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Veröffentlicht am 15.10.2024

Manchmal schwer zu ertragen

So gehn wir denn hinab
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Es gibt viele Bücher über die Sklaverei in den USA, allerdings wurde die Mehrzahl von Männern geschrieben. Nun hat mit Jesmyn Ward eine Frau dieses Thema aufgegriffen und ein ganz außerordentliches Buch ...

Es gibt viele Bücher über die Sklaverei in den USA, allerdings wurde die Mehrzahl von Männern geschrieben. Nun hat mit Jesmyn Ward eine Frau dieses Thema aufgegriffen und ein ganz außerordentliches Buch geschrieben.

Die junge Annis wächst als Tochter einer Schwarzen und ihres weißen "Sir" auf einer Farm in den Südstaaten auf, vermutlich ist sie die Frucht einer Vergewaltigung. Als ihre Mutter verkauft wird, bleibt sie allein zurück und muss sich gemeinsam mit ihrer besten Freundin Safi irgendwie durchschlagen. Doch dann werden auch die beiden Mädchen verkauft und gehen auf einen langen und gefährlichen Treck nach New Orleans. Safi gelingt es zu fliehen, Annis hört nie wieder von ihr. Sie selbst wird an eine "Lady" verkauft, die als sehr brutal bekannt ist, und muss viel erleiden. Doch dann versucht auch sie die Flucht.

Das Buch ist in einer sehr berührenden und zärtlichen Sprache geschrieben, ein sprachliches Meisterwerk! Manchmal ist es schwer zu ertragen, denn die Brutalität der Weißen ist furchtbar und ohne jegliche Empathie. Die Sklaven werden schlechter behandelt als das Vieh, sie sind jederzeit ersetzbar und man kann seine schlimmsten Triebe an ihnen ausleben. Da musste ich manchmal eine Pause einlegen, bevor ich weiterlesen konnte.

Annis flieht in den ganz besonders schlimmen Zeiten zu den Geistern ihrer Vorfahrinnen, doch auch sie lassen sie manchmal im Stich. Diese Teile des Buches waren mir manchmal zu stark betont und zu fremd, sonst hätte das Buch sicherlich die volle Punktzahl erhalten.

Trotzdem bin ich froh, dass ich durchgehalten habe, denn die Qualität des Buches ist unbestreitbar sehr hoch.

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Veröffentlicht am 15.10.2024

Spannend, aber brutal

Wintersonnenwende (Wolf und Berg ermitteln 2)
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Nach "Sommersonnenwende" geht es mit dem Ermittler Tomas Wolf weiter und auch die Journalistin Vera Berg taucht wieder auf und mischt sich in den seltsamen Fall ein.
Eine junge Prostituierte, die sich ...

Nach "Sommersonnenwende" geht es mit dem Ermittler Tomas Wolf weiter und auch die Journalistin Vera Berg taucht wieder auf und mischt sich in den seltsamen Fall ein.
Eine junge Prostituierte, die sich Lucy nennt, rennt in der eiskalten Silvesternacht schreiend und nackt aus dem Bordell, in dem sie arbeitet, in ihrem Zimmer liegt ein erschossener Freier. Bald geschieht ein zweiter Mord, der mit dem ersten zusammenzuhängen scheint. Die Spur von Lucy verliert sich, aber ihre Freundin Nikita macht die Ermittler auf die "Straße der Schande" an der deutsch-tschechischen Grenze aufmerksam, wo die Ärmsten der Armen auf den Strich gehen. Wolf reist nach Tschechien...
Wenn man das Buch liest, dann ist man einfach nur fassungslos. Was Männer Frauen antun, das ist auch hier einmal mehr unglaublich. Das Milieu der Prostitution ist knallhart, ein Menschenleben und besonders ein Frauenleben zählt nicht. Hauptsache, das Geld stimmt.
Mich hat das Buch, das insgesamt sehr spannend ist, wütend und betroffen gemacht, da trat die eigentliche Geschichte in den Hintergrund.
Man darf bei diesem Buch wirklich nicht zart besaitet sein!

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Veröffentlicht am 09.10.2024

Gut gealtert

Kaltblütig
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"Kaltblütig" habe ich als Jugendliche vor über 50 Jahren gelesen. Ich weiß noch, dass das Buch mich damals erschreckt und beeindruckt hat, allerdings war mir viel von der Handlung entfallen.

Nun liegt ...

"Kaltblütig" habe ich als Jugendliche vor über 50 Jahren gelesen. Ich weiß noch, dass das Buch mich damals erschreckt und beeindruckt hat, allerdings war mir viel von der Handlung entfallen.

Nun liegt das Buch in einer neuen Übersetzung vor und ich habe es noch einmal gelesen. Es ist wirklich gut gealtert! Noch immer fasziniert die akribische Recherche Capotes, der alles über die ermordete Familie Clutter und ihre beiden Mörder wissen will. Akribisch beschreibt er die letzten Stunden der Familienmitglieder, akribisch dokumentiert er die Vorgeschichte der beiden Mörder und akribisch erzählt er die Geschichte des Prozesses bis zum bitteren Ende und dem Tod der beiden Täter am Strang. Eine solche Erzählweise war damals aufregend und neu, denn wir waren mit den etwas betulichen Krimis von Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle aufgewachsen. Hier dagegen stießen wir auf die grausame und unbeschönigte Realität. Da wird nichts ausgespart, auch nicht die Vergewaltigungsfantasien, die einen der Mörder umtreiben, oder die kaltblütige Gewalt, mit der sie die Morde begehen.

Capote ist auch im Nachhinein noch immer ein Meister seines Fachs und noch immer sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 05.10.2024

Ganz schön mutig!

Zwischen zwei Welten
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Norbert Nachtweih setzt sich in Istanbul in ein Taxi, fährt zur westdeutschen Botschaft und erklärt, dass er nicht in die DDR zurückkehren will. Als Fußballer war er zu einem Auslandsspiel in die Türkei ...

Norbert Nachtweih setzt sich in Istanbul in ein Taxi, fährt zur westdeutschen Botschaft und erklärt, dass er nicht in die DDR zurückkehren will. Als Fußballer war er zu einem Auslandsspiel in die Türkei gefahren, nun nutzt er die Gelegenheit zur Flucht, zusammen mit seinem besten Freund. Im Westen erwartet ihn eine große Fußballerkarriere, u.a. in Frankfurt, München und Cannes. Nur in der Nationalmannschaft darf er nicht mitspielen. Er genießt das Leben im Westen in vollen Zügen, ist seiner Frau nicht immer treu, fährt schicke Autos und wird wohlhabend. Seine ganze Familie bleibt in der DDR zurück und Norbert unterstützt sie, wo er nur kann. Erst nach der Öffnung der Mauer sehen sich alle wieder.

Das Buch ist sehr authentisch geschrieben, mit kurzen Sätzen und so, wie man sich ein Fußballerbuch vorstellt. Man kann nachvollziehen, warum Nachtweih die DDR hinter sich lässt und auch, warum er lange zögert seine Stasiakte zu lesen. Er hatte im Westen ein gutes Leben, wollte eigentlich nur Fußball spielen und sich keine politischen Gedanken machen.

Das Buch ist interessant zu lesen und besonders für Fußballfans lesenswert.

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Veröffentlicht am 02.10.2024

Auf den Spuren Capotes

Truboy
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Zum 100. Geburtstag von Truman Capote erschien dieses Buch von Anuschka Roshani, in dem sie sich auf Spurensuche nach dem verschollenen Romanmanuskript seines Gesellschaftsromans "Erhörte Gebete" begibt. ...

Zum 100. Geburtstag von Truman Capote erschien dieses Buch von Anuschka Roshani, in dem sie sich auf Spurensuche nach dem verschollenen Romanmanuskript seines Gesellschaftsromans "Erhörte Gebete" begibt. Von dem Buch erschienen einige Kapitel in einer Zeitschrift, eines davon erregte großes Aufsehen in der New Yorker Society und führte zum Bruch Capotes mit einigen reichen Familien wie den Vanderbilts. Es ist aber nie geklärt worden, ob er das Buch überhaupt vollendet hat.

Roshani trifft ehemalige Freunde Capotes, seine Ziehtochter und andere Menschen, diee ihm nahestanden. Dabei erweckt sie Capote, der schon mit 59 Jahren an Alkohol und Tabletten starb, wieder zum Leben. Man erfährt viel über seine schwierige Kindheit, seine ersten Schreibversuche, seine niemals versteckte Homosexualität, seine Freude am großen Auftritt und seine Treue zu seinen Freunden, die er niemals im Stich ließ. Trotz allem hatte ich den Eindruck, dass er für die New Yorker Haute Volée eher so etwas wie ein Hofnarr war, dessen Späßen sie gern beiwohnten, den sie aber nicht ganz für voll nahmen.

Leider ist die Suche nach dem verschwundenen Manuskript erfolglos, aber man kommt Capote sehr nahe und erhält einen ganz neuen Zugang zu seinen Werken. Sie sind noch immer so frisch wie vor fünfzig oder sechzig Jahren und immer wieder lesenswert, auch weil sie ein Spiegel ihrer Zeit sind.

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