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Veröffentlicht am 15.09.2016

Packend, aktuell und gleichzeitig historisch

Die dunkle Talion
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Wer gerne mitreißende Thriller liest, die historischen und (immer noch) aktuellen Bezug haben und noch so ganz nebenbei eindringlich Gesellschaftskritik über, ist hier genau richtig. Die Geschichte springt ...

Wer gerne mitreißende Thriller liest, die historischen und (immer noch) aktuellen Bezug haben und noch so ganz nebenbei eindringlich Gesellschaftskritik über, ist hier genau richtig. Die Geschichte springt zwischen Pierre Larut und Karim, den zwei Hauptakteuren, hin und her. Beide, der Polizist im Ruhestand und der Algerier, der sich als Taschendieb durchschlägt, werden von höheren Mächten getrieben und ausgenutzt. Welche Verbindungen es gibt und wem sie vertrauen können und wer sie hinters Licht führt, merken sie erst nach und nach.
Eine Hetzjagd beginnt. Hat die Anschlagsserie in Marseille etwas zu tun mit dem toten Anwalt, der hingerichtet in einer Grube im Dorf Saint-Lemis gefunden wird? Ausgerechnet dort, wo Pierre Larut bis vor einiger Zeit noch hauptberuflich ermittelt hat. Er stellt schnell einen Zusammenhang zu einem sehr ähnlichen Fall vor zwölf Jahren her. Wurden beide Männer mit der selben Waffe ermordet? Eigentlich unmöglich, doch Larut lässt nicht locker und stöbert in Marseille Unterstützung in Form von Émile Revian, ebenfalls Polizist, auf.
Die beide decken auf, wie sehr Frankreich immer noch an den Folgen des Algerienkriegs zu knabbern hat und suchen nach einer ominösen Liste, auf der Personen des OAS (Organisation de l’Armée Secrète) notiert sein sollen. Nur diese können ihnen helfen, den Fall von vor zwölf Jahren zu lösen, soll diese Liste doch damals für den Ermordeten das Todesurteil und für Laruts Ex-Kollegen Ranfort das Gefängnis bedeutet haben. Revian und Larut entknoten die Zusammenhänge langsam und kommen damit nicht nur dem Attentäter, sondern auch einem gefährlichen Ende immer näher.
Mit seinem klaren, eindringlichen Schreibstil schafft der Autor eine Atmosphäre, der man sich nicht entziehen kann. Er verbindet Fiktion und historisch gewachsene Probleme so gekonnt, dass sich jegliche Ereignisse echt und beklemmend anfühlen. Und um diesen Thriller zu genießen, muss man kein Historiker sein, einen kleinen Überblick erhält man im Laufe der Lektüre und am Ende des Buches findet sich ein Register mit den wichtigsten Begriffen und Abkürzungen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannung mit norwegischer Mystik

Kalt wie Nordlicht
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In einem alten Haus im rauen Norden Norwegens werden Polizistin Kari und Psychologe Arne, durch ein Sturmtief abgeschnitten von jeglicher Unterstützung, unfreiwillig zu Hauptermittlern in einem brutalen ...

In einem alten Haus im rauen Norden Norwegens werden Polizistin Kari und Psychologe Arne, durch ein Sturmtief abgeschnitten von jeglicher Unterstützung, unfreiwillig zu Hauptermittlern in einem brutalen Mordfall. Sie sind nicht alleine: sieben weiter Personen sind mit ihnen eingesperrt, im Haus, das Akka, einer alten Sami-Frau gehörte, anlässlich deren Todes sie nun alle beisammen sitzen.
Vor der malerischen wie gefährlichen Winterkulisse Norwegens, die der selbst in Norwegen lebende deutsche Autor so treffend und eindringlich beschreibt, wachsen die Beteiligten an der Situation über sich hinaus und sollen nebenher noch ihre eigenen Probleme lösen.
Kari und Arne leiden noch deutlich an Nachwirkungen ihres traumatisierenden, ersten gemeinsamen Falles („Arne Eriksen ermittelt“). Arne unter Panikattacken und Albträumen, Kari ertränkt die Erinnerung in Alkohol und entwickelt sich unter der Last der Verantwortung dieses Falles zur leicht aufbrausenden, impulsiven 24-Stunden-Polizistin.
Der Prolog entführt den Leser in das Jahr 1993 und auch hier wird jemand nicht mehr lange zu leben haben. Doch erst im Lauf der aktuellen Geschichte offenbar sich, welch düsteren Zusammenhang die Ereignisse von damals mit heute haben und welche Gefahr davon ausgeht. Die durchaus packende, reale Handlung wird vorsichtig mit mystischen Elementen versetzt, die einfach zum Schauplatz passen. Nordnorwegen im eisigen Winter, wo die Sami ihre Heimat haben, von der sie großteils vertrieben wurden und wo es fast so viele Glaubensarten und -praktiken gibt, wie es (Baum-)Stämme gibt. Rational ist vieles nicht erklärbar, aber lässt man sich ganz auf die Beschreibungen ein, kann man schon eher verstehen, was die Menschen hoch oben am Polarkreis, unter dem Nordlicht, das das Firmament, zu ihren Anschauungen gebracht hat.
Dieser mystischen Aura, die das Buch an manchen Stellen ausstrahlt, stehen dann auch wieder sehr banale, zutiefst menschlich berührende Szenen gegenüber. Als alle noch gesund und munter sind und die Trauergemeinschaft in Akkas Zelt am Feuer sitzt und Erinnerungen an die alte Frau untereinander teilt, sitzt man als Leser mittendrin und kann sich nicht vorstellen, dass diese Idylle so jäh unterbrochen wird.
Geht denn trotzdem alles gut aus? Ja und Nein. Nur eines ist sicher, der letzte Wunsch der Sami-Frau wird erfüllt und ihre Asche schwimmt wohl noch heute mit den Meereswellen der Polarregion.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Amüsant aufbereitetes "Wussten Sie schon...?"

Sex macht Spaß, aber viel Mühe
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Nach der Lektüre dieses Buches versteht jeder, was die Birne mit unseren Urinstinkten zu tun hat und hat dabei noch die Lachmuskeln gut trainiert. Zur Neugier, was das plakative Thema Sex anbelangt (das ...

Nach der Lektüre dieses Buches versteht jeder, was die Birne mit unseren Urinstinkten zu tun hat und hat dabei noch die Lachmuskeln gut trainiert. Zur Neugier, was das plakative Thema Sex anbelangt (das vorne auf dem Buch draufsteht, um die Verkaufszahlen hoch zu halten – wie Steffen Münzberg im Buch selbst zugibt), sollte der geneigte Leser aber auch ein einigermaßen grundlegendes Wissen oder zumindest Interesse an Biologie, biologischen Vorgängen (nein, nicht nur der im Bett) und Evolution ganz allgemein mitbringen. Dann wird die literarisch unterhaltsame Reise von den Ursprüngen der Bakterien über Pflanzen, Affen bis hin zum heute großteils monogam lebenden homo sapiens durchwegs kurzweilig, gespickt mit passenden, witzig präsentierten Fakten. Etliche „Wussten Sie schon…?“-Momente, die durch den passend flapsig-leichten Stil von Münzberg nicht so oberlehrerhaft wirken, wie sie könnten, bleiben auch nach dem Buch noch länger im Kopf.
Wer dieses Buch in der Familie, im Verwandtschafts- oder Bekanntenkreis weitergibt, kann sich sicher auf die eine oder andere Diskussion freuen. Ob sie nun ernst, spekulativ oder lasziv geführt wird, hängt davon ab, wer das Buch in die Finger bekommt.

Nur ab und an kann die Lektüre ein wenig langatmig werden, da leider auch viel Fachwissen erklärt werden muss. Dagegen hilft leider auch kein biologisches Vorwissen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Tagebuch eines Doppelmörders

1888
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Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden, um dieses Buch korrekt zu beschreiben, so, dass es der Geschichte gerecht wird. Das Werk, das auf dem Cover als „Thriller“ ausgewiesen ist, ist zwar teilweise ...

Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden, um dieses Buch korrekt zu beschreiben, so, dass es der Geschichte gerecht wird. Das Werk, das auf dem Cover als „Thriller“ ausgewiesen ist, ist zwar teilweise einer, aber einer, der so sehr darüber hinausgeht, dass man fast nicht glauben kann, dass so viel in nur diesem einen Buch Platz hat.
Wenn die Handlung nicht gerade ein Thriller ist, dann ist sie ein Krimi mit viel historischem Einschlag, wie auch der Titel vermuten lässt. Ein Teil der Geschichte spielt 1888, der andere 1923/24. Schauplätze sind London und Wien, der Protagonist ist George, ein deutscher Kriegsveteran, den es nach London verschlagen hat. Er lässt die Leute im Glauben, er sei aus der Schweiz und rechtfertigt damit seinen Akzent. Um seine deutschen Wurzeln noch besser zu verschleiern, bevorzugt er auch die englische Aussprache seines Namens.
George bekommt ein Paket zugestellt, das ihn und seine neue Existenz zusammen mit den wenigen Kontakten, die geknüpft hat, vor eine wichtige Entscheidung stellt. Aufgrund der Tagebücher und Notizen, die er von seinem Freund Richard geschickt bekommt, beschließt er, dessen Geschichte und Erlebnisse niederzuschreiben. Und die haben es in sich: Richard, Arzt, wird verdächtigt, in Wien eine Prostituierte und einen Arztkollegen ermordet zu haben. Er sitzt im Gefängnis und wartet auf die Vollstreckung seines Todesurteils. Währenddessen schreibt er all seine Erinnerungen nieder.
George, vom Krieg körperlich und seelisch gezeichnet, beschließt, nach Wien zu fahren, als er nicht mehr weiterkommt und dort an seinem Buch, wie er es mittlerweile nennt, weiterzuschreiben. Er verstrickt sich immer mehr in die Vergangenheit, die mörderischen Geschehnisse von 1888 und den Geheimnissen, die die österreichische Hauptstadt verbirgt. Vielmehr sind es ihre Bewohner und von diesen jene, die damals in die Sache verstrickt waren, die George zu schaffen machen.
Begünstigt durch seine eigenen Vergangenheit, die schwierigen Nachforschungen und den ausschweifenden Konsum von Tabak, Alkohol, Morphium und anderen Substanzen, verliert George immer wieder die Kontrolle. Nicht nur über sich, sondern über Richards Geschichte, die fast zu seiner eigenen zu werden droht, sehr viel Platz einnimmt.
Der Autor lässt die Abschnitte der Geschichte immer zwischen der Gegenwart Georges und der Vergangenheit hin- und herpendeln und erzeugt mit einem gelungenen Wechsel zwischen längeren und kürzeren Einblicken in das jeweilige Geschehen einen ganz eigenen Sog, der den Leser durch das Buch zieht. Fast nebenbei bemerkt der Leser die viele akkurate Recherchearbeit und wird von der so speziellen, herausragenden Art der Formulierung in einen Bann gezogen. Die Geschichte bietet sehr viele lose Fäden und wirft Fragen auf. Nicht alles wird aufgeklärt, vieles überlässt der Autor dem Leser, der selbst Zusammenhänge herstellen kann und oft über das Warum grübeln darf. Ob die eigenen Vermutungen denn stimmen, bekommt man nicht immer zweifelsfrei beantwortet. Das wirkt teilweise unbefriedigend, weil es (in diesem Ausmaß) doch sehr unüblich ist. Es lässt aber die Möglichkeit offen, dass verschiedenen Leser mit leicht abweichenden Theorien gegen Ende trotzdem alle recht behalten können. Das ist zwar ungewöhnlich, passt aber wiederum exakt zu diesem ungewöhnlichen Leseerlebnis.

Veröffentlicht am 26.10.2018

Eine Mordserie in Stockholm

Hasenjagd
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Viel Blut, nordische Action und mittendrin Joona Linna: ein klassischer Lars Kepler wartet hier auf Thriller- und Spannungsfans allgemein. Das Autorenpaar lässt Linna, Finne und Polizist in Schweden, in ...

Viel Blut, nordische Action und mittendrin Joona Linna: ein klassischer Lars Kepler wartet hier auf Thriller- und Spannungsfans allgemein. Das Autorenpaar lässt Linna, Finne und Polizist in Schweden, in seinem sechsten Fall wieder zur Hochform auflaufen. Allerdings steigt Linna diesmal ungewöhnlich spät ins Geschehen ein, denn er ist “verhindert”.

Vom Kriminalfall kann man nicht allzu viel erzählen, da man sonst die Zusammenhänge wohl unabsichtlich verraten würde. Neben Joona Linna hat auch Saga Bauer vom Staatsschutz ihren Auftritt sowie die jeweiligen Kollegen.

Es gibt mehrere Tote, deren Gemeinsamkeit es natürlich zu entschlüsseln gilt. Soweit so klar. Zwischendurch werden Abschnitte auch aus Tätersicht erzählt, was dem Leser natürlich neue Erkenntnisse etwas früher verspricht. Alles vorauszusehen wird man trotzdem nicht schaffen. Die Spannung bleibt auch durch die vielen Nebenstränge und Nebencharaktere aufrecht, man kann selbst rätseln, ob und wie sehr diese oder jene Person in die Sache involviert ist oder ob sie eine falsche Fährte darstellt.

Mit klarem, direktem Stil führen die Autoren durch den Thriller und Stockholm im Spätsommer. Viele Schilderungen sind detailreich und brutal, dennoch: Wer von uns hat das Beschriebene schon einmal tatsächlich gesehen? Hoffentlich niemand. Lesen aber sollte man das Buch dennoch.

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