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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2018

Im Bücherparadies

Das Mädchen, das in der Metro las
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Die Autorin hat mehrere Jugendbücher und Erwachsenenromane geschrieben. Dieser neue Roman dürfte besonders bibliophile erwachsene Leser ansprechen. Aus ihm spricht überall die Liebe der Autorin zur Literatur. ...

Die Autorin hat mehrere Jugendbücher und Erwachsenenromane geschrieben. Dieser neue Roman dürfte besonders bibliophile erwachsene Leser ansprechen. Aus ihm spricht überall die Liebe der Autorin zur Literatur. Das fängt beim Titel an (der übrigens die wörtliche Übersetzung des französischen Originals ist), setzt sich fort im liebevoll, detailreich gestalteten Cover (das Bücherstapel in Regalen zeigt und einzelne Buchtitel erkennen lässt), den vielen Bezugnahmen auf klassische und zeitgenössische Literaturwerke und endet schließlich in der eigentlichen Geschichte, in der es um folgendes geht:
Juliette nimmt täglich zur gleichen Zeit dieselbe Linie der Metro, um zu ihrer ungeliebten Arbeitsstelle bei einem Pariser Makler zu gelangen. Dabei liebt sie es, die immer gleichen lesenden Leute um sie herum zu beobachten – die alte Dame mit einem Kochbuch, den Mann mit einer Insektenenzyklopädie, das junge Mädchen mit einem Liebesroman, das immer auf S. 247 weint. Es ist fast, als könnten diese unterschiedlichen Leute Leben in ihr eigenes monotones und so vorhersehbares Leben bringen. Eine Veränderung in Juliettes Leben tritt ein, als sie eines Tages eine Haltestelle früher aussteigt und sich in einer unbekannten Straße mit einem Lagerhaus wiederfindet, in dem der Iraner Soliman mit seiner Tochter unter Stapeln von Büchern lebt, die er durch Boten zu Leuten bringen lässt, zu denen sie passen.

Mir hat die Grundidee dieses Romans gut gefallen, die da wäre, dass ein Buch perfekt zu einer Person in einem Moment ihres Lebens passen kann und seine Lektüre unser Leben ändern kann. Im Falle der Protagonistin hat dann allerdings kein bestimmtes Buch Veränderungen hervorgerufen, wie ich erwartet hatte, sondern die Bekanntschaft mit dem kauzigen Soliman. Das Buch hat etwas Märchenhaftes an sich und ist für mich typisch französisch.

Veröffentlicht am 14.05.2018

Nur beste Freunde?

Alicia verschwindet
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Der Autor ist bekannt geworden durch seine humorvollen Romane. Diesem Genre kehrt er mit vorliegendem Liebesroman den Rücken und betritt auch insofern Neuland, als dass er als deutscher Autor die Geschichte ...

Der Autor ist bekannt geworden durch seine humorvollen Romane. Diesem Genre kehrt er mit vorliegendem Liebesroman den Rücken und betritt auch insofern Neuland, als dass er als deutscher Autor die Geschichte in England ansiedelt. Dieses Experiment ist ihm bestens gelungen. Sein Protagonist Robert gehört der Upperclass an, ist von Beruf (wenngleich nicht so glücklicher) Sohn, der es ansonsten zu nichts gebracht hat. Seit 10 Jahren ist er mit der Fotografin Alicia befreundet. Beide sehen sich als beste Freunde. Als Robert kurz vor seiner Verlobung mit einer anderen steht, verschwindet Alicia plötzlich und hinterlässt Robert drei Fotos und ihr Lieblingsbuch „Sturmhöhe“ von Emily Bronte als Hinweise. Robert glaubt, Alicia nach Art einer Schnitzeljagd suchen zu müssen – oder will sie ihm ein ganz andere Botschaft übermitteln?
Das eigentlich Raffinierte ist, dass der Roman „Sturmhöhe“ und seine Figuren eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen. Hierzu sei nur so viel verraten, dass Kenner dieses Klassikers eindeutig im Vorteil sind, während alle anderen mehr rätseln und sich zum Lesen dieses Klassikers animiert fühlen dürfen. Interessant ist auch die formale Gestaltung, vor allem die Untergliederung in zwei Teile, in denen einmal Robert und einmal Alicia ihre Geschichte einem mit Robert befreundeten Psychiater erzählen. Es werden genügend Spitzen gegen die abgehobene englische Upperclass ausgeteilt, die ebenso wie eine eingebaute und vom Cousin des Autors erfundene Geschichte namens „Die Queen kommt zu Besuch“ das Lesen zum Vergnügen machen, das dann sein Ende so findet, wie vielleicht schon ziemlich bald zu Beginn vermutet werden durfte.
Sehr lesenswert.

Veröffentlicht am 11.05.2018

Trennung und Trennungskind

Elternteile
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Dieses Buch sollten unbedingt jene lesen, deren Familie gerade am Zerbrechen ist.

Die Protagonistin Karen stellt schonungslos dar, was es für sie im Verhältnis zu ihrer kleinen Tochter Anna bedeutet, ...

Dieses Buch sollten unbedingt jene lesen, deren Familie gerade am Zerbrechen ist.

Die Protagonistin Karen stellt schonungslos dar, was es für sie im Verhältnis zu ihrer kleinen Tochter Anna bedeutet, sich vom Ehemann und Vater zu trennen. Vor allem die Scheidungsfolgenvereinbarung ist es, die sie mit sich selbst hart ins Gericht gehen lässt. Nach ihr wohnt das Kind nämlich abwechselnd eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater und teilen sich die Eltern Feiertage u.ä. auf. Karen lässt der Gedanke nicht los, vielleicht keine gute Mutter zu sein, weil sie sich auf solch eine Vereinbarung eingelassen hat, wie es ihr eigenes Umfeld sie spüren lässt. Andererseits preisen Familienpädagogen sie immerhin als im Sinne des Kindeswohls an. Der Roman ist nicht als durchgängige Erzählung gestaltet, sondern ein Gefüge von Karens Gedanken. Manchmal steht auf einer Seite sogar nur ein einziger Satz. Genau das ist es, was sie dem Leser so nahe sein und ihn mit ihr fühlen lässt. Es wird zum Nachdenken über die Frage angeregt, wie man in ähnlicher Lage die Sorgerechtsfrage für die eigenen Kinder regeln würde.
Sehr lesenswert.

Veröffentlicht am 06.05.2018

Herausforderung Pflegekindaufnahme

Hinter den Türen
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Während Hera Lind früher für ihre Frauenromane recht bekannt war, legt sie in jüngerer Zeit den Fokus auf gesellschaftskritische Themen. Auf dieser Linie liegt auch ihr aktuelles Werk „Hinter den Türen“, ...

Während Hera Lind früher für ihre Frauenromane recht bekannt war, legt sie in jüngerer Zeit den Fokus auf gesellschaftskritische Themen. Auf dieser Linie liegt auch ihr aktuelles Werk „Hinter den Türen“, das mir in der – leider gekürzten -Hörbuchlesung, gelesen von der Autorin persönlich, vorlag. In ihm geht es um das Thema Aufnahme von Pflegekindern in der eigenen Familie. Die ausgebildete Sozialpädagogin Juliane setzt auf eine Zeitungsanzeige hin alles daran, drei deutsch-thailändische Geschwister – Halbwaisen, mit einer im Koma befindlichen Mutter – als Pflegekinder zugewiesen zu bekommen. Hundertprozentigen Rückhalt hat sie bei ihrem Mann und den eigenen Kindern. Der Weg bis zur In-Pflege-Nahme ist aufgrund bürokratischer Vorgänge hürdenreich, und noch mehr verlangt das Zusammenleben mit den schwer traumatisierten Kindern Juliane ab. Das älteste Mädchen ist eine besondere Herausforderung mit einer hanebüchenen Vergangenheit, wie sich nach und nach herauskristallisiert.
Der Lesung lässt sich sehr gut folgen. Die Autorin liest lebendig, verändert passend ihre Stimme je nach dem, welche Person sie wiedergibt, und passt ihre Stimme der jeweiligen Gefühlslage an. Inhaltlich ist schier unglaublich, was eine sozial eingestellte Familie mit dem Willen, benachteiligten Kindern zu helfen, erleben muss. Die deutsche Behördenstruktur wird zu Recht latent kritisiert. Insbesondere ist es unerhört, wie wenig Unterstützung Juliane von den zuständigen Behörden erfährt und wie diese ihr Vorhaben sogar konterkarieren. Alles mag ein wenig zugespitzt dargestellt sein. Vor allem die zeitlichen Abläufe können nicht immer stimmen. Dennoch hat mich das Buch überzeugt.

Veröffentlicht am 05.05.2018

Wer wagt, gewinnt

Ans Meer
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Der Linienbusfahrer Anton mag seinen Beruf nicht mehr, steht unter dem Pantoffel seiner Mutter und ist zudem unglücklich verliebt. Als ihn eine langjährige, schwer krebskranke Passagierin bittet, sie mit ...

Der Linienbusfahrer Anton mag seinen Beruf nicht mehr, steht unter dem Pantoffel seiner Mutter und ist zudem unglücklich verliebt. Als ihn eine langjährige, schwer krebskranke Passagierin bittet, sie mit dem Bus in ihre italienische Heimat ans Meer zu fahren, kommt er ihrem Wunsch nach. Schließlich mag seine Angebetete mutige Männer. So steuert Anton den Bus nebst mehreren Insassen in den Süden. Leider setzt dies eine Verfolgungsjagd der Polizei in Gang, die ihm mehrfache Freiheitsberaubung vorwirft. Und auch seine Angebetete fährt ihm nach.
Nur 140 Seiten ist dieser Roman lang. Doch liegt wie so oft in der Kürze die Würze. Es ist eine wunderschöne Geschichte, die zu lesen sich wirklich lohnt. Nicht nur gibt es auf diesem ungewöhnlichen Roadtrip so manch unerwarteten, manchmal humorigen Zwischenfall. Auch jeder der Businsassen hat einen spezifischen Charakter und entwickelt sich auf der kurzen Fahrt weiter. Während anfangs so mancher nur widerwillig mitfährt, wird der Zusammenhalt allmählich immer stärker und am Ende sind alle eine eingeschworene Gemeinschaft. Der traurige Anlass für die Fahrt tritt fast völlig in den Hintergrund, stimmt auf jeden Fall überhaupt nicht traurig. Abwechslung bringen Einschübe, in denen es um die Nachfahrt von Antons Freundin geht und in denen sie über ihre Beziehung zu Anton sinniert mit dem Fazit positiver Selbsterkenntnisse.
Klare Leseempfehlung.