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Veröffentlicht am 18.06.2018

Sehr bildhaft, aber mit einigen Längen

Wo die Dünen schimmern
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"Wo die Dünen schimmern" ist der zweite Band der Nordsee-Trilogie der Autorin, kann aber auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Leider habe ich das erste Buch dieser Reihe nicht gelesen, was vielleicht ...

"Wo die Dünen schimmern" ist der zweite Band der Nordsee-Trilogie der Autorin, kann aber auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Leider habe ich das erste Buch dieser Reihe nicht gelesen, was vielleicht meine Bewertung beeinflussen könnte. Deswegen sollte sich jeder selbst seine Meinung zu diesem Roman bilden.

Jessieanna erkrankte als Kind schwer und versucht seitdem das Leben von der leichteren Seite zu nehmen. Sie stellt wunderschöne Windräder her, die ihr die Hoffnung geben, dass ihre wieder erkrankte Freundin Katriona gesund wird, wenn sie genug davon bastelt. Katriona war damals für sie da und ihre große Stütze. Beide haben den Krebs besiegt. Ihr Motto: "Vergiss nie, solange du etwas bewegst, bist du frei und lebendig" ist seitdem auch Jessieanna's Mantra.
Neben ihren Windrädern hat Jessieanna die Gabe Geruch nicht nur zu riechen, sondern auch als Farbe zu sehen und arbeitet in der Kosmetikfirma ihrer Großmutter mit. Sie möchte eine Lotion herstellen, die auch für die Seele wirkt. Sie ist dem Geruch, der ihr vorschwebt schon sehr nahe, als sie an einer Lungenentzündung erkrankt und ihr Vater sie von Kalifornien nach Amrum schickt. Seine ehemalige Heimat ist bekannt für die heilende Meeresluft bei Lungenkrankheiten. Doch Jessieanna möchte Kalifornien nicht verlassen, solange es Katriona nicht besser geht und sie die fehlende Essenz für ihre Lotion nicht gefunden hat. Außerdem möchten ihr Freund Ryan und sie in wenigen Monaten heiraten. Doch Pinswin, ihr Vater, gibt nicht nach und Jessieanna lernt erstmals ihre deutsche Verwandtschaft und die nordfriesische Insel Amrun kennen, die sie bisher nur aus den Erzählungen ihres Vaters kennt.

Gleich zu Beginn fand ich schnell in die Geschichte, die alles andere als locker-leicht daherkommt. Die alte Krankheit, die wie ein Damoklesschwert über Jessieanne und Katriona schwebt, ist allgegenwärtig. Doch die Autorin versteht trotz der melancholischen Stimmung eine positive Botschaft zu vermitteln und Mut zu geben. Außerdem haben wir es mit jeder Menge starken Frauen zu tun, die jede auf ihre eigene Weise glänzt. In Amrun angekommen dauert es nur kurze Zeit bis sich Jessieanna wohlfühlt und die raue Seeluft tut ihr Übriges.

In zwei Erzählsträngen begleiten wir Jessieanna in der Gegenwart nach Amrun und in Rückblenden wird die Kindheit bis ins Erwachsenenalter von Pinswin erzählt. Erst zum Ende hin fließen beide Erzählstränge ineinander. Die Legende des Töverees, eines leuchtenden Fisches, ist der gemeinsame rote Faden beider Handlungsstränge. Pinswin ist seit seiner Kindheit auf der Suche nach diesem sagenumwobenen Geschöpf, von dem er einige wenige leuchtende Schuppen besitzt. Der Wissenschaftler hat sich als Ziel gesetzt den Fisch zu finden und seinem magischen Leuchten auf die Spur zu kommen. Als ewig Suchender verkörpert er ganz klassisch seinen Berufszweig. Die vielen wissenschaftschtliche Erklärungen fand ich sehr interessant, obwohl ich eher der kreative Mensch bin und nicht viel mit Physik, Wissenschaft und Mathematik am Hut habe. Außerdem fand ich den Rückblick in Pinwins Kindheit mitreißend, besonders die Freunschaft zu Leni.

Auch die Charaktere sind liebevoll gezeichnet, jedoch gibt es eine ganze Menge davon. Hier hat man als Kenner des Vorgängerbandes auf jeden Fall einen Vorteil. Bis ich alle zuordnen konnte, dauerte es eine Weile. Auch die Namen waren für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Ein Glossar wäre hier hilfreich gewesen.
Ab der Mitte bekam die Handlung für mich einige Längen. Ich hatte mit der Zeit das Gefühl im Sand festzustecken und nicht weiterzukommen. Generell ist die Story eher ruhig und tritt auch des öfteren auf der Stelle.

Grandios hingegen fand ich die wunderbaren und bildhaften Beschreibungen der Insellandschaft. Ich fühlte die salzige Meeresluft, den Wind in den Haaren und den Sand zwischen den Zehen. Ich roch die Zitronen aus Skem's wunderbaren Garten und sah die farbenfrohen Fenster von Rheas Häuschen.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Patricia Koelle hat mir sehr gut gefallen. Er ist detailliert, mal melancholisch, aber auch dann und wann mit einer Prise Humor. Ganz besonders hervorheben muss man allerdings die bildhaften Landschaftsbeschreibungen.

Fazit:
Ein sehr ruhiger Roman, der von den authentischen und liebenswürdigen Charkteren lebt. Wunderbar gelungen ist die Beschreibung der rauhen Nordseeinsel, die tolle Bilder im Kopf entstehen lässt. Die Handlung hingegen hat einige kleine Längen, die eine bessere Bewertung aus meiner Sicht nicht zulassen. Trotzdem ein sehr stimmiger Roman, der in der Leserunde viele begeisterte Bewertungen bekommen hat.

Veröffentlicht am 15.06.2018

Komplex und brandaktuell

Solothurn spielt mit dem Feuer
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Letztes Jahr habe ich die Krimis aus unserem Nachbarland, der Schweiz, entdeckt und bin seitdem ein richtiger Fan geworden ;) Mit "Solothurn spielt mit dem Feuer" darf ich nun den dritten Band der Reihe ...

Letztes Jahr habe ich die Krimis aus unserem Nachbarland, der Schweiz, entdeckt und bin seitdem ein richtiger Fan geworden ;) Mit "Solothurn spielt mit dem Feuer" darf ich nun den dritten Band der Reihe rund um die Solothurner Katonspolizei lesen.

Christof Gasser hat nichts mit einem langen Vorgeplänkel am Hut, sondern man wird als Leser bereits im Prolog Zeuge wie ein Scharfschütze einen serbischen Kriegsverbrecher eliminiert.
Danach sind wir im titelgebenden Solothurn, wo Kantonspolizist Dominik Dornnbach zu einem grausamen Fund gerufen wird. Unterhalb der Ruine Balm wurde ein Kinderskelett gefunden. Während er sich auf die Suche nach der Identität des Kindes macht, geht in der Kanzlei von Richter Scheurer eine Briefbombe hoch, die seine Sekretärin schwer verletzt. Vor wenigen Tagen hat er ein umstrittenes Urteil gesprochen, bei dem Dr. Weingarten, eine schweizer Juristin, die zum Islam konvertiert ist und die fundamentalistische Vizepräsidentin des Hamdala Rates ist, die Verteidigung inne hatte. Kurze Zeit später ist auch Scheurers Sohn Jonas verschwunden. Jana Casagrande hält sich zur selben Zeit in Genf auf, wo man eine islamische Terrorzelle hochgehen lassen möchte. Das Unterfangen misslangt und die Anführer konnten fliehen. Währenddessen steht die Identität des toten Jungen fest, der schon vor Jahren vom sogenannten "Bubenfresser" getötet wurde. Dieser starb im Gefängnis. Dornbach und Kollegin Maja sind ratlos, denn wer kannte außer dem Täter noch das Versteck der Leiche, die erst jetzt umgebettet wurde? Wurde damals der falsche Mörder verhaftet?

Fragen über Fragen....viele Personen und Namen erleichtern den Einstieg nicht gerade und die reichlichen Handlungsstränge tun das Übrige. Für mich war es etwas leichter, da ich den Vorgänger bereits kannte. Für Einsteiger dürfte es zu Beginn etwas schwer sein die vielen Figuren zuzuordnen. Der Krimi ist sehr vielschichtig und fordert Aufmerksamkeit.
Als Leser rätselt man, ob und wie die einzelnen Handlungsstränge zusammenhängen oder ob es sich um einzelne Straftaten handelt. Christoph Gasser versteht es immer wieder neue Fährten zu legen und überraschende Wendungen einzubauen. Ich habe bis zum Ende nicht erraten, wer der oder die Täter ist/sind.

Auch diesmal hat sich der Autor dem Fremdenhass, sowie dem islamischen Terror gewidmet. Dabei versteht er es nicht zu polarisieren und differenziert sehr wohl zwischen Fanatiker und normale Anhänger einer Religion. Private Einblicke lassen hinter die Fassade von Dominik Dornbach, Jana Cranach von der Europol, Angela Casagrande oder Dornbachs Tochter Pia blicken. Dabei wetteifern Jana und Angela in diesem Band um Dornbach, was zu einigen problmatischen Handlungen führt.
Die Charaktere sind authentisch, wobei sich Casagrande diesmal in einer echten Lebenskrise befindet und deren Handeln mir des öfteren unglaublich den Kopf schütteln hat lassen.

Schreibstil:
Christof Gassers Schreibstil ist angenehm, aber temporeich. Spritzige Dialoge lockern die Krimihandlung auf. Lokalkolorit spielt ebenfalls eine große Rolle.
Ein Glossar mit Schweizer Ausdrücken und Begriffen findet man am Ende des Krimis. Mittlerweile habe ich mich schon an die Wörter wie "parkieren" (parken, einparken) oder dass es in der Schweiz kein "scharfes s" gibt, gewöhnt. Viele Wörter ähneln auch dem österreichischen Dialekt.

Fazit:
Der dritte Teil rund um die Solothurner Kantonspolizei ist vielschichtig, abwechslungsreich und komplex. Dabei ist er ebenso brandaktuell und brisant und liest sich äußerst spannend! Ich mag einfach die Krimis aus unserem Nachbarland Schweiz, die mit Hochspannung und Lokalkolorit punkten!

Veröffentlicht am 13.06.2018

Archers vom Tellerwäscher zum Millionärssaga

Abels Tochter
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Bevor ich den zweiten Band der "Kain & Abel Reihe" zur Hand nahm, war mir bereits bewusst, dass ich auf den ersten 100-200 Seiten vieles lesen werde, was mir bereits bekannt ist. Durch einige Rezensionen, ...

Bevor ich den zweiten Band der "Kain & Abel Reihe" zur Hand nahm, war mir bereits bewusst, dass ich auf den ersten 100-200 Seiten vieles lesen werde, was mir bereits bekannt ist. Durch einige Rezensionen, die dieses negativ auslegten, war ich also "vorgewarnt". Ich empfand es allerdings nicht so schlimm, denn dies ermöglicht einige Einblicke in Florentynas Leben, die aus ihrer Sicht manchmal ein bisschen differenzierter rüberkommen.
Wie aus dem Titel ersichtlich, steht im zweiten Band der Reihe Abels Tochter Florentyna im Mittelpunkt der Geschichte. Wir begleiten sie als Kleinkind bis hin zur (mittel-)älteren Frau in den Fünfzigern. Dadurch entstehen auch die oben angesprochenen Wiederholungen. Vieles ist dem Leser aus Band 1 bekannt, jedoch erfährt man auch Neues über Florentyna, die sehr facettenreich ist und die den Ehrgeiz ihres Vaters, dem Chef der "Baron-Hotels" geerbt hat. Durch ihre Zielstrebigkeit gelingt ihr der Aufbau eines erfolgreichen Modeunternehmens, bevor sie sich ihren Traum erfüllt und sich der Politik widmet. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Ehemann Richard, dem Sohn von Abels Erzfeind William Kane, und ihrem ehemaligen Studienkollegen und Freund Edward, der auch die Führung der Baron-Hotelkette übernimmt.

Die gewohnte Sogwirkung von Archers Schreibstil bleibt ebenfalls nicht aus. Wir erleben die übliche Mischung aus Intrigen, Verschwörungen und sehr viel Politik. Dies macht den Roman kurzweilig und man ist schnell durch die fast 600 Seiten. Wer die Clifton Saga gelesen hat, wird auch hier einige Parallelen dazu finden. Das politische System wird wieder und wieder vorgekaut, nur sind wir diesmal nicht in Großbritannien, sondern dürfen uns quer durch die amerikanische Politik lesen. Wahlen, die Auszählung der Stimmzettel, Vorstandssitzungen, Abstimmungen und Intrigen sind gewohnte Inhalte und zeigen sehr gut auf, dass Jeffrey Archer selbst in der Politik tätig war. Wo er nicht aufhören kann zu schreiben, beginnt den Leser mehr und mehr zu langweilen. Einzig der rasante und mitreißende Schreibstil lässt einem trotzdem am Buch dranbleiben, ebenso wie die Vielschichtigkeit der Protagonistin.

"Abels Tochter" wurde bereits 1982 veröffentlicht und erschien nach dem Erfolg der Clifton Saga als Neuauflage bei Heyne. Insgesamt hat mir dieser zweite Band der Reihe weniger gefallen, da mir der politische Teil zu langatmig war.

Ich habe bereits Rezensionen zum letzten Teil gelesen und mit Verwunderung feststellen müssen, dass "Kains Erbe" anscheinend nicht wirklich Band 3 dieser Familiensaga ist, sondern dass dieser Teil bereits vor mehr als dreißig Jahren als alleinstehender Roman mit dem Titel "Das Attentat" erschienen ist. Die Neuauflage wurde nur etwas umgeschrieben und Florentyna taucht dabei kaum auf. Für mich ein Grund Band 3 nicht mehr zu lesen. Schade!

Schreibstil:
Jeffrey Archers Schreibstil ist rasant und temporeich. Die Charaktere sind sehr lebendig. Was mir weniger gefällt ist, dass alle richtige "Wunderwuzzis" sind und die berühmte "vom Tellerwäscher zum Millionär" Geschichte erleben.


Fazit:
Viele Wiederholungen aus dem ersten Band und etwas zu viel Politik sind meine Kritikpunkte am zweiten Band der Reihe. Trotzdem gelingt es dem Autor mich wieder an die fast 600 Seiten zu fesseln, die man rasend schnell gelesen hat. Die sprichwörtliche Sogwirkung kann Archer wie kein anderer! Band 3 werde ich aus oben genannten Gründen allerdings nicht mehr lesen.

Veröffentlicht am 13.06.2018

Wie viele Leben habe ich?

Das Zeitlabyrinth
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Titel und Cover mögen ein etwas verwirrendes Bild des Genres übermitteln, denn ich dachte beim ersten Blick darauf, dass es sich hier um eine Dystopie handelt. Doch nach dem Lesen der Leseprobe und einer ...

Titel und Cover mögen ein etwas verwirrendes Bild des Genres übermitteln, denn ich dachte beim ersten Blick darauf, dass es sich hier um eine Dystopie handelt. Doch nach dem Lesen der Leseprobe und einer kurzen Mail mit der Autorin, die mir den Roman als Rezensionsexemplar zu Verfügung gestellt hat, war mit klar, dass es sich hier um Gegenwartsliteratur handelt, die sich unter anderem dem Thema Burn Out annimmt. Ein Thema, das heutzutage ja sehr präsent ist.

Der Beginn des Roman, den ich mir auch als Leseprobe durchgelesen habe, hat mich anfangs wirklich überzeugt. Das war auch der Grund, dass ich der Autorin zusagte das Buch als Rezensionsexemplar zu lesen. Schließlich unterstütze ich gerne Selfpublisher!
Marie, unsere Protagonistin, ist ein richtiger Workaholic und hat sich gemeinsam mit einem Jugendfreund den Traum einer eigenen Werbeagentur erfüllt. Ihr Vater, ein erfolgreicher Bauingenieur, hat sie dabei großzügig unterstützt und hilft auch bei der Beschaffung neuer Kunden. Ihr Bruder Ulf wird hingegen als Versager abgestempelt. Dieser ist Künstler, jedoch mit seinen außergewöhnlichen Skulpturen ziemlich erfolglos.
Schon zu Beginn verfolgt man als Leser die Ungerechtigkeiten des Vaters, einen Erfolgsmenschen, der keine Schwäche zulässt. Auch Marie ist aus diesem Holz geschnitzt. Neben ihrer Arbeit nimmt sie sich nur Zeit für belanglose Affären - meist mit Männern, die genauso dominant sind, wie ihr Vater oder total konträre Typen, die dieser nie billigen würde. Jedoch fordert die 60 Stunden Woche bald ihren Tribut. Sie wird krank und kann nicht mehr das leisten, was sie gewohnt ist. Sie wird in ihren Augen zu genauso einer verachtenswerten Person, wie ihr Vater Menschen mit Schwächen sieht. Nach einigen Arztbesuchen wird sie bei einem Psychotherapeuten unter Hypnose gesetzt und durchbricht Zeit und Raum. In den kurzen Phasen ihrer möglichen anderen Leben, versucht Maria ihrer Krankheit auf den Grund zu gehen....

Nach dem guten Start war ich jedoch sehr schnell ernüchtert. Der Roman kam mir immer mehr vor wie eine Aneinanderreihung von Erzählungen, die kaum irgendwelche Emotionen in mir wecken konnten. Die ewigen Sexabenteuer mit wildfremden Typen hatten für mich im Roman nichts verloren. Wenn ich einen Erotikroman lesen möchte, dann lese ich diesen. Hier hatte ich mir etwas anderes erwartet.
Ab diesen Zeitpunkt konnte man sich allerdings schon ein Bild von Marie's Störungen machen, die vorallem Männer bei ihr auslösen. Interessant fand ich die Rückführungen unter Hypnose...bis diese wieder mit Sex endeten.
Erst zum Ende hin kommt wieder etwas Schwung in die Geschichte. Nach und nach wird das Geheimnis, das der Auslöser für Maries Krankheit war, gelöst. Bis dahin verliert sich die Autorin aber in Nebensächlichkeiten....
Leider hatte ich mit dem Roman ziemliche Schwierigkeiten und hätte ihn - wäre es nicht ein Rezensionsexemplar gewesen - sicherlich abgebrochen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist sehr nüchtern und sachlich. Ich konnte mich nicht wirklich in Marie hineinversetzten und fand die restliche Charaktere auch nur sehr schwer greifbar. Die meisten Figuren waren auf wenige Charakterzüge minimiert, die sie aber nicht wirklich sympathischer machten.

Fazit:
Es tut mir leid, aber ich konnte mit dem Roman nicht wirklich viel anfangen. Nach dem anfänglichen guten Start kämpfte ich mich durch die Seiten und den eher nüchternen Schreibstil. Erst zum Ende hin kam wieder etwas Fahrt auf. Von mir gibt es leider keine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.06.2018

Was ist das richtige Leben?

Acht Berge
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Pietro wächst in der italienischen Großstadt Mailand auf. Von der Ferne kann er manchmal die Berge sehen, wo seine Eltern zur Welt gekommen sind. Jeden Sommer fährt die ganze Familie in das kleine Bergdorf ...

Pietro wächst in der italienischen Großstadt Mailand auf. Von der Ferne kann er manchmal die Berge sehen, wo seine Eltern zur Welt gekommen sind. Jeden Sommer fährt die ganze Familie in das kleine Bergdorf Grana im Aostatal, wo sie den Urlaub verbringen und Pietro sich mit dem gleichaltrigen Bruno anfreundet, der Tiere auf der Alm hütet. Gemeinsam streifen die beiden Jungen durch die immer karger werdende Wälder, durch verlassene Häuser und richten sich ein Plätzchen bei einem Bergsee ein. Dies ist der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Erst mit zunehmenden Alter werden die Berge für Pietro immer unwichtiger und die Lebenswege der beiden Freunde driften auseinander. Bruno bleibt in seinem Dorf und wird Käser und Bergbauer - ein Leben, das er seit seiner Kindheit kennt und nie in Frage gestellt hat. Pietro hingegen zieht es in die große weite Welt und auch zu höheren Gipfeln. Erst durch den Tod von Pietros Vater trifft er Bruno wieder und stellt fest, dass dieser in den letzten Jahren mehr Zeit mit seinem Vater verbracht hat, als er selbst.

Dieser ruhige und stimmige Roman lebt von den intensiven Naturbeschreibungen und der Liebe zu den Bergen. Im Mittelpunkt steht jedoch die tiefe Freundschaft von Pietro und Bruno, die schlussendlich zwei sehr unterschiedliche Leben führen und der Frage: Was ist das richtige Leben?
Auch das Vater-Sohn Verhältnis wird sehr eindringlich beschrieben. Sobald Pietro alt genug ist, nimmt ihn der Vater mit in die Berge. Seine Leidenschaft für das Bergsteigen und wandern teilt Pietro anfangs jedoch nicht wirklich. Auch die Höhenkrankheit, die ihm befällt, macht es Pietro nicht leichter und wird vom Vater ignoriert. Gemeinsam besteigen sie einen Berggipfel nach dem anderen. Pietros Vater ist ehrgeizig und sieht die Besteigung mehr als eine Art "Wettlauf" an, statt die Natur zu genießen. So ist das Vater-Sohn-Verhältnis anfangs etwas konfliktbehaftet. Die restliche Zeit im Jahr ist dieser eher unzufrieden. Er ist kein Stadtmensch und trotzdem haben sich Pietros Eltern geschworen in der Stadt ihr Glück zu versuchen und nur im Sommer dieser den Rücken zu kehren.
Beim Lesen hat man immer wieder das Gefühl, dass der Autor ähnliches erlebt hat. Mit einem Blick auf seine Vita erkennt man auch so einige Gemeinsamkeiten...

"Acht Berge" ist ein sehr spezielles Buch, das sehr ruhig ist und eigentlich keine große Spannung aufweist, das jedoch sehr lange im Gedächtnis bleibt. Die Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet und trotz der oftmaligen Sprachlosigkeit zwischen den Figuren authentisch. Es geht um Beziehungen und Fragen des Lebens, wie die Zugehörigkeit und das Leben an sich.
Irgendwie hat sich bei mir auch das Gefühl eingeschlichen, dass es eher ein Männerbuch sein könnte...eine Geschichte von einem Mann für Männer. Die Frauen sind in der Geschichte auch mehr Beiwerk, als wichtige Figuren.

Die Präsenz der Berge ist auf allen 256 Seiten allgegenwertig und spürt man bei jeder Zeile. Ich hatte das Gefühl die Landschaft zu betrachten, die frische Bergluft zu atmen und beim Bergsee Rast zu machen. Als Österreicherin kenne ich die Berge ganz gut, auch wenn ich sie nicht direkt vor "meiner Haustüre" habe. In diesem Roman erlebt man einerseits noch viel urtümliche Natur und doch verschont der Autor den Leser nicht und öffnet ihm die Augen, wie sich diese durch die Abwanderung der Bergbauern, dem Bau von immer mehr Schiliften und der Abholzung bereits verändert hat.

Schreibstil:
Paolo Cognetti erzählt sehr bildhaft und eindrücklich. Trotzdem ist die Sprache etwas reduziert und passt sich der kargen Berglandschaft an. Geprägt von einer Einsamkeit, die jede seiner Figuren mit sich herumträgt, wirkt der Roman auch etwas melancholisch.
Rückblickend wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Pietro erzählt.

Fazit:
Ein sehr ruhiger Roman, der von seiner Atmosphäre und den wunderbaren Naturbeschreibungen lebt. Man muss sich in die Geschichte fallen lassen, die sich der Vater-Sohn-Beziehung und der Freundschaft zweier junger Männer widmet, die in sehr unterschiedlichen Welten leben. Trotzdem konnte mich die Art des Romans faszinieren und er wird mir sicherlich im Gedächtnis bleiben. Für Bergsteiger natürlich eine Empfehlung und definitiv auch mehr ein "Männerbuch".