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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.10.2019

Durchschnitt

Der zehnte Gast
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Mit The Couple next Door hatte die Autorin einen großen Erfolg, aber Der zehnte Gast ist ein eher konventioneller Krimi. In dem abgelegen in der Wildnis liegendem Hotel Mitchell´s Inn sind einige Gäste ...

Mit The Couple next Door hatte die Autorin einen großen Erfolg, aber Der zehnte Gast ist ein eher konventioneller Krimi. In dem abgelegen in der Wildnis liegendem Hotel Mitchell´s Inn sind einige Gäste versammelt. Eine bunte Gesellschaft. Fast jeder von ihnen hat ein Geheimnis, oder schleppt unverarbeitete Gefühle mit sich herum. Zum Beispiel die Journalistin Riley, die aus Afghanistan traumatisiert zurückkommt, oder ihre Freundin Gwen, die wenig Selbstvertrauen hat. Auch der Strafverteidiger David ist ausgebrannt usw.
Es ist interessant, die Leute allmählich besser kennen zu lernen, leider bleibt viel auf der Oberfläche. Es sind auch irgendwie zu viele Figuren.
Ein Mord passiert und als Leser fühlt man einen Hauch von Agatha Christie. Aber will man das?
Erst spät im Roman kommt die Polizei ins Spiel.
Mit dem Ende bin ich zwar zufrieden, aber es bleibt der Eindruck, meine Lesezeit verschwendet zu haben.

Veröffentlicht am 28.10.2019

Historischer Roman von außergewöhnlicher Qualität

Der Lehrmeister (Faustus-Serie 2)
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Nach Der Spielmann ist dies der zweite Teile der Faustus-Saga, Anfang des 16.Jahrhunderts.
Idealerweise sollte der Leser den ersten Teil gelesen haben, denn die Handlung setzt 6 Jahre danach an.

Oliver ...

Nach Der Spielmann ist dies der zweite Teile der Faustus-Saga, Anfang des 16.Jahrhunderts.
Idealerweise sollte der Leser den ersten Teil gelesen haben, denn die Handlung setzt 6 Jahre danach an.

Oliver Pötzsch bezieht sich mit seinem Faust auf die reale historische Persönlichkeit, der später das Vorbild für Goethes Heinrich Faust wurde. Zu Goethes Version gibt es auch Anspielungen.

Dr.Johann Georg Faustus zieht seit 6 Jahren zusammen mit seiner Tochter, der jetzt 20jährigen Greta und seinem Assistenten Karl Wagner als Jahrmarktsgaukler umher. Die quälenden Erinnerungen der Vergangenheit sind noch präsent.
Er entschließt sich zur Rückkehr nach Knittlingen, seinem Heimatort. Das führt ihn auf die Spuren seines alten Lehrmeister und Feind Tonio del Moravia.
Dann geht es nach Bamberg, später sogar nach Frankreich und im 4.Akt sogar nach Rom. Es kommt zu Begegnungen mit Leonardo da Vinci und mit dem König von Frankreich. Doch Faustus ist getrieben, seinen alten Feind gegenüberzutreten, der vielleicht selbst der Teufel ist.

Damit ein historischer Roman gelingt, benötigt es Atmosphäre und stimmige Beschreibungen. Dafür ist der erfahrene Schriftsteller Oliver Pötzsch der richtige. Es schafft Detailbeschreibungen verknüpft mit den Emotionen der Figuren. Bildreich seine wortgewaltige Sprache. Dem kann man sich als Leser schwer entziehen. In dem Hörbuch, gelesen von Tobias Kluckert, verstärkt sich diese Wirkung noch. Lange wird das Geheimnisvolle der Geschichte betont und gewahrt. Zwar gibt es nicht gerade wenig Pathos, aber es bleibt immer stimmig.
Zudem sind die Figuren überwiegend vielschichtig und lebendig, so mein Eindruck. Mit ihnen teilt der Leser im Verlaufe der Handlung eine Vielzahl an Emotionen.

Abgesehen von dem fesselnden Hauptplot gibt es auch viele kleine in sich spannende Episoden.

In Zukunft wird die Faustus-Saga neben den Henkerstochter-Reihe zu den Hauptwerken des Autors gehören.

Es ist ein umfangreiches Buch mit 3 MP3-Cds und einer Spielzeit von 1300 Minuten, aber es wird nie langweilig,daher hatte ich nie den Eindruck es wäre zu lang.

Veröffentlicht am 27.10.2019

Bild einer Zeit

Menschen neben dem Leben
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In seinem Buch „Menschen neben dem Leben“ zeigt der Schriftsteller Ulrich Alexander Boschwitz das Leben von Menschen im sozialen Abseits. Es sind die schweren Zeiten der Wirtschaftskrise in Deutschland, ...

In seinem Buch „Menschen neben dem Leben“ zeigt der Schriftsteller Ulrich Alexander Boschwitz das Leben von Menschen im sozialen Abseits. Es sind die schweren Zeiten der Wirtschaftskrise in Deutschland, was für viele Arbeitslosigkeit, Armut sogar Hunger bedeutet.
Der Autor setzt eine große Anzahl von Figuren ein, um ein umfassendes Zeitportrait von Berlin zu zeigen.

Da ist zum Beispiel Grissmann, arbeitslos, aber auf Unabhängigkeit bestehend. Der alte Bettler Emil Fundholz und Tönnchen, der wie ein Kind ist, dabei ist er schon 40. Der kriegsblinde Sonnenberg, die Prostituierte Minchen und andere.

Der Autor gibt allen auch wirklich Charakter, daher wirken sie real und lebendig. Es wird aber auch gezeigt, wie die Perspektiv- und hoffnungslosigkeit die Menschen in Gleichgültigkeit treibt.
So sind manche eigentlich ehrliche Leute jetzt zur Kriminalität bereit. Ein anderer wird Zuhälter.

Wie Boschwitz die Figuren miteinander verknüpft ist stimmig. Ein wirklich gutes Buch.

Veröffentlicht am 23.10.2019

Kanon zum Leicht nehmen

Schecks Kanon
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Einen literarischen Kanon kann man Bierernst meinen, wie es Marcel Reich-Ranicki in seinem Spätwerk machte. Oder man kann es Leicht nehmen, wie Denis Scheck.
Seine Auswahl der 100 wichtigsten Bücher der ...

Einen literarischen Kanon kann man Bierernst meinen, wie es Marcel Reich-Ranicki in seinem Spätwerk machte. Oder man kann es Leicht nehmen, wie Denis Scheck.
Seine Auswahl der 100 wichtigsten Bücher der Weltliteratur vermag zu erstaunen. Einerseits ist der Kanon arg konventionell, wenn die üblichen Buchtitel genannt werden. Aber es gibt neben den üblichen Klassikern auch einige ungewöhnliche Bücher im Kanon, auf die wohl nicht jeder kommt, z.B. James Tiptree Jr. oder Kurt Vonnegut.
Das sind grandiose Autoren, aber ob sie in der Zukunft für neue Leser noch eine große Rolle spielen werden, ist zu bezweifeln. Von Denis Scheck ist das mehr der Versuch, diese Bücher vor dem Vergessen zu retten.

Letztlich ist Schecks Kanon die Literatur seiner Generation, die ich weitgehend teile. Ich bin auch mehr oder weniger einverstanden mit seiner Auswahl.
Was er in den kurzen Abschnitten über die einzelnen Bücher schreibt, gleicht dem, was er auch im Fernsehen über Bücher erzählt. Es wird stark verkürzt, zu dick aufgetragen und oft nur behauptet anstatt bewiesen. Aber irgendwie macht das Oberflächliche wohl auch die Unterhaltung seiner Texte aus. Die Leser des Kanons bekommen, was zu erwarten war und wenn die Erwartungen nicht höher waren, vielleicht auch nur das, was sie verdienen.

Veröffentlicht am 19.10.2019

Isländische Literatur

Ástas Geschichte
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Der isländische Autor Jon Kalman Stefansson hat schon beeindruckende Romane geschrieben, z.B. Himmel und Hölle oder Verschiedenes über Riesenkiefern und die Zeit.
Jon Kalman Stefanssons Bücher haben einen ...

Der isländische Autor Jon Kalman Stefansson hat schon beeindruckende Romane geschrieben, z.B. Himmel und Hölle oder Verschiedenes über Riesenkiefern und die Zeit.
Jon Kalman Stefanssons Bücher haben einen hohen Ton. Das gilt auch für Astas Geschichte, sein zwölfter Roman, doch diesmal ist er besonders intensiv. Ich mag lyrische Prosa, doch diesmal war es wirklich viel auf einmal.
Es wird die Geschichte einer Frau in Island erzählt. Es beginnt mit den fünfziger Jahren, aber es wird nicht durchgehend chronologisch linear erzählt, es gibt immer wieder Passagen mit Astas Eltern, Helga und Sigvaldi. Das ist gut ineinander verzahnt.
Immer wieder wird aber auch die Romankonstruktion auseinandergenommen.

Packende Passagen gibt es, als Asta auf den Hof kommt, auf dem sie dann leben wird und sie Josef trifft. Dann sind da endlich auch mal Dialoge im Vordergrund. Wenn der Autor anfängt, richtig zu erzählen, kann er mich am meisten überzeugen. Die Gefühle Astas werden transparent. Es wird überreich an Emotionen und Atmosphäre.

Astas Geschichte ist ein Roman, mit dem man sich schwer tun kann, der aber sicher auch einiges bietet.