Profilbild von walli007

walli007

Lesejury Star
offline

walli007 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit walli007 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.04.2017

Was für ein Paar

The Couple Next Door
0

Ihre Tochter Cora ist sechs Monate alt und Marc und Anne wollen einfach mal wieder feiern. Die Party in kleinem Rahmen soll bei den Nachbarn stattfinden. Da diese selbst keine Kinder haben wird beschlossen, ...

Ihre Tochter Cora ist sechs Monate alt und Marc und Anne wollen einfach mal wieder feiern. Die Party in kleinem Rahmen soll bei den Nachbarn stattfinden. Da diese selbst keine Kinder haben wird beschlossen, einen Babysitter zu besorgen und die kleine Cora daheim zu lassen. Es sind ja nur ein paar Schritte. Doch unerwartet sagt die Babysitterin ab, nun ist Anne dafür, lieber auf die Feier zu verzichten. Marc allerdings überredet sie, doch loszugehen, schließlich hat man das Babyphon und kann wegen der kurzen Entfernung alle halbe Stunde nach der Kleinen sehen. Alles scheint gut zu gehen, als die Eltern jedoch spät Nachts nach hause kommen, ist das Baby verschwunden.

Welch ein Horror, man geht aus, meint, man hat vorgesorgt und dann tritt der schlimmste Fall ein, den man sich denken kann. Ein Baby verschwindet und der leitende Kommissar hegt sofort den Verdacht, dass die Chancen des Kindes schlecht stehen. Anne, die ihr Kind am liebsten überhaupt nicht allein gelassen hätte, gibt ihrem Mann die Schuld, er hat sie schließlich überredet. Aber muss man denn tatsächlich immer vom Übelsten ausgehen. Sicher nicht, für diese Familie aber tritt es ein. Das, was nach der Statistik eigentlich sehr unwahrscheinlich ist, passiert. Was löst das in einer Familie aus? Welche Emotionen kommen zutage, welche Begebenheiten werden ans Licht gezerrt, die man lieber im Dunklen gelassen hätte.

Was wird aus einem augenscheinlich glücklichen Paar, wenn der Mittelpunkt des Daseins, das kleine Mädchen, von einer Sekunde auf die andere verschwindet. Man beginnt sich selbst zu fragen, hätte man einen Säugling alleine zu hause gelassen, auch wenn es nur ein paar Meter sind. Schon daran mögen sich die Geister scheiden, der eine meint vielleicht, ein so kleines Kind schläft doch eh, tja, also macht es doch nichts, wenn es ein paar Stunden alleine ist. Merkt doch keiner, besonders das Baby nicht. Der nächste wird sagen, geht doch garnicht, ein so kleines Mädchen nimmt man mit oder bleibt daheim. So wie sich Anne und Marc schon in diesem Punkt eigentlich nicht einig sind, sind sie auch in anderen Belangen unterschiedlicher Meinung. Und nach und nach bricht ihr Eheidyll auseinander.

Geschickt versteht es die Autorin die Handlung langsam zu steigern, immer neue Hinweise und Informationen tauchen auf, in deren Licht die Ereignisse ganz anders zu bewerten sind. Leider sucht man dabei vergeblich nach einigermaßen sympathischen Personen, mit denen man sich identifizieren könnte. Zwar ist das Geschehen spannend und überraschend, aber doch so herbe und distanziert, dass es schwierig bleibt einen rechten Zugang zu finden. Wer fesselnde Geschichten mag, an denen man etwas zu knabbern hat, wird sicher bestens unterhalten werden.
3,5 Sterne

Veröffentlicht am 18.03.2017

Schauspielerei

Der König der Komödianten
0

Der junge Marco ist tief betrübt als sein Ziehvater stirbt. Auf dem Landgut hat er es gut gehabt und er hätte sich hier noch eine glückliche Jugend erträumt. Doch Marco ist noch nicht volljährig und für ...

Der junge Marco ist tief betrübt als sein Ziehvater stirbt. Auf dem Landgut hat er es gut gehabt und er hätte sich hier noch eine glückliche Jugend erträumt. Doch Marco ist noch nicht volljährig und für den Fall des Falles hat Vittore den Prior und einen Advokaten als gemeinsamen Vollmund bestimmt. Und nun wird Marco ins Kloster gebracht, dort gefällt es ihm nicht so gut. Zusammen mit dem alten Vittore wollte er immer in die Stadt, es ist jedoch nicht mehr so weit gekommen. Jetzt steht auch noch zu befürchten, dass sich jemand sein Erbe unter den Nagel reißen will. Marco flieht aus dem Kloster und gerät an eine fahrende Schauspielertruppe, mit der er nach Padua gelangt.

Welch eine neue Welt, vom Land in die Stadt, vom Kloster ins Theater. So viele Eindrücke stürzen auf Marco ein. Er kann sich garnicht sattsehen oder fühlen. Der alte Intendant ist manchmal nicht mehr ganz Herr seiner Gedanken, aber er reimt begnadet aus dem Stehgreif und seine gewitzte Bauernschläue lässt ihn auch aus unangenehmen Situationen herauskommen. Auch wenn es so scheint als müsse man auf den Alten aufpassen, wird er doch eine Art väterlicher Freund für Marco. Seine Enkelin Elena entgeht Marcos Blicken beinahe, sie wirkt noch sehr jung. Catrina dagegen, die rassige Schöne, hat es Marco angetan.

Ein wenig vermischt sich die Handlung des Romans mit dem Schauspiel auf der Bühne. Das Theaterleben um 1594, das Schicksal des jungen Marco, das manchmal einem Stück zu gleichen scheint. Heiter wirkt dieser Roman durch die wohlgewählten Worte, die ihm diese Stimmung verleihen. Zwar gibt es auch ernste Momente, doch eher wird eine Komödie gegeben denn eine Tragödie. Und das ist ausgesprochen erfreulich, denn möchte man dem Alltag entfliehen und für ein paar Lesestunden ins Padua und Venedig des 16, Jahrhunderts eintauchen und etwas über die Commedia dell` Arte lernen, ist dieser Roman gerade das Richtige. Mit schönen Anspielungen auf den anscheinend damals auch schon über die Grenzen seines Landes hinaus bekannten Shakespeare, so dass man bei vielen Sätzen rätseln kann, auf welches Stück Bezug genommen wird.

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 11.03.2017

Outland

Never Say Anything
0

Eine Reiseberichterstattung über Marokko sollte es werden. In einem abgelegenen Grenzort allerdings geraten die Journalistin Sophie Schelling und ihr Begleiter in einen Hinterhalt. Viele Menschen kommen ...

Eine Reiseberichterstattung über Marokko sollte es werden. In einem abgelegenen Grenzort allerdings geraten die Journalistin Sophie Schelling und ihr Begleiter in einen Hinterhalt. Viele Menschen kommen um und Sophie überlebt nur mit viel Glück und Hilfe von Unbekannten. Zurück in Berlin versucht sie die Erlebnisse zu verarbeiten, muss aber zu Ihrem Entsetzen feststellen, dass der Vorfall in der Presse völlig anders dargestellt wird als sie ihn erlebt hat. Sophie Schelling will nun die Wahrheit enthüllen. Konsterniert fühlt sie sich als ihr klar wird, dass nicht jeder an der Wahrheit interessiert ist. Nur nach und nach wird der Reporterin klar, dass sie sich durch ihre Nachforschungen in Gefahr begibt.

Nach den schrecklichen Ereignissen, mit denen dieser Roman beginnt, setzt sich die Handlung erstmal etwas gemütlich fort. Natürlich will Sophie Schelling berichten, dabei geht sie vorsichtig vor, um keine Angriffsfläche zu bieten. Wer legt sich schon gerne mit mächtigen Gegnern an. Doch nachdem sie mehr in Erfahrung gebracht hat und es Eingriffe in ihr eigenes Leben gab, spürt sie, dass sie eine Konfrontation nicht mehr vermeiden kann. Sophie überwirft sich dabei mit fast allen und kommt vielen anderen in die Quere. Sie versucht, sich selbst treu zu bleiben, ihr Durchhaltevermögen wird jedoch auf eine harte Probe gestellt. Ihre Gegner schrecken vor fast nichts zurück.

Immer steht während der Lektüre die Frage im Raum, wie nah an der Realität sich der Roman bewegt. Man befürchtet, es könne doch sehr nahe sein, obwohl man es lieber nicht glauben würde. So wie sich die Schlinge um Sophie Schellings Hals mehr und mehr zuzuziehen scheint, so bekommt man immer mehr ein Gefühl der Beklemmung. Gewisse Organisationen machen möglicherweise vor nichts halt, um ihre Ziele zu erreichen, und sei es nur das Ziel, gewisse Aktionen geheim zu halten. Je weiter man liest, desto mehr könnte man sich eine analoge Welt zurückwünschen, in der es doch etwas aufwendiger war, das Leben auch von unbescholtenen nur vielleicht unliebsamen Menschen negativ zu beeinflussen.

Ein Buch, dass nach und nach immer mehr fesselt und verstört. In so einer Welt möchte man nicht leben. Oder lebt man etwa schon in so einer Welt?

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 30.12.2023

Zentrum des Wissens

Babel
1

Robin Swift wurde in China geboren. Er lebt in ärmlichen Verhältnissen und als seine Mutter an Cholera erkrankt und stirbt, holt sein Vater ihn zu sich nach England. Im Jahr 1836 darf Robin endlich an ...

Robin Swift wurde in China geboren. Er lebt in ärmlichen Verhältnissen und als seine Mutter an Cholera erkrankt und stirbt, holt sein Vater ihn zu sich nach England. Im Jahr 1836 darf Robin endlich an das königliche Institut für Übersetzungen, auch Babel genannt. Robin ist so stolz. Mit seinem Zimmernachbarn Ramy, der aus Kalkutta stammt, versteht er sich bestens. Ihr Jahrgang ist klein. Zu den beiden Jungen gehören noch Letty und Victoire. Ihre Sprachen sind erwünscht in Babel. Seltene Sprachen versprechen neue Übersetzungspaare. Doch das kommt später. Erstmal tauchen die Jugendlichen in die Welt der Universität mit ihren verschiedenen Fakultäten ein.

Wie toll für die neuen Studenten, sie dürfen in Babel studieren und sie haben Stipendien. So können sie sich mal neue Kleidung leisten oder einen Abend in der Kneipe. Allerdings merken Ramy und Robin schnell, dass sie wegen ihrer Herkunft keine guten Stand haben. Ein Inder und ein Chinese, mit ihnen wollen die elitären Engländer nichts zu tun haben. Letty und Victoire sind halt weiblich und damit sind sie auch raus. Das schweißt die Vier noch fester zusammen. Sie freuen sich auf ihre Studienzeit. Doch plötzlich trifft Robin einen jungen Mann, der aussieht wie er selbst und damit ändert sich vieles.

Ein Institut für Wörter, Sprache und Übersetzungen. Das ist doch klasse und ein einen Roman zu solch einem Thema muss man unbedingt lesen. Und der Anfang ist dabei sehr berührend. Der bedauerliche Tod von Robins Mutter, seine Rettung, seine erste Zeit im Institut, der geheimnisvolle Fremde, die Freundschaft der vier Studierenden. Zwar mäandert die Handlung etwas langsam dahin und die berührenden Momente könnten etwas häufiger beschrieben werden, doch man ist voller Hoffnung ob des ansprechenden Themas und denkt, es wird schon. Allerdings erlebt man doch eine Enttäuschung, irgendwie geht alles den Bach runter. Zwar ist es spannend, die Geschichte dahinter zu erkennen, insbesondere die Reise nach China ist sehr erhellend. Was jedoch danach folgt, zieht einen beim Lesen runter und das ist nicht das, was man sich von einem Fantasy Roman wünscht, gerade in der heutigen Zeit, wo sowieso alles den Bach runtergeht, möchte man doch lieber Bücher, deren Ausgang eine gewisse Hoffnung weckt.

Vielleicht haben die Berichte über das Buch, die Beschreibungen und der übliche Gang die eigene Phantasie zu sehr in Gang gesetzt, so dass man sich schon zu viel ausgemalt hatte, wie wunderbar dieser Roman sein muss, dass es nur noch eine Enttäuschung geben konnte. Die Notwendigkeit von Gewalt erschließt sich nicht.

Veröffentlicht am 20.08.2023

Wendepunkt

Davenport 160 x 90
0

Sonja Slanski hat ein Inkassobüro, das sie etwas eleganter als „Forderungsmanagement“ bezeichnet. Kein Auftrag ist zu schwierig. Eine feste Beziehung möchte Sonja nicht. Ihr verheirateter Lover A ist genug. ...

Sonja Slanski hat ein Inkassobüro, das sie etwas eleganter als „Forderungsmanagement“ bezeichnet. Kein Auftrag ist zu schwierig. Eine feste Beziehung möchte Sonja nicht. Ihr verheirateter Lover A ist genug. Als Slanski jedoch eine neue Kunden kennenlernt, die wegen eines Geschäfts verklagt werden soll, das nicht das gewünschte Ergebnis hatte, ist sie etwas angefasst als sie feststellt, dass die Kunden mit A verheiratet ist. Und dann taucht auch noch eine junge Künstlerin bei Sonja auf, die mangels eigener Wohnung gleich bei Slanski einzieht. Überraschend versteht sie sich gut mit Luna. Umso entsetzter ist Slanski als sie Luna tot in ihrer Wohnung auffindet.

Mit seinem auffälligen Cover und dem ungewöhnlichen Titel weckt dieser Debütroman Aufmerksamkeit. Wenn man dann noch liest, dass er den Glauser für das beste Debüt erhalten hat, kann man nicht umhin das Buch zu lesen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Schnell stellt man dann fest, dass Sonja Slanski eine unkonventionelle und toughe Vertragspartnerin ist. Sie kann deutliche Worte sprechen und ist auch einem Glas nicht abgeneigt. Verständlicherweise will sie den Mord an Luna aufklären, wenn so ein Verbrechen in ihren eigenen Räumlichkeiten geschieht, muss das sein. In ihrem Loft kann sie sich nicht mehr aufhalten. Und so zeiht sie übergangsweise ins Hotel.

Von diesem Roman hatte man sich einiges versprochen. Mit Frankfurt wurde schließlich ein interessanter Schauplatz gewählt und bei Sonja Slanski handelt es sich um eine Hauptperson, die die Zügel in die Hand nimmt. Doch so ganz hält dieser Roman nicht, was man sich versprochen hat. Für einen verständlichen Handlungsverlauf ist Slanski einfach zu häufig betrunken. Man kann ihren Gedanken nicht wirklich folgen und ihr flatterhaftes Verhalten lässt die Sympathie, die man ihr aufgrund ihrer Verluste entgegenbringen wollte, doch in Teilen verschwinden. Die Lösung des Falles, so es denn überhaupt einer ist, erfolgt eher durch Zufall. Auch die weiteren auftretenden Personen bleiben blass und setzen sich nicht besonders in der Erinnerung fest. Sie Sache mit Luna wirkt wie eine verpasste Chance, beinahe als sollte auch noch das letzte Bisschen versagt werden. Diese Leserin konnte nicht anders als beim Lesen die Lust zu verlieren. Immerhin war das Buch fesselnd genug, um die Lektüre zu beenden.