Cover-Bild Von allen guten Geistern
17,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Pendragon
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 464
  • Ersterscheinung: 10.02.2017
  • ISBN: 9783865325754
Andreas Kollender

Von allen guten Geistern

Im Sommer 1864 verkaufte ein Mann Zwangsjacken. Es war heiß auf dem Marktplatz am Heiligengeistfeld vor den Toren Hamburgs. Die Menschen bestaunten seine seltsame Ware. Der Mann kam aus der Heil- und Irrenanstalt Friedrichsberg. Er war kein Patient. Er war der Leiter. Am Abend des Tages lachte der Mann Fanny Nielsen an und sagte, es sei keine einzige Jacke übrig geblieben. Nicht eine. Er habe den Zwang verkauft. Fanny Nielsen, einer Schauspielerin, gefiel diese Formulierung. Sie legte dem Mann eine Hand auf den Unterarm. Bald darauf kam es zu einem Unglück.

Andreas Kollender hat sich beim Schreiben von dem historischen Ludwig Meyer inspirieren lassen, einem kämpfe­rischen Psychiater, der seiner Zeit weit voraus war. Meyer, der die Wirren der 1848er-Revolution miterlebt hat, lehnte jegliche Form der Unterdrückung ab und wollte die Welt nicht nur für seine Patienten besser machen. Kollender hat einen brillanten Roman über einen humanen Reformer und dessen Leidenschaft für die freiheitsliebende Fanny geschrieben.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.07.2017

Ein besessener Kampf

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Ludwig Meyer lebt in einer gutbürgerlichen Familie mit seinen Eltern und seiner Schwester wohlbehütet in Hamburg. Die Mutter kapselt sich zunehmend ab, meidet den Kontakt mit der Familie und entkommt nur ...

Ludwig Meyer lebt in einer gutbürgerlichen Familie mit seinen Eltern und seiner Schwester wohlbehütet in Hamburg. Die Mutter kapselt sich zunehmend ab, meidet den Kontakt mit der Familie und entkommt nur knapp einem Suizidversuch. In der damaligen Zeit wurde sie als gemütskrank eingestuft und ins Krankenhaus eingewiesen. Die nicht wirklich anerkannte Krankheit führte in der Klinik zur Unterbringung unter widrigsten Umständen im Keller. Ludwig verschafft sich mit einer List Zugang zum Keller der Klinik und ist entsetzt über den Umgang mit den Patienten. Kurz darauf stirbt seine Mutter Infolge eines Selbstmordversuchs, indem sie sich mit den Fingernägeln die Pulsader aufschneidet. Seit diesem traumatischen Ereignis steht für Ludwig fest, dass er die unwürdige Situation ändern wird und setzt alles daran als "Irrenarzt" die Leitung dieser Abteilung zu bekommen.

Andreas Kollender berichtet in "Von allen guten Geistern" über das spannende und bewegende Leben des Psychiaters und Hochschul-lehrers Ludwig Meyer. Er erzählt die Geschichte in einem sehr lebendigen und angenehm zu lesenden Schreibstil, der mich von Beginn an fesseln konnte. Der Hauptprotagonist wird ausführlich charakterisiert und als nicht sehr selbstbewusster aber besessener Revolutionär beschrieben. Sein scheinbar aussichtsloser Kampf gegen die gesellschaftlichen Normen der damaligen Zeit erzeugt eine besondere Spannung, die über die gesamte Länge des Buches aufrechtgehalten werden kann. Fast ungläubig nimmt der Leser wahr, wie damals mit Gemütskranken bzw. "Irren" umgegangen wurde. Die menschenunwürdige Behandlung erzeugte bei mir Fassungslosigkeit und Wut und ließ den bewundernswerten Kampf von Ludwig Meyer in einem anderen Licht erscheinen. Ich fieberte mit ihm, dass seine Vision in Erfüllung gehen möge und trauerte mit ihm, da er seine große Liebe aufgrund seines Enthusiasmus niemals ausleben konnte. Die Geschichte wirkt auf mich historisch sehr gut recherchiert und hat mir einen guten Einblick in die Geburtsstunden der psychiatrischen Behandlung gegeben.

"Von allen guten Geistern" ist aus meiner Sicht ein rundum gelungener Roman, welcher mich voll und ganz in seinen Bann ziehen konnte und bei dem es mir ausgesprochen schwer fiel, das Buch aus der Hand zu legen. Für mich eine absolute Bereicherung, die ich sehr gerne weiterempfehle und natürlich mit fünf von fünf Sternen bewerte.

Veröffentlicht am 23.10.2018

Eindrucksvoller Blick in die historische Psychiatrie

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Der Roman von Andreas Kollender „Von allen guten Geistern“ baut auf einer historisch belegten Gegebenheit in Hamburg auf, wonach dort im Jahr 1864 auf einem Markt Zwangsjacken verkauft wurden. Veranlasst ...

Der Roman von Andreas Kollender „Von allen guten Geistern“ baut auf einer historisch belegten Gegebenheit in Hamburg auf, wonach dort im Jahr 1864 auf einem Markt Zwangsjacken verkauft wurden. Veranlasst wurde die Aktion von der Hauptperson des Romans, Ludwig Meyer. Er war Arzt und Gründer der Heil- und Irrenanstalt Friedrichsberg in Hamburg.

Das Thema Befreiung, das mit der Anfangsszene, des Zwangsjackenverkaufs, beeindruckend dargestellt wird, zieht sich durch den ganzen Roman. So versucht Lu, wie der Protagonist später genannt wird, sich von äußerst leidvollen und verstörenden Erlebnissen in der Kindheit zu befreien. Darauf aufbauend beginnt er nach dem Studium der Psychologie im damaligen Krankheitswesen die Behandlung von „Irren“, die bislang weitgehend im Wegsperren bestand, zu reformieren. So gab es in seiner neuen Anstalt keine Zwangsjacken mehr, keine dunklen Keller mehr. Auch die weiblichen Hauptpersonen im Roman, wie Ludwigs Schwester Julia und die Schauspielerin Fanny Nielsen, sind freiheitsliebende moderne Frauen.

Sprachlich ist das Buch ein Genuss, mit detaillierten, bildhaften Formulierungen kann man sich beim Lesen wunderbar in das 19. Jahrhundert versetzen lassen und die verschiedenen Charaktere werden durch die eindrucksvollen Beschreibungen zum Leben erweckt.

Äußerst interessant fand ich die historischen Informationen zum Thema Psychiatrie, die mir so nicht bekannt waren. Mit diesem Wissen kann man nur froh sein, dass es Menschen wie Ludwig Meyer gab, die zumindest kleine Verbesserungsschritte für die Menschen mit psychischen Krankheiten erzielen konnten und dazu führten, dass diese nicht nur als verrückt abgetan werden, sondern als krank erkannt werden.

Dieses Buch war der erste Roman, den ich von diesem Autor gelesen habe, aber ich werde mich gerne mit den anderen Büchern von ihm in weitere neue Geschichten entführen lassen.

Veröffentlicht am 20.07.2017

Der Vorreiter

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Das ist ein Roman über den Psychiater Dr. Ludwig Meyer. Er war quasi der erste Arzt, der sich dieser kranken Menschen angenommen hat, die man damals nur weggesperrt hat - und die unter unmenschlichen ...

Das ist ein Roman über den Psychiater Dr. Ludwig Meyer. Er war quasi der erste Arzt, der sich dieser kranken Menschen angenommen hat, die man damals nur weggesperrt hat - und die unter unmenschlichen Bedingungen in den Krankenhäusern leben mussten.
Ausschlaggebend dafür war, die Krankheit seiner Mutter und deren Selbstmord.
Ludwig war damals sehr jung und erschüttert über die Lebensbedingungen dieser Menschen, weggesperrt und bei Anfällen grausam beahndelt....
Ludwig studiert Medizin, um Irrenarzt zu werden und gerät in den Strudel der 1848er Revolution und verbringt auch eine Zeit im Gefängnis.
Doch das hält ihn nicht ab. Er geht seinen Weg und arbeitet in Berlin, Paris und London.
Wieder in Hamburg gründet er die Heil- und Irrenanstalt Friedrichsberg.
Er geht völlig neue Wege und lehnt jede Form von Zwang und Gewalt ab - das führt dazu das er 1868 alle seine noch vorhandenen Zwangsjacken verkauft ......
Er ist unnachgiebig und stur ---- und geradezu besessen von seiner Idee --- das führt zu einem Unglück und er muss Friedrichsberg aufgeben......
Unerfüllt bleibt seine große Liebe zu der ebenfalls freiheitsliebenden Schauspielerin Fanny Nielsen.
Fazit und Meinung.
Andreas Kollender hat einen interessanten und aufwühlenden Roman über den humanen Reformer Ludwig Meyer und dessen Liebe zu der Schauspielerin Fanny geschrieben.
Kein einfaches Buch, aber sehr lesenswert über diesen Arzt, der mir oft auch etwas seltsam vorkam, aber das muss ein Psychiater wohl. Ich hatte vorher noch nie etwas von Ludwig Meyer gehört, der Vorreiter der modernen Psychiatrie war. Danke dass ich dieses Buch in einer LR lesen durfte.
Mir hat das Buch gefallen und ich vergebe gute 4 Sterne und eine Leseempfehlung für alle.

Veröffentlicht am 24.08.2017

Dem Menschen in den Kopf zu schauen...

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~ 1830. Ludwig muss als Heranwachsender miterleben, wie seine Mutter depressive Schübe erleidet und schließlich von seinem Vater in die Irrenanstalt gebracht wird. In einer Zeit, in der man alles, was ...

~ 1830. Ludwig muss als Heranwachsender miterleben, wie seine Mutter depressive Schübe erleidet und schließlich von seinem Vater in die Irrenanstalt gebracht wird. In einer Zeit, in der man alles, was aus der Norm zu fallen scheint, kategorisch wegsperrt und sich selbst überlässt, wird auch seine Mutter in die tiefen Keller der Anstalt verbannt. Sie wird das Tageslicht nicht wieder zu Gesicht bekommen und nimmt sich nach wenigen Wochen das Leben. Ludwig, der sich von einem ihm zugeneigten Mitarbeiter in den Keller schleusen lässt, wird von dem dort Gesehenen und erlebten so traumatisiert, dass er fortan sein Leben und Schaffen ganz der Erforschung und Erprobung von Nervenkrankheiten verschreibt – einem Gebiet, das bis dato ähnlichen Ruf wie Wahrsagerei genießt. Er rennt Wände und Mauern ein, macht sich Feinde und nur selben Freunde und begründet die erste Nerven- und Heilanstalt Deutschlands.
Auch wenn die Geschichte interessant ist, hatte ich so meine Schwierigkeiten mit dem Buch. Die Geschichte wollte nicht recht an mich gehen, das Geschehen lies mich recht kalt. Nach einer Längeren Lesepause habe ich schließlich die letzten hundert Seiten in Angriff genommen, und muss sagen, dass sie mich tatsächlich mit der Geschichte versöhnt haben! Ludwig wird nahbarer, „menschlicher“ und wirkt nicht mehr so verbissen konstruiert, wie in der ersten Hälfte, in der er als unerbittlicher Workaholic mit einer Mission dargestellt wird und dabei so unglaublich bieder wirkt, dass man gar nicht recht glauben mag, dass dieser Mensch tatsächlich in der Lage ist, neue Wege zu beschreiten.