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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.10.2016

Ein Duo wider Willen

Sieben minus eins
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Ein neues Ermittlerduo stellt Arne Dahl hier vor, Sam Berger und Molly Blom. Und er startet so packend, dass der Leser gar nicht merkt, dass es bis zu Bloms erstem Auftritt länger dauert als sonst bei ...

Ein neues Ermittlerduo stellt Arne Dahl hier vor, Sam Berger und Molly Blom. Und er startet so packend, dass der Leser gar nicht merkt, dass es bis zu Bloms erstem Auftritt länger dauert als sonst bei Duos üblich. Das liegt mit auch daran, dass die beiden kein „normales“ Duo sind, sondern durch problematische Vergangenheit und Gegenwart vielmehr unfreiwillig aneinandergekettet werden.

Zu lösen ist ein Fall, der zuerst überschaubar wirkt, sich dann aber immer mehr ausweitet. Nicht klar, ist, ob es nun einen Serienmörder gibt, wie Berger das vermutet. Und: Wie sehr darf er sich in seine eigenen, versteckten Ermittlungen vertiefen, um nicht seinen Job zu riskieren? Mehrere Mädchen verschwinden, ihre Leichen werden nicht gefunden. Berger sieht in den Fällen einen Zusammenhang, nicht nur aufgrund der Tatsache, dass an jedem Tatort etwas gefunden wird, das Berger in Verbindung mit den Taten bringt.
Blom ist Bergers Meinung und gemeinsam entwirren sie grausame Zusammenhänge und Taten eines Täters, den beide besser kennen, als sie denken. Doch sie sind nicht nur Jäger, sondern auch Gejagte: Die Polizei und eine Sondereinheit stellen sich gegen sie, sind von Bergers Schuld überzeugt. Mit einer überraschenden, aber durchaus stichhaltigen Akte kann Berger aber seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, die Behörden müssen nachgeben.
Nicht für alles haben die Superermittler schlussendlich eine Erklärung (wohl weil es die nicht geben kann), aber wenn man sich damit abfinden kann, dass es der Täter schon irgendwie gemacht haben könnte, gibt es an diesem Krimi/Thriller nichts auszusetzen. Im Gegenteil: Dieser Start in die neue Reihe legt die Latte für die Folgebände sehr hoch und punktet am Ende noch mit einem grausamen Cliffhanger.

Veröffentlicht am 06.10.2016

Ein Kommissar, der mit den Menschen kann

Die Stille der Lärchen
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Lenz Koppelstätter hat einen guten Blick für das Wesentliche und eine gute Menschenkenntnis. Zumindest vermutet man das, liest man seinen neuen Krimi aus dem Südtiroler Ultental. Der Bozener gibt all das ...

Lenz Koppelstätter hat einen guten Blick für das Wesentliche und eine gute Menschenkenntnis. Zumindest vermutet man das, liest man seinen neuen Krimi aus dem Südtiroler Ultental. Der Bozener gibt all das seinem Commissario, Johann Grauner, mit und lässt diesen nicht als Übermenschen und nicht als komplett mit privaten Problemen überhäuften Ermittler durch die schöne Landschaft wandern. Meistens aber fährt Grauner, am liebsten mit seinem alten Panda. Dass er eigentlich lieber Vollzeit-Bauer wäre, tut seinem Talent als Kommissar keinen Abbruch und macht noch menschlicher, als er schon ist.
Unmenschlich hingegen stellt sich der aktuelle Fall zu Beginn dar: Ein Mädchen ist tot, erschossen, aber weder die Tatwaffe noch der Tatort oder andere Indizien sind auffindbar. Natürlich herrscht im katholischen Dorf eisiges Schweigen. Wieder kommt Grauner, unterstützt von Ispettore Claudio Saltapepe, mit seinem siebten Sinn für seine Mitmenschen ins Spiel.
Großartig „echt“ und mit einer Prise Humor verfasst der Autor die viele Szenen des Aufeinandertreffens von Polizei und Bevölkerung, sei es am Fundort der Leiche oder im Dorfwirtshaus. Fein gegenübergestellt sind immer wieder die Abschnitte im Tal und Teile der Geschichte, die in Städten wie Bozen oder Meran spielen. Mit einem Auge fürs Detail schildert der Autor Grauners so unterschiedliche Erlebnisse und Eindrücke. Manchem Leser zuckt spätestens da (oder immer dann, wenn es um köstliche Pasta oder Knödel geht) der Zeigefinger über der Maus, bereit, um den nächsten Italienurlaub zu buchen.
Doch nicht nur die Landschaftsbeschreibungen, auch die Krimigeschichte weiß zu überzeugen und fördert so einiges zu Tage, das schon mehrere Generationen zurückliegt. Und wer weiß, vielleicht wusste Thomas Mann einst mehr, als wir bisher erfahren haben…?

Veröffentlicht am 03.10.2016

Beruflich und privat: Dichte Atmosphäre für Ermittler Huldar

DNA
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Ein kleines bisschen unsicher kann man sich als Leser dieses ausgezeichneten Thrillers schon in den eigenen vier Wänden fühlen, angesichts dessen, wie die Opfer hier zu Tode kommen und wie einfach es dem ...

Ein kleines bisschen unsicher kann man sich als Leser dieses ausgezeichneten Thrillers schon in den eigenen vier Wänden fühlen, angesichts dessen, wie die Opfer hier zu Tode kommen und wie einfach es dem Mörder doch scheinbar gemacht wird. Aber da wie erhofft alles – soweit man das sagen kann – gut ausgeht und die Fälle auch restlos aufgeklärt werden, kehrt das sichere Gefühl wieder zurück. Nicht, weil der Täter ja gefasst ist, sondern vor allem, weil man sich sicher sein kann, dass man nichts getan hat, was einen anderen Menschen so dermaßen hassen lässt.

Doch auch die Opfer fühlten sich sicher… Yrsa Sigurdardóttir spinnt hier mit dem isländischer (Spannungs-)Autoren so eigenen, packenden Stil eine Geschichte über Liebe, Verletzlichkeit, zerstörte Hoffnung und unglückliche Zufälle und spannt sie über Generationen. Selbst als dem Leser einige Zusammenhänge klar werden, die Kommissar Huldar noch fehlen, hat die Autorin immer noch Informationen und eine Auflösung parat, die selbst geübte Thrillerleser erstaunen lassen. Zwei Morde und zwei Frauen, die scheinbar außer der Brutalität nichts gemeinsam haben. Da aber alles auf den selben Täter hindeutet, gräbt Huldar weiter und ahnt nicht, wie nahe an ihm selbst die Verbindungen dieser Fälle liegen.

Die Autorin startet mit diesem Buch eine neue Reihe, daher werden abseits der schwierigen Ermittlungen auch Huldar und sein Arbeitsumfeld näher beleuchtet. Wenig Schlaf, viel Kaffee und ein unmöglicher Vorgesetzter gehören ebenso zum Standardrepertoire eines erfolgreichen Krimis wie die eine oder andere durchaus komische Szene. Eine unglücklich beginnende Zusammenarbeit mit Kinderpsychologin Freya bringt dem Leser trotz des packenden Plots immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Lösung liegt in der Vergangenheit

Sizilianische Rache
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Auch für den kommenden Herbst schafft es dieses Buch, den Leser in eine träumerische Spät-Sommer-Stimmung zu versetzen und die Autorin bringt einem zwischen Krimihandlung und blutigen Fakten aus der Vergangenheit ...

Auch für den kommenden Herbst schafft es dieses Buch, den Leser in eine träumerische Spät-Sommer-Stimmung zu versetzen und die Autorin bringt einem zwischen Krimihandlung und blutigen Fakten aus der Vergangenheit noch das sizilianische Flair und die Art der Menschen nahe. Detailreiche Schilderungen in allen Belangen lassen außer Bildern vor dem geistigen Auge fast noch den passenden Geruch und Geschmack dazu auftauchen.

Wie in Band eins der nun ausgebauten Reihe um den Journalisten Luca Santangelo geschieht ein Verbrechen, bei dem er zwar nicht beteiligt ist, aber dennoch persönlich hineingezogen wird. Sein leicht naiver, manchmal tollpatschiger Sohn, der das Herz am rechten Fleck hat, wird in einer einzigen Nacht in einen möglichen Mord und einen Kunstraub hineingezogen. Der Mord ist natürlich aktuell, doch der Raub hat einiges an Hintergrund zu bieten. Ein erneutes Highlight bilden auch in diesem Band wieder die gefühlvoll eingeflochtenen Ausflüge in die Vergangenheit der Inseln Sizilien, Mozia, Santa Maria und Favignana.
Ganz sizilianisch spielt die Familie eine wichtige Rolle und es zeigt sich, dass niemand, so sehr es ihm die Umstände auch nahelegen, sich von seiner Abstammung lösen kann. Diese kann Segen und Fluch zugleich sein. Mit wenigen dosierten Wendungen stattet Ann Baiano ihre Texte aus, lässt dem Leser in manchen Punkten Spekulationen offen und offenbart bei nahezu all ihren Charakteren deren tiefliegende Sehnsüchte. Nur allzu oft bilden diese die Grundlage für Verbrechen, wie auch Luca leidvoll erfahren muss.
Fast nebenbei ist dieses Buch auch eine kleine Mahnung, festgefahrene Meinungen zu hinterfragen – denn nicht immer ist alles so, wie es scheint…

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mit Agenten durch Europa

Die Tunis Affäre
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Einen wunderbar strukturieren (Agenten-)Thriller hat Charles Cumming hier geschrieben. Der Lesefluss bleibt stets aufrecht, die Abschnitte sind angenehm kurz, falls man wider Willen doch eine Pause machen ...

Einen wunderbar strukturieren (Agenten-)Thriller hat Charles Cumming hier geschrieben. Der Lesefluss bleibt stets aufrecht, die Abschnitte sind angenehm kurz, falls man wider Willen doch eine Pause machen muss. Der Schreibstil und die Örtlichkeiten sind stimmig, nur bei Morden darf man nicht zu viel Vorstellungskraft besitzen.
Cumming schickt den ausgemusterten Ex-Agenten Thomas Kell auf einen Sondereinsatz. Ein Arbeitskollege heuert ihn an, um die verschwundene designierte Chefin, Amelia Levene, des MI6 zu finden. Quer durch Europa geht die Suche, um zu klären, ob sie nicht doch einfach kurzfristigen Urlaub für eine Liebesaffäre geplant hat. Unterstützung bekommt Kell dabei von pensionierten ehemaligen Agenten, Computerspezialisten und dem ein oder anderen Scharfschützen. Doch allzu blutig wird es nicht, vielmehr stehen Taktik, Raffinesse und Beobachtungsgabe im Vordergrund. Alles soweit spannend und realistisch. Man darf nur nicht zusammenrechnen, was Kell in Summe an Geld ausgibt. Ob das schriftstellerische Freiheit ist oder es in diesem Punkt bei den Geheimdiensten weltweit wirklich so zugeht, weiß natürlich niemand.
Da Kell ein Spitzenmann ist, findet er Amelia natürlich relativ schnell und man fragt sich kurz, warum denn noch so viele Seiten folgen. Doch die Geschichte ist wesentlich verstrickter und spielt letztlich sogar auf tiefgreifende Differenzen zwischen verschiedenen Geheimdiensten an. 380 Seiten vergehen wie ein Flug von London nach Paris und bis inklusive Danksagung ist alles stimmig. Ein paar Dinge, die scheinbar allzu leicht gelingen, wiegt der Autor gekonnt mit kleineren und größeren Pannen auf. Und auch Humor findet seinen Platz in diesem Thriller.