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Veröffentlicht am 29.09.2025

Ein schonungsloser Blick auf den Körperwahn

Gym
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Eine Frau Mitte 30 bewirbt sich als Tresenkraft im Mega-Gym. Da sie äußerlich nicht den Erwartungen entspricht und zudem recht unsportlich ist, greift sie zu einer Notlüge: Sie erklärt ihre Unzulänglichkeiten ...

Eine Frau Mitte 30 bewirbt sich als Tresenkraft im Mega-Gym. Da sie äußerlich nicht den Erwartungen entspricht und zudem recht unsportlich ist, greift sie zu einer Notlüge: Sie erklärt ihre Unzulänglichkeiten damit, gerade entbunden zu haben.

„Gym” ist eine eindringliche Geschichte über Selbstoptimierung und Leistungsdruck. Im Zentrum der Handlung steht eine namenlose Ich-Erzählerin, die aufgrund einer Notlüge und ihrer eigenen Ambitionen zunehmend unter Druck gerät. Kessler schildert präzise und von Sinneseindrücken durchzogen den Alltag im Fitnessstudio. Diese Detailfülle verwandelt das Mega Gym in eine Hochglanzbühne, auf der Selbstdarstellung, Leistungsdenken und Schönheitswahn den Ton angeben. Die Protagonistin reflektiert in einer Mischung aus lakonischem Witz und nüchterner Genauigkeit. Anfangs noch unsicher, gewöhnt sie sich schnell ein und beginnt selbst zu trainieren. Angetrieben vom Wunsch, dazuzugehören, wird das Training schnell zur Obsession. Sie geht an ihre Grenzen, versucht krampfhaft, ihre Lüge aufrechtzuerhalten, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und verliert sich zunehmend im Selbstoptimierungswahn.

„Gym” ist ein psychologisches Kammerspiel, dessen dramaturgische Dreiteilung für Spannung sorgt. Auf die Phase der Eingewöhnung folgt eine Phase der wachsenden Identifikation, an deren Ende die Protagonistin Gefahr läuft, sich in einem Strudel aus Anpassung, Leistungsdruck und Selbstoptimierung zu verlieren.

Gegen Ende hin verschärft sich das Geschehen jedoch so drastisch, dass die Erzählung an Glaubwürdigkeit verliert. Auch manche Nebenfigur wirkt eher skizziert als lebendig.

Dennoch ist „Gym” ein kraftvoller, kluger und mitunter verstörender Roman, der die Schattenseiten von Körperkult und Selbstoptimierung aufzeigt. Provokant, unterhaltsam und lesenswert.

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Veröffentlicht am 02.09.2025

Ein rätselhafter Mord im alten Wien

Frag Philomena Freud
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Das Waisenmädchen Philomena verdient sich ihren Lebensunterhalt als Schuhputzerin vor der Praxis von Sigmund Freud. Als eine junge Patientin des Mordes an ihrer Tante beschuldigt wird, ist Philomena von ...

Das Waisenmädchen Philomena verdient sich ihren Lebensunterhalt als Schuhputzerin vor der Praxis von Sigmund Freud. Als eine junge Patientin des Mordes an ihrer Tante beschuldigt wird, ist Philomena von ihrer Unschuld überzeugt und begibt sich auf die Suche nach dem wahren Täter.

„Frag Philomena Freud” ist ein unterhaltsamer Jugendkrimi, der im Wien der 1920er Jahre spielt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Waisenmädchen Philomena, eine charmante Hauptfigur mit Herz und Verstand. Sie ist mutig, klug und hilfsbereit. Ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, die Angst, zurück ins Waisenhaus zu müssen und ihre Verbundenheit zu anderen Straßenkindern und besonders zu ihrem treuen tierischen Begleiter Kaiser Franz, machen sie zu einer glaubwürdigen und nahbaren Figur. Während die Nebenfiguren im Vergleich etwas blass bleiben, treibt Philomena mit ihrer ausgeprägten Beobachtungsgabe und ihrem unerschütterlichen Willen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, die Handlung voran. Die Ermittlungen sind spannend aufgebaut, laden zum Miträtseln ein und überraschen mit der einen oder anderen Wendung. Gerade zum Ende hin zieht das Tempo merklich an und mündet in einem dramatischen Finale.

Freud und die Psychoanalyse werden, anders als der Klappentext vermuten lässt, leider nur am Rande erwähnt. Auch das Leben im Waisenhaus spielt nur eine untergeordnete Rolle, weckt aber die Neugier, in den Folgebänden mehr über Philomenas Vergangenheit zu erfahren. Nichtsdestotrotz besticht die Geschichte durch die lebendige Darstellung der damaligen Zeit – von der vornehmen Gesellschaft bis hin zum ärmlichen Alltag eines Straßenmädchens.

"Frag Philomena Freud" ist ein historischer Jugendkrimi mit Herz, Humor und Wiener Charme, der mit einer sympathischen Hauptfigur, spannenden Ermittlungen und clever platzierten Hinweisen für unterhaltsame Lesestunden sorgt und die Neugierde auf weitere Bände weckt.

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Veröffentlicht am 29.07.2025

Lebensnahe und recht spannende Charakterstudie

Happiness Forever
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Sylvie hat einen Job als Tierarzthelferin, die Gesellschaft ihres Telefon-Freunds Conrad und ihr lädiertes Hündchen Curtains, doch ihr Lebensmittelpunkt ist ihre Therapie, denn Sylvie ist in ihre Therapeutin ...

Sylvie hat einen Job als Tierarzthelferin, die Gesellschaft ihres Telefon-Freunds Conrad und ihr lädiertes Hündchen Curtains, doch ihr Lebensmittelpunkt ist ihre Therapie, denn Sylvie ist in ihre Therapeutin verliebt. Sie will sie küssen, sich mit ihr auf dem Boden wälzen. Sie denkt jede Sekunde an sie. Als ihre Therapeutin Sylvie eine niederschmetternde Nachricht überbringt, muss Sylvie neue Lösungen finden, in der Welt zurechtzukommen.

„Happiness Forever” ist eine Geschichte, die entweder einen Nerv trifft oder eben nicht. Die Grundprämisse einer Gesprächstherapie – jeden Gedanken auszusprechen, der einen beschäftigt, egal wie unklar oder kurios er ist – macht den Kern der Geschichte aus. Durch die Therapiesitzungen, ihre Fixierung auf die Therapeutin sowie ihre alltäglichen Gedanken und Erfahrungen lernt man Sylvie als LeserIn langsam kennen. Ihre Gedanken reichen von bizarr bis geistreich, drehen sich oft im Kreis und sind sehr symbolträchtig. Sylvie ist eine sympathische Figur, die sehr introvertiert und wenig selbstreflektiert erscheint. Sie neigt dazu, Probleme zu bagatellisieren, und oftmals hat man beim Lesen das Gefühl, dass sie den Elefanten im Raum bewusst ignoriert und sich lieber auf die Therapeutin fokussiert. Bei manchen geschilderten Erlebnissen kann man ihr das jedoch nur schwerlich verübeln. Dennoch lernt sie, sich zu öffnen und behutsam Raum zu verschaffen.

Es ist eine Geschichte, die völlig unaufgeregt daherkommt und von einer behutsamen Spannung getragen wird. Man möchte verstehen, was Sylvies Charakter ausmacht und was hinter ihrer Obsession für die Therapeutin steckt.

Adelaide Faith zeigt anschaulich, wie Gedanken unser Handeln und unsere Gefühle beeinflussen. Gespickt mit tiefgreifenden Gedanken und mitunter schreiender Symbolik erzählt sie die Geschichte einer Frau, die trotz ihrer Verletzlichkeit versucht, sich dem Leben zu öffnen und ihren eigenen Weg zu finden – authentisch, einfühlsam, offenherzig und mitunter schrecklich banal. Empfehlenswert für LeserInnen, die an Sylvies Therapieerfahrung anknüpfen können. Wer eine spannende Geschichte einer Obsession oder eine großartige Charaktentwicklung erwartet, wird vom Verlauf der Handlung wahrscheinlich gelangweilt sein. Heilung braucht Zeit und verläuft in kleinen Schritten, die oftmals recht unspektakulär erscheinen.

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Veröffentlicht am 27.07.2025

Magische Fortsetzung einer humorvollen & actionreichen Reihe

Zwei Hexen und ein Whiskey
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Vor drei Monaten hat Tori einen Job als Barkeeperin in einer magischen Gilde angenommen. Bisher konnte die Gilde verheimlichen, dass Tori ein Mensch ist, doch dann taucht die Magiepolizei im „Crow & Hammer” ...

Vor drei Monaten hat Tori einen Job als Barkeeperin in einer magischen Gilde angenommen. Bisher konnte die Gilde verheimlichen, dass Tori ein Mensch ist, doch dann taucht die Magiepolizei im „Crow & Hammer” auf und stellt Fragen zu einer Frau, die den berüchtigten Geist kennt. Tori muss erst einmal der Bar fernbleiben und hadert mit der Situation – zumindest bis zwei Hexen in ihrer Wohnung auftauchen und sie um Hilfe bitten.

„Zwei Hexen und ein Whiskey” ist der dritte Teil der „Guild Codex Spellbound”-Reihe und schließt nahtlos an die Handlung der ersten Bände an. Tori ist nach wie vor frustriert, dass sie über keinerlei magische Fähigkeiten verfügt und gerät dank zweier Hexen erneut in Schwierigkeiten. Die Geschichte ist humorvoll und actionreich, wenngleich die Gegenspieler in diesem Teil etwas blass erscheinen. Dafür gibt es einen Einblick in Kais Familiengeschichte und ein Wiedersehen mit tollen Nebenfiguren. Tori ist eine sympathische Chaosqueen, die den Ärger magisch anzuziehen scheint. In diesem Band wirkt sie jedoch bisweilen recht verunsichert, sowohl was ihre Gefühle als auch ihre Stellung in der Gilde betrifft. Da möchte man sie mitunter schütteln, weil sie nicht sieht, wie sehr sie gemocht und geschätzt wird.

Alles in allem eine gelungene Fortsetzung, die den Fokus auf die Charakterentwicklungen und den Zusammenhalt der Figuren legt, gewohnt unterhaltsam mit einer Prise Romantik und einem actionreichen Finale.

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Veröffentlicht am 25.07.2025

Ein märchenhaftes Abenteuer voller Herz und Humor

Gwin und das Herz des Drachen (Band 1)
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Um der Obhut ihrer unsympathischen Tante zu entkommen, läuft Gwin von zu Hause weg. Ohne Plan irrt sie ziellos umher, bis sie einem Kater begegnet, der sie in Madame Manous Zauberladen einlädt. Neben dem ...

Um der Obhut ihrer unsympathischen Tante zu entkommen, läuft Gwin von zu Hause weg. Ohne Plan irrt sie ziellos umher, bis sie einem Kater begegnet, der sie in Madame Manous Zauberladen einlädt. Neben dem äußerst unhöflichen sprechenden Kater begegnet Gwin dort nicht nur einer sehr sympathischen Hexe und allerhand fantastischer Wesen, sondern ist auch umgeben von jeder Menge Magie. Als Gwin den Drachen Jun verbotenerweise aus einer Bilderrolle befreit, ist dies der Beginn eines gefährlichen Abenteuers ...
„Gwin und das Herz des Drachen” ist eine märchenhafte und fantasievolle Geschichte voller Herz und Humor. Der Zauberladen ist ein magischer Ort zum Wohlfühlen, voller liebevoll gezeichneter Figuren, origineller Eigenheiten und einer leicht skurrilen Atmosphäre. Es gibt unglaublich viel zu entdecken und zu bestaunen und die Charaktere wachsen einem schnell ans Herz. Gwin ist ein liebenswertes und hilfsbereites Mädchen, dem man von Herzen ein liebevolles Zuhause ohne ständig herumreisende Eltern und eine schreckliche Tante wünscht. Im Zauberladen fühlt sie sich sichtlich wohl, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus und darf sich ausprobieren und Fehler machen. Zumindest bis sie sich mit einem Drachen anfreundet. Denn in Verena Maiers magischer Welt sind Drachen keine erhabenen Geschöpfe, sondern herzlose und hinterhältige Wesen, mit denen jeglicher Kontakt verboten ist. Doch Gwin vertraut auf ihr Bauchgefühl und ist fest entschlossen, für Jun ein passendes Zuhause zu finden.
Ein fantastisches Leseabenteuer voller Spannung und Magie, das dazu anregt, die Welt mit offenen Augen zu sehen und auf seine Intuition zu vertrauen und zeigt, wie wichtig es ist, einen Ort zu haben, an dem man sich wohlfühlt, und Freunde, die einen unterstützen. Zauberhaft illustriert von Indiana Acosta und nicht nur für junge LeserInnen sehr lesenswert.

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