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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.05.2018

Über das Leben und Werden als Frau

Die Schönheit der Nacht
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Man muss schon Romane mögen, in denen es wenig Handlung gibt, um Gefallen an diesem neuen Buch der Bestsellerautorin Nina George zu finden. Denn im Vordergrund stehen die Gedanken der Protagonistin Claire, ...

Man muss schon Romane mögen, in denen es wenig Handlung gibt, um Gefallen an diesem neuen Buch der Bestsellerautorin Nina George zu finden. Denn im Vordergrund stehen die Gedanken der Protagonistin Claire, einer bekannten Pariser Verhaltensbiologin, die sich in den Sommerurlaub in ihr Haus in der Bretagne begibt. Sie ist zunehmend unzufrieden mit ihrem Leben als Frau und sinniert, philosophisch anmutend, darüber, was Weiblichkeit ausmacht. Eine Seeelenverwandte findet sie in ihrer künftigen Schwiegertochter, die noch auf der Suche nach ihrer Rolle als Frau ist. Die Sprache ist poetisch und sinnlich, fast schon überfrachtet mit Bildern und Metaphern, weshalb es wiederholten Lesens einzelner Passagen bedarf, um alles zu verstehen. Ohne das Wissen, dass das Buch aus deutscher Feder stammt, hätte ich es als typisch französisch eingeordnet. Das dürfte vermutlich an dem persönlichen Hintergrund der Autorin liegen, die auch in der Bretagne lebt, von der übrigens wunderschöne Eindrücke vermittelt werden.

Veröffentlicht am 29.04.2018

Flucht aus der Heimat Ostpreußen

Letzte Fahrt nach Königsberg
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Dieser historische Roman wird insbesondere das Interesse jener wecken, die selbst oder deren Vorfahren Wurzeln in Ostpreußen haben.
Die Protagonistin Ella, aus guter Familie, hat ihre Kindheit und Jugend ...

Dieser historische Roman wird insbesondere das Interesse jener wecken, die selbst oder deren Vorfahren Wurzeln in Ostpreußen haben.
Die Protagonistin Ella, aus guter Familie, hat ihre Kindheit und Jugend in Königsberg verbracht. 1944 flüchtet sie aus ihrer im Krieg zerstörten Heimat nach Potsdam und von dort vor dem drohenden Einmarsch der Russen nach Westdeutschland.

Was den geschichtlichen Hintergrund anbelangt, ist der Roman durchweg gelungen. Er vermittelt so viel Wissen über das Königsberg zwischen den Kriegen, während des Zweiten Weltkriegs sowie in der Gegenwart. Abgerundet und der besseren Vorstellung dienend wird das Ganze durch einen Stadtplan und eine Karte Ostpreußens im Innenteil des vorderen und hinteren Bucheinbandes. Die eine oder andere wörtliche Rede in original ostpreußischem Dialekt sowie die Beschreibung typischer Gerichte wirken auflockernd. Auf jeden Fall ist das Buch ein guter Beitrag, um nachvollziehen zu können, was der Verlust von Heimat aufgrund kriegerischer Ereignisse bedeutet.
Der eigentlich unterhaltende Teil der Geschichte vermochte mich hingegen nicht so recht zu überzeugen. Das fängt bereits dabei an, dass im Klappentext Schwerpunkte gesetzt werden, die der eigentliche Buchtext dann ganz anders umsetzt. Ellas Jugendliebe erweist sich als ein einseitig von ihr ausgehende Liebe, die sie im Laufe der Jahre geradezu verherrlicht. Dass sie sich als verheiratete Frau mit drei Kindern unbedingt von eben diesem Geliebten schwängern lassen will (ob es gelingt, bleibt offen), wirkt etwas schwülstig und wirft kein schönes Bild auf die Rolle der Frau. Ellas kurzer Hamstertour von Potsdam zurück nach Königsberg, um sich ihre Einmachgläser zu holen, von denen sie geradezu besessen ist, kommt keine richtige Bedeutung zu. Im Übrigen verliert sich der Autor mehr als einmal an Detailschilderungen, z.B. dem Fangen und Präparieren von Schmetterlingen oder einem Reitturnier. Auf jeden Fall ist positiv zu würdigen, dass der Autor schonungslos die eigene Familiengeschichte aufarbeitet.

Alles in allem bewerte ich das Buch mit 31/2 Sternen.

Veröffentlicht am 22.04.2018

Eine tragische Außenseiterliebe

Nicu & Jess
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Schon äußerlich und formal ist das Buch ein Hingucker, etwas ganz Besonderes – knallorangefarbener Seitenschnitt, weißes Lesebändchen, (nicht reimender) Versroman (der wohl eine Spezialität der Mitautorin ...

Schon äußerlich und formal ist das Buch ein Hingucker, etwas ganz Besonderes – knallorangefarbener Seitenschnitt, weißes Lesebändchen, (nicht reimender) Versroman (der wohl eine Spezialität der Mitautorin Crossan ist), abwechselnde Erzählperspektiven, von denen Nicus Part in „Kauderwelsch“ abgefasst ist. Inhaltlich übertrifft die Geschichte dann noch die dadurch geschürten Erwartungen. Die beiden Fünfzehnjährigen Nicu und Jess lernen sich bei Sozialstunden kennen, zu denen sie wegen Ladendiebstählen verdonnert wurden. Der Romajunge ist erst seit kurzem in London. Seine Eltern wollen schnell Geld verdienen, um ihren Sohn – gegen dessen Willen - dann in Rumänien verheiraten zu können; die passende Braut ist schon gefunden. Nicu jedoch will um keinen Preis der Welt zurück in seine arme Heimat, auch wenn er vor allem aufgrund seiner schlechten Sprachkenntnisse gemobbt wird. Jess kommt aus einem sozialen Randmilieu und wird mit ihrer Mutter vom Stiefvater drangsaliert. Ganz allmählich freunden sich die beiden an, woraus sogar eine zarte Liebe wird. Zur Bewährung kommt es, als sie von zu Hause abhauen.
Dieses Buch ist in erster Linie für Jugendliche gedacht, in deren Milieu es spielt - Cliquen, die Schwächere mobben und nur denjenigen akzeptieren, der mit ihren Regeln konform geht. Es ist schon erschreckend, welch harte Umgangsformen unter Jugendlichen gelten. Doch auch Erwachsene wie ich werden Gefallen an dem Buch finden, zumal auch Themen wie das Versagen von Lehrern und Eltern oder eine von Vorurteilen geprägte Gesellschaft angerissen werden. Bestechen tut das Buch vor allem durch seine Sprache, insbesondere in Nicus Part, der in Kauderwelsch-Deutsch verfasst ist, um deutlich zu machen, welche Sprachbarrieren sich für einen Migranten auftun und dass Sprache für eine gelungene Integration so wichtig ist. Auf jeden Fall weckt die Geschichte gerade in Zeiten zunehmender Flüchtlingswellen Verständnis für Migranten. Offen bleibt am Ende eigentlich nur, welcher Teil des Buchs von Sarah Crossan und welcher von ihrem Schriftstellerkollegen Brian Conaghan geschrieben wurde.

Veröffentlicht am 22.04.2018

Der Werdegang eines Exilautors

Ich wollte nur Geschichten erzählen
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Dieses Hörbuch mit einer Gesamtlänge von 244 Minuten, unterteilt in 74 Kapitel, macht Lust darauf, Erzählungen und Romane des aus Syrien stammenden Exilautors zu lesen oder – besser noch – sich von ihm ...


Dieses Hörbuch mit einer Gesamtlänge von 244 Minuten, unterteilt in 74 Kapitel, macht Lust darauf, Erzählungen und Romane des aus Syrien stammenden Exilautors zu lesen oder – besser noch – sich von ihm persönlich auf einem seiner zahlreichen Erzählabende erzählen zu lassen. Es ist keine Biografie im eigentlichen Sinne, obschon Schami seinen Werdegang darstellt von seinen schriftstellerischen Anfängen als Jugendlicher in seiner Heimat Syrien über seine Entscheidung im Jahr 1971, als 26jähriger zwecks Vermeidung einer langjährigen Haftstrafe bzw. des Todes ins deutsche Exil zu gehen, bis hin zu seinen allmählichen Erfolgen als in deutsch schreibender und erzählender (weil kein arabischer Verlag ihn veröffentlichen wollte) Exilautor. Wirklich beeindruckend ist der Werdegang von Rafik Schami, der zu seinen beiden besten Entscheidungen zählt, Damaskus für ein Leben in Freiheit verlassen und seinen Vollzeitjob als Chemiker in Deutschland zugunsten der Schriftstellerei an den Nagel gehängt zu haben. Man kann sich kaum vorstellen, welche Mühe er auf sich genommen hat, um deutsche Literatur schreiben und diese akzentfrei in freier Rede auf deutsch erzählen zu können. Er schrieb doch tatsächlich die „Buddenbrooks“ Wort für Wort ab. Genauso interessant wie sein persönlicher Werdegang ist die von ihm geäußerte Kritik am syrischen Regime von Assad und den arabischen Verhältnissen. Sie wecken viel Verständnis gerade in Zeiten der Flüchtlingsströme aus Syrien. Die in den 74 Kapiteln behandelten Themen sind so zahlreich, dass jeder für sich Interessantes herausfiltern kann, z.B. über Heimat, Heimweh, Gastfreundschaft. Dieses Hörbuch kann man auf jeden Fall mehrfach hören und wird immer wieder neue Aspekte entdecken. Bezugnahmen auf andere große Schriftsteller regen an, sich auch mit deren Werken z beschäftigen. Das Tüpfelchen auf dem i wäre gewesen, wenn diese Lesung von Schami selbst, der doch ein begnadeter Erzähler ist, vorgetragen worden wäre, wenngleich Wolfgang Berger sehr gelungen gelesen hat.

Veröffentlicht am 14.04.2018

Nicht die richtige Lektüre für mich

Der Abfall der Herzen
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Dies ist der erste Roman, den der Autor (und Musiker und Künstler) unter seinem richtigen Namen veröffentlicht. Und das passt auch, weil die Geschichte Autobiografisches aus seinem Leben als 22/23jähriger ...

Dies ist der erste Roman, den der Autor (und Musiker und Künstler) unter seinem richtigen Namen veröffentlicht. Und das passt auch, weil die Geschichte Autobiografisches aus seinem Leben als 22/23jähriger im Jahr 1999 behandelt. Gefallen hat mir die Idee zu beschreiben, wegen einer Art Schreibblockade ein eigentlich in Arbeit befindliches Buch aufzugeben und statt dessen anhand alter Tagebuchaufzeichnungen und vieler Gespräche mit früheren Freunden sein Leben in den Monaten von April bis September 1999 darzustellen. Allerdings vermisse ich das, wovon es im Klappentext aufreißerisch heißt „innerhalb weniger Monate verwandelte sich seine Welt in einen Scherbenhaufen“. Denn eigentlich werden nur ganz unspektakuläre Dinge aus dem Alltag eines jungen, nicht unbedingt der Norm entsprechenden Erwachsenen wiedergegeben. „Nagel“ lebt seinerzeit in der ihm verhassten Provinzstadt Rheine. Seine langjährige Beziehung geht in die Brüche, was ihm erheblichen Liebeskummer und Eifersucht beschert; er lebt in einer WG, hat Gelegenheitsjobs, spielt mäßig erfolgreich in einer Band und hat eine ganze Armada an Freunden, mit denen er fast pausenlos Konzerte, Kneipen und Partys besucht, wo Alkohol strömt und gekifft wird. Alles in allem eher das Leben eines unreifen Erwachsenen, dem ich selbst überhaupt nichts abgewinnen kann. Vielleicht soll der erwähnte Scherbenhaufen der Umstand sein, dass Nagel am Ende des Sommers seinem Nebenbuhler eine Falsche über den Kopf zieht.
Vermutlich gehöre ich nicht zu dem angesprochenen Leserkreis. Allein die Bezugnahme auf aktuelle Ereignisse des Jahres, an die ich mich selbst gut erinnere, wie die Sonnenfinsternis im August oder der Bewurf von Joschka Fischer mit Farbbeuteln, hat das Buch für mich einigermaßen lesenswert gemacht.