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Veröffentlicht am 31.03.2017

Flynns Wahrheit

Das Buch der Spiegel
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Der Literaturagent Peter Katz wird sehr neugierig als der Autor Richard Flynn ihm ein Exposé und die ersten Seiten eines Romans zukommen lässt. Darin geht es um einen Mord, der vor langen Jahren begangen ...

Der Literaturagent Peter Katz wird sehr neugierig als der Autor Richard Flynn ihm ein Exposé und die ersten Seiten eines Romans zukommen lässt. Darin geht es um einen Mord, der vor langen Jahren begangen wurde und in den Flynn verwickelt war. Bevor Katz jedoch mehr erfahren kann verstirbt Flynn an einer schweren Krankheit. Katz kann jedoch nicht von der Sache lassen und will nun selbst herausfinden, was Richard in seinem Manuskript zu sagen hatte. Die Suche nach der Wahrheit gestaltet jedoch völlig anders als erwartet.

Die Ereignisse aus der Sicht verschiedener Personen, x-mal das Gleiche lesen? Man könnte befürchten, dass es da zu Längen kommen kann oder gar muss. Doch weit gefehlt, zum Glück. Bei der Wahrheit aus verschiedenen Blickwinkeln kommen recht unterschiedliche Wahrheiten heraus, die sich überschneiden oder ergänzen und manchmal auch ähneln, die aber nie völlig gleich sind. Und das macht einen besonderen Reiz aus. Wie bei der Häutung einer Zwiebel entblättert sich nach und nach ein Gesamtbild, das irgendwie immer noch Rätsel aufgibt. Nicht alles wird komplett geklärt. Jede Wahrheit ist sehr von der Sicht auf die Wirklichkeit der Person geprägt, deren Gedanken gerade im Mittelpunkt stehen. Immer tiefer dringt der Autor in die verschiedenen Schichten vor und wirft dabei immer neue Fragen auf. Wahrhaft angefixt bleibt man an dem Roman kleben. Wenn man als passionierter Leser von Kriminalromanen vielleicht auch gerne eine komplette Aufklärung wünschte, so ist man doch fasziniert von dem geschickten Aufbau der Story, die hinter jeder Ecke eine neue Spur vermuten lässt.

Hervorragend ist hierbei auch die Produktion des Hörbuches, bei dem die unterschiedlichen Teile von unterschiedlichen Lesern vorgetragen werden. Diese wurden ausgesprochen passend für ihre Parts ausgesucht und malen mit ihren Stimmen ein lebendiges Bild der Szenerie. Ein sehr gelungenes Hörbuch für einen sehr gelungenen Roman.

Veröffentlicht am 27.03.2017

Die Liste

Ragdoll - Dein letzter Tag (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 1)
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Detective William Fawkes wird zu einem Leichenfund gerufen, wer kaum zu ertragen ist. Was zunächst wie eine Leiche, die erhängt wurde, entpuppt als eine Art zusammengestückeltes Etwas, das an Schauderhaftigkeit ...

Detective William Fawkes wird zu einem Leichenfund gerufen, wer kaum zu ertragen ist. Was zunächst wie eine Leiche, die erhängt wurde, entpuppt als eine Art zusammengestückeltes Etwas, das an Schauderhaftigkeit kaum zu überbieten ist. Sechs Menschen wurden ermordet, um dieses Gebilde zu schaffen. Und wieso blickt das Fenster in Fawkes’ Wohnung genau auf diesen Fundort? Fieberhaft beginnt die Polizei mit ihren Nachforschungen.Die Opfer sind unbekannt und es scheint keine Verbindung zwischen ihnen zu geben. Als ob das nicht schon schlimm genug ist, taucht auch noch eine Liste auf, mit der weitere Todesfälle angekündigt werden. Und nun beginnt ein Wettlauf mit der Zeit zur Rettung der Menschen, deren Name auf dieser Liste steht.

Welch ein Szenario, schlimmer kann es kaum kommen, sechs unbekannte Tode und sechs Namen auf einer Liste, die sich vermutlich in größter Gefahr befinden. Die ermittelnden Beamten gönnen sich keine Ruhe und setzen ihre privaten Beziehungen aufs Spiel. Hintergründig sind teilweise auch die Beziehungen unter den Polizisten. So ist der leitende Ermittler William Fawkes aus einer Suspendierung zurückgekehrt. Er war in psychiatrischer Behandlung und es ist ungewiss, wie gut er die Erkrankung überstanden hat. Und auch scheinen die Kollegen nicht immer optimal zusammen zu arbeiten.

Mit seinem Erstlingswerk ist dem Autor ein ausgesprochen spannender Thriller gelungen, der einige sehr grausame Szenen aufweist. Ein besonderes Augenmerk wird zusätzlich auf die akribische Ermittlungstätigkeit gelegt, die das Buch sehr spannend macht. Doch manchmal sind die Szenenwechsel etwas abrupt, so dass man einen Moment innehalten muss, um sich kurz noch einmal zu orientieren. Die Namensgebung des leitenden Ermittler als William Oliver Layton-Fawkes kurz Wolf weist zwar zum einen einen gewissen Witz auf, zum anderen ist es aber nicht ganz leicht sich die verschiedenen Versionen seines Namens zu merken und diesen dann auch noch von dem Kollegen Finley zu unterscheiden. Und so ist es manchmal wirklich schwierig am Ball zu bleiben. Weiterhin ist die Handlung hin und wieder wie eine Tour de Force, mit der man sich anfreunden muss. Nicht jedem wird es gelingen. Es kann wohl sein, dass die Zumutung etwas groß gerät. Wieso nach diesem Start noch weitere Bände um Fawkes folgen sollen, bleibt unklar. Leider vermochte dieser zwar mit einer ausgesprochen fiesen und verwickelnden Geschichte punktende Thriller nicht völlig zu überzeugen.
2,5 Sterne

Veröffentlicht am 25.03.2017

Das Trauma unserer Zeit

Die Zeit der Ruhelosen
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Nach seinem Afghanistan-Einsatz soll der Soldat Romain Roller ein paar Tage auf Zypern entspannen. Ein Debriefing sozusagen, eine Verarbeitung. Dies allerdings erweist sich als unmöglich, denn Roller hat ...

Nach seinem Afghanistan-Einsatz soll der Soldat Romain Roller ein paar Tage auf Zypern entspannen. Ein Debriefing sozusagen, eine Verarbeitung. Dies allerdings erweist sich als unmöglich, denn Roller hat nur knapp überlebt während seine Kameraden schwer verletzt wurden oder starben. Wenn man sich schuldig fühlt, kann das Überleben zur Qual werden. Einzig das Zusammentreffen mit einer Journalistin, die er gerade kennengelernt hat, scheint ihm etwas Frieden bringen zu können. Die junge Frau ist jedoch mit einem bekannten französischen Manager liiert. Als dieser durch eine grobe Unachtsamkeit in Schwierigkeiten gerät, erhält er unerwartet Hilfe durch einen politischen Aufsteiger, der seinerseits zumindest zeitweilig die Gunst verloren zu haben scheint.

Journalisten, Krieger, Manager, Politiker - aus diesen Fäden webt die Autorin Karine Tuil ein dichtes Netz. Jeder scheint seinen eigenen Krieg zu führen, der mit rohen und aufwühlenden Worten geschildert wird. Es zeichnet sich ein Bild unserer Zeit, von Haltlosigkeit, Unruhe, Leere gekennzeichnet. Aufstieg und Abstieg sind in Null Komma Nichts möglich. Man wähnt sich sicher, sollte glücklich sein und ist doch nicht zufrieden. Man glaubt, die Gesellschaft stoße einen fort, und muss doch erkennen, dass sich die Meinung eben der Gesellschaft mitunter schneller ändert als der Wind wechselt. Eine heutige Welt, in der man weder sich selbst noch das Gefüge verstehen kann. Machtspiele geben sich den Anschein wichtiger zu sein als alles andere. Die Hauptpersonen sind mit sich selbst nicht im Reinen und die Umgebung sei es persönlich oder beruflich verschlimmert die Lage eher. Echte Hilfe scheint es nicht zu geben, echte Verarbeitung oder Selbsterkenntnis ebenfalls nicht. Wie Blättchen im Wind verändern sich die Situationen, beeinflusst von außen, kaum durch innere Stärke gesteuert.

Dieser Roman zeichnet ein schwer verdauliches Bild unserer Zeit, traumatisierte Soldaten, selbstgefällige Unternehmer, wetterwendische Politiker, getriebene Journalisten. Starker Tobak, Rauch, an dem man sich wahrlich verschlucken kann. Ein Buch, das erschöpft und nachdenklich macht, das wenig Hoffnung lässt und den Leser mit ausgesprochen harten Szenen konfrontiert. Ein Buch, in dem ein Spiegel vorgehalten wird, dessen Bild sicher nicht jedem gefallen wird. Ein Bild, dessen Veränderung sicher in der Hand eines jeden selbst liegt.

Veröffentlicht am 19.03.2017

The Pain has Gone

Nach dem Schmerz
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Heute ist Hannah Gold eine bekannte Cellistin. Kurz vor dem Zusammenbruch der DDR war sie als Tochter eines hohen politischen Beamten in einer besonderen Situation. Im Jahr 1989 wurde ihre Kindheit jäh ...

Heute ist Hannah Gold eine bekannte Cellistin. Kurz vor dem Zusammenbruch der DDR war sie als Tochter eines hohen politischen Beamten in einer besonderen Situation. Im Jahr 1989 wurde ihre Kindheit jäh beendet. Ihr Vater geriet in die Fänge des Geheimdienstes und um ihm seine Geheimnisse zu entlocken, wurde die damals 7jährige Hannah vor seinen Augen gefoltert. Seit damals nimmt Hannahs Fähigkeit, körperliche Schmerzen zu empfinden, immer mehr ab. 27 Jahre nach dem schrecklichen Ereignis taucht der totgeglaubte Vater plötzlich wieder in Berlin auf. Der abgehalfterte Journalist David Berkoff ist seit Jahren hinter einer bestimmten Story her. Ist jetzt seine Chance gekommen?

Wenn man eigentlich glaubt, man habe mit der Vergangenheit abgeschlossen, rechnet man keinesfalls damit, dass sie eines Tages vor der Haustür steht bzw. ein Konzert aufsucht. Doch genau das geschieht in Hannahs Leben. Völlig unerwartet besucht ihr totgeglaubter Vater eine ihrer Aufführungen. Nur wiederwillig trifft sich Hannah mit ihrem Vater. Sie will wissen, was damals wirklich geschah. Offensichtlich will auch ihr Vater etwas von ihr wissen. Doch für Hannah fühlt es sich so an als stünde ein Fremder vor ihr. Sie kann sich nicht überwinden, mit ihrem Vater zu sprechen. Just als sie beginnt ihren Entschluss zu hinterfragen, wird ihr Vater bei einem Anschlag getötet.

Eine Tochter auf der Suche nach der Wahrheit, ein Journalist auf der Suche nach der Wahrheit. Doch haben die beiden das selbe Ziel? Zunächst scheinen sie sich ergänzen zu können, doch jeder scheint auch ein eigenes Spiel zu spielen. Und mehr als nur ein Geheimdienst macht sich auf die Spur der Wahrheit. Werden Berkoff und Hannah Gold von den verschiedenen Diensten ausgenutzt und gegeneinander ausgespielt? Und schließlich ist es mit der Wahrheit wie mit den Geistern, die man rief und die man dann nicht mehr los wird? Äußerst spannend entwickelt sich die Jagd nach der Wahrheit. Berkoff muss dabei einiges mit seinem Gewissen ausmachen, schließlich sollte für die Story vielleicht doch nicht absolut jedes Mittel recht sein. Was aber, wenn man sich mit allen überworfen hat, die einem Arbeit verschaffen könnten. Und Hannah hat nach ihren schweren Erlebnissen eine besondere Persönlichkeit entwickelt. Schwer vorstellbar, keinen Schmerz empfinden zu können. Was im ersten Moment eine Erleichterung sein könnte, wird bald zu einer Unfähigkeit und einer Belastung. Schließlich sorgt ein Schmerz ja auch dafür, innezuhalten und einer Gefahr auszuweichen. Mit seinem Debütroman hat der Autor zwei ungewöhnliche Personen zu einem unfreiwilligen Team zusammengefügt, bei dem man sich fragt, ob und wie lange es funktioniert. Gepackt geht man dieser Frage nach und auch der Frage nach der Wahrheit.

Ein fesselnder Thriller, der sehr deutlich macht, dass die Vergangenheit viel länger wirken kann als einem mitunter lieb ist.

Veröffentlicht am 18.03.2017

Schauspielerei

Der König der Komödianten
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Der junge Marco ist tief betrübt als sein Ziehvater stirbt. Auf dem Landgut hat er es gut gehabt und er hätte sich hier noch eine glückliche Jugend erträumt. Doch Marco ist noch nicht volljährig und für ...

Der junge Marco ist tief betrübt als sein Ziehvater stirbt. Auf dem Landgut hat er es gut gehabt und er hätte sich hier noch eine glückliche Jugend erträumt. Doch Marco ist noch nicht volljährig und für den Fall des Falles hat Vittore den Prior und einen Advokaten als gemeinsamen Vollmund bestimmt. Und nun wird Marco ins Kloster gebracht, dort gefällt es ihm nicht so gut. Zusammen mit dem alten Vittore wollte er immer in die Stadt, es ist jedoch nicht mehr so weit gekommen. Jetzt steht auch noch zu befürchten, dass sich jemand sein Erbe unter den Nagel reißen will. Marco flieht aus dem Kloster und gerät an eine fahrende Schauspielertruppe, mit der er nach Padua gelangt.

Welch eine neue Welt, vom Land in die Stadt, vom Kloster ins Theater. So viele Eindrücke stürzen auf Marco ein. Er kann sich garnicht sattsehen oder fühlen. Der alte Intendant ist manchmal nicht mehr ganz Herr seiner Gedanken, aber er reimt begnadet aus dem Stehgreif und seine gewitzte Bauernschläue lässt ihn auch aus unangenehmen Situationen herauskommen. Auch wenn es so scheint als müsse man auf den Alten aufpassen, wird er doch eine Art väterlicher Freund für Marco. Seine Enkelin Elena entgeht Marcos Blicken beinahe, sie wirkt noch sehr jung. Catrina dagegen, die rassige Schöne, hat es Marco angetan.

Ein wenig vermischt sich die Handlung des Romans mit dem Schauspiel auf der Bühne. Das Theaterleben um 1594, das Schicksal des jungen Marco, das manchmal einem Stück zu gleichen scheint. Heiter wirkt dieser Roman durch die wohlgewählten Worte, die ihm diese Stimmung verleihen. Zwar gibt es auch ernste Momente, doch eher wird eine Komödie gegeben denn eine Tragödie. Und das ist ausgesprochen erfreulich, denn möchte man dem Alltag entfliehen und für ein paar Lesestunden ins Padua und Venedig des 16, Jahrhunderts eintauchen und etwas über die Commedia dell` Arte lernen, ist dieser Roman gerade das Richtige. Mit schönen Anspielungen auf den anscheinend damals auch schon über die Grenzen seines Landes hinaus bekannten Shakespeare, so dass man bei vielen Sätzen rätseln kann, auf welches Stück Bezug genommen wird.

3,5 Sterne