Profilbild von zazzles

zazzles

Lesejury Profi
offline

zazzles ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit zazzles über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.02.2023

Eine Story, die mir wohl nicht lange in Erinnerung bleiben wird

Mein Leben in deinem
0

Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ein neues Hörbuch von Jojo Moyes entdecke. Und das liegt nicht mal an der Autorin (oder ihren Büchern), sondern an der wundervollen Luise Helm, die den Hörbüchern jeweils ...

Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ein neues Hörbuch von Jojo Moyes entdecke. Und das liegt nicht mal an der Autorin (oder ihren Büchern), sondern an der wundervollen Luise Helm, die den Hörbüchern jeweils ihre Stimme leiht. Selbst wenn ihr keine Hörbücher hört, ist euch ihre Stimme bestimmt schon mal in Filmen begegnet, denn Helm synchronisiert einige bekannte Hollywoodschauspielerinnen, darunter zum Beispiel Scarlett Johansson. Helms Stimme hat aber nicht nur Wiedererkennungswert, sondern ist auch unglaublich ruhig und angenehm, sodass das Zuhören einfach Spass macht.

In Moyes neustem Werk werden zwei unterschiedliche Handlungsstränge erzählt. Zum einen haben wir Sam, eine Frau im mittleren Alter, die nicht nur mit Eheproblemen, sondern auch mit Jobproblemen zu kämpfen hat. Ihr Ehemann ist seit längerem depressiv und verlangt ihr viel Geduld ab, während ihr Chef sie auf dem Kieker zu haben scheint und sie in jeder möglichen Situation blossstellt.
Auf der anderen Seite lernen wir Nisha kennen, die gerade von ihrem reichen Ehemann verlassen wurde. Und als wäre das nicht genug, hat er ihr den Geldhahn zugedreht, sodass sie nun auf der Strasse steht und herausfinden muss, wie sie aus diesem Schlamassel wieder rauskommt.
Das Schicksal der beiden Frauen wird eines Tages durch ein Paar rote Louboutins verbunden, als Sam nach einem ihrer Sportkurse versehentlich die falsche Tasche mitnimmt, die eigentlich Nisha gehört.
Nachdem Sam den Irrtum bemerkt und die Tasche mit all den kostspieligen Kleidungsstücken entdeckt, beschliesst sie für einen Tag ihrem anstrengenden Leben zu entfliehen und trägt Nishas rote Schuhe, die ihr ein neues Selbstbewusstsein verleihen, das sie lange Zeit vermisst hat.
Doch Sams Glück währt nicht lange, denn Nisha möchte ihre Schuhe zurück, nachdem ihr Exmann eingewilligt hat, im Gegenzug für die Schuhe eine Scheidungsvereinbarung zu unterschreiben. Und so versucht Nisha die potenzielle Diebin ausfindig zu machen und zur Rede zu stellen...

Obwohl ich grundsätzlich nichts gegen zwei unterschiedliche Handlungsstränge habe, hat mir hier eindeutig die Verbindung zwischen den beiden Protagonistinnen gefehlt, denn bis auf die roten Schuhe gab es eigentlich keine Berührungspunkte zwischen Sam und Nisha. Beide Erzählstränge werden während zwei Dritteln des Buches nebeneinander erzählt und verlaufen absolut unabhängig voneinander, was mich etwas irritiert hat, denn es war eigentlich so, als ich würde ich zwei unterschiedliche Geschichte lesen.
Ich bin leider auch kein grosser Fan von Chick-Lit, sodass mich die beiden Handlungen nicht wirklich packen konnte. Während ich Sams lebensnahe Problemen mit ihrer Ehe und ihrem Job noch nachvollziehen und mein Mitgefühl aufbringen konnte, konnte Nisha bei mir bedauerlicherweise keinerlei Sympathiepunkte einheimsen. Sie war eine reiche, verwöhnte Frau, die plötzlich aufgrund von Geldproblemen arbeiten musste, wie das "normale Volk" aus der Unter- und Mittelschicht auch. Sorry. So ist das Leben nun mal für ein Grossteil der Bevölkerung. Da habe ich absolut kein Mitleid für ihr Gejammer.
Mal abgesehen davon, war gerade Nishas Handlungsstrang absolut konstruiert, denn ich bezweifle, dass ein Ehemann einfach so seine Frau vor die Tür stellen und nicht nur ihr, sondern auch das Konto ihres Sohnes sperren kann. Aber in Moyes Buch musste das so dargestellt werden, damit die Handlung funktioniert.
Natürlich konnte sie auch keine Freund:innen um Hilfe bitten, denn scheinbar hat sich Nisha in den ganzen Jahren so egozentrisch aufgeführt, in denen sie noch glücklich verheiratet gewesen ist, dass sie nicht eine:n einzige:n Freund:in hat, der:die ihr irgendwie helfen kann, oder bei der sie zumindest vorübergehend unterkommen kann. Auch das war wieder nur ein konstruierter Umstand, damit Nishas Plot nicht nach 20 Seiten schon auserzählt ist und hat ihre ganze Situation aber leider einfach völlig realitätsfremd und unglaubwürdig erscheinen lassen.

Nach rund zwei Dritteln begegnen sich unsere Protagonistinnen dann endlich, aber mehr Tiefe erhält die Geschichte dadurch nicht. Der einzige gemeinsame Faktor stellt im letzten Drittel die Suche nach den roten Schuhen dar, sodass die Geschichte kurzzeitig zu einem kleinen Krimi wird, der zwar etwas Fahrt in den Plot gebracht hat, aber leider trotzdem forciert wirkte. Das i-Tüpfelchen des Ganzen war schliesslich, als der Grund enthüllt wurde, warum Nishas Exmann diese Schuhe unbedingt haben wollte. Da konnte ich nur noch mit den Augen rollen, denn die Begründung war so an den Haaren herbeigezogen, dass mich das Buch im Schlussteil endgültig verloren hat.

Wie es sich für eine Chick-Lit gehört, werden am Ende alle offenen Handlungsstränge mit einem Happy-End abgeschlossen, was für mich alles ein bisschen zu schnell und zu schön verlief, als dass es irgendwie glaubhaft gewesen wäre.

Das einzig Positive an diesem Buch ist eigentlich der eingangs genannte Grund, warum ich überhaupt zum Hörbuch gegriffen habe: Luise Helm. Trotz des schwachen und konstruierten Plots und der fehlenden Spannung, hat sie es durch ihre Stimme geschafft, dass das Zuhören kurzweilig und angenehm war.

Fazit:
Jojo Moyes ist eigentlich bekannt für Geschichten aus dem Leben, bei denen sich auch Leser:innen wiedererkennen können. Hier hat sie leider etwas übers Ziel hinausgeschossen und besonders mit Nisha einen Charakter geschaffen, deren Probleme leider nicht nur total konstruiert und unglaubwürdig, sondern auch alltagsfern erschienen sind.
Der Plot enthält kaum Spannungen oder eine Entwicklung, die mir in irgendeiner Form wirklich nahe gegangen wäre. Einzig Luise Helm war ein Lichtblick in all dem Ganzen und sie hat es trotz schwachem Plot geschafft, dass das Zuhören angenehm und unterhaltsam war. Die Geschichte ist eine unspektakuläre Chick-Lit, deren Inhalt ich in wenigen Tagen wohl wieder vergessen habe, weil es einfach an einer bedeutungsvollen Botschaft oder Tiefe gefehlt hat. Für mich eines der schwächsten Bücher der Autorin, dem ich nur 2.5 Sterne vergeben kann, die ich wohlwollend mit zwei zugedrückten Augen aufrunde.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.02.2023

Leider eine enttäuschend kopierte Idee

Firekeeper's Daughter
0

Im Buch geht es um die 18-jährige Daunis, die von amerikanischen Ureinwohnern abstammt und eigentlich ein typisches Leben einer angehenden jungen Erwachsenen führt, bis sie eines Tages Zeugin eines Mordes ...

Im Buch geht es um die 18-jährige Daunis, die von amerikanischen Ureinwohnern abstammt und eigentlich ein typisches Leben einer angehenden jungen Erwachsenen führt, bis sie eines Tages Zeugin eines Mordes wird und dadurch ungewollt in die Ermittlungen eines Falls hineingezogen wird, bei dem es um Drogengeschäfte geht. Und ausgerechnet sie soll nun mithelfen, die Täter zu finden...

Zunächst möchte ich mit den positiven Aspekten anfangen: Ich finde es fantastisch, dass sich das Buch mit der Geschichte und der Kultur der amerikanischen Ureinwohner befasst und sowohl die Protagonistin, als auch die Autorin selbst von amerikanischen Ureinwohnern abstammt. Dadurch verschafft sie nicht nur einer Minderheit Gehör, die so viel Leid erfahren hat, die Geschichte wird durch die eigenen Wurzeln der Autorin authentisch.
Ausserdem finde ich es toll, dass man das wunderschöne Original-Cover auch in der deutschen Übersetzung beibehalten hat, denn es fängt nicht nur das Thema des Buches sehr gut ein, sondern ist auch ein Blickfang, der mich damals auf das Buch aufmerksam gemacht hat.

Leider konnte die Geschichte bei mir dann letztendlich aber dann nicht so punkten, wie ich erhofft hatte, was gleich mehrere Gründe hatte: Zum einen ist das Erzähltempo im Buch sehr träge, was das Lesen bei einem 560 Seiten dicken Buch sehr anstrengend und langwierig gemacht hat. Die Handlung kommt gerade zu Beginn nicht richtig in die Gänge, weil die Autorin zu viel Infodumping mit Erklärungen zu Ritualen der Native Americans reingepackt hat, das nicht nur den Handlungsfluss ständig unterbricht, sondern auch von der Art und Weise sehr künstlich wirkt. Da das Buch aus der Ich-Perspektive von Daunis erzählt wird, hat es für mich absolut keinen Sinn ergeben, warum sie sich selbst in Gedanken jegliche Rituale ihrer Verwandten erklärt, mit denen sie aufgewachsen sind und für sie selbstverständlich sind. Es war stellenweise so, als würde sie sich selbst Vorträge halten, was einfach unnatürlich gewirkt hat, weil wir Menschen nicht so denken und funktionieren. Wir erklären uns nicht in Gedanken Vorgänge aus dem Alltag, die für uns selbstverständlich sind.
Ausserdem wäre weniger in diesem Fall mehr gewesen, denn die vielen Erklärungen waren für mich in der Masse und in ihrer Ausführlichkeit einfach zu ermüdend und es hat sich stellenweise angefühlt, als würde ich ein Lehrbuch über die amerikanischen Ureinwohner lesen, statt eines Mystery Thrillers.

Nach dem ersten Viertel des Buches, nimmt die Handlung dann endlich Fahrt auf, als der erste Mord vor Daunis Augen geschieht und sie dadurch als zivile Undercover-Agentin vom FBI engagiert wird. Obwohl ich dankbar war, dass endlich mal etwas passiert war, war dieser "Plot Twist" absolut enttäuschend für mich, denn die Idee war einfach eine 1:1 Kopie von 21 Jump Street (den Filmen aus den 2010er Jahren zumindest - die Serie aus den 80ern habe ich nicht gesehen). Bei einem so gehypten Buch, das so viele positive Rezensionen erhält, hätte ich erwartet, dass der Plot innovativer ist, als eine bereits mehrfach erzählte und geklaute Story. Hinzu kommt, dass diese Undercover-Geschichte einfach absolut an den Haaren herbeigezogen ist (und das ist sie auch schon bei 21 Jump Street, aber da handelt es sich immerhin um eine Komödie, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt). Hier im Buch soll es sich aber um eine ernstzunehmende Thriller-Story handeln, die ich aber einfach nicht mehr ernst nehmen konnte.

Ich habe dann trotzdem versucht dem Buch noch eine Chance zu geben und die nächsten paar hundert Seiten quer gelesen, aber leider war die Luft dann irgendwann ganz raus bei mir. Diese Ermittlung war einfach unglaubwürdig und es kam mir so vor, als würden viele Nebencharaktere wie die Fliegen sterben (und ermordet werden), was aber niemanden so richtig zu schockieren schien - abgesehen von mir? Ich fand es auch unglaubwürdig, dass ein 22-jähriger bereits ein FBI-Agent sein kann? Von dem total vorhersehbaren und konstruiert wirkenden Liebesplot will ich gar nicht erst anfangen.

Irgendwann war ich nur noch so genervt, dass ich mich nicht länger durch diesen Wälzer quälen wollte und habe das Buch schliesslich im letzten Drittel abgebrochen.

Fazit:
Obwohl das Buch einen so grossen Hype und viele begeisterte Stimmen erfahren hat, war ich über die geklaute 21-Jump-Street Idee so enttäuscht, dass ich mich nicht mehr auf die Handlung einlassen konnte. Ich finde es wichtig und gut, dass die Autorin, die selbst amerikanische Ureinwohnerin ist, dieser Kultur und Geschichte ein Gehör gibt. Aber nächstes Mal bitte mit einem selbst ausgedachten, innovativen Plot und einem weniger lehrbuchartigen Schreibstil, dann gebe ich ihr gern noch einmal eine Chance. Das hier war aber für mich persönlich leider kein Lesevergnügen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.12.2022

Ein interessanter Einblick in das Leben einer giftmischenden Apothekerin des 18. Jahrhunderts

Die versteckte Apotheke
0

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Auf der einen Seite lernen wir die Apothekerin Nella kennen, die am Ende des 18. Jahrhunderts einer geheimnisvollen Nebentätigkeit als Giftmischerin nachgeht. ...

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Auf der einen Seite lernen wir die Apothekerin Nella kennen, die am Ende des 18. Jahrhunderts einer geheimnisvollen Nebentätigkeit als Giftmischerin nachgeht. Sie ist jedoch keine skrupellose Mörderin, sondern erfüllt lediglich Aufträge von Frauen, die in den meisten Fällen ihre untreuen Männer loswerden wollen. Warum das so ist, wird im Buch nach und nach aufgedeckt.
Auf der anderen Seite lernen wir in der Gegenwart mit Caroline eine weitere Protagonistin kennen, die aufgrund eines Ehekonflikts nach London geflohen ist und dort durch Zufall auf die Spuren der inzwischen längst verstorbenen Nella gerät. Durch intensive Recherche deckt Caroline schrittweise auf, welche Tragödie sich vor knapp 200 Jahren ereignet hat, nachdem einer von Nellas Aufträgen nicht so verläuft, wie geplant – und dabei stellt Caroline überraschenderweise einige Parallelen zu ihrem eigenen Eheleben fest...

Ich habe mich relativ unvoreingenommen auf die Geschichte eingelassen und wurde überraschend schnell in ihren Bann gezogen. Besonders die Perspektive rund um Nella hat mich neugierig gemacht, denn nachdem sie Freundschaft mit der 12-jährigen Eliza schliesst, wird ihre geheime Tätigkeit durch eine Unachtsamkeit des jungen Mädchens ungewollt aufgedeckt. Das führt dazu, dass sich während des Lesens stetig eine Spannung aufbaut, die mich hat mitfiebern lassen, ob Nella wohl wieder heil aus dem ganzen Schlamassel rauskommen wird.

Der Schreibstil selbst ist dabei eher unaufgeregt und ruhig, und punktet vor allem durch emotionale Themen, und weniger durch spannungsgeladenen Szenen, wie man sie durch den Mysteryanteil vielleicht erwarten würde. Obwohl ich eigentlich selbst einen temporeichen Erzählstil bevorzuge, hat mich in diesem Fall das eher langsame Erzähltempo erstaunlicherweise gar nicht gestört, da so viel zwischen den Zeilen erzählt wurde, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt habe. Mit jedem weiteren Kapitel hat man etwas mehr zu Nellas Persönlichkeit und ihrer Geschichte erfahren, was sie nicht nur zu einer vielschichtigen Protagonistin gemacht hat, sondern auch die Gründe für ihren Entscheid als Giftmischerin tätig zu sein, nachvollziehbar gemacht haben. (Ob man das jetzt gut oder schlecht findet, lasse ich jetzt mal aussen vor.)
Der Handlungsstrang in der Gegenwart hat zwar für Abwechslung gesorgt, ich muss jedoch zugeben, dass mich Carolines Eheprobleme mit ihrem untreuen Ehemann nur mässig interessiert haben. Vieles davon hat sich wie eine klischeehafte Chick-Lit gelesen. Es gab dabei jedoch einige Parallelen zu Nellas Erzählung, dass ich nachvollziehen konnte, weshalb sich die Autorin entschieden hatte, diese Zeitebene ebenfalls einzuführen – auch wenn sie nicht meinen Lesegeschmack getroffen hat.

Die Autorin baut während ihrer Erzählung immer mehr Spannung auf, dass ich irgendwann sehr hohe Erwartungen an das Ende hatte, die jedoch nur zum Teil erfüllt werden konnten. Die Geschichte findet zwar einen runden Abschluss, aber mir waren einige Ereignisse dann doch zu abrupt und auch teilweise absurd und an den Haaren herbeigezogen, sodass das Ende zwar okay, aber nicht vollumfänglich zufriedenstellend war.

Fazit:
Bei diesem Buch handelte es sich um eine feministische Erzählung zweier Frauen, deren Erlebnisse zwar im Abstand von 200 Jahren geschehen, aber dennoch überraschend viele Parallelen aufweisen. Obwohl der Erzählstil eher langsam und aufgeregt ist, gelingt es der Autorin genügend Spannung um das geheimnisvolle Leben einer giftmischenden Apothekerin aus dem 18. Jahrhundert aufzubauen, die mich gut unterhalten konnte. Einzig das Ende weist einige Schwächen auf, ansonsten kann ich das Buch definitiv weiterempfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.12.2022

Eine Fortsetzung, die es nicht gebraucht hätte...

Als die Welt zerbrach
0

Es ist bereits viele Jahre her, seitdem ich "Der Junge im gestreiften Pyjama" zunächst als Film gesehen und später noch als Buch gelesen habe. Und das Ende hat mich damals so sprachlos und nachdenklich ...

Es ist bereits viele Jahre her, seitdem ich "Der Junge im gestreiften Pyjama" zunächst als Film gesehen und später noch als Buch gelesen habe. Und das Ende hat mich damals so sprachlos und nachdenklich zurückgelassen, dass ich es bis heute nie vergessen konnte. Die Geschichte war aber in sich abgeschlossen, sodass ich eigentlich nicht auf eine Fortsetzung gewartet habe. Trotzdem hat es mich neugierig gemacht, was der Autor denn noch zu sagen hat und habe mich deshalb spontan dazu entschlossen, das Hörbuch anzuhören.

Die Fortsetzung dreht sich vordergründig um das Leben nach dem Zweiten Weltkrieg und fokussiert sich dabei vor allem auf Gretel Fernsby, die Schwester von Bruno, der im Vorgänger ums Leben gekommen ist.
Doch Gretel hat nicht nur den Tod ihres Bruders zu verarbeiten, sondern vor allem der Umstand, dass sie selbst als 10-jähriges Kind einer Familie von Nazis angehört hat, die am Holocaust mitbeteiligt war. Gretel versucht nach dem Kriegsende durch eine Flucht ins Ausland und weitere Umzüge in andere Länder, ihrer Schuld zu entkommen, muss jedoch jedes Mal feststellen, dass diese Strategie nur mässig erfolgreich ist. Als 90-jährige, wird sie schliesslich erneut von ihrer Vergangenheit eingeholt und muss sich ihr ein für alle Mal stellen...

Ich muss leider gestehen, dass ich richtig Mühe hatte, einen Zugang zum Plot und den Charakteren zu finden. Das lag einerseits daran, dass in meinen Augen gefühlt nichts Relevantes passiert ist, das dieser Fortsetzung irgendeine Daseinsberechtigung geben würde, andererseits aber auch daran, dass ich Gretel als Protagonistin einfach furchtbar unsympathisch gefunden habe.
Der Autor versucht das Thema Schuld als Aufhänger und roten Faden für sein Buch nutzen, doch die Umsetzung ist in meinen Augen bedauerlicherweise misslungen. Ich hatte den Eindruck, dass es nicht Schuldgefühle waren, die Gretel zu den meisten ihrer Lebensentscheidungen getrieben hat, sondern vielmehr Scham. Scham dafür, für welche abscheulichen Gräueltaten ihre Familie verantwortlich ist. Und das hat sich darin gezeigt, dass sie (bis auf den Schluss, als sie 90 Jahre alt war), keinerlei Verantwortung dafür übernommen hat, was ihre Nazi-Familie angerichtet hat. Stattdessen verheimlicht sie ihre Identität, ändert ihren Nachnamen und versucht im Ausland eine andere Person zu sein, die frei von jeglicher Schuld ist, für die ihre wahre Identität stehen würde. Und dieses Verheimlichen ist für mich eher ein Indikator dafür, dass sie sich für ihr wahres Ich geschämt hat.
Ich will nicht sagen, dass sie selbst eine Täterin ist, denn sie war zum Zeitpunkt des Zweiten Weltkrieges erst um die zehn Jahre alt. Und ich glaube ihr auch, dass sie das Ausmass des Holocausts - an dem ihr Vater mitbeteiligt gewesen war – nicht einschätzen konnte, geschweige denn, etwas dagegen ausrichten konnte. Aber gerade deshalb hätte ich mir erhofft, dass sie als Erwachsene stellvertretend Wiedergutmachung leistet und sich kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt, statt von allem davonzulaufen und zu vertuschen, dass sie von einer Familie von Nazis abstammt.

Erschwerend kommt hinzu, dass ich erst beim Hören dieser Fortsetzung Recherche zum Buch betrieben habe und deshalb darauf aufmerksam geworden bin, dass es schon um den Vorgänger viele Kontroversen gegeben hat. Sogar das Auschwitz Museum hat sich damals öffentlich dagegen ausgesprochen, dass "Der Junge im gestreiften Pyjama" gelesen werden soll, weil der Autor im Buch viele Sachverhalte falsch darstellt. Und enttäuschenderweise hat auch der Autor (ähnlich wie seine Protagonistin in dieser Fortsetzung) keine Verantwortung für seine Fehler übernommen, sondern die Kritik mit der Argumentation, dass seine Bücher "ja bloss Fiktion wären" abgewinkt. Und das hat Boyne unglaublich unsensibel und unsympathisch erscheinen lassen und natürlich meine Meinung während des Hörens dieser Fortsetzung zusätzlich negativ beeinflusst.
Man merkt allerdings, dass der Autor versucht, einige seiner falsch dargestellten Sachverhalte in der Fortsetzung nachträglich richtigzustellen, aber das war leider nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Viel besser wäre es gewesen, wenn er diese Fortsetzung gar nicht erst geschrieben hätte.

Positiv hervorzuheben bleibt aber die Sprecherin, die das Zuhören sehr angenehm gemacht hat.

Fazit:
Alles in allem kann ich leider nicht nachvollziehen, warum der Autor sich dazu entschlossen hat, eine Fortsetzung zu seinem eigentlich abgeschlossenen Vorgänger zu schreiben. Das Buch bringt nichts Neues zutage, das es irgendwie lesenswert macht. Es verstärkt viel eher die Kritik, dass das Buch eine Bühne für eine Tochter von Nazis bietet, für die durch das Schuld-Thema Mitgefühl erzeugt werden soll. Dieses Mitgefühl und diese "Bühne", die durch Literatur zum Holocaust geschaffen wird, sollte jedoch vielmehr den Opfern zustehen und nicht den Tätern (und ihren Nachkommen), sodass ich abschliessend enttäuschenderweise auch sagen muss, dass diese Fortsetzung etwas ist, dass die Welt nicht gebraucht hätte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.12.2022

Ein zauberhafter, aber vorhersehbarer Liebesroman

Das kleine Bücherdorf: Winterglitzern
0

Die offizielle Inhaltsangabe fasst die Handlung eigentlich so gut zusammen, dass ich gar nicht so viel mehr dazu sagen kann: Vicky ist eine Kunsthändlerin, die ihren entfremdeten Vater beeindrucken will ...

Die offizielle Inhaltsangabe fasst die Handlung eigentlich so gut zusammen, dass ich gar nicht so viel mehr dazu sagen kann: Vicky ist eine Kunsthändlerin, die ihren entfremdeten Vater beeindrucken will und deshalb in ein kleines Dörfchen in Schottland fliegt, um in den Besitz einer besonders wertvollen Ausgabe von "Alice im Wunderland" zu kommen. Um an das Buch heranzukommen, muss sie jedoch eine List anwenden, um das Vertrauen von Graham - dem Buchbesitzer - zu gewinnen. Und weil gerade eine Stelle in Grahams Buchhandlung frei ist, gibt sich Vicky als eine andere Person aus, die diese Stelle übernimmt und versucht so hoffentlich das Buch in ihre Hände zu kriegen.

Wie bei Chick-Lit so üblich, kann man bereits aus der Inhaltsangabe erahnen, wie der weitere Verlauf der Handlung sein wird, was den Plot ganz genretypisch ziemlich vorhersehbar gemacht hat. Zu Beginn habe ich eine ganze Weile gebraucht, um einen Zugang zur Story und der Protagonistin zu finden, aber als mir das endlich gelungen war, konnte mir besonders der Charme der teilweise etwas kauzigen schottischen Dorfbewohner bei mir punkten. Vicky selbst blieb mir bis zuletzt etwas distanziert und erst ganz am Schluss, als ihre Beziehung zu ihrem Vater näher beleuchtet, aber gleichzeitig auch ziemlich schnell abgehandelt wird, hat sie für mich etwas mehr Tiefe bekommen.
Ihr Beziehungsaufbau zu Graham war auch nachvollziehbar geschildert, selbst wenn man meilenweit voraussehen kann, was zwischen den beiden passieren wird und welches Drama ausgelöst wird, sobald Graham erfährt, wer Vicky wirklich ist - aber das gehört zum Genre auch einfach dazu.

Der Plot ist eher seicht, war aber genau das, was ich zu dieser Jahreszeit gesucht habe. Die Stimme der Sprecherin ist angenehm und passt in meinen Augen perfekt zu einer Chick-Lit. Ich hatte beim Zuhören ständig das Gefühl, dass sich die Geschichte auch wunderbar als Verfilmung eignen würde.

Was ich etwas schade fand, war das ausbleibende Winterfeeling. Bei einem Buch, dass als Untertitel "Winterglitzern" heisst, hätte ich erwartet, dass die winterliche Atmosphäre mehr zum Tragen kommt. Bis auf einige wenige Szenen, hätte das Buch aber ehrlicherweise auch zu jeder anderen Jahreszeit spielen können.

Fazit:
Bei diesem Hörbuch handelt es sich um eine zauberhafte, herzerwärmende Liebesgeschichte, die Chick-Lit-Genre entsprechend aber auch etwas seicht und vorhersehbar ist. Als Hörbuch fand ich die Handlung insgesamt sehr kurzweilig und liebenswert, sodass ich mich dennoch gut unterhalten gefühlt habe. Von mir gibt es deshalb durchschnittliche 3 Sterne und eine Leseempfehlung für alle, die cozy Liebesgeschichten in einem verschneiten Dörfchen mögen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere