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Veröffentlicht am 31.03.2022

Schon jetzt ein Jahreshighlight

Eine Frage der Chemie
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1961 in Commons, Kalifornien. Die 30jährige alleinerziehende Elizabeth Zott steht wie jeden Morgen früh auf, um ihrer 5jährigen Tochter Madeline eine nahrhafte Lunchbox samt guten Ratschlägen ...

1961 in Commons, Kalifornien. Die 30jährige alleinerziehende Elizabeth Zott steht wie jeden Morgen früh auf, um ihrer 5jährigen Tochter Madeline eine nahrhafte Lunchbox samt guten Ratschlägen zu packen. "Kraftstoff fürs Gehirn", steht auf einem Zettel, und "Treib in der Pause Sport, aber lass die Jungs nicht automatisch gewinnen" oder "Du bildest dir das nicht nur ein, die meisten Menschen sind einfach scheußlich." Keine Sorge, das Kind kommt damit klar. Es hat nicht nur bereits den gesamten Dickens durch, sondern auch Schwierigkeiten in der Vorschule, weil es in der Bibliothek nach Nabokov und Mailer verlangt und im Morgenkreis gefragt hat, wie man in Nashville Kämpferin für die Bürgerrechte werden könne. Das Mädchen bleibt nicht die einzige Figur, deren Glaubwürdigkeit man leicht stirnkräuselnd anzweifelt und sie zugleich tief ins Herz schließt.
Als Mama Zott wenig später, die Hände in die Hüften gestemmt, eloquent, schlagfertig, wunderschön anzusehen und irgendwie an Mrs Maisel erinnernd, den Produktionsleiter der örtlichen TV-Studios zusammenstaucht, weil dessen Tochter regelmäßig Madelines Frühstück beschlagnahmt, kann dieser nur noch blöde stammeln. Es genügt, um die widerstrebende, aber leider arbeitslose Elizabeth als Star der neuen Vorabendshow "Essen um sechs" zu verpflichten, wo sie den Hausfrauen der Nation hochwertiges Kochen beibringen soll.
Doch Elizabeth ist Chemikerin, Kochen ist Chemie, und Chemie ist Veränderung. Eine Hausfrau ist niemals nur eine Hausfrau, und deshalb kommt alles ganz anders...

Was so leichtfüßig und klischeehaft beginnt, dass ich das Buch fast aus der Hand gelegt hätte, setzt an dieser Stelle zur Tauchfahrt an und führt uns tief in Elizabeths komplexe und berührende Vergangenheit, bis 230 Seiten später die Rahmenhandlung wieder einsetzt. Dazwischen die Geschichte einer großen Liebe und tragischer Missverständnisse, von Behauptung und Verzweiflung, Eigensinn und Einsamkeit und bevölkert mit Figuren, die man am Ende nur sehr ungern verlässt.
Sich auf Bonnie Garmus' Erstling einzulassen bedeutete für mich ein Wechselbad der Gefühle und die Schwierigkeit der literarischen Einordnung. Ein feministischer Roman? Sicher, es geht um Selbstermächtigung und Emanzipation trotz aller nur denkbaren und schrecklichen Widerstände. Mitreißend und ergreifend, aber auch oft plakativ. Es gibt die Guten und die Bösen, nur ein Charakter macht tatsächlich eine Wandlung durch. Und dann kommt auch noch ein Hund vor, der nicht nur ziemlich erwachsen denkt und handelt, sondern seinem Frauchen zwecks Namensfindung für das Neugeborene auch noch den aufgeschlagenen Proust auf den Nachttisch legt. (Und den man natürlich trotzdem und sofort nicht mehr missen möchte, weil es doch alles tragisch genug ist.) Also doch eher ein Unterhaltungsroman? Auf jeden Fall, aber so abtun lässt es sich auch nicht. Die Autorin verknüpft Tragik und thematische Tiefe mit so trostspendenden wie liebenswerten Charakteren, kluge Sätze mit komödiantischen Elementen und einem Schreibstil voller Dialogwitz- temporeich, elegant und geschmeidig übersetzt - der einen nur so durch die Seiten fliegen lässt. Ein nahrhafter Leckerbissen und trotzdem leicht verdaulich.

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Veröffentlicht am 01.03.2022

Meisterlich und spannend

Vertrauen
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REZENSION - „Vertrauen“ von Dror Mishani, ins Deutsche übertragen von Markus Lemke, erschienen @diogenes

Ein ausgesetztes Frühgeborenes und ein Hotelgast, der ohne Bezahlung verschwindet. ...

REZENSION - „Vertrauen“ von Dror Mishani, ins Deutsche übertragen von Markus Lemke, erschienen @diogenes

Ein ausgesetztes Frühgeborenes und ein Hotelgast, der ohne Bezahlung verschwindet. Ein geistig verwirrter Mann, der seine Mutter anzuzünden versucht und ein Dreijähriger, der im Auto von seinen Eltern vergessen wird und wenig später an Dehydrierung stirbt. War es das, weshalb er Polizist geworden war? „Ein Detektiv , der es mit trauergebeugten Eltern, versehrten Kindern und kleinen, traurigen Fällen zu tun hat, deren Aufklärung der Welt nur weiteres Leid beschert.“ (S.22)
Oberinspektor Avi Avraham kämpft nicht nur mit der Trauer um seine geachtete Kollegin und Vorgesetzte Ilana Liss, die ihm in ihren letzten Lebenswochen jeden Kontakt versagte, sondern auch mit einer schweren Sinnkrise. Nicht, dass er sich zu gut wäre für das gewöhnliche Verbrechen. „Aber er wollte endlich das tun, wovon er geträumt hatte, als er zur Polizei gegangen war […] : Leben retten und Grausamkeit, Gewalt und das Böse bekämpfen.“ ( S.19) Auf dem Weg in das schäbige Hotel, dessen Gast so spurlos verschwunden war, träumt er von Anrufen aus Langley und seinem Lieblingsdetektiv Jules Maigret. Doch dann stimmt etwas nicht in diesem Hotel, das seine Anzeige plötzlich zurückzieht, da zwei Verwandte des Gastes aufgetaucht seien, die Rechnung bezahlt und die Sachen abgeholt hätten. Bald spürt er die Tochter des Gastes auf, die behauptet, ihr Vater hätte für den Mossad gearbeitet. Avis Interesse ist geweckt…
Parallel dazu ermittelt seine Kollegin Esthi Wahabe im Fall des ausgesetzten Säuglings. Die Frau, die die Tasche vor dem Krankenhaus abstellte, ist schnell als Liora Talias identifiziert. Doch diese verstrickt sich in einem schwer durchdringbaren Zick-Zack-Kurs aus Täuschung, Lügen und Widerruf. Wen will sie schützen und weshalb? In Paris laufen schließlich beide Fälle nicht nur geografisch zusammen…

Obwohl Avi Avraham bereits zum vierten Mal ermittelt, war dies meine erste Begegnung mit dem israelischen Kommissar, der mir vielleicht aus diesen Gründen zumindest in der ersten Romanhälfte etwas blass gezeichnet schien. Auch der aus dem gesellschaftlichen Umfeld gelöste Fokus auf Vernehmungen,Tatorte und Indizien hat mich zunächst wenig für den Roman und die Schreibweise Dror Mishanis eingenommen. Ich gestehe, dass ich seit dem Tod Batya Gurs, deren Inspector-Ochajon-Romane ich vor allem für ihre unnachahmliche Israel-Sicht geliebt habe, mit Krimis aus dieser Gegend nicht mehr viel am Hut hatte. Doch je mehr sich die Informationen verdichten, sich ein Puzzleteil ans nächste fügt - und hier haben die Lesenden den Ermittelnden nichts voraus - zeigt sich die Verstrickung von Tätern und Opfern in der komplizierten israelischen Realität, verbunden mit charakterlichen Verwerfungen und psychischer Versehrtheit, die besonders im Fall des ausgesetzten Babys tief unter die Haut gehen.
Der Autor versteht es meisterlich, fast schon gelassen, Spannung und eine Atmosphäre von Bedrohlichkeit aufzubauen, derer man erst gewahr wird, wenn man sich ihr nicht mehr entziehen kann.
Und ganz am Ende des Romans offenbart sich neben Dror Mishanis dramaturgischer Größe nicht nur der kleinste gemeinsame Nenner all dessen, sondern zugleich ein Hoffnungsschimmer. Das Baby, das trotz allem ein Leben vor sich hat, erhält von den Schwestern den Namen Emunah - Vertrauen.
Lesenswert! (Rezensionsexemplar)





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Veröffentlicht am 17.02.2022

Cosy Crime vom Feinsten

Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar
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Englische Mordclubs schießen derzeit aus dem Boden wie Pilze im Spätsommerregen. Literarische, versteht sich, und zum Glück sind auch ein paar wunderbare dabei. Ganz neu im Bunde der Hobbyermittler, ...

Englische Mordclubs schießen derzeit aus dem Boden wie Pilze im Spätsommerregen. Literarische, versteht sich, und zum Glück sind auch ein paar wunderbare dabei. Ganz neu im Bunde der Hobbyermittler, auf die man sich regelmäßig freuen kann: Mrs Judith Potts, exzentrische 77jährige Kreuzworträtselautorin und Besitzerin eines Herrenhauses mit Themse-Zugang im idyllischen Marlow. Beim täglichen Nacktschwimmen im Fluss wird sie (Ohren)-Zeugin des Mordes an ihrem Nachbarn.
Als die Polizei ihr nicht glaubt, stellt sie eigene Nachforschungen an und entdeckt des Nachbars Leiche in seinem Garten. Doch eine Frau allein macht noch keinen Club. In der zupackenden Hundesitterin Suzie Harris und der bis dato von Putz- und Backneurosen erfüllten Pfarrersgattin Becks Starling, auf die Mrs Potts während ihrer Recherchen stößt, findet sie zwei so originelle wie unersetzliche Sidekicks.
Das staatsdienende Gegenüber erscheint in Gestalt der sympathischen und etwas überforderten DS Tanika Malik, die in Ermangelung eines richtigen Inspectors mit den Ermittlungen betraut wird und sich nur kurz gegen das pfiffige Trio stemmt. Und das ist auch gut so, denn es bleibt nicht bei dem einen Mord und vereinte Kräfte und sämtliche verfügbaren grauen Zellen sind gefragt, bis die Geschichte nach einigen Kurven in ein spannendes und rasantes Finale mündet.
Ich habe die Geschichte von der ersten Zeile an genossen, obwohl (oder weil?) Robert Thorogood hier auf bewährte Erzählstrukturen, das genreübliche kauzig-sympathische Personal und das so beliebte "typisch englische" Setting zurückgreift. Doch die Geschichte selbst ist überraschend und intelligent konstruiert, die Charaktere alles andere als flachgezeichnet. Am Ende hat jede der drei Frauen eine angemessene Entwicklung durchgemacht, und es wird weit mehr gelüftet als das Mord-Geheimnis. Insgesamt geht es ziemlich turbulent und abenteuerlich unrealistisch zu. Wer etwas anderes erwartet, sollte nicht zu diesem Genre greifen. Mit Mrs Marple, Poirot oder anderen Klassikern haben die Mordclubs von heute nicht mehr viel gemein, was der Lesefreude aber nicht abträglich ist.
Vorfreude auf Teil 2!

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Veröffentlicht am 30.11.2021

Fundiert recherchiert mit Längen

Die Tränen der Welt
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Im Barcelona des Jahres 1901 geraten der aufstrebende Maler und Keramiker Dalmau Sala, seine Schwester Montsserat und seine große Liebe Emma in die Straßenkämpfe der beginnenden Revolution. Dann geschieht ...

Im Barcelona des Jahres 1901 geraten der aufstrebende Maler und Keramiker Dalmau Sala, seine Schwester Montsserat und seine große Liebe Emma in die Straßenkämpfe der beginnenden Revolution. Dann geschieht ein Unglück, und das Leben aller gerät aus den Fugen…
Eigentlich bin ich keine Liebhaberin historischer Schmöker, aber das Barcelona des beginnenden 20. Jahrhunderts und das Zeitalter des Modernisme als Setting haben mich sehr gereizt. Und tatsächlich liegt für mich, um das vorwegzunehmen, hier auch die große Stärke des Romans. Detailreiche, präzise und zugleich bildgewaltige Milieuschilderungen lassen nicht nur die legendären Bauwerke der bis heute das Stadtbild prägenden Architekten quasi vor unseren Augen entstehen.
Ildefonso Falcones, spätestens berühmt geworden mit „Die Kathedrale des Meeres“, schafft es ebenso eindringlich, uns das harte Leben der Arbeiterklasse und deren revolutionäres Aufbegehren vor Augen zu führen. Eine Szene, die ich für literarisch besonders gelungen halte, hat sich fest in mein Gedächtnis gebrannt, obwohl ich sie bereits vor längerer Zeit gelesen habe: In elitärem Kreise werden u.a. Dalmaus Zeichnungen des Straßenmädchens Maravillas und ihrer Gefährten ausgestellt. Der Autor lässt dabei vor Dalmaus innerem Auge das Bild der zerlumpten Kinder erstehen, während er sich die für damalige Verhältnisse unerhörtesten kulinarischen Köstlichkeiten des Künstlerempfangs im Munde zergehen lässt. Während die Sektperlen auf der Zunge zerplatzen, steht zugleich der Gestank der Gosse im Raum. Je klarer sich die Konturen der gesellschaftlichen Spaltung abzeichnen, um so nachdrücklicher wächst eine kalte Wut heran, gleichermaßen unter den Protagonisten wie den Lesenden. Dass Letztere emotional erreicht werden, steht außer Frage. Dennoch schlägt die Liebesgeschichte zwischen Emma und Dalmau für meinen Geschmack einige Volten zu viel. Auch die Zeichnung der Charaktere gerät mitunter etwas holzschnittartig. Nicht alle Handlungen, Gedanken und Gefühle der Protagonisten waren für mich nachvollziehbar, obgleich sie in überschaubarer Zahl gehalten sind und viel Raum für eine schlüssige Entwicklung gegeben ist. So wird dem intriganten Straßenmädchen Maravillas deutlich mehr Macht verliehen als glaubhaft wäre. Über ihren Hintergrund, ihr Leben außerhalb der sichtbaren Ränkespiele, erfahren wir dagegen so gut wie nichts.
Nach etwa der Hälfte der Lektüre bin ich aufs Hörbuch umgestiegen, und ich hatte den Eindruck, dass einige stilistische Schnitzer, die dem Lektorat der Buchfassung entgangen sind, hier geglättet wurden.
Für Liebhaber solide recherchierter historischer Romane mit opulenter Ausstattung ist das Buch sicher ein guter Griff.
Ich bin offenbar nur eine Liebhaberin Barcelonas und lasse den nächsten Falcones vermutlich liegen.



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Veröffentlicht am 06.11.2021

Sprachschön und greifend

Das Haus auf dem Wasser
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"Vater. Fragten ihn die anderen Kinder nach seinem Vater, erfand er Antworten für sie, die sich später als seine ersten Geschichten herausstellen sollten."
Der berühmte israelische Schriftsteller Joel ...

"Vater. Fragten ihn die anderen Kinder nach seinem Vater, erfand er Antworten für sie, die sich später als seine ersten Geschichten herausstellen sollten."
Der berühmte israelische Schriftsteller Joel Blum ist auf Lesereise in Amsterdam. Jene Stadt, in der er geboren und aus der er vertrieben wurde und die niemals zu besuchen er seiner Mutter Sonia einst schwören musste. Diese ist mittlerweile verstorben, er selbst bereits Großvater. Was können die Geister der Vergangenheit ihm noch anhaben? Doch im Jüdischen Museum macht Joel eine erschütternde Entdeckung. In Dauerschleife laufende historische Aufnahmen zeigen eine jüdische Hochzeit. Unter den Gästen erkennt er seine Mutter und den Vater, den er nur von Fotografien kennt, sowie seine ältere Schwester Nettie. Im Arm der Mutter liegt ein blondes Baby, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist - ihm jedoch kein bisschen ähnelt. Bei seiner Rückkehr nach Israel gesteht Nettie ihm (nicht uns Lesenden) das Geheimnis seiner Herkunft.
Drei Wochen später kehrt Joel nach Amsterdam zurück, quartiert sich gegenüber dem einstigen Elternhaus in einem kleinen Hotel ein und schreibt den Roman seines Lebens...

Emuna Elon ist mit "Das Haus auf dem Wasser" - Deutsch von Barbara Linner @aufbauverlag - nach meinem Empfinden ein großer Wurf und eine Art von Holocaustliteratur gelungen, wie ich sie noch nicht gelesen habe. Sprachschön und literarisch anspruchsvoll, die Figuren psychologisch tief ausgeleuchtet, das historische Geschehen sorgsam recherchiert. Hinzu kommt eine Komposition, die in ihrer Idee - Roman im Roman - nicht neu, doch außergewöhnlich konsequent ausgearbeitet ist, um die zentrale Botschaft zu transportieren: die Vergangenheit ist nicht vergangen. Die historische Zeitebene und Joels Gegenwart wechseln in immer kürzeren Sequenzen, um schließlich innerhalb eines Satzes ineinander zu fließen. So geraten Sonia und ihre Kinder im Amsterdam des Jahres 1940 in einen Eisregen, aus dem sich Joel am Ende des Satzes in die benachbarte Kneipe rettet, in der Sonia einst aushalf, um sich und die Kinder trotz des Arbeitsverbots für Juden am Leben zu halten.

Nicht nur stilistisch greifen Vergangenheit und Gegenwart ineinander. Während Joel die Lücken zwischen den in Archiven recherchierten Informationen mit Fiktivem überbrückt, erleben wir seine Verwandlung. Uralte Erinnerungen von dunklen Räumen, kalten, ratternden Böden, einer tiefen Verlassenheit neben der scheinbar teilnahmslosen Mutter tauchen an die Oberfläche und ergeben plötzlich Sinn, ebenso wie die Tatsache, dass seine Mutter in Israel jeden Kontakt mit anderen holländischen Juden mied. In Amsterdam ereilen Joel Schübe von Paranoia, als würde er all das Verdrängte im Zeitraffer nacherleben.
"Er weiß, dass es unlogisch ist, doch er ist sich sicher, dass ihn von allen Seiten hasserfüllte Augen anstarren. Dass alle auf ihn deuten, sich ihn gegenseitig zeigen und einander in Holländisch zurufen: Da ist ein Jude, da ist ein Jude, vernichtet den Juden, vernichtet ihn! "
Mehr und mehr verliert Joel - überorganisiert und stets auf emotionale Distanz bedacht - die Übersicht, zugleich aber auch den Panzer, der sein Herz umschließt als ein unfreiwillig übernommenes Erbe.
Obgleich man als Lesende/r sehr früh ahnt, worauf sie hinausläuft, folgt man Joels Suche atemlos bis zur letzten Zeile. Ein Buch, das berührt, erschüttert, so viele kluge Sätze birgt und gleichzeitig eine bislang wenig beleuchtete Geschichte erzählt - die der versteckten jüdischen Kinder, die aufgrund ihrer veränderten Identität auch im seltenen Fall der Rückkehr ihrer Eltern nicht zu diesen zurückfanden. Unbedingte Leseempfehlung!









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