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Veröffentlicht am 13.07.2020

Die Welt in der Heimat

HOLIDAY Reisebuch: Hiergeblieben! – 55 fantastische Reiseziele in Deutschland
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Hiergeblieben! ist ein Reiseführer, der deutlich macht, warum der Spruch "Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute ist so nah" seine Berechtigung hat. Der Autor stellt 55 Reiseziele vor, von denen mir ...

Hiergeblieben! ist ein Reiseführer, der deutlich macht, warum der Spruch "Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute ist so nah" seine Berechtigung hat. Der Autor stellt 55 Reiseziele vor, von denen mir ein Großteil tatsächlich unbekannt war. Dabei scheint der Norden mit genau einer Sehenswürdigkeit vorne zu liegen, denn das Buch wird in 27 Sehenswürdigkeiten im Süden und 28 im Norden unterteilt.

Was ich richtig cool fand: Die vorgestellten Ziele werden immer mit berühmten Orten in der Welt verglichen und einander gegenüber gestellt. Da gibt es zum Beispiel im Pott einen hinduistischen Tempel, der sich nicht vor denen in Asien verstecken muss, einen schiefen Turm wie in Pisa, allerdings in Thüringen, die größte Hängebrücke an der Rappbodetalsperre, die vielleicht oder auch nicht die in der Schweiz übertrifft.

Man kann in Coburg Samba feiern wie in Rio, Geysire besuchen wie in Island und die Semperoper braucht sich vor keiner anderen in der Welt zu verstecken.

Ob man jetzt die Skyline von Frankfurt wirklich mit der von New York vergleichen muss oder Babelsberg mit Hollywood ist eine andere Sache. Fakt ist, wir haben in Deutschland viele Ziele, die es wert sind, angesehen zu werden, ohne den ökologischen Fußabdruck durch Tausende Flugmeilen zu vergrößern. Dazu kommt, dass auch andere Ausflugs- und Restauranttipps gegeben werden, sodass man nicht nur kulturell, sondern auch knurrmagenmäßig befriedigt wird.

Worauf ich in dem Buch allerdings gern mal verzichtet hätte, war der fehlgeleitete Machohumor des Autors. Vielleicht sollte in einer 2. Ausgabe mal ein sensibler Lektor noch mal über den Text gehen und ein paar Sachen dem Rotstift überlassen.

Veröffentlicht am 12.07.2020

Vice & Virtue

Cavaliersreise. Die Bekenntnisse eines Gentlemans
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Sir Henry Montague ist achtzehn, der Sohn eines englischen Grafen und trotzdem die liederlichste Person, die auf dem Erdball herumläuft. Zumindest wenn man seinen Vater fragt, der gern die Fäuste sprechen ...

Sir Henry Montague ist achtzehn, der Sohn eines englischen Grafen und trotzdem die liederlichste Person, die auf dem Erdball herumläuft. Zumindest wenn man seinen Vater fragt, der gern die Fäuste sprechen lässt. Um ihn auf den rechten Weg zu bringen, wird er auf Cavaliersreise geschickt, um sich in Europa mit mächtigen Personen zu treffen und seinen Charakter zu bilden. Begleitet wird er dabei von seinem besten Freund/heimlichen Crush Percy und seiner jüngeren Schwester, die in die Schweiz in eine Mädchenschule abgeschoben werden soll. Doch Monty und Gefährten haben Pech (oftmals durch ihn verursacht): Sie werden von Wegelagerern überfallen, er macht sich am französischen Hof unmöglich und dann sind da auch noch Piraten ...

Eigentlich mochte ich die Geschichte sehr gern. Sie war leicht erzählt und gab wirklich gute Einblicke in das 18. Jahrhundert und die Situation von queeren Leuten. Sie ging auf Rassismus ein, auf die Probleme von Frauen, die gern studieren wollten, aber nicht durften, streifte Geschichtliches. Alles mega eigentlich. Mich hat ein wenig Monty gestört, der wirklich ständig Probleme verursacht hat. Mir ist klar, dass man nichts gegen seine Gefühle tun kann - aber gleichzeitig bin ich auch überzeugt davon, dass man nicht jedes verdammte Mal danach handeln muss. Und vor allem alle seine Freunde und Retter in Gefahr zu bringen, ohne auch nur ein verdammtes Mal daraus zu lernen. Wenn er es wenigstens schaffen würde, sich auch mal selbst aus der Klemme zu befreien, wäre das nicht so übel. Aber Monty wäre schon Dutzende Male tot gewesen ohne seine Helfer. Es gab bis zum Schluss einfach null Entwicklung bei dem Kerl, sodass ich mich frage, warum Percy so unendlich lange zu ihm hielt. Am besten gefiel mir wirklich Felicity, die all die Eigenschaften besaß, die ich mir zumindest zum Teil für Monty gewünscht hätte. Und das Ende war zwar sehr happy, aber auch sehr unbefriedigend, denn ihre Situation hatte sich ja nicht geändert, ohne Geld, ohne nützliche Fähigkeiten. Das ist jetzt viel Gemecker, aber im Großen und Ganzen hat das Buch Spaß gemacht zu lesen.

Veröffentlicht am 11.07.2020

Kitschalarm, Deckung!

Wie die Ruhe vor dem Sturm
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Elli ist sechzehn und introvertiert, was weder ihre Eltern noch ihre Cousine (die übrigens nett ist, wenn auch ab und zu nervig) davon abhält, sie mehr oder weniger dazu zu zwingen, auf eine Party zu gehen. ...

Elli ist sechzehn und introvertiert, was weder ihre Eltern noch ihre Cousine (die übrigens nett ist, wenn auch ab und zu nervig) davon abhält, sie mehr oder weniger dazu zu zwingen, auf eine Party zu gehen. Dort unterhält sie sich mit Greyson, dem Golden Boy ihrer Schule, und sie finden sich wider Erwarten beide ziemlich cool, sodass sie später viel Zeit miteinander verbringen und so was wie ineinander verlieben. Nachdem Ellis Mutter an Krebs starb, ziehen sie und ihr Vater fort.

Sechzehn Jahre später ist Elli Kindermädchen und back in Town. Als sie sich auf eine neue Stelle bewirbt, sind es ausgerechnet die Kinder von Greyson, ihrem ersten Schwarm. Sie kriegt den Job. Doch aus dem liebenswürdigen Jungen ist ein anstrengender Kerl geworden, weil er so schlimm trauert.

Okay, das war schon mal so gar nicht meins. Hier wurde wirklich jedes Klischee bedient und jeder Kitsch verwendet, den man sich vorstellen kann. Hat eigentlich nur noch gefehlt, dass Elli-Aschenputtel eigentlich eine verschollene Prinzessin ist, die ihren Prinzen wiederfindet. Der Kerl: unnahbar. Die Kinder - Nr. 1, die Große, eine Zicke, Nr. 2, die Kleine, so zuckersüß, dass ich nächste Woche zum Zahnarzt gehen muss. Hab mir bestimmt Karies zugezogen. Die Nanny: mega-mega-mega verständnisvoll. Und natürlich die Einzige, die es trotz eines doppelt hohen Gehalts bei den Kindern aushält. (Als ob jemand, der so gut bezahlt wird, sich darum schert, wenn eine pubertierende 14jährige rumzickt!) Dann noch die megaliebe Großmutter, die für alle ein offenes Ohr hat. Hab eigentlich nur auf den bösen Wolf gewartet, der sie frisst, damit Rotkäppchen-Elli auch sie retten kann. Das Ende: Drückt man die Seiten des Prints zusammen, platscht bestimmt ein dicker, fetter Klecks Kitsch heraus.

Veröffentlicht am 11.07.2020

Drama, Baby, Drama

Verliere mich. Nicht.
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Also, stellt euch vor, ihr lest den ersten Band. Gut. Jetzt stellt euch vor, ihr lest den ersten Band noch mal, nur dass Sage und Luca nicht zusammen sind, weil sie sich gestritten bzw. aus Gründen, die ...

Also, stellt euch vor, ihr lest den ersten Band. Gut. Jetzt stellt euch vor, ihr lest den ersten Band noch mal, nur dass Sage und Luca nicht zusammen sind, weil sie sich gestritten bzw. aus Gründen, die nicht nachvollziehbar waren, getrennt haben. Nehmt dazu noch ein bisschen Teenie-Drama, weil der eine und der andere was machen, was Dreizehnjährige so machen ... ach, die sind schon achtzehn und einundzwanzig? Ist mir gar nicht aufgefallen, sorrynotsorry.

Und jetzt bringen wir die beiden einfach wie im ersten Teil der Dilogie wieder zusammen. Dabei werden alle Klischees aufgefahren, die auf der Welt existieren. Sage wird (vielleicht, vielleicht auch nicht, man weiß es nicht genau) von einem Betrunkenen belästigt, Luca kreuzt mit seiner Neuen auf (immerhin ist die nett und war mir im ganzen Buch am sympathischsten, weil sie sich wie ein normaler Mensch verhalten hat), Luca muss sich betrinken und prügeln, weil ... weil man das eben so macht in solchen Büchern. Das bedeutet wahrscheinlich großes Leid und Sehnsucht.

Und zum Schluss gibt's einen Höhepunkt ohne Höhen und ein Friede-Freude-Eierkuchen-Ende. Kann man machen. Muss man aber nicht. Anderthalb von. Fünf Punkten. (Ja, diese Art, einen Titel zu verunstalten, finde ich immer noch richtig dumm.)

Veröffentlicht am 11.07.2020

Obdachlose Studentin

Berühre mich. Nicht.
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Sage ist ein paar tausend Meilen von zuhause entfernt, um zu studieren und zu vergessen. Sie kann sich keine Wohnung leisten und schläft daher in ihrem klapprigen VW-Bus (der übrigens auch nie getankt ...

Sage ist ein paar tausend Meilen von zuhause entfernt, um zu studieren und zu vergessen. Sie kann sich keine Wohnung leisten und schläft daher in ihrem klapprigen VW-Bus (der übrigens auch nie getankt werden muss und daher auch kein Geld kostet). Zum Waschen schleicht sie sich in die Gemeinschaftsduschen auf dem Campus. Aber dann lernt sie April kennen, die ebenfalls gerade mit dem Studium begonnen hat und diese überredet sie, bei ihr und ihrem Bruder zu wohnen. Sie haben eine moderne, große Wohnung und noch Platz. Sage sagt zu, auch wenn ausgerechnet Aprils Bruder alles verkörpert, vor dem sie Angst hat. Er ist groß, muskulös, tätowiert und mega gut aussehend. Denn Sage schleppt viele Ängste mit sich herum, denn ihre Vergangenheit war nicht gerade berauschend.

Mir hat was gut gefallen: Obwohl hier auch sexuelle Gewalt thematisiert wird, behandeln die Männer/Jungs, auf die es ankommt, das Mädchen hier nicht wie den letzten Dreck. Das ist immerhin schon mal ein großer Vorteil vielen anderen NA-Büchern gegenüber. Und vielleicht hätte das Buch daher auch mehr Spaß gemacht, wenn mal irgendwas passiert wäre. Aber dieses ewige Hin und Her zwischen Sage und ihrem Angebeteten ist nervig. Es ist klar, dass man Angststörungen nicht so leicht überwinden kann, auch mit Hilfe einer Psychologin nicht (so richtig ist mir nicht klar geworden, ob die arme Frau jemals Geld von Sage gesehen hat). Aber wenn man sich einem Typen schon so weit annähert, dass man es sich mit dem Mund machen lässt und vice versa, dann kann es doch nicht sein, dass man kein Vertrauen hat, ihm alles zu erzählen? Stattdessen zickt sie auf einmal rum und macht noch mehr Dummheiten als vorher. Auch innerhalb des Buches habe ich immer wieder die Augen verdreht, wenn sich alle Mädels als sofort best friends of the world entpuppt haben oder Sage sofort eine Wohnung (bei dem ach so von Mom enttäuschten Love Interest) oder einen Job findet, für den sie nichts können und auch kaum mit anderen Menschen agieren muss. Zu viel Blabla in zu wenig Handlung. Ach so. Habe ich schon den saudummen Titel erwähnt? Wer denkt. Sich sowas. Aus?