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Veröffentlicht am 20.12.2020

The Music of What Happens

The Music of What Happens
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Jordans Vater ist tot und hinterlässt einen Foodtruck. Da seine Mutter labil ist und mit der Arbeit nicht klarkommt, stellt er Max ein, der zufällig grade einen Job sucht und ganz gut kochen kann.
Eigentlich ...

Jordans Vater ist tot und hinterlässt einen Foodtruck. Da seine Mutter labil ist und mit der Arbeit nicht klarkommt, stellt er Max ein, der zufällig grade einen Job sucht und ganz gut kochen kann.
Eigentlich haben die beiden nicht viel gemeinsam: Jordan ist der gefühlvolle und gedichteschreibende Emo, Max der sportliche, zockende "Bro".
Aber wie es meistens so ist, haben beide auch noch andere Facetten und sind viel mehr als ihnen zugestanden wird. Vor allem füreinander...

The Music of What Happens punktet mit zwei sympathischen und starken Protagonisten, die den meisten Lesenden sicher schnell ans Herz wachsen. Beide machen sich ihre Gedanken, fragen sich immer wieder, was es bedeutet erwachsen zu werden, sich zu verlieben, was Männlichkeit eigentlich heißen soll und was sie dürfen oder nicht, um ihrer Rolle zu entsprechen.
Dabei brechen sie aktiv mit Klischees oder bedienen diese, immer mit der Message, dass alle so sein sollen wie sie möchten.

Wie in solchen Büchern üblich, haben die zwei ihr Päckchen zu tragen. Dabei wird es manchmal etwas zu dramatisch, fast zu viel, aber der Autor hat für mich grade noch so die Kurve gekriegt.
Jordan muss den Erwachsenen spielen, sich um seine Mutter kümmern und das Geld ranschaffen. Gleichzeitig fühlt er sich hässlich und minderwertig. Seine Gefühle bringt er in Gedichten zum Ausdruck, die ich als alte Poesie-Banausin nicht beurteilen kann. :D Anfangs dachte ich, dass ich mich gut mit ihm identifizieren kann, aber überraschenderweise war es dann doch eher Max, der mir naheging.
Max ist groß, sportlich, zockt gerne Videospiele mit seinen Kumpels - und grinst die ganze Zeit, obwohl ihm gar nicht danach ist. Er schildert z.B. Situationen, in denen ihm Rassismus widerfahren ist und er nur grinsen konnte. Cool sein, bloß keinen Aufstand machen, das hat er verinnerlicht.
In Rückblenden erzählt er außerdem, was an einem verhängnisvollen Abend passierte. Max muss sich mit den Folgen auseinandersetzen, dabei gibt es starke Stellen über Einvernehmlichkeit, Gewalt und die vielen Gesichter, die so etwas haben kann. Da ich selbst vor Jahren etwas Ähnliches durchmachen musste, bilde ich mir ein, das Ganze ein bisschen beurteilen zu können und ich fand Max' Gefühlswelt glaubhaft und aufwühlend.

Die Liebesbeziehung der Protagonisten entwickelt sich langsam und wirkt sehr real, dabei bleibt aber die Romantik ein bisschen auf der Strecke. Leider wird uns manches leider nur gesagt und nicht gezeigt. So behaupten beide später, dass sie sich am Anfang gar nicht leiden konnten und nur stritten, wir sehen aber vom ersten Zusammentreffen an bloß, dass sie sich interessant finden und Angst haben, dass der andere ihn vielleicht nicht so mag.
Das passt manchmal nicht so ganz zusammen.

Für manche Sachen habe ich mich mal wieder zu deutsch gefühlt, denn Jordan und Max lügen im Foodtruck und behaupten z.B. dass alle ihre Produkte bio und regional wären oder dass sich eine bestimmte Frucht in ihrer Limo befindet, die gar nicht drin ist . Das wird innerhalb der Story nur wenig kritisiert und so halb als Witz weggewischt. Wir nennen das ja eher Verbrauchertäuschung und zumindest in meiner Bubble ist das ein ziemlich großes Ding.

Mein größter Minuspunkt sind aber die Freundinnen von Jordan. Es gibt ja dieses Klischee der dramatischen, nervigen, aufgedrehten und übergriffigen besten Freundin eines schwulen Hauptcharakters, das mich eh schon immer nervt. Hier haben wir gleich zwei davon.
In einer Szene stöbern sie in Jordans Zimmer rum und öffnen gegen seinen Willen seinen Schrank, um darin rumzuwühlen. Er fühlt sich richtig schlecht und denkt immer wieder "Ich habe nein gesagt", spricht es aber nicht aus. Außerdem quälen die Mädchen seinen Hund, in dem sie ihn in Klamotten stecken, obwohl er das gar nicht möchte. Anfangs dachte ich, dass dieser Mist diesmal dazu da ist, um auch einen Punkt zum Thema Consent in Freundschaften zu machen, weil das ja nicht minder wichtig ist. Leider wird es aber nicht mehr so richtig aufgegriffen.
Jordan beteuert immer wieder wie toll die zwei sind, aber alles, was wir von ihnen sehen, ist übergriffiger und respektloser Quatsch.
Außerdem nennen sie sich gegenseitig "Bitch", was überhaupt nicht mein Ding ist.

Max' Kumpels sind jetzt zwar auch nicht das Gelbe vom Ei, aber die gehen noch.

Insgesamt mochte ich das Buch allerdings sehr und ich bin ziemlich durch die Seiten geflogen, was immer ein gutes Zeichen ist.

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Veröffentlicht am 18.11.2020

Stormsong

Stormsong
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Stormsong ist die Fortsetzung zu Witchmark und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass auch dieser Teil auf deutsch erschienen ist.

Diesmal begleiten wir nicht Miles, sondern seine Schwester Grace Hensley. ...

Stormsong ist die Fortsetzung zu Witchmark und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass auch dieser Teil auf deutsch erschienen ist.

Diesmal begleiten wir nicht Miles, sondern seine Schwester Grace Hensley. Die wirkte im Vorgänger ein wenig karrierebesessen und war dem Vater hörig, zumindest bis zum großen Knall am Ende. Umso schöner, dass wir den Rest der Geschichte nun aus ihrer Perspektive erfahren und nochmal eine ganz andere Seite an ihr erleben.

Wir starten nur kurz nach dem Ende von Witchmark. Grace spürt einen großen Sturm und kehrt gemeinsam mit dem geschwächten Miles, seinem Liebsten Tristan und den anderen Amaranthine nach Aeland zurück. Aber nicht nur das Wetter macht Probleme: das Aethernetzwerk ist zusammengebrochen und während Menschen ohne Licht und teilweise ohne Vorräte dastehen, laufen die Machtspielchen von Politik und Adel einfach weiter. Grace wird zur Kanzlerin der Königin ernannt und steht zwischen den Fronten.
Währenddessen ist Journalistin Avia Jessup kurz davor, die Wahrheit über das Aethernetzwerk und die Hexen aufzudecken.
Als dann auch noch eine wichtige Gefangene aus dem feindlichen Laneer ermordet aufgefunden wird, droht alles über Grace zusammenzubrechen...

Da es schon ein bisschen her ist, dass ich den ersten Band gelesen habe, musste ich erstmal wieder in die Story reinkommen.
Ich mochte Miles sehr (und habe mich auch hier über jeden Auftritt von ihm und Tristan gefreut), aber Grace ist ebenfalls eine tolle Protagonistin. Ihre Anspannung ist glaubhaft und nachvollziehbar, dadurch konnte ich sie besser verstehen und eine gute Bindung zu ihr aufbauen.

Die Romanze hat mir wirklich sehr gefallen und hätte für mich sogar noch etwas präsenter sein können. Avia mochte ich schon im ersten Teil und es passt perfekt, dass sie und Grace sich hier näherkommen.

Insgesamt ist die Gesichte wirklich toll und hat wieder diese ganz besonderen Stimmung - auch wenn sie mich nicht ganz so stark gefesselt hat wie Teil eins.
Einen Stern Abzug gibt es am Ende aber nur für den Schreibstil, denn bei so mancher Formulierung saß ich auch mal stirnrunzelnd da. Es liest sich nicht immer schön flüssig und leider vermute ich, dass das schon sehr an der Übersetzung liegt... Jedenfalls kann ich alle verstehen, die sich damit schwertun und nicht richtig reinkommen.
Trotzdem eine Leseempfehlung für alle, die Witchmark mochten!

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Veröffentlicht am 26.10.2020

The Last Day

The Last Day
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Die Erde steht still, ein Großteil der Menschheit hat es nicht geschafft, die Überlebenden kämpfen um ein Stückchen Normalität. Hopper ist Wissenschaftlerin und arbeitet auf einer Plattform im Meer, als ...

Die Erde steht still, ein Großteil der Menschheit hat es nicht geschafft, die Überlebenden kämpfen um ein Stückchen Normalität. Hopper ist Wissenschaftlerin und arbeitet auf einer Plattform im Meer, als plötzlich zwei Regierungsmenschen auftauchen und sie mit auf's Festland nehmen wollen. Ihr ehemaliger Professor liegt im Sterben und möchte sie noch einmal sehen. Leider bleibt jedoch keine Zeit mehr. Hopper hat lediglich ein paar wenige Hinweise und muss schon bald feststellen, dass der alte Mann ein großes Geheimnis hatte, an dem auch die Regierung interessiert ist...

Das klingt alles erstmal super spannend. Ich meine, ein Thriller um Geheimnisse in einer Dystopie, in der die Erde einfach aufgehört hat, sich zu drehen! Wie cool klingt das?

Die Ernüchterung kam aber schnell, denn schon der Schreibstil war leider überhaupt nicht meins. Alles ist so trocken und langatmig. Und absolut alle reden super förmlich miteinander: selbst Geschwister oder Ex-Eheleute klingen eher wie Geschäftspartner:innen. Ich weiß nicht, wie viel Schuld vielleicht bei der Übersetzung liegt, denn auch da fand ich einige Entscheidungen etwas merkwürdig. So wurden zum Beispiel die Anreden eingedeutscht, also Herr und Frau, was mit den englischen Nachnamen irgendwie seltsam klingt. Normalerweise bleibt man doch auch im Deutschen bei Mrs. usw. Das kann aber auch einfach Geschmackssache sein und ich empfehle bei der eBook-Version wirklich die Leseprobe, um sich da ein eigenes Bild zu machen und zu gucken, ob es passt.

Leider ist aber auch die Story nicht sonderlich spannend. Hopper rennt oder fährt über Seiten hinweg einfach nur von A nach B, befragt eine Person, durchsucht einen Raum (obwohl sie selbst nicht so richtig weiß, wonach... und doch findet sie immer wieder neue kleine Schnipsel). Zwischendurch bekommt sie Ärger mit den Regierungsleuten, wird auch mal verprügelt. Und das alles ist so trocken geschrieben, dass ich mich einfach nicht drauf einlassen konnte - und schlimmer noch: dass es mir egal war.

Am schlimmsten waren aber die Rückblenden, in denen man erfährt, wie Hopper den alten Mann kennengelernt hat. Diese Stellen waren so öde, dass mir immer wieder die Augen zufielen. Ähnlich erging es mir bei den Erklärungen zu aktuellen Lage der Welt nach dem Stillstand - etwas, bei dem ich eigentlich dachte, dass es super interessant wird.

Die Geschichte spielt größtenteils in England und dort scheint zumindest oberflächlich alles enttäuschend normal zu laufen (bis auf die Tatsache, dass die Sonne immer scheint und es eben nicht mehr dunkel wird). Es gibt weiterhin Häuser, Autos, Busse, Strom, Telefone, Fernseher, Geschäfte... irgendwie habe ich mir mehr Dystopie gewünscht.

Die Inhaltsangabe ist übrigens ein bisschen irreführend: Hopper liest den Brief nie und erfährt auch erst ganz zum Schluss, worum es sich bei dem großen Geheimnis handelt (und zumindest für mich war das jetzt leider kein überraschender Knaller).

Immerhin gibt es ein paar gute (wenn auch etwas halbgare) Stellen über Ethik, Moral, Ungleichheit, Fremdenfeindlichkeit usw. Dafür vergebe ich den zweiten Stern.

Ansonsten war das Buch leider nichts für mich, was aber natürlich nicht heißt, dass es kein spannendes Leseerlebnis für andere sein kann. Aber ein Thriller ist es wirklich nicht.

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Veröffentlicht am 30.09.2020

Vortex 1

Vortex – Der Tag, an dem die Welt zerriss
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Elaine lebt regelkonform, hinterfragt nichts und arbeitet hart für ihr großes Ziel: das Vortexrennen. Aber statt einfach nur eine große Distanz zurückzulegen, kann sie einen Vortex scheinbar nach ihrem ...

Elaine lebt regelkonform, hinterfragt nichts und arbeitet hart für ihr großes Ziel: das Vortexrennen. Aber statt einfach nur eine große Distanz zurückzulegen, kann sie einen Vortex scheinbar nach ihrem Willen biegen, seine Richtung ändern und sogar die Zeit manipulieren.

Sie gewinnt das Rennen, wird jedoch kurz darauf entführt und muss feststellen, dass nichts so simpel ist, wie sie sich das vorgestellt hat.

Der erste Band der Vortex-Reihe ist im Meer der Jugend-Dystopien überhaupt nichts Besonderes. Es finden sich viele Klischees neben typischen Tropes, aber das Buch ist immerhin solide geschrieben und ich glaube, mein 14-jähriges Ich hätte es gemocht.

Den Genremix fand ich eigentlich ganz cool: neben Sci-Fi finden sich auch Fantasy Elemente. Das Auftreten des ersten Vortex hat eine Vermischung von Lebewesen und Umgebung verursacht, dadurch entstanden sogenannte Splits, die mit den Elementen verschmolzen sind und besondere Kräfte haben. Als solche werden sie natürlich unterdrückt und als gefährlich eingestuft, es gibt immer wieder Berichte über Angriffe und sogar Morde. Ein bisschen hat mich das alles manchmal ehrlich gesagt an eine Legend of Korra Fanfiction erinnert, die Elemente-Nummer ist ja jetzt auch nicht so neu. Aber dennoch war's okay.

Die Romanze ist ebenfalls sehr typisch und hat mich - Überraschung - null abgeholt. Ich hab's einfach schon zu oft gelesen: sie starten auf dem falschen Fuß, stehen irgendwie auf unterschiedlichen Seiten, können sich eigentlich gar nicht leiden, er ist super arrogant, aber tief drin ja doch eine gebeutelte Seele, sie ist die Gute mit den tollen Fähigkeiten, total besonders. Bale ist vielleicht nicht so toxisch wie manch anderer "Held", aber ich habe bestimmte Romanzen einfach komplett über und kam da leider überhaupt nicht rein. Ein Twist am Ende hat mich total an den Film "Anastasia" von 1997 erinnert. Außerdem hat mich Bales Spitzname für Elaine ("Barbie") extrem genervt.

Die Nebenfiguren sind ab Elaines Entführung ziemlich spannend (und ich hätte oft lieber deren Geschichte gelesen, als die unserer naiven Protagonistin). Davor (und später) sind sie ein schamloses Klischee böser Rich Kids, allen voran Mia, die platinblonde Giftspritze mit den rosa Schuhen, die ständig "keift" und "schrill" ist und grade anfangs neben ihren Gemeinheiten überhaupt keine Persönlichkeit hat und mal wieder nur da ist, damit Elaine neben ihr besser aussieht - was nicht funktioniert, weil diese teilweise auch absolut ekelhaft zu Mia ist (oder über sie denkt).

Naja, am Ende bin ich auch einfach nicht mehr die Zielgruppe und es gibt durchaus sehr viel Schlimmeres in diesem Genre (wobei mir klar ist, dass die Latte hier sehr niedrig hängt). Ich ziehe trotzdem meinen Hut vor der Autorin, weil sie überhaupt eine Buchreihe geschrieben hat und das alles andere als einfach ist. Ich kann auch irgendwo schon verstehen, warum Vortex so gute Rezensionen hat und manchmal wünscht man sich ja auch genau die Tropes, die mich so nerven. In dem Fall ist man hier genau richtig!

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Veröffentlicht am 17.08.2020

Kein falscher Schritt

Kein falscher Schritt
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Tommy Jump ist Schauspieler, allerdings läuft es grade nicht mehr ganz so rund. Seine Verlobte Amanda, eine Künstlerin, eröffnet ihm außerdem, dass sie schwanger ist. Zum Glück läuft ihm da sein alter ...

Tommy Jump ist Schauspieler, allerdings läuft es grade nicht mehr ganz so rund. Seine Verlobte Amanda, eine Künstlerin, eröffnet ihm außerdem, dass sie schwanger ist. Zum Glück läuft ihm da sein alter Schulfreund Danny über den Weg, der mittlerweile beim FBI arbeitet und jemanden wie Tommy gebrauchen könnte. Er soll die Rolle eines Bankräubers mit Gewissensbissen übernehmen und sich im Gefängnis mit Mitch anfreunden, einem Banker, der Informationen hat, um eins der größten mexikanischen Drogenkartelle dranzubekommen. Leider möchte dieser seine Unterlagen nämlich nicht mit dem FBI teilen, aus Angst, dass ihm oder seiner Familie etwas passieren könnte. Tommy bekommt für seinen Einsatz eine ordentliche Stange Geld, die sich verdoppelt, wenn er Mitch zum Reden bringt. Aber ist alles wie es scheint? Oder bringt sich Tommy womöglich selbst in Gefahr?

Ich hatte ein paar Startschwierigkeiten mit Kein falscher Schritt, weil es erstmal ein bisschen langsam losgeht. Aber spätestens als Tommy dann im Gefängnis war, hatte es mich doch. Seine Parts sind in der Ich-Form geschrieben, was bei mir eine gewisse Nähe zu ihm ausgelöst hat. Generell mochte ich ihn sehr gerne, weil er mit gängigen Männlichkeitsklischees spielt und gleichzeitig bricht. So ist er z.B. ziemlich klein, dafür aber gut trainiert. Er spielt viel in Musicals, singt und tanzt, ist aber stockhetero. In seine Verlobte (die ist tatsächlich noch kleiner als er, was ich ein bisschen schade fand) ist er total vernarrt, er ist treu und freut sich absolut auf seine Rolle als Vater. Er hat kein Problem damit, in einer Stresssituation in Tränen auszubrechen, mag seine Mutter und hat so ein freundliches Wesen, dass er mir nur sympathisch sein konnte.

Alle anderen Parts sind aus der Sicht verschiedener Charaktere in der dritten Person geschrieben.

Tommys Verlobte Amanda hadert anfangs mit sich und weiß nicht recht, ob die Beziehung eine Zukunft hat. Neben dem Geld sind auch der Abstand und die ungewöhnliche Situation eine Motivation für sie, Tommy nicht davon abzubringen als Spitzel ins Gefängnis zu gehen. Ich habe sie als selbstständig und tough empfunden, was ein ganz kleines bisschen dadurch geschmälert wurde, dass der Autor extra betonen musste, dass es sich bei ihr (und Tommys etwas nerviger Mutter) um eine "starke Frau" handelt.

Dann gibt es noch Mitchs Frau Natalie, über die ich gerne noch ein bisschen mehr erfahren hätte, weil ich sie interessant, aber etwas zu blass fand.

Herrera dagegen gehört zum Kartell und wir begleiten ihn ein wenig bei seinen Aufgaben.

Das Buch ist dabei durchweg sehr gut geschrieben/übersetzt, der Lesefluss ist richtig schön natürlich, die wörtliche Rede klingt glaubhaft und ich bin nie über merkwürdige Formulierungen gestolpert.

Im Laufe der Geschichte gibt es einige Twists und Enthüllungen, die mir alle gefallen haben.

Ich ziehe trotzdem einen Stern ab, weil ich noch ein bisschen Kritik habe: Amanda wird relativ am Anfang im beruflichen Kontext sexuell belästigt. Die Szene ist zum Glück aus ihrer Sicht geschrieben und nicht aus der des Täters, dennoch fand ich sie unnötig, weil sie wenig bis gar nichts mit der restlichen Story zu tun hat. Ein wenig schade war auch, dass sie sich danach so schlimme Selbstvorwürfe macht ("hätte ich bloß nichts getrunken" etc.). Soweit ist das natürlich erstmal realistisch, aber mir hat einfach eine Stimme gefehlt, die dagegen hält und ihr (und den Lesenden) deutlich macht, dass sie natürlich überhaupt nichts dafür kann. Am allerbesten wäre es trotzdem gewesen, das alles einfach wegzulassen. Da sind noch weitere kleine Szenen, in denen Frauen begafft werden und einmal wird eine Vergewaltigung angekündigt (die zum Glück nicht stattfindet). Ehrlich gesagt brauche ich nicht in jedem Thriller misogyne Charaktere und Szenen von Gewalt gegen Frauen.

Dann sind da noch so Kleinigkeiten, wie die Tatsache, dass sich Natalie früher "alle zwei Wochen" blonde Strähnchen hat machen lassen (was will man da nach zwei Wochen färben... da ist noch nicht mal der Hauch eines Ansatzes vorhanden) oder dass mir beim Epilog (wie so häufig bei Thrillern) die Erwähnung einer Therapie, die die ein oder andere Person in anspruch nimmt, fehlte (immerhin müssen die Charaktere ja oft einiges durchmachen).

Ansonsten aber ein wirklich gutes Buch, das ich gerne gelesen habe. Ich gucke mal, was der Autor noch so geschrieben hat!

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