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Veröffentlicht am 24.03.2024

Zauber der Stille

Zauber der Stille
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Als Caspar David Friedrich im Jahr 1774 als Sohn eines Seifensieders in Greifswald auf die Welt kommt, ist natürlich noch nicht daran zu denken, dass er einmal Maler wird. Nach dem frühen Tod seiner Mutter ...

Als Caspar David Friedrich im Jahr 1774 als Sohn eines Seifensieders in Greifswald auf die Welt kommt, ist natürlich noch nicht daran zu denken, dass er einmal Maler wird. Nach dem frühen Tod seiner Mutter und auch des Bruders beginnt er 1794 mit dem Studium in Kopenhagen. Vier Jahre bleibt er dort. Ob er dort seine Liebe zum Wasser festigt, seinen Blick in den Himmel, die Wolken findet, seine Malerei des Lichts? Doch wird er zu Lebzeiten nicht so bekannt, wie zu glauben wäre. Zwar hat er bekannte Kunden. Doch in seinen letzten Jahren ist er fast vergessen.

Wie ein Träumer wirkt der Maler Caspar David Friedrich manchmal. Etwas verstiegen, doch hin und wieder blitzt sein Humor auf. Mit Malerkollegen pflegt er langjährige Freundschaften. Von Goethe ist er eine Art Fan, stoßt aber nicht auf große Gegenliebe. Und irgendwann hat er auch genug. Relativ spät erst heiratet er und er genießt das Glück der Ehe. Seine Frau und er bekommen drei Kinder, um die er sich sorgt und sie sich kümmert. Es ist nicht immer leicht ein solides Einkommen zu erzielen, um die Familie zu ernähren. Und noch schwieriger wird es als er nach einem Schlaganfall erstmal nicht mehr malen kann.

Zweihundertfünfzig Jahre nach seiner Geburt wird Caspar David Friedrich mit einigen Ausstellungen geehrt. Ob das der Anlass für den Autor war dieses Buch zu schreiben? Jedenfalls ist ihm ein beeindruckendes Werk gelungen. In vier Teilen öffnet er einen besonderen Blick auf den Maler, der fasst vergessen, leider instrumentalisiert und schließlich als außergewöhnlicher Künstler wiederentdeckt wurde. Gerade im ersten Teil geht es um Bilder, die die Zeit nicht überstanden haben. Werke, die unwiederbringlich verloren sind. Wie tragisch. Im weiteren geht es um den wechselvollen Weg der Bilder in die heutige Zeit. Verkaufen, verloren gehen, wieder aufgefunden werden. Da sind schon echte Räuberpistolen dabei, die beim Lesen fesseln. Der liebevolle Blick auf das Leben des Malers und seiner Bilder lassen das Buch zu einer berührenden Lektüre werden. Man bekommt eine Friedrichsche Empfindung, die man im Gedächtnis behalten möchte.

Veröffentlicht am 22.03.2024

Unbekannte Fluchthelfer

Marseille 1940
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Schon vor dem zweiten Weltkrieg erlebt der amerikanische Journalist Varian Fry auf einer Reise nach Berlin das Naziregime in seiner Unverblümtheit hautnah. Als die Nazis im Krieg Frankreich überfallen, ...

Schon vor dem zweiten Weltkrieg erlebt der amerikanische Journalist Varian Fry auf einer Reise nach Berlin das Naziregime in seiner Unverblümtheit hautnah. Als die Nazis im Krieg Frankreich überfallen, ist ihm klar, dass die ehemalige Fluchtburg von Dissidenten nicht mehr lange Schutz bieten wird. Deshalb will er unbedingt zurück nach Europa, um möglichst vielen Flüchtlingen aus Frankreich hinaus in die USA oder in andere Länder zu helfen. Doch zunächst muss er eine Organisation gründen und das nötige Geld auftreiben. Und es wird eine Liste aufgestellt von Personen des kulturellen oder politischen Lebens, denen höchste Gefahr droht und die deshalb bevorzugt Einreisevisa erhalten sollen.

Schon lange verstehen sich die Vereinigten Staaten nicht mehr unbedingt als Einwanderungsland. Das bekommen auch Fry und seine Mitstreiter zu spüren, wenn sie darangehen die geforderten Papiere für ihre Schützlinge zu besorgen. Noch sehen manche der in Not geratenen Menschen ihre Situation etwas sorglos, schließlich hat ihren Frankreich lange als sicherer Unterschlupf gedient. Doch so langsam wird jedem klar, unter dem Nazi-Regime wird es irgendwann kein Entkommen mehr geben. Für Fry und sein Team geht es also nicht nur darum, gründlich zu arbeiten. Sie müssen auch schnell sein.

Die Geschichte dieser Fluchthilfe steht stellvertretend für weitere, die anderen Menschen geholfen haben. Zwar werden hier vornehmlich die Schicksale von eher auch aus heutiger Sicht prominenten Flüchtlingen behandelt, doch auch sie oder gerade sie schwebten in großer Gefahr. Wahrscheinlich kann die Welt dankbar sein, dass sich ein Amerikaner ihrer angenommen hat, der nimmermüde gegen alle Hindernisse um jedes Leben gekämpft hat. Nicht immer hatte er Erfolg. Dennoch ist ihm und seinem Team einiges zu verdanken. Und manche der Schilderungen sind geradezu mitreißend und sehr berührend. Bedrückend ist dagegen, wie die Helfer mitunter ausgebremst werden und wie wenige Länder sich bereit erklärten, die Flüchtigen aufzunehmen. Wie viele hätte man retten können, hätte es mehr Großzügigkeit gegeben. Hoffnung geben aber die, die gerettet wurden. Ein herausragendes wichtiges Buch, das auch als Mahnung dienen kann.

Veröffentlicht am 18.03.2024

Brief ohne Antwort

Das andere Mädchen
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Noch in ihren Kindheitstagen erfährt Annie, dass es noch eine Schwester gab. Sie hört, wie ihre Mutter darüber redet. Doch es ist das einzige Mal, dass sie Mutter darüber redet. Und nicht mit ihrer Tochter, ...

Noch in ihren Kindheitstagen erfährt Annie, dass es noch eine Schwester gab. Sie hört, wie ihre Mutter darüber redet. Doch es ist das einzige Mal, dass sie Mutter darüber redet. Und nicht mit ihrer Tochter, sondern mit einer Nachbarin. Und nun ist Annie kein Einzelkind mehr, dass sich gewiss war, etwas besonderes zu sein. Es gab eine Schwester, die bereits vor Annies Geburt gestorben ist. Nur sechs Jahre wurde sie bevor sie an Diphtherie starb. Annie fragt sich, ob sie nur ein Ersatzkind ist. Sie ist nicht die Liebe, sie ist die Intelligente.

Welch eine Nachricht für ein kleines Mädchen. Die Eltern verschweigen ihr, dass sie eine Schwester hatte. Nur ein Bild findet sie. Zunächst denkt sie, sie selbst sei auf dem Bild. Aber nein, es ist die unbekannte Schwester. Vielleicht hätte sie ihr ähnlich gesehen. Vielleicht wäre Annie die Liebe gewesen, wenn die andere ihr um Jahre voraus gewesen wäre und einen eigenen Kopf entwickelt hätte. So hat sie die Schwester überholt. Es gab keinen Vergleich. Annie musste sie selbst sein. Doch die Eltern schienen in der toten Schwester das Ideal zu sehen. Erst als Annie selbst schon ein gesetztes Alter erreicht hat, schreibt sie einen Brief an ihre Schwester, die sie nie gekannt hat.

Ein kleines Buch von 73 Seiten, ein langer Brief, das wurde hier zu einem besonderen Hörbuch vertont. Wenn Eltern etwas verschweigen, weiß man es ja nicht. Manchmal jedoch erfährt man es, wann und aus welchen Gründen auch immer. Und das verrückt vielleicht das ganze Bild, welches man von den Eltern hatte. Und es verrückt auch Annies Leben, für immer. Wenn man sich das vorstellt. Eine Schwester, die einige Jahre gelebt hat, mit der die Eltern ein inniges Verhältnis hatten. Und dann starb sie. Und Annie ist gar kein Einzelkind oder eine Art serielles Einzelkind. Was für ein Einschnitt. Über ihr ganzes Leben hinweg, versucht sie eine Beziehung zu der Schwester aufzubauen und sie besucht ihr Grab. Es wirkt, als hätte sie eine gewisse Sehnsucht gehabt, nach der Schwester, diese kennenzulernen. Sie hat etwas verloren, von die sie nicht wusste, dass sie es hätte haben können. Mit klaren und doch sanften Worten nähert sich Maren Kroymann den Gedanken und Gefühlen Annies für ihre unbekannte Schwester, die Annie versucht in einem Brief auszudrücken. Die Entscheidung, diesem Hörbuch den deutschen Hörbuchpreis 2024 für die beste Interpretin zu verleihen, lässt sich ausgesprochen gut nachvollziehen.

Veröffentlicht am 16.03.2024

Blutwissen

Das Schweigen des Wassers
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Im Jahr 1991 ist der Polizist Arno Groth aus Hamburg in seine Geburtsstadt in der ehemaligen DDR gezogen, um dort eine Stelle anzutreten. Eigentlich wäre er als Aufbauhelfer zu verstehen, doch wegen eines ...

Im Jahr 1991 ist der Polizist Arno Groth aus Hamburg in seine Geburtsstadt in der ehemaligen DDR gezogen, um dort eine Stelle anzutreten. Eigentlich wäre er als Aufbauhelfer zu verstehen, doch wegen eines Falles, in dem er falsche Schlüsse gezogen, ist sein Einsatz wohl eher endgültig. Eines Tages kommt ein Anwohner an Groths offenes Bürofenster und behauptet, er fühle sich verfolgt. Da der Mann etwas heruntergekommen aussieht, tut der Beamte die Sache ab. Doch nur wenig später wird der Mann tot im See gefunden. Wegen der Alkoholisierung wird die Sache als Unfall betrachtet. Jedoch hat Groth ein ungutes Gefühl.

So wie er sich damals im Westen zurechtfinden musste, muss sich Arno Groth nun auch im Osten zurechtfinden. Er kennt die alten Plätze noch, aber Menschen, die er von früher kennt, trifft er nur wenige. Wegen seiner Unachtsamkeit gegenüber der Anzeige des späteren Opfers, hat Groth ein schlechtes Gewissen. Unabhängig davon kann Groth wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs nicht an einen Zufall glauben. Als es dann auch noch hinweise auf einen alten Mordfall gibt, ist Groth umso mehr überzeugt, dass es hier noch mehr zu ermitteln gibt. Seine Kollegen, die nicht unbedingt begeistert sind über die westliche Aufbauhilfe, unterstützen Groth nur wenig.

Dieser ungewöhnliche Kriminalroman greift einen alten Fall auf, der eigentlich als abgeschlossen galt. Ausgehend von dem vermeintlichen Unfall im Jahr 1991 führen die Spuren zurück in die 1980er Jahre der DDR. Als Leser nimmt man Teil an einer Ermittlung, bei der sich ein beinahe Wessi und ein Ossi zusammenraufen, um an die Wahrheit zu kommen. Gleichzeitig begleitet man Arno Groth auf seinem Weg zurück in die alte Heimat, wie er sich erst fremd fühlt, dann nach und nach ankommt. Immer mehr durchschaut er die Vorgehensweisen damals in der DDR und eben auch kurz nach der Wende. Dabei muss er durchaus feststellen, dass es Intrigen auch im Westen geben kann. Gebannt verfolgt man die Suche nach der Wahrheit, bei der er unerwartete Hilfe erhält, immer unsicher, ob es nicht immer noch Personen gibt, die verhindern wollen, dass eben jene Wahrheit ans Licht kommt. Ein toller atmosphärischer Kriminalroman, der aus seiner ruhigen Erzählweise eine bemerkenswerte Spannung generiert. Diesen Roman kann man kaum aus der Hand legen, wenn man einmal mit der Lektüre begonnen hat.

Das Cover ist etwas abstrakt gestaltet. Durch die Farbgebung ist es sehr auffällig und sollte verlocken, das Buch zur Hand zu nehmen.

Veröffentlicht am 26.12.2023

Kurlaub

Die Insel der Tausend Leuchttürme
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So einfach ist es ja heutzutage nicht, eine Kur verschrieben zu bekommen. Doch Hildegunst von Mythenmetz schafft es, er darf seine Bücherstauballergie während eines Kuraufenthalts auf der Insel Eydernorn ...

So einfach ist es ja heutzutage nicht, eine Kur verschrieben zu bekommen. Doch Hildegunst von Mythenmetz schafft es, er darf seine Bücherstauballergie während eines Kuraufenthalts auf der Insel Eydernorn behandeln lassen. Gleich zwei Monate sind ihm gewährt worden. Schon auf der Überfahrt zur Insel ereignet sich ein außergewöhnlich starker Sturm, nachdem der Schiffsverkehr zum Festland bis auf Weiteres unterbrochen ist. Die Briefe, die Hildegunst mit seinem besten Freund Hachmed ben Kibitzer austauschen wollte, geraten deshalb etwas einseitig, weil es eben keine Gelegenheit gibt, sie abzuschicken. Unermüdlich jedoch berichtet Hildegunst von seinen Entdeckungen und Erlebnissen auf dieser Insel, deren Klima die Gesundheit über die Maßen fördert.

In diesem neuen Zamonien-Abenteuer bewegt sich der Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz aus seiner gewohnten Umgebung heraus. Als überzeugter Hypochonder können seine Wehwehchen eigentlich keine Besserung erfahren. Das erkennt auch der Kurarzt recht schnell. Hildegunst würde während der Kur also mit einigen Erfahrungen als quasi Kassenpatient rechnen müssen, wäre der Arzt nicht Fan seiner Bücher. Und so bekommt er das volle Programm bevorzugter und schneller Behandlung. Dabei wird seine Mehrwasserallergie entdeckt, die es eigentlich nicht geben darf. Denn gerade wegen der nicht vorhandenen Reizstoffe kommen die Patienten auf die Insel. Hildegunst ahnt nicht, dass er nicht nur deshalb in den Fokus einer geheimen Gesellschaft gerät.

Ein neuer Zamonien-Roman ist schon mal per se ein Kaufgrund. Aber eine Reisebeschreibung, Briefe, auf die es keine Antwort gibt? Hm, was ist das für ein Weihnachtsgeschenk? Nun ja, einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, wie die Mutter zu sagen pflegte. Und in diesem Fall liegt man damit goldrichtig. Diese Reisebeschreibung in Briefen entwickelt sich zu einem ausgesprochen spannenden Abenteuer. Es wird gewitzelt unter anderem über Hypochonder, man schmunzelt über die sympathisch knorrigen Inselgnome, man mag das Flöten der Hummdudel, man leidet mit unter den Anwendungen und man erfährt die immer lauter werdende Mahnung des „Es ist Fünf vor Zwölf“. Schließlich ist man so gefesselt, dass man sich innerhalb von zwei Tagen zu dem erschreckenden und fulminanten Finale vorgelesen hat. Das Geheimnis der Leuchttürme muss dabei jeder Leser oder jede Leserin selbst entschlüsseln.

Ein aufregender neuer Zamonien-Roman, der ein wenig wie eine Allegorie auf die heutige Welt wirkt. Mit einer wunderbar in die Reihe passenden Aufmachung und vielen Illustrationen, die einem die Vorstellung der Inselwelt sehr anschaulich erleichtern.