Profilbild von wusl

wusl

Lesejury Star
offline

wusl ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit wusl über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.06.2019

Durchschnitt reicht nicht

Cari Mora
0

Nein, Durchschnitt ist bei einem Autor wie Thomas Harris einfach nicht genug. Nach seinen großartigen Thrillern und einer viel zu langen Schreibpause waren meine Erwartungen an diesen Altmeister der Spannung ...

Nein, Durchschnitt ist bei einem Autor wie Thomas Harris einfach nicht genug. Nach seinen großartigen Thrillern und einer viel zu langen Schreibpause waren meine Erwartungen an diesen Altmeister der Spannung hoch. Vielleicht zu hoch - zugegeben. Ich muss im Nachhinein an Cody McFadyen letzten "Die Stille vor dem Tod" denken. Auch da kam nach einer Schaffenspause ein Buch heraus, welches unausgegoren, überhastet und enttäuschend war.

Ich möchte mich gar nicht lange mit dem abstrusen Inhalt aufhalten. Der hat so viele Logiklöcher und Unwahrscheinlichkeiten, dass ich mich beim Rekapitulieren wieder drüber aufregen muss.

Die Ausgangslage lies mich schon den Kopf schütteln, denn wieso bitte liegt so viel Gold immer noch in diesem Haus rum? Und wieso kann man so ein Haus dann einfach mieten? Alle Erklärungen hierfür sind für mich fadenscheinig.

Dann die Charakterbildung. Bis auf Cari Mora, die zumindest am Anfang noch etwas undurchsichtig für den Leser ist, kommen alle Kerle sehr eindimensional gezeichnet daher. Gut, Hans Peter Schneider hatte durchaus Psychopathen-Potential. Aber wie sein Äußeres, blass und kühl, so blieb er für mich auch und um so ärger seine Phantasien und Pläne mit Cari Mora wurden, um so weniger fürchtete ich mich.

Es gibt eine Wendung im Plot, die man so nicht gleich herausgerochen hat - die Heldin betreffend - aber ansonsten konnte Harris mich nicht überraschen und er nimmt sich auch nicht die Zeit, um den Showdown wenigstens etwas auszuschmücken und logischer zu gestalten.

Da es ein Hörbuch war und der Vorleser Achim Buch sehr gut liest, habe ich das ganze Buch angehört. Hätte ich es lesen müssen, hätte ich es nach der Hälfte weggelegt.

Die drei Sterne hat sich vor allem Herr Buch verdient. Harris hat mich enttäuscht und ihm hätte ich höchstens 2 Sterne gegeben.

Veröffentlicht am 05.06.2019

solide

Die Zarin und der Philosoph (Sankt-Petersburg-Roman 2)
0

Die Zarin Katharina die 2.te steht im Zentrum der Geschichte von Martina Sahler. Es handelt sich um den zweiten Band. Katharina hat ihren Mann aus dem Weg räumen lassen und ist nun unumschränkte Herrscherin ...

Die Zarin Katharina die 2.te steht im Zentrum der Geschichte von Martina Sahler. Es handelt sich um den zweiten Band. Katharina hat ihren Mann aus dem Weg räumen lassen und ist nun unumschränkte Herrscherin eines großen Reiches. Obwohl sie den Reformen, die im restlichen Europa nach und nach um sich greifen, sehr zugetan ist, und den Disput mit diversen Philosophen und Vordenkern der damaligen Zeit sehr schätzt, regiert sie doch mit eiserner Hand und lässt keinen Zweifel daran, wer das sagen hat. Das bekommen nicht nur ihre Untertanen zu spüren sondern auch die Liebhaber, Sohn und Ziehtochter.

Kaiser Friedrich schickt einen Jungen Philosophen und dessen Frau zum spionieren an den russischen Hof. Durch diesen Erzählstrang erfährt man mehr über die Gegenr der Zarin und wie die Deutschen Katharina damals sahen.

Trotz einiger fiktiver Darsteller liegt der Fokus des Buches doch auch auf den tatsächlichen geschichtlich belegten Fakten. Für mich hätte es gerne noch etwas fiktiver sein dürfen oder spekulativer, wie Katharina gewesen sein könnte. Es fehlte mir etwas die Empathie und die Tiefe der Charaktere. Auch hätte es die Dramatik sicher gesteigert, wenn auch das arme Volk und auch der ein oder andere Sklave (ja die gab es damals zu hauf in Russland) eine tragende Rolle gespielt hätte.

So ist es ein solider Roman mit einer spröden Zarin und einer interessanten, etwas dahin plätschernden Story, die am Ende noch ein bisschen Fährt aufnimmt und zu einem zufriedenstellenden Ende kommt.

Veröffentlicht am 05.06.2019

kühl und emotionslos

Die Lotosblüte
0

Ostasien im 19. Jahrhundert. Das koreanische Mädchen Shim Chong wird von der herzlosen Stiefmutter an einen uralten Ehemann verschachert. Der Vater ist krank und schwach und lässt seine Ehefrau gewähren. ...

Ostasien im 19. Jahrhundert. Das koreanische Mädchen Shim Chong wird von der herzlosen Stiefmutter an einen uralten Ehemann verschachert. Der Vater ist krank und schwach und lässt seine Ehefrau gewähren. Typisch für die damalige Zeit und die Erziehung des Mädchens, wehrt sie sich nicht sondern versucht immer das Beste aus allem zumachen. Nach dem greisen Ehemann gerät sie in ein Bordell aus dem sie aber fliehen kann. Aber ihr Weg ist noch lange nicht zu Ende.

Die Idee der Geschichte hat mir gefallen. ich bin immer auf der Suche nach asiatischen Lebensgeschichten. Leider ist der Text sehr spröde, welches ich auf den ersten Seiten noch nicht so bewusst erkannt hatte. Aber im Laufe des Lesens wundert es, dass Chong so gefühllos alles über sich ergehen lässt und sich lange Zeit wirklich nur marginal entwickelt. Ich hatte die Vorstellung von einer Story wie in „Die Geisha“ aber leider blieb es doch bei Ansätzen. Ich denke mal, dass es vielleicht auch ein bisschen an der Übersetzung lag, dass der Erzählstil so kühl und farblos rüberkam.

Der Autor wurde mit Literaturpreisen mehrmals ausgezeichnet. Das alleine ist natürlich noch kein Garant dafür, dass er auch der breiten Masse an Leser gefällt. Mich konnte er leider emotional nicht erreichen.

Veröffentlicht am 05.06.2019

eine Mahnung

Die Nickel Boys
0

Die Nickelboys sind Teenager und junge Männer, die in den 60ger Jahren in die Besserungsanstalt Nickel eingewiesen wurden. In der Mehrzahl handelte es sich dabei um dunkelhäutige Insassen, die oft wegen ...

Die Nickelboys sind Teenager und junge Männer, die in den 60ger Jahren in die Besserungsanstalt Nickel eingewiesen wurden. In der Mehrzahl handelte es sich dabei um dunkelhäutige Insassen, die oft wegen Lappalien oder wie der Hauptdarsteller Ellwood sogar unschuldig hier landeten. Amerika war damals noch immer ganz öffentlich rassistisch und die Jungen müssen Gewalt, Bedrohung, Missbrauch und mehr über sich ergehen lassen. Regelmäßig kommt es zu Todesfällen. Erst viele Jahre später legen Ausgrabungen dieses schwarze Kapitel der amerikanischen Geschichte frei.

Die Hintergründe des Romans beruhen auf tatsächlichen Begebenheiten. Der Autor versuchte seinen Erzählstil vollkommen wertfrei zu halten. Es wirkt deshalb spröde und oft unterkühlt, wie er die Geschehnisse beschreibt, die trotzdem erschüttern und erschrecken. Auch wenn es einen Hauptdarsteller gibt, so ist es doch eher ein Buch über diese Anstalt und über die dort geschehenen Verbrechen.

Das Cover ist kongenial reduziert und doch so aussagekräftig. Ich liebe es. Der Autor festigt mit den Nickelboys seinen Ruf eines Mahners gegen Rassismus und Gewalt.

Veröffentlicht am 05.04.2019

hervorragende Unterhaltung

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
0

Diesmal wählt Joel Dicker eine Kleinstadt an der amerikanischen Ostküste. Dank diverser Filme und Dickers eindringlicher Beschreibungen hat man schnell eine recht gute Vorstellung von diesem Ort und den ...

Diesmal wählt Joel Dicker eine Kleinstadt an der amerikanischen Ostküste. Dank diverser Filme und Dickers eindringlicher Beschreibungen hat man schnell eine recht gute Vorstellung von diesem Ort und den Menschen, die dort Leben. Wie in jeder Stadt dieser Größenordnung schwankt die Stimmung zwischen erbaulich und heimelig und verlogen und voller Heimlichkeiten. Denn wo jeder denkt, den anderen zu kennen. Wo keiner sich vorstellen kann, dass Gewalt und Mord zwischen den bekannten Gesichtern eine Rolle spielen würde. Da wurde vor 20 Jahren ein grausamer Mehrfachmord am Polizeichef, seiner ganzen Familie und einer Joggerin begangen. Damals wurde relativ schnell ein Täter gefunden und scheinbar kehrte wieder Ruhe ein in Orphea. (Übrigens ein Name der mich an Orpheus aus der Unterwelt denken lässt.)

Aber kurz vor der Pensionierung des Polizisten Jesse Rosenberg kocht der alte Fall wieder hoch, denn die Journalistin Stephanie Mailer behauptet, dass der Falsche verurteilt wurde und dass alles ganz anders war, als die Polizei es damals bei den Ermittlungen zu den Akten gab. Und als Stephanie plötzlich spurlos verschwindet mach Rosenberg sich mit seinem alten Kollegen und einer jungen Polizistin nicht nur auf die Suche nach der Vermissten, sondern auch auf die Suche nach der Wahrheit.

Dicker bleibt seinem Schema treu, welches er im „Harry-Quebert-Roman“ für sich kreiert hat. Als Schweitzer schreibt er einen Roman, der treffsicher das Leben einer amerikanischen Kleinstadt einfängt, so wie der Europäer sie sich vorstellt. Dabei verbindet er einen Kriminalfall mit Elementen eines Gesellschaftsromans. Er versteht es, seinen Charakteren Tiefe und Profil zu verleihen, scheut nicht vor überzogenen Darstellungen zurück, die bei ihm skurril aber auch typisch amerikanisch rüberkommen. Seine größten Stärken sind die schöne Sprache und der kniffelige Plot, den er aus zwei Zeitebenen heraus geschickt so verschachtelt, dass der Leser wirklich erst am Schluss alle Lösungen und Erklärungen bekommt.

Dieser dritte auf Deutsch erschienene Roman von Joel Dicker ist der schmälste. Leider, denn es macht einfach Spaß einen Dicker-Roman zu lesen und er hätte gerne noch ein paar Seiten dicker sein dürfen. Ich fühlte mich ein weiteres Mal hervorragend unterhalten und rundherum zufrieden.