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Veröffentlicht am 11.01.2020

Oh mein Gott

GRM
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Aus verschiedenen Gründen gehören sie zu den Abgehängten und Abgeschobenen. Wenn die Sozialwohngebiete Londons oder Manchesters urbanisiert werden, gibt es nur noch die Elendssiedlungen in Rochdale. Dort ...

Aus verschiedenen Gründen gehören sie zu den Abgehängten und Abgeschobenen. Wenn die Sozialwohngebiete Londons oder Manchesters urbanisiert werden, gibt es nur noch die Elendssiedlungen in Rochdale. Dort landen die vier Kinder oder Jugendlichen Karen, Hanna, Peter und Don(atella). Im Grunde sind sie es, die die Familien oder Restfamilien durchbringen, da die Erwachsenen sich als unfähig erweisen. Nicht immer einfach ist diese Aufgabe und erschwert wird es noch, durch das unsägliche Verhalten anderer sogenannter Erwachsener, die allem Anschein nach nichts Besseres zu tun haben, als ihre vermeintliche Machtposition gegenüber den Schwächeren auszunutzen.

In solch einer Welt möchte man wirklich nicht leben, man fragt sich allerdings, ob sie nicht schon da ist. Es herrscht eine Art Device-Gläubigkeit. Die Gefühle verrohen oder sind nicht mehr vorhanden. Die Regierung manipuliert in das Leben seines Volkes hinein. Die Hoffnungen nach dem Brexit sind enttäuscht. Es gab keine schöne neue Welt mit englischen Engländern in einem englischen Land. Die meisten Ausländer haben eh einen britischen Paß oder sind aus anderen Gründen noch da. Die Trennung zwischen Arm und Reich wird immer strenger. Die Armen werden immer weiter von Leistungen des Staates ausgegrenzt. Und nur wenige unter anderem unsere Vier versuchen, sich dem System entgegen zu stellen.

Puh, was für eine Tour de Force ist die Lektüre dieses Buches. Und man kann sich nicht damit herausreden, dass die Handlung in England angesiedelt ist. Die Schreihälse gewinnen nicht nur dort gegen alle Vernunft, auch hier bestehen die Tendenzen. Die Netzgesteuerten verschaffen die Macht und die, die aufgegeben haben fügen sich einfach in die Situation. Die Mächtigen entblöden sich nicht, nur nach ihrem eigenen Vorteil zu schielen. Nur mit Zähneknirschen ist das zu ertragen. Wo sind denn die halbwegs normalen Menschen, die zwar der Technik gegenüber nicht verschlossen, aber doch ihren Mitmenschen Empathie entgegen bringen. Mit einigen ausgesprochen geschickten Kniffen schafft es die Autorin, ihre Utopie rund zu machen. Dieser Roman verlangt einem einiges ab, ist aber jede Zeile wert.

Veröffentlicht am 08.01.2020

Sommerhütte

Wisting und der fensterlose Raum
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Der Politiker Bernhard Clausen ist einem Herzleiden erlegen. Beim Sichten seiner Unterlagen macht ein Parteifreund eine unerwartete Entdeckung. Kommissar Wisting wird danach mit der Bildung einer Sonderkommission ...

Der Politiker Bernhard Clausen ist einem Herzleiden erlegen. Beim Sichten seiner Unterlagen macht ein Parteifreund eine unerwartete Entdeckung. Kommissar Wisting wird danach mit der Bildung einer Sonderkommission betraut. Er und seine Kollegen sollen herausfinden, wie die Summe von 80 Millionen Kronen in den Besitz des Politikers kommen konnte. Spuren gibt es wenige und der Tod Clausens hatte eindeutig natürliche Ursachen. Wisting zieht auch seine Tochter Line hinzu. Die Journalistin bekommt vielleicht unbefangenere Antworten als er. Als Wisting alte Fallakten hinzuziehen will, sind diese schon bei seinem alten Bekannten Adrian Stiller von der Abteilung Cold Cases.

Zum zweiten Mal ermitteln Wisting und Line in Zusammenarbeit mit der Abteilung für ungelöste Fälle. Die Suche nach der Herkunft des Geldes führt letztlich zu gleich zwei alten Fällen, wobei allerdings nicht sofort ein Zusammenhang ausgemacht werden kann. Da die Ermittlungen der Öffentlichkeit nicht bekannt werden sollen, hat Wisting die Möglichkeit seine Sonderkommission in seinem Haus zu installieren. Das kommt auch seiner Rolle als Teilzeit Opa für seine kleine Enkelin Amalie zupass. So hat Line die Möglichkeit tiefer in die Nachforschungen einzusteigen. Sie trifft sich mit Stiller, um Informationen auszutauschen. Dieser wird bald misstrauisch. Weiß Line etwa mehr als er?

Gerade die Ermittlungen zum Ursprung des Geldes sind ausgesprochen einfallsreich und überraschend. Auch zu erfahren, wie die die verschiedenen Fäden verstrickt sind, fesselt ungemein. Zwar hatte wäre auch vorstellbar, das Stiller ein größerer Anteil hätte zugestanden werden können und das Ende wird dann etwas plötzlich erreicht. Das hindert einen jedoch nicht, sich in die Lektüre zu vertiefen und diesen packenden Kriminalroman in fast einem Rutsch zu verschlingen. Jørn Lier Horst ist einer, der sein Handwerk versteht und sein Publikum immer mit packenden Lektüren verwöhnt.

Veröffentlicht am 20.12.2019

Britannia Club

Tod eines Gentleman
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Im Jahr 1924 arbeitet Eric Peterkin als Lektor für Kriminalromane. Fürs Lesen der Manuskripte ist seine Mitgliedschaft im altehrwürdigen Britannia Club sehr nützlich. Seit Gründung des Clubs gab es immer ...

Im Jahr 1924 arbeitet Eric Peterkin als Lektor für Kriminalromane. Fürs Lesen der Manuskripte ist seine Mitgliedschaft im altehrwürdigen Britannia Club sehr nützlich. Seit Gründung des Clubs gab es immer einen Peterkin unter den Mitgliedern. Seit kurzem hat der Club ein neues Mitglied. Albert Benson war zwar nicht bei der kämpfenden Truppe, doch als Sanitäter hat auch er genügend Erlebnisse an der Front. Benson hat eine Mission, die ihm große Sorge bereitet. Während seiner Zeit im Hospital verschwand eine junge Krankenschwester und er hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Tod aufzuklären. Hinweise auf die Vorgänge hat er bereits und am nächsten Morgen ist er tot.

Bei der Verschwundenen handelte es sich um eine voll ausgebildete Krankenschwester chinesischer Herkunft. Peterkins verstorbene Mutter war ebenfalls Chinesin und so sieht es Eric als seine Aufgabe, sowohl das Verschwinden der jungen Frau als auch den Tod von Benson aufzuklären. Als Lektor von Kriminalromanen sieht er sich bestens gerüstet. Feststellen muss er allerdings, dass die Untersuchung doch nicht so einfach ist. Der Ursprung der Vorfälle liegt wohl tatsächlich im Verschwinden der jungen Frau. Wenn sich jedoch fast alle der Beteiligten kennen, wird es schwierig den Täter auszumachen.

Angesiedelt in den wilden 1920ern zeigt dieser Kriminalroman doch ein etwas anderes Bild dieser Zeit. Sein Protagonist der Halbengländer mit einer chinesischen Mutter Eric Peterkin hat seine Teilnahme am ersten Weltkrieg zwar überlebt, aber noch längst nicht überwunden. Und er ist nicht der Einzige, dem es so geht. So könnte man meinen, der Club ist nicht nur einer von Kriegsteilnehmern, sondern auch einer der Überlebenden. Natürlich gibt es auch hier leichte und frivole Momente, immer lauert allerdings die Erinnerung. Könnte eine solche Erinnerung auch zum Tod des Albert Benson geführt haben? Mit genauesten Beobachtungen versucht Peterkin besser zu sein als der Inspector Parker. Ein Weilchen braucht man, um von der schnelllebigen heutigen Zeit in die 1920er Jahre zu gelangen. Dort ging es ruhiger und langsamer zu. So bedurfte es zum Auffinden von Informationen schon eines Ganges zum Zeitungsarchiv. Telefone, Autos, Elektrizität erfuhren ihre Verbreitung. Und was heute nur einen Click entfernt ist, musste damals Schritt für Schritt ermittelt werden. Hinzu kommt die Allgegenwart der Kriegstraumata, die viele noch nicht überwunden hatten. Und so scheinen die Zwanziger zwar leicht, aber auch nicht. Klug hat der Autor dabei die Handlung aufgebaut. Jeder Hinweis führt zu einem neuen Rätsel. Auch wenn in der damaligen Kriminalliteratur nach Meinung Peterkins immer ein Chinese der Bösewicht ist, muss man sich hier vielleicht überraschen lassen, ob der Autor diese Meinung teilt.

Veröffentlicht am 17.12.2019

Das Erbe

Legal Love – An deiner Seite
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Für Nora war Will Paget der beste Ziehvater, den sie sich vorstellen konnte. Er war ein Jurist alter Schule und ein Vorbild für Nora, die auch Anwältin geworden ist. Doch nun ist Will verstorben und sein ...

Für Nora war Will Paget der beste Ziehvater, den sie sich vorstellen konnte. Er war ein Jurist alter Schule und ein Vorbild für Nora, die auch Anwältin geworden ist. Doch nun ist Will verstorben und sein Enkel Dave soll die renommierte Kanzlei übernehmen. David Paget lebte lange in Australien und er ist zurückgekehrt, um sein Erbe anzutreten. Er wird einigen frischen Wind bringen. Ob das aber zum Besten der Firma sein wird? Nora ist sich da nicht sicher. Sie wird Wills Andenken in Ehren halten, koste es, was es wolle. Allerdings ist David Paget ein versierter Anwalt und er sieht auch noch gut aus.

Da sind Reibereien jedweder Art vorprogrammiert. Zwei Dickköpfe treffen aufeinander und die Funken sprühen. Eigentlich wollen sie Privates und Berufliches auseinander halten. Das funktioniert aber vielleicht mal fünf Minuten. Immer wieder kommt es zu hitzigen Diskussionen, um die Zukunft der Kanzlei. Und auch darum, das Wills Erbe erhalten bleiben soll. Nora ist nicht sicher, ob Davids Pläne das richtige für die Firma sind. Und doch kann sie sich seiner Anziehungskraft nicht entziehen. Ein gutes Arbeitsteam sind Nora und David und das Weitere….

Auch wenn die Geschichte von Nora Collins und David Paget eher leichte Unterhaltung bietet, kann man sich ihrem Charme kaum entziehen. Die englische Spitzenanwältin und der australische Erbe, natürlich ist klar, worauf es hinausläuft. Der Weg dorthin ist jedoch ansprechend und wunderbar herzig verpackt, so das man jede Wendung gerne verfolgt und neben den schnell gefundenen Lieblingen auch ein paar Unsympathlinge findet, die zusätzlich für einige Spannungsmomente sorgen. Diese Lovestory mag man gerne im Bücherregal begrüßen, Lektüre, die gute Laune macht.

  • Einzelne Kategorien
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Veröffentlicht am 27.09.2019

Kriegsreporterin

Liebe Mrs. Bird
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London leidet im Jahr 1940 sehr unter den Luftangriffen der Nazis. Doch die Bevölkerung trotzt der Gefahr. Die Freundinnen Emmeline und Marigold (Emmy und Bunty) helfen tatkräftig, um die Kriegsfolgen ...

London leidet im Jahr 1940 sehr unter den Luftangriffen der Nazis. Doch die Bevölkerung trotzt der Gefahr. Die Freundinnen Emmeline und Marigold (Emmy und Bunty) helfen tatkräftig, um die Kriegsfolgen zu lindern. Emmys großer Traum ist es, Kriegsreporterin zu werden. Als sie eine Stellenanzeige eines renommierten Verlagshauses sieht, bewirbt sie sich sofort und bekommt die Stelle. Erst als mit der Arbeit beginnt, merkt Emmy, dass sie Hilfskraft für die Seite mit den guten Ratschlägen (Dear Mrs. Bird) einer Frauenzeitschrift geworden ist. Nun, daraus muss man eben das Beste machen. Und die Frauen, die mit ihren Sorgen und Nöten an die Zeitschrift schreiben, verdienen eine mitfühlende Antwort.

Mrs. Bird findet allerdings die meisten Themen inakzeptabel und so ist es Emmy, die ohne Erlaubnis beginnt, einige Briefe zu beantworten. Emmy und Bunty sind junge Frauen, die in einer schlimmen Zeit versuchen, nicht den Mut zu verlieren. Manchmal ignorieren sie die Bombardierungen einfach. Es wird sie schon nicht treffen. Meist jedoch helfen sie zum Beispiel als Telefonistinnen bei der Feuerwehr. Die Freundinnen sind verlobt. Buntys Bill ist Feuerwehrmann und Emmy Edmund ist Soldat. Trotz der vielen Gefahren, die drohen können, sind die beiden Freundinnen weitgehend glücklich. Einen ersten Wermutstropfen gibt es als Edmund mit einer anderen durchbrennt.

Nicht aufgeben, das Beste draus machen, das beschreibt so in etwa die Stimmung in diesem Roman. Auch in übelsten Zeiten gibt es Momente, in denen ein wenig Glück zu erhaschen ist. Frauen wie Emmy und Bunty scheinen so vielen Rückhalt zu geben. Eigentlich werden sie viel zu selbstverständlich genommen. Nur selten erhalten sie Lob und doch machen sie weiter. Und auch sie sind vor Schicksalsschlägen nicht gefeit. Auch wenn die Kämpfer für die Freiheit im Feld einen wichtigen Beitrag leisten, so sollen doch die im Hintergrund wirken und mitunter eben dieses Rückgrat bilden nicht vergessen werden. Und ihnen gilt dieser Roman mit zwei ganz tapferen Heldinnen, die im Gedächtnis bleiben. Mit leichter Hand wird hier ein ernstes Thema intelligent dargebracht.