Cover-Bild Ich bin Tess (Buchvorlage zur Netflix-Serie Kiss Me First)
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17,95
inkl. MwSt
  • Verlag: Loewe
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 352
  • Ersterscheinung: 17.02.2014
  • ISBN: 9783839001585
Lottie Moggach

Ich bin Tess (Buchvorlage zur Netflix-Serie Kiss Me First)

Jessika Komina (Übersetzer), Sandra Knuffinke (Übersetzer)

***Die Verfilmung des Buches erscheint ab Sommer 2018 als Netflix-Serie unter dem Originaltitel Kiss Me First .***

Lottie Moggachs Roman rund um das Social-Media-Zeitalter verdeutlicht, wie das Internet unsere Vorstellung von Realität und Identität verändert.

Okay, nehmen wir uns einmal dieses hypothetische Dilemma vor: Eine Frau leidet an einer Krankheit, die an und für sich nicht lebensbedrohlich ist, aber ihre Lebensqualität stark einschränkt und auch nicht heilbar ist. Nach reiflicher Überlegung kommt sie zu dem Schluss, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Aber sie weiß, dass sie damit ihrer Familie und ihren Freunden großen Kummer bereiten würde und handelt daher nicht. Dennoch wünscht sie sich verzweifelt den Tod und an dieser Einstellung ändert sich auch über die Jahre nichts. Irgendwann kommt sie zu dir und sagt, ihr sei ein Weg eingefallen, wie sie ihren Plan in die Tat umsetzen kann, ohne ihre Familie und ihre Freunde unglücklich zu machen, aber dafür brauche sie deine Hilfe. Was würdest du tun? Würdest du ihr helfen?

Lottie Moggach ist mit ihrem in Großbritannien unter dem Titel Kiss me first erschienen Debütroman für junge Erwachsene für zahlreiche Literaturpreise nominiert.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.02.2020

Nicht leicht zu lesen, aber wichtig

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Vorab eine kleine Warnung: Dieses Buch ist nicht leicht zu lesen. Und es ist auch ziemlich schwer, für seine Protagonistin, Leila, Sympathie zu empfinden. Erschreckend auch der Gedanke, dass alles so oder ...

Vorab eine kleine Warnung: Dieses Buch ist nicht leicht zu lesen. Und es ist auch ziemlich schwer, für seine Protagonistin, Leila, Sympathie zu empfinden. Erschreckend auch der Gedanke, dass alles so oder so ähnlich tatsächlich geschehen ist bzw. geschehen könnte.
Aber der Reihe nach: "Tess", das Mädchen, das dem Buch den Titel gab, sagt, dass es sterben will und deshalb jemanden dafür braucht, der für sie bloggt und ihre mails beantwortet, da sie, wie in der Kurzbeschreibung oben ja schon angedeutet, ihre Familie und Freunde nicht belasten will. Leila schlüpft nach den nötigen Vorbereitungen in ihre Rolle. Sie ist "anders". Und auch rechthaberisch. Jedoch ist sie m. E. nicht bösartig. Sie ist ein einsamer Mensch und deshalb den Umgang mit ihren Mitmenschen nicht gewohnt. Aber im Internet, wo sie ein virtuelles Leben führt, fühlt sie sich sicher und wohl. Es ist bezeichnend, wie sie als Tess entgegen ihrem festen Vorsatz, dem Original möglichst zu ähneln, Dinge tut, die weder die "wahre Tess" noch die "alte Leila" getan hätten. Dadurch wird es ihr möglich, ernsthafte Gefühle zu einem anderen Menschen zu entwickeln. So ungeübt, wie sie natürlich darin ist, schießt sie weit über das Ziel hinaus und zeigt deutliche Symptome einer Stalkerin. Mehr möchte ich aber hier nicht verraten.
Ein überaus interessantes Buch mit einer erschreckenden Perspektive, was im www. so alles möglich sein könnte. Unbedingte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 01.06.2017

Was ist hier eigentlich wirklich passiert?

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Das, was in "Ich bin Tess" passiert, ist eigentlich kaum zu fassen. Leila, die Ich-Erzählerin, hat den Tod ihrer Mutter und die vorherige, lange Zeit ihrer Erkrankung zu verkraften; ihr mangelt es zudem ...

Das, was in "Ich bin Tess" passiert, ist eigentlich kaum zu fassen. Leila, die Ich-Erzählerin, hat den Tod ihrer Mutter und die vorherige, lange Zeit ihrer Erkrankung zu verkraften; ihr mangelt es zudem an einem eigenen, sozialen Netzwerk, in das sie sich eingebunden fühlt. Mit den ehemaligen Mitschülern kann sie sich nicht identifizieren und so landet sie im Internet auf einer Seite Namens Red Pill. Diese wird von Adrian betrieben, der ihr schließlich auch ein Angebot unterbreitet: Er kennt jemanden, der sich umbringen möchte; um der Familie und den Freunden von Tess, so heißt die Frau, Schmerz und Trauer zu ersparen, soll Leila sich nach Tess "Auschecken" als Tess ausgeben - und zwar im Internet. Kann so etwas gutgehen?

Ich muss sagen, dass ich, nach anfänglichen Startschwierigkeiten, "Ich bin Tess" doch recht gut fand. Leila ist zwar ein merkwürdiger Charakter. Die Wahrnehmung von sich selbst, der Umwelt und den Verhaltensweisen von Menschen ist bei ihr irgendwie verschoben. Deshalb war sie wohl auch dazu in der Lage, das "Projekt" durchzuführen.

Besonders gut ist der Autorin gelungen, dass man sich, während des Lesens, ständig fragt, was eigentlich wirklich mit Tess geschehen ist.

Solides Erstlingswerk von Lottie Moggach, dem ich hier vier von fünf Sternen gebe.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Tess

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Meiner persönlichen Meinung nach wollte Lottie Moggach mit „Ich bin Tess“ keinen Internet Roman schreiben. Mir scheint das Buch ist aus der Hauptfigur heraus entstanden und diese junge Frau setzt in ihrer ...

Meiner persönlichen Meinung nach wollte Lottie Moggach mit „Ich bin Tess“ keinen Internet Roman schreiben. Mir scheint das Buch ist aus der Hauptfigur heraus entstanden und diese junge Frau setzt in ihrer Schrägheit und tragischen Komik Maßstäbe. Denn mit anderen zu kommunizieren findet für Leila hauptsächlich vor dem Computer statt, ansonsten meidet sie Menschen. Leila versteht alles wörtlich, ist Empathie befreit, kennt keine Konventionen, verhält sich bisweilen unhöflich und wirkt ruppig im Umgang. Ihre Direktheit paart sich mit der Naivität einer emotional Unreifen, die im starken Kontrast zu ihrer Intelligenz steht.

Leila verdient ihr Geld mit ihrer Detailversessenheit, indem sie Softwarefehler findet und sagt was sie denkt, auch in den unpassendsten Situationen. Schließlich kennt sie nur schwarz und weiß. Ganz oder gar nicht. Was sich in endlosen World of Warcraft Spielen widerspiegelt. Das Alleinsein macht Leila wenig aus, ihre Scheuklappenmentalität ist denkwürdig. Zudem ernährt sie sich miserabel, ist übergewichtig und Bekleidungsfragen hält sie für deutlich überbewertet. Keine Protagonistin von der Stange, also. Ihre Verkopftheit, die soziale Interaktion führt manchmal zu peinlichen Situationen. Oft trifft sie irrationale Entscheidungen aufgrund zwischenmenschlicher Missverständnisse. Dabei hat sie einen so klaren Verstand, der auf Logik und Sachbezogenheit aufbaut.

Gerne möchte Leila ihr rationale Seite und ihr Wissen mit Gleichgesinnten teilen und so sucht sie sich nach dem dahinscheiden der Mutter ein Internetforum auf, dessen User sich philosophischer Fragen verschrieben haben. Hier findet Leila zum ersten Mal in ihrer Außenwelt Anerkennung. Sie tritt sogar mit dem ominösen Gründer der Gruppe in direkten Kontakt. Von Angesicht zu Angesicht stellt ihr Adrian die seltsame Frage, ob sie bereit wäre einer sterbewilligen Frau ein verlängertes Leben im Internet zu schenken, damit Freunde und Verwandte von ihrem Ableben unbehelligt bleiben. Wozu Ihnen Kummer machen?

Geschmeichelt von Adrians warmen Worten stimmt Leila dem Ansinnen zu. Sofort beginnt die Tu- und Denkmaschine mit der Arbeit. Ohne Tess zu kennen, forscht sie deren soziales Umfeld aus. Tess ist in vielem das genaue Gegenteil von Leila. Schön, beliebt und erfolgreich. Die Männer lieben Tess. Doch kapitulieren sie vor der bipolaren Störung, die Tess beseelt. Sie will unbedingt sterben. Leila nennt den Todeszeitpunkt ganz in ihrer rationale Denktradition: „Das Auschecken“ und ein Spiel der Identitäten im Internet beginnt, in der Leila ihre seelische Leere mit dem Leben einer ihr im Grunde Fremden aufzufüllen beginnt: Tess, die bald darauf verschwindet. Aber ist Tess auch wirklich tot?

Mit „Ich bin Tess“ hat Lottie Moggach ein außergewöhnliches Romandebut vorgelegt. Dabei geht sie mit der „Ich“-Erzählerin Leila ein enorm hohes Risiko ein. Denn Leila ist anders, fast scheint es, sie befände sich mit ihrer beziehungskillenden Ader auf dem falschen Planeten. Leilas Eigenwilligkeit spiegelt sich natürlich auch im Erzählstil wieder, der auf Emotionen lange Zeit verzichtet und etwas sprunghaft daher kommt. Dafür ist er eben authentisch.

Hätte der Verlag gut daran getan, den Leser mit einem psychologischen Etikett für die Protagonistin vorzuwarnen? Vielleicht. So werden viele Uneingeweihte anfänglich durch den Roman stolpern, um die üblichen Fixpunkte eines Romans wiederzufinden. Also Gefühle und Spannung. Den zweiten Punkt liefert das Buch im Übermaß. Gefühle gibt es in der Schlussphase. Die Szene, als Leila versucht einen im Grunde unbekannten Mann mit rationalen Argumenten versucht an sich zu binden und eine peinliche Abfuhr erlebt hat mich wirklich berührt. Da habe ich die ganze Tragik Leilas begriffen, sie gefühlt, miterlebt und erlitten.

Insgesamt konnte mich das Buch überzeugen. Ich habe selten in Romanform eine so genaue Charakterstudie über Menschen, wie Leila gelesen. Ihre Entwicklung, dieser Sog, den die Internetaktivitäten auf den weiblichen Computer Nerd Leila hat, das immer stärkere Vergessen des eigenen, schwach ausgeprägten „Ich‘s“ und das bereitwillige Auffüllen der eigenen Leere mit dem Leben einer Lebensmüden kommt authentisch daher und ist hervorragend geschrieben.

„Ich bin Tess“ ist dabei viel weniger ein Internet Roman, als ein psychologisches Abenteuer, dass so nur durch das Internet stattfinden kann. Hier wird manipuliert, betrogen und gelogen. Die eigene Identität mutiert im virtuellen Raum zur Knetmasse oder einem Rettungsring in der Beziehungslosigkeit. Ganz nach Belieben. So ergeht oder gestaltet es auch Leila, die von sich und ihrer tiefen Entwicklungsstörung weniger weiß, wie von dem Ausgehverhalten und dem Männergeschmack einer wildfremden Frau.

Ich habe dem Roman im Grunde wenig vorzuwerfen. Das Leben der Hauptfigur hat mich einfach gepackt. Allerdings wird durch die gewählte „Ich“-Erzählperspektive Potenzial bei dem meiner Meinung nach nicht minder interessanten Tess und Adrian verschenkt. Lottie Moggach hat es anders entschieden und mir einen sehr unterhaltsamen Roman geschenkt.