Profilbild von yellowdog

yellowdog

Lesejury Star
offline

yellowdog ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yellowdog über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.10.2022

Von Sprache, Körpern, Verlusten und so viel mehr

Innigst / Dearly
0

Ein neuer Gedichtband der großen Kanadischen Autorin.
Übersetzt wurde es von Büchner-Preisträger Jan Wagner, der mir zuletzt mehrfach als mutiger Übersetzer aufgefallen ist.
Es ist sehr zu loben, dass ...

Ein neuer Gedichtband der großen Kanadischen Autorin.
Übersetzt wurde es von Büchner-Preisträger Jan Wagner, der mir zuletzt mehrfach als mutiger Übersetzer aufgefallen ist.
Es ist sehr zu loben, dass es sich um eine zweisprachige Ausgabe handelt.
Manche Gedichte habe ich im Original gelesen, andere auf Deutsch und manchmal beide Versionen.

Nicht unwichtig auch der Untertitel Gedichte eines Lebens / Poems of a Lifetime.
Das Buch besteht aus 5 Abschnitten.
Es beginnt mit „Late Poems“, es folgt Ghost Cat Für mich ist der erste Teil ein starker Beginn des Buches, da man in den gewählten Motiven viel privates spürt.

Ein Liederzyklus, fällt auf: Lieder für ermordete Schwestern.
Es gibt mehrfach feministische Einschläge, z.B. in Werwölfe, letzter Stand, in dem man nicht mehr nur männlichen Werwölfen begegnet.

Dann auch das neunteilige Die Außerirdischen landen - neun Spätfilme.

Erst das vorletzte Gedicht im Band ist das Titelgedicht, dass alten Wörtern, wie innigst, nachspürt. Sie werden nicht mehr so häufig verwendet, haben aber noch Bedeutung.
So viele Gedichte müsste man noch erwähnen.
Sehr oft geht es um Sprache, oft auch um Körperlichkeit. Nicht selten gibt es Anspielungen auf mythisches, das macht das Buch interessant.

Ich mag an Atwoods Gedichten, das sie zwar manchmal rätselhaft sein können, aber nicht unzugänglich. Dieses Buch wird mich noch lange begleiten.

Veröffentlicht am 29.10.2022

Roman in Überlänge

Die Mauersegler
0

Die Mauersegler umfasst 832 Seiten. Es ist im Prinzip ein langer Bericht des Protagonisten Toni, der beschlossen hat, sich innerhalb einen Jahres das Leben zu nehmen.
In seinem Bericht gehen die Erinnerungen ...

Die Mauersegler umfasst 832 Seiten. Es ist im Prinzip ein langer Bericht des Protagonisten Toni, der beschlossen hat, sich innerhalb einen Jahres das Leben zu nehmen.
In seinem Bericht gehen die Erinnerungen zurück in die Kindheit und in seine gescheitere Ehe mit Amalia, von der er jetzt geschieden ist und einer nicht sehr engen Beziehung zum jugendliche Sohn Nikita. Dann gibt es noch seinen guten Freund, den er innerlich immer Humpel nennt und der sein einziger Vertrauter ist.

Toni ist Lehrer, aber auch darin findet er keine Freude.
Obwohl der 55 Jahre alte Erzähler ein frustrierter Mann ist, gibt es teilweise auch komische Stellen im Buch.

Im Hintergrund tönt außerdem durch Tonis Kommentare das Leben in Spanien mit den gesellschaftlichen und politischen Problemen mit.

Mit der Hauptfigur kann man seine Probleme haben, dann verstehe ich ihn teilweise auch wieder.

Durch die Form des Romans kommt man beim Lesen nicht wirklich schnell voran und ich benötigte auch mehrere Ansätze. Doch man spürt die Relevanz des Textes und Fernando Aramburu designed sein Buch geschickt.
Schließlich war ich ganz drin im Buch und habe das Lesen genossen.

Veröffentlicht am 19.10.2022

Vielfältige Texte

Die weißen Jahre
0

Die weißen Jahre ist eine Sammlung von Texten von Wolf Wondratschek, die unter Reportagen und Stories laufen. Ich lese sie aber eher als Anekdoten. Sie sind amüsant, aber betont subjektiv. Den Objektivitätsanspruch ...

Die weißen Jahre ist eine Sammlung von Texten von Wolf Wondratschek, die unter Reportagen und Stories laufen. Ich lese sie aber eher als Anekdoten. Sie sind amüsant, aber betont subjektiv. Den Objektivitätsanspruch einer Reportage findet man hier nicht, zum Glück muss man sagen.

Manchmal sind die Texte auch Porträts, aber weniger von den betreffenen Stars selbst als die Wirkung, die sie auf die Menschen haben. Das gilt von Elvis bis Martina Navratilova bis hin zu Rainer Werner Fassbinder. Auch für Charles Bukowski und erst Recht für Glenn Gould.

Natürlich erreichen mich nicht alle Texte, aber manche sind schon sehr gut. Besonders die, die über die Gefühlslage des Verfassers viel aussagen, und die möglicherweise auch die des Lesers ist. Das muss nicht zwangsläufig so sein, aber Wondratschek ermöglicht es, über die Themen in einen Dialog zu treten. Diese Form schätze ich sehr.

Manche Texte sind überraschend detailliert, z.B. Malcolm Lowry in Mexiko. Dazu passend dann der bewundernde Bericht über den Drehort und die Verfilmung von Unter dem Vulkan.
Orte sind Wondratschek ähnlich wichtig wie die Menschen.

Ansonsten bietet Wondratschek das, was von ihm zu erwarten ist. Launig, großspurig und fast immer originell. Das muss man natürlich mögen. Dann wird es überwiegend zum Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 16.10.2022

Sprachlich stark und mit einem poetischen Ton

Matrix
0

Die amerikanische Schriftstellerin Lauren Groff ist eine Autorin, die nicht in erste Linie historische Romane schreibt, obwohl die Handlung von Matrix im 12.Jahrhundert angesiedelt ist. Doch die Autorin ...

Die amerikanische Schriftstellerin Lauren Groff ist eine Autorin, die nicht in erste Linie historische Romane schreibt, obwohl die Handlung von Matrix im 12.Jahrhundert angesiedelt ist. Doch die Autorin will mehr zeigen als nur eine historische Kulisse. Es geht um Entwicklung und Selbstbestimmung.

Es gibt einen Bezug zu Eleonore von Aquitanien, aber Protagonistin ist Marie de France, die offenbar auch eine historische Persönlichkeit ist. Viel ist von ihr anscheinend nicht bekannt. Lauren Groff macht aus ihr eine beeindruckende und außergewöhnliche Figur!
Es wird ein längerer Zeitraum betrachtet. Das verleiht dem Buch eine entsprechende Dimension.

Lauren Groff ist stark bei Detailbeschreibungen insbesondere auch dabei, wie alles auf Marie wirkt, zum Beispiel der Eintritt ins Kloster. Ihre Emotionen werden nachvollziehbar. Und man lernt eine Klostergemeinschaft gut kennen, die Marie als Äbtissin weiterentwickeln wird.

Lauren Groffs sprachliche Mittel sind wirkungsvoll.
Wenn sie z.B. schreibt

„Eine daumendicke Schicht aus feinem, glänzendem Eis überzieht die Welt. Der Wind weht eisige Messerklingen herein.“

dann spürt man diese Eiseskälte.

Insgesamt kann man bei Matrix von einem überzeugenden Roman sprechen, wie er einen nicht oft begegnet.

Veröffentlicht am 06.10.2022

Bemerkenswert

Florian Illies über Gottfried Benn
0

Florian Illies hat schon einige Male über den Dichter Gottfried Benn geschrieben und diesmal sogar ein eigenes Buch, das von Volker Weidermann herausgegeben wurde.
Zwar blieb mir die Lyrik Gottfried Benns ...

Florian Illies hat schon einige Male über den Dichter Gottfried Benn geschrieben und diesmal sogar ein eigenes Buch, das von Volker Weidermann herausgegeben wurde.
Zwar blieb mir die Lyrik Gottfried Benns immer überwiegend verschlossen, doch als literarische und historische Persönlichkeit seiner Zeit ist er interessant und Illies trägt alle wesentlichen Aspekte zusammen, aber auch die Erkenntnis, dass man Benn außerhalb seiner Gedichte kaum Nahe kommen kann.

Mich interessierte am Buch auch Florian Illies Leidenschaft für diesen Dichter. Seine Gefühle kann man für sich selbst auch auf andere Schriftsteller übertragen, die einem etwas bedeuten. Das ist eine Qualität des kurzen, aber bemerkenswerten Buches, die ich schätze und ich mag das Format.