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Veröffentlicht am 06.01.2021

Jerusha schreibt

Lieber Daddy-Long-Legs
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Judy Abbott, die eigentlich Jerusha heißt, hat ihr Leben lang im Waisenhaus verbracht. Doch dann findet sich ein anonymer Gönner für sie, der ihr das Studium bezahlt. Dafür will er nichts weiter von ihr, ...

Judy Abbott, die eigentlich Jerusha heißt, hat ihr Leben lang im Waisenhaus verbracht. Doch dann findet sich ein anonymer Gönner für sie, der ihr das Studium bezahlt. Dafür will er nichts weiter von ihr, als dass sie sie in das Studium reinkniet und ihm jeden Monat einen Brief schreibt mit ihren Fortschritten. Judy hat wenig Erfahrung mit dem Leben außerhalb ihres Waisenheimes und sie muss sich mehr als jedes andere Mädchen ins Lernen vertiefen: Nicht nur das, was an der Universität gelehrt wird, sondern auch, wie dieses normale Leben überhaupt funktioniert. Sie findet dabei Zicken, beste Freundinnen und alles dazwischen und ganz vielleicht und aus Versehen auch die Liebe.

Dieses Buch ist kurz und kurzweilig und eine ausgemachte Feel-Good-Lektüre. Judy plappert und schreibt wie ein Wasserfall und ist dabei immer neugierig und aufgeschlossen. Was mich ernsthaft beeindruckt hat, ist, dass sie eine sehr moderne, junge Frau ist, obwohl das Buch vor über 100 Jahren zum ersten Mal erschienen ist. Obwohl sie eigentlich finanziell abhängig ist von Daddy-Long-Legs, bedeutet das für sie nicht, dass sie unterwürfig oder devot reagiert. Sie hat ihren eigenen Kopf und sie versucht, sich aus dieser Abhängigkeit selbst zu befreien. Sie braucht kein Alphamännchen, das sie wie Dreck behandelt, um sich fraulich zu fühlen, sie geht ihren Weg und lässt sich auch vom Scheitern nicht abhalten. Natürlich ist die Geschichte sehr vorhersehbar, aber trotzdem empfinde ich sie als einen gelungenen Prototyp des jetzt so beliebten Young/New Adult, ganz besonders, was das Selbstbild von Protagonistinnen betrifft. Könnten sich viele Autorinnen und Leserinnen mal ein Beispiel nehmen.

Veröffentlicht am 04.01.2021

Chemie des Klischees

Kaleidra - Wer das Dunkel ruft (Band 1)
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Emilia ist siebzehn, steht kurz vorm Schulabschluss und macht bei einem letzten Schulausflug eine seltsame Entdeckung. Sie kann im Museum ein paar Seiten des mysteriösen Voynich-Manuskripts lesen. Damit ...

Emilia ist siebzehn, steht kurz vorm Schulabschluss und macht bei einem letzten Schulausflug eine seltsame Entdeckung. Sie kann im Museum ein paar Seiten des mysteriösen Voynich-Manuskripts lesen. Damit zieht sie die Aufmerksamkeit einer geheimnisvollen Organisation auf sich: der Alchemisten. Einer von ihnen ist Ben, der zum Goldorden der Alchemisten gehört. Er erklärt Emilia, dass sie zum Silberorden gehört; es gibt noch einen dritten, den Quecksilberorden, das sind quasi die Todesser unter den Alchemisten. Mit Emilias Hilfe versucht der Goldorden, dem Wasser des Lebens auf die Spur zu kommen, das im Voynich-Manuskript beschrieben wird, denn sie ist die Einzige, die es dechiffrieren kann. Doch auch andere sind hinter diesem Geheimnis her und damit auch hinter Emilia.

Mir fällt immer wieder auf, was für coole Ideen die Autorin hat und jedes Mal denke ich: Aber jetzt! Jetzt traut sie sich und knallt uns mal ein Buch vor die Brust, das uns weghaut. Doch nein. Stattdessen präsentiert sie uns immer wieder ihren selben aufgewärmten Brei, der schon beim ersten Mal nicht geschmeckt hat. Ein Mädchen, das unverhofft über irgendein Geheimnis stolpert, dazu ein männliches Alphamännchen, das sich tarzanlike gegen die Brust trommelt und besagtes Mädchen wie Dreck behandelt. Aber wie üblich in dieser Art von Büchern ist das völlig okay, denn das Alphamännchen ist heiß wie die Hölle, kann kämpfen wie ein Teufel, sieht außerdem heiß aus, studiert Geschichte, sieht heiß aus, ist arrogant, sieht heiß aus, kommuniziert grundsätzlich im Befehlston, sieht heiß aus ... Wow! Emilia ist nicht die Einzige, die Rätsel lösen und Muster erkennen kann! Ich schaffe das auch!

Ich musste auch regelmäßig am Verstand des Mädchens zweifeln. Ihr kommt ein Typ beim ersten Treffen völlig dumm und anstatt dass sie ihn mal ordentlich tritt oder wegen Belästigung die Polizei ruft, lässt sie sich das neueste Handy von ihm schenken? Er latscht ständig in ihre Wohnung, ohne dass sie das genehmigt hat, und sie freut sich, dass er mal lächeln kann? Sie sieht eine Art Zombie, rennt dem hinterher und wundert sich, dass sie angegriffen wird? Sie nimmt alles hin, was ihr diese Alchemisten vor die Füße spucken und sie so: na gut.

Auch das Lektorat war jetzt nicht mega inspirierend. Zu Anfang taucht beim Kampf des Loveinterests noch ein Junge und noch ein Mädchen auf und Emilia, als Erzählerin, sagt, dass Oliver das und das macht. Woher weiß sie denn, wie der Typ heißt? Oder wo bitte kommen byzantinische Armbrustfallen in einem Mayatempel vor? Hatten die Maya das damals bei Amazoncoatl und somit beim Versandhändler ihres Vertrauens bestellt? Zwischendrin fielen auch mal der ein oder andere Schreibfehler auf, ohne dass ich gesucht hatte.

Egal und schade. Ich muss langsam einsehen, dass diese Autorin und ich einfach nicht kompatibel sind, es sei denn, sie fängt irgendwann mal an, ihre coolen Ideen auch mal cool umzusetzen.

Veröffentlicht am 01.01.2021

Vietnamkrieg in den Köpfen

Die Saat des Bösen
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Früher war Chuck Frye der zweitbeste Surfer Kaliforniens. Mittlerweile ist er ziemlich abgebrannt, hat ein Trauma beim Surfen, eine Ex-Frau und einen Surf-Laden, der nicht läuft. Dafür gehört er der reichsten ...

Früher war Chuck Frye der zweitbeste Surfer Kaliforniens. Mittlerweile ist er ziemlich abgebrannt, hat ein Trauma beim Surfen, eine Ex-Frau und einen Surf-Laden, der nicht läuft. Dafür gehört er der reichsten Familie der Gegend an, auch wenn er ein absoluter Außenseiter ist. Als bei einer Geburtstagsfeier die vietnamesische Frau seines Bruders entführt wird, beißt sich Chuck in die Sache fest. Wer steckt dahinter? Die vietnamesischen Mafiosis aus Little Saigon? Oder will sich ein alter Feind an seinem Bruder, dem hochdekorierten Vietnamveteranen, rächen?

Eigentlich macht das Lesen des Buches schon Spaß. Die Geschichte spielt 1988 und das ist ein bisschen wie eine Zeitreise ohne Handys, ohne das Internet und Computer, wie wir es heute kennen. Geschrieben wurde sie in den 90igern, also zu einer Zeit, in der noch dasselbe galt. Und wenn es nur um Chuck und darum geht, wie er sich durch den Sumpf von Korruption und Intrigen durchwühlt, um die Wahrheit zu erfahren, ist das eigentlich ein sehr cooles Buch. Was mich jedoch wirklich sehr abgestoßen hat, war das völlig unreflektierte Wir-Amis-sind-Helden-Gehabe. Hier sind sie die Guten, obwohl sie Vietnam angegriffen haben und der böse Vietcong ist natürlich an allem Schlechten schuld. Das kann zwischendurch schon mal ernsthaft den Spaß am Lesen verderben und daher gibt es auch einige Abzüge.

Veröffentlicht am 28.12.2020

Dame und Tiger

COLDTOWN – Stadt der Unsterblichkeit
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Tana ist siebzehn und möchte eigentlich nur eine geile Zeit bei einer Party erleben. Doch als sie erwacht, stellt sie fest, dass fast alle anderen Jugendlichen tot sind - in der Nacht sind Vampire gekommen ...

Tana ist siebzehn und möchte eigentlich nur eine geile Zeit bei einer Party erleben. Doch als sie erwacht, stellt sie fest, dass fast alle anderen Jugendlichen tot sind - in der Nacht sind Vampire gekommen und haben sie ausgesaugt. Nur ihr Ex-Freund Aidan und ein Fremder namens Gavril haben überlebt und es gelingt den dreien, gerade noch aus dem Haus zu entkommen, bevor die mörderischen Vampire wieder erwachen. Doch Aidan ist infiziert und der andere Junge ... selbst ein Vampir. Und Tana wurde ebenso verletzt und es könnte passieren, dass sie ebenfalls infiziert ist. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als mit den beiden zur nächsten Coldtown zu fahren, dorthin, wo die Vampire und Infizierten in Ghetto-Städten eingesperrt sind.

Ich hatte anfangs ein bisschen Probleme mit dem Buch. Der Einstieg erschien mir arg young-adultlastig und ich mochte die ewigen Zitate über den Tod am Anfang eines Kapitels nicht, weil mich so was schnell nervt. Aber die Geschichte entwickelte sich schnell zu einer etwas anderen Vampirstory, einer, die mir sehr gut gefiel. Die Vampire sind hier weder kuschelig noch glitzern sie, sondern sie sind reine Raubtiere, die in jeder Form weiterentwickelt sind als Menschen, außer vielleicht in ihrem sozialen Verhalten. Außerdem mochte ich auch Tana, die mal zum Glück weder auserwählt noch supercool war, sondern einfach nur ein nettes Mädchen, das versucht, das Richtige zu tun. Liebe gab es nur dezent und ohne Kitsch, sodass ich im Großen und Ganzen richtig Spaß an dem Buch hatte.

Veröffentlicht am 27.12.2020

Bodyguard

Kiss Me Once - Kiss The Bodyguard, Band 1 (SPIEGEL-Bestseller, Prickelnde New-Adult-Romance)
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Ivy ist die reiche Tochter eines reichen Mannes, die einfach nur normal leben und wie jedes normale Mädchen auf ein College gehen möchte. Da Daddy das nicht ganz so cool findet, erlaubt er es zwar einerseits, ...

Ivy ist die reiche Tochter eines reichen Mannes, die einfach nur normal leben und wie jedes normale Mädchen auf ein College gehen möchte. Da Daddy das nicht ganz so cool findet, erlaubt er es zwar einerseits, andererseits sorgt er heimlich dafür, dass sie einen Bodyguard bekommt. Ryan ist dieser Bodyguard. Er wird schon ein paar Tage, bevor Ivy aufs College kommt, dort eingeschleust und soll sich als der nette Nachbar von nebenan ausgeben. So begegnen sie sich das erste Mal, als Ivy ihn fast überfährt und es kommt, wie es kommen muss, sie verlieben sich.

Ah. Wie romantisch.

Nicht. Wenn man dieses Buch aufschlägt, öffnet man die Kiste der Pandora, nur dass keine Übel der Welt hervorkommen, sondern Kitsch, Klischee und schlechte Sprüche. Die Charaktere sind 1A dem Handbuch für Autorinnen entnommen: Wie baue ich mir das klassische Collegemännchen/-weibchen zusammen. Wenn es damit getan wäre wäre das nicht schlimm. Aber der angebliche Bodyguard hat seinen Job irgendwie missverstanden. Ryan, Junge, du musst jetzt ganz tapfer sein: Ein Bodyguard heißt nicht so, weil er geil auf den Body von jemandem ist. Er soll ihn bewachen, verstehst du? Das heißt, man sollte erstens überhaupt schon mal wissen, wen man überhaupt bewachen soll. Ich bezweifle, dass man einem Bodyguard irgendeine Papierakte auf den Schoß wirft (scheinbar sogar ohne Bilder/Fotos?) und sagt: Hier, mach mal. Und dass ein Bodyguard auswendig lernen muss, wie viele Gatorades am Tag sein Schützling trägt, glaube ich auch nicht wirklich. Über Ivy Worte zu verlieren, wäre zu viel der Ehre. Sie ist das typische Dummchen von nebenan, das nicht mal vernünftig Autofahren kann. Weiß man doch, Frauen sind schlechte Autofahrer und einparken können sie auch nicht. Aber das ist bestimmt süß und hat nichts mit Unfähigkeit zu tun, oder?

Das Buch bekommt noch ein paar wohlwollende Punkte, weil auch ein schwules Pärchen vorkommen darf. Ansonsten hoffe ich nur, dass Bodyguards im echten Leben nicht ganz so inkompetent sind, wie sie hier dargestellt wurden. Arme Berufsgruppe. Ist ja schon berufsschädigend. 1,5/5 Punkten.