicht von Harri oder Yvo erzählt. Die Orts- und Zeitangaben erleichtern dem Leser die zeitliche Abfolge und wem wir gerade folgen.

Fazit:
Eine Dilogie, die ich jeden empfehlen kann und die viel mehr Beachtung finden sollte. Das Schicksal der deutschstämmigen Russen, die ausgesiedelt wurden und in Arbeitslagern zu Tausenden umgekommen sind, sollte viel mehr Aufmerksamkeit finden und nicht in Vergessenheit geraten. Die Autorin hat das Schicksal ihrer Großeletern in ihren Büchern lebendig und voller Empathie erzählt. Auch hier gibt es wieder eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 13.02.2019

Eine sehr spannende Thrillerreihe

Der Kratzer
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Mit dem dritten Band rund um die Journalistin Christine Lenève hat Oliver Ménard nun den Abschlussband seiner Thriller Reihe veröffentlicht.

"Der Kratzer" - so wird der Serienmörder von den Journalisten ...

Mit dem dritten Band rund um die Journalistin Christine Lenève hat Oliver Ménard nun den Abschlussband seiner Thriller Reihe veröffentlicht.

"Der Kratzer" - so wird der Serienmörder von den Journalisten genannt und Tobias Dom verbindet mit ihm sein unverzeihliches Versagen in der Vergangenheit. Fast überführt und verhaftet, entkommt dieser vor sieben Jahren durch seine Schuld und scheint nun Rache zu üben. Dom's Exfrau ist eine der ersten Opfer. Der Name der gemeinsamen Tochter Emma ist in ihren Oberschenke geritzt. Tobias Dom versucht über die damals hinzugezogenen Psychiater und Profiler nochmals in die Gedankenwelt des Täters durchzudringen, doch drei von zwei leben nicht mehr und der einzige Überlebende, Dr. Lindfeld, sitzt selbst in der psychatrischen Anstalt. Dieser möchte allerdings nur mit Christine Lenève sprechen, denn er hat noch eine Rechnung mit ihr offen....

Oliver Ménard hat seinen Thriller psychologisch raffiniert aufgebaut. In wechselnden Perspektiven erleben wir die Gedankengänge von Tobias und Christine, erhalten aber auch Einblicke in die des Mörders. Gewohnt temporeich, mit knappen Dialogen und mit viel Liebe zum Detail, entführt der Autor seine Leser in die irre Gedankenweltwelt seines Täters. Christine und Tobias, die nur gezwungener Maßen zusammenarbeiten, bleibt der Kratzer lange ein Rätsel. Während Tobias Dom um seine Tochter bangt, etwas planlos ist und nur schwer einen klaren Gedanken fassen kann, kommt Christine dem Serienmörder langsam auf die Spur. Wie schon in den Vorgängerbänden ist Christine die treibende Kraft und die eigentliche Hauptprotagonistin. Tobias Dom nimmt weiterhin eine untergeordnete Rolle ein, obwohl es seinem Umfeld an den Kragen geht.
Der hohe Spannungslevel gleich zu Beginn wird fast immer gehalten und endet in einem grandiosen Finale.

Christine ist weiterhin nicht unbedingt eine Sympathieträgerin, auch wenn wir ihr am Ende des Thrillers etwas näher kommen. Sie polarisiert und arbeitet immer am Limit. Sie sucht förmlich die Gefahr und bringt sich bewusst in kritische Situationen. Einzig Albert ist ihr ruhender Pol. Dieser letzte Teil ist wohl Christines persönlichster und bringt sie zurück an die Schauplätze ihrer Vergangenheit.

Etwa hundert Seiten vor dem Ende wird der Täter gefasst. Und ich habe mich gefragt, was jetzt wohl noch kommen mag.... Mit einer absolut unvorhersehbaren Wendung hat mich der Autor danach richtig überrascht und ich habe am Ende den Thriller fassungslos zugeschlagen. Obwohl diese Wendung absolut gelungen ist, fand ich den Lauf der Dinge nicht ganz glaubwürdig. Das ist auch der Punkt, warum ich diesmal keine fünf Sterne für den Thriller aus der Feder von Oliver Ménard vergebe. Für mich waren die beiden Vorgängerbände schlüssiger. Trotzdem kann ich die Reihe allen Thrillerliebhabern, die es temporeich, blutig und fesselnd mögen, ans Herz legen.

Fazit:
Der Abschluss der Reihe steht den Vorgängerbänden in nichts nach, ist gewohnt fesselnd und mitreißend. Der überraschende und dramatische Wendepunkt hundert Seiten vor Schluss ist zwar genial ausgedacht, für mich war dieser jedoch nicht ganz schlüssig und etwas unglaubwürdig. Zugegeben....das ist meckern auf hohem Niveau. Auf jeden Fall kann ich aber die gesamte Reihe jedem Thrillerfan ans Herz legen.

Veröffentlicht am 11.02.2019

Interessante Familiensaga einer Hamburger Reedersfamilie

Die Villa am Elbstrand
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Sofie kommt aus einfachen Verhältnissen. Sie ist die Tochter eines Melkers und hat gerade ihre Lieferung im Glücksburger Strandhotel abgegeben, als im Obergeschoß des Hotels ein Feuer ausbricht. Anna, ...

Sofie kommt aus einfachen Verhältnissen. Sie ist die Tochter eines Melkers und hat gerade ihre Lieferung im Glücksburger Strandhotel abgegeben, als im Obergeschoß des Hotels ein Feuer ausbricht. Anna, die Tochter eines Hamburger Reeders, ist im Feuer eingeschlossen und Sofie rettet ihr durch einen furchtlosen Einsatz ihr Leben. Als Dank wird ihr ein Job als Annas Gesellschafterin in der Villa der Reederfamilie Nieland angeboten, den Sofie annimmt. Anfangs ist es für das Mädchen vom Land nicht leicht sich in der angesehenen Familie der Nielands, als auch in der Großstadt zu behaupten, jedoch sind bald alle von ihrer freundlichen und hilfsbereiten Art eingenommen. Zwischen Anna und Sofie entwickelt sich schnell eine enge Freundschaft, die in den kommenden Jahren vom Kriegsausbruch überschattet wird...

Unter dem Pseudonym Charlotte Lucas schreiben die Autorin Eva-Maria Bast und Drehbuchautor Jørn Precht. Mit "Die Villa am Elbstrand" haben die Beiden eine sehr interessante Familiensaga rund um die Reedersfamilie Nieland erschaffen.
Der Roman startet 1912 und endet mit der deutschen Revolution. Wir verfolgen jedoch nicht nur die reiche Oberschicht, sondern auch die ihrer Bediensteten und den Menschen auf der Straße.
Vorallem auf den Kriegsschiffen, wo wir Sofies Bruder Willy begleiten, der gleich bei seinem ersten Einsatz als Heizer die Schrecken des Krieges kennen lernt, ist man mitten im Geschehen. Edith, die älteste Tochter der Nielands, lässt sich als Krankenschwester auf einem Lazarettschiff ausbilden. Anna hingegen hilft Cousin Hinnerk im Kontor und darf endlich selbst mitarbeiten seit ihr Vater, ihr Verlobter Gideon und Bruder Burkhard in den Krieg gezogen sind. Die Reederei hat sie schon immer fasziniert, doch "eine Nieland arbeitet nicht", war immer schon die Ansicht ihres Vaters. Als der Krieg immer länger dauert, heuert auch Sofie auf einem Lazarettschiff an.
Die Euphorie, die die Menschen noch zu Beginn des Krieges hatten, lässt bald nach. Die Unzufriedenheit mit dem Kaiser und seiner Politik verstärkt sich mit der Länge des Kriegseinsatzes. Hunger und Not trifft nun nicht mehr nur das gemeine Volk, sondern auch die Oberschicht. Hinnerk und Anna versuchen alles um das Familienunternehmen zu retten....

Die Schifffahrt nimmt im Roman eine große Rolle ein und zieht sich als roter Faden durch alle Jahre. Dabei kommt aber auch die Liebe und der Krieg nicht zu kurz. Alles, was eine starke Familiensaga benötigt, finden wir in "Die Villa am Elbstand", wie auch starke Frauenfiguren. Neben Edith, Anna und Sofie ist es vorallem Gudrun Nieland, der Familienvorstand und Großmutter von Anna, Edith und Burkhard, die alles zusammenhält. Nach Außen hin streng und gefühlskalt, verbirgt sich ein weicher Kern hinter der rauhen Schale. Alle Charaktere sind, bis hin zu den einzelnen Nebenfiguren, sehr lebendig gezeichnet, haben Ecken und Kanten und sind authentisch. Es gibt keine schwarz-weiß Malerei, sondern jeder hat gute, wie auch schlechte Eigenschaften.

Charlotte Lucas nimmt den Leser mit auf eine emotionale Reise in die ersten zwanzig Jahre des letzten Jahrhunderts. Von Beginn an konnte mich die Geschichte fesseln und bin darin versunken. Ich habe mitgefiebert und mitgelitten....nur das letzte Viertel im Roman gefiel mir dann leider etwas weniger. Die Überfahrt nach Chile und die Ereignisse in diesem interessanten südamerikanischen Land fand ich etwas unglaubwürdig und vieles ging mir einfach zu schnell. Deswegen habe ich meine Bewertung auf 4 Sterne herabgesetzt. Trotzdem mochte ich diese Familiensaga sehr gerne und ich freue mich, dass es anscheinend einen Folgeband geben wird (oder mehrere?), die ich sicherlich lesen werde.

Schreibstil:
Das Autorenduo schreibt sehr lebendig, flüssig und bildhaft. Man erlebt die Schlachten auf den Kriegsschiffen hautnah mit, verarztet verletzte Soldaten oder plaudert mit der Dienerschaft in der Küche. Auch die Umgebung und die Landschaft rund um Hamburg, Norwegen und später in Chile wird sehr lebendig dargestellt.
Die Charaktere sind allesamt bis hin zu den kleinsten Nebenfiguren sehr lebendig und authentisch beschrieben.
Der Roman ist in vier Teile geteilt: 1912-1914, 1916, 1918 und 1920. Zu Beginn gibt es ein Personenregister.

Fazit:
Eine interessante Familiensaga über eine Hamburger Reedersfamilie, die mich fesseln konnte und mich in eine längst vergangene Zeit eintauchen ließ. Nur der letzte Abschnitt war nicht so meins. Trotzdem freue ich mich auf den Folgeband, der hoffentlich nicht zu lange auf sich warten lässt.