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Veröffentlicht am 05.05.2020

Warteschlange

Das Tor
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In einem arabischen, totalitären Staat brauchen die Menschen für alles, was sie sind und tun wollen, eine Erlaubnis. Diese bekommen sie vom Tor beziehungsweise dem, was sich vielleicht oder auch nicht ...

In einem arabischen, totalitären Staat brauchen die Menschen für alles, was sie sind und tun wollen, eine Erlaubnis. Diese bekommen sie vom Tor beziehungsweise dem, was sich vielleicht oder auch nicht dahinter befindet. Alle Gesetzte, alle Ge- und Verbote werden dort erlassen. Also stellen sich die Menschen dort an, Tag für Tag und Nacht für Nacht, um darauf zu warten, dass sich dieses Tor öffnet. Doch es passiert einfach nichts und für viele dort in der Warteschlange läuft nicht nur bildlich gesehen die Zeit langsam ab ...

Was hätte man aus diesem Buch machen können. Ja, vielleicht hätte eine wuchtige, bildgewaltige Erzählweise nicht zu der Resignation, der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit der Leute gepasst, auch nicht zu den teils absurden Befehlen und Gesetzen, die vom Tor erlassen wurden. Wir befinden uns in völliger Depression, denn niemals erhalten die Menschen das, was sie wirklich brauchen. Aber wäre Aziz eine Meisterin leiser Töne, so hätte sie ihre Leser trotzdem mit voller Breitseite erwischt, verwundet wie ihren Protagonisten Yahya und möglicherweise umgehauen. Stattdessen schreibt sie in einer distanzierten, nahezu gelangweilten Weise, die das Lesen anstrengend macht und keine Nähe zu ihren Protagonisten zulässt. Es gibt durch die beinahe durchweg indirekte Rede keine Dynamik, keine eigene Stimme für all ihre Geschöpfe, sie wechselt innerhalb der Szenen einfach mal die Perspektive und zeichnet sich meiner Meinung nach nicht durch solides Handwerk aus. Schon allein durch das Thema hätte dieses Buch ein großer Wurf werden können, ja müssen, doch alles, was man nach dem Beenden des Buches in den Händen zu halten glaubt, ist höchstens ein Entwurf, ein erstes Manuskript, kein ausgearbeitetes Werk. So viel Potenzial verschenkt. Schade.

Veröffentlicht am 17.04.2020

Ende im Gelände

London Dark: Die ersten Fälle des Scotland Yard - Folge 03
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Cluskey überlebt seinen Abstecher in die Drogenhöhle mit schweren Verletzungen und braucht vier Monate, um wieder halbwegs auf die Beine zu kommen. Doch schon ist er in die nächste Sache verwickelt. Eine ...

Cluskey überlebt seinen Abstecher in die Drogenhöhle mit schweren Verletzungen und braucht vier Monate, um wieder halbwegs auf die Beine zu kommen. Doch schon ist er in die nächste Sache verwickelt. Eine orientalische Schönheit spricht ihn bei einem Spaziergang an, outet sich als seine Retterin und hinterlässt kryptische Andeutungen. Noch in derselben Nacht wird Cluskey von seinem ehemaligen Kollegen Winterhorn gebeten, ihn zu einem schrecklichen Tatort zu begleiten, der wirkt, als wäre dort ein Ritual vollzogen worden. Ihm kommt ein Verdacht: Können seine seltsame Begegnung mit der exotischen Frau und diese Tat zusammenhängen?

Das war's für mich endgültig mit dieser Serie. So recht spannend, wie sich meine Zusammenfassung liest, ist es keineswegs, im Gegenteil. Mal davon abgesehen, dass diese "Fälle" immer an völlig unpassender Stelle enden - nein, keine Cliffhanger, einfach mal nur die letzten fünf Minuten von CD 2 auf diesen Teil gepackt, was gleich mal gar keinen Sinn ergibt. Dann stellt sich Cluskey mittlerweile als unerträglich arroganter, unfähiger Typ heraus, der nichts, aber auch gar nichts aus dem lernt, was ihm bisher geschehen ist, aber alle bewundern ihn für seine Klugheit und Cleverness. Nein, er ist wirklich, wirklich ein dummer Mann, den ich niemals in irgendeiner Polizeitruppe haben wollte, wenn ich was zu sagen hätte. Und für mich ist mit dieser Folge die Serie beendet.

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Veröffentlicht am 22.01.2020

Hellsehen für Anfänger

Das Labyrinth von London
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Zuerst einmal: Vergesst diesen dümmlichen Klappentext. Der hat mit der Handlung so viel zu tun wie ein Einhorn mit dem Reparieren von Uhren. Wahrscheinlich möchte man auf den Aaronovitch-Zug aufspringen, ...

Zuerst einmal: Vergesst diesen dümmlichen Klappentext. Der hat mit der Handlung so viel zu tun wie ein Einhorn mit dem Reparieren von Uhren. Wahrscheinlich möchte man auf den Aaronovitch-Zug aufspringen, aber so funktioniert das eher schlecht.

Alexander Verus ist ein Magier, der in London lebt. Ein echter, keiner, der so Geldmünzen hinter Ohren oder Hasen aus Zylindern hervorholt. Er ist Hellseher, kann also gewisse Sachen aus der Zukunft sehen. Eines Tages fällt ihm nicht nur ein sonderbares Artefakt in die Hände, aus dem er nicht schlau wird, sondern ihn sucht auch jemand vom Rat auf, um ihn für einen seltsamen Job anzuheuern. Da Alex und der Rat nicht auf besten Fuß stehen, lehnt er ab. Nur kurz darauf erhält er dasselbe Angebot von der Magier-Mafia, das er fast noch schwerer ablehnen kann. Alles läuft am Ende darauf hinaus, dass zwei Parteien etwas Mächtiges beherrschen wollen und Alex samt seiner Freundin Luna mitten ihnen stehen.

Ich mag Magier. Ich lebe quasi in Hogwarts und amüsiere mich immer wieder mit Peter Grant in London. Kein Wunder also, dass ich auch zu diesem (Hör)Buch greifen musste. An und für sich sind die Ideen auch sehr cool. Ein Magier mit Zauberladen, eine nähende Riesenspinne von der Größe und dem Gewicht eines Kleinwagens, ein Luftelementar, den man gelegentlich als Taxi nehmen kann, der Fluch einer jungen Frau und ein Tarnumhang, den Alex wahrscheinlich von Harry geklaut hat. Soweit, so gut.

Kaputtgemacht wird das Ganze durch ewiges Drumherumlabern. Selten habe ich so viele nichtssagende Dialoge gehört, die nicht auf den Punkt kamen und wo Fragen gestellt wurden, die schon beim ersten Satz beantwortet waren. Dann hat der Autor scheinbar nicht begriffen, dass in Actionszenen auch etwas Wichtiges vorkommen muss: nämlich Action! Man kann während einer gefährlichen Szene nicht erst ausführlich darüber dozieren, warum dieses oder jenes funktioniert (oder auch nicht). Wenn man das nicht vorher unauffällig im Fließtext untergebracht hat, hat man seinen Job irgendwie verfehlt. Ich könnte jetzt noch ewig selbst darüber dozieren, warum dieses Buch zumindest für mich so gar nicht funktioniert hat, aber dann wäre ich kaum besser als Jacka. Zumindest den Sprecher trifft keine Schuld. Er und der völlig verpeilte Luftelementar waren meine Highlights in dem Hörbuch.

Veröffentlicht am 18.01.2020

Atme!

Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod
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In den Rocky Mountains stürzt ein Flugzeug ab. Einzige Überlebende ist die einunddreißigjährige Ally, die zwar voller Verletzungen ist, aber weiß, dass sie verschwinden muss, denn jemand ist hinter ihr ...

In den Rocky Mountains stürzt ein Flugzeug ab. Einzige Überlebende ist die einunddreißigjährige Ally, die zwar voller Verletzungen ist, aber weiß, dass sie verschwinden muss, denn jemand ist hinter ihr her. Sie packt alles ein, was sie gebrauchen kann und verschwindet in der Wildnis, bevor Helfer - oder schlimmer - Verfolger am Unglücksort auftauchen können. Wenig später erhält ihre Mutter Maggie die Nachricht von ihrem Tod und ist natürlich geschockt. Gleichzeitig jedoch will sie sich nicht mit den offiziellen Erklärungen abspeisen lassen und forscht selbst im Leben ihrer Tochter nach, von der sie sich in den letzten Jahren - nach dem Tod ihres Mannes Charles und Allys Vater - entfremdet hat. Sie kommt einer Sache auf die Spur, die vielleicht nicht nur Allys Leben kosten könnte ...

Ich hatte die Leseprobe gelesen und fand sie gut. Mir imponierte diese Ally, die kurz nach dem Absturz so klar denken konnte, dass sie alles tat, um zu überleben. Und ich dachte, sie wäre die ganze Zeit diese Frau vom Anfang: tough, konzentriert, irgendwie cool und unter Strom, denn sie wusste, was sie erwartete. Tatsächlich jedoch waren das die einzigen lichten Momente, die ich persönlich mit Ally erlebte. Ansonsten ist die Frau, die zwar von allen als stark und clever bezeichnet wird, eine furchtbare Person. Wie ein Teenager schiebt sie alles, was ihr passiert, auf andere. Sie lässt sich von vorne bis hinten manipulieren, hat aber auch nur Verachtung für andere Frauen übrig, die dasselbe tun. Maggie war da schon sympathischer, auch die Leute in dem kleinen Ort in Maine, wo sie wohnt.

Mit Maggies Strang hätte man vielleicht vieles rausreißen können, wenn die Geschichte nicht so übel konstruiert gewesen wäre. Die amerikanischen Polizisten müssen alle völlig dumm und schludrig sein, sonst könnte das Buch von vornherein nicht funktionieren. Mit traumwandlerischer Sicherheit verfolgt ein Typ eine Frau in der Wildnis, kommt ihr aber nie wirklich näher - ein bisschen wie in den Horrorfilmen der 60iger, nur noch lächerlicher. Hier wird rechts und links des Weges gemordet, aber die Polizei ist zu blöd, das zu erkennen.

Ich weiß nicht, warum dieses Buch so als Hype aufgebaut werden soll. Es ist nicht schlecht geschrieben, aber dermaßen unlogisch, dass sich beim mitdenkenden Leser die Zehennägel aufrollen. Vielleicht funktioniert es als Hollywood-Film, als Buch ist es ein Absturz in den Rocky Mountains.

Veröffentlicht am 23.11.2019

Black Out

Draussen
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Cayenne und Joshua leben ihr ganzes Leben am Rande der Gesellschaft, wenn nicht sogar im Wald. Ihr Ziehvater Stephan besteht darauf, ebenso, sie auf Nahkampftechniken, Survival und andere Dinge zu trainieren. ...

Cayenne und Joshua leben ihr ganzes Leben am Rande der Gesellschaft, wenn nicht sogar im Wald. Ihr Ziehvater Stephan besteht darauf, ebenso, sie auf Nahkampftechniken, Survival und andere Dinge zu trainieren. Die siebzehnjährige Cayenne hält das mittlerweile für übertrieben und lehnt sich immer öfter gegen Stephan auf. Doch dass er Recht hat, merkt sie eines Tages, als sie von einem Mann angegriffen und fast getötet wird. Doch damit ist es nicht getan. Durch heftige Unwetter kommt es in Deutschland zu einem Black Out, einem flächendeckenden Stromausfall. Und jemand aus den höchsten Kreisen hat noch eine Rechnung mit Stephan und den Jugendlichen offen.

Zuerst das Positive: Es war gut geschrieben. Damit beginnen und enden die Vorteile des Buches. Hier wird sich unter anderem extrem fleißig aus der Klischeekiste des Supermarkts für 99 Cent bedient. Der verfettete Verschwörungstheoretiker, der seine Bude verkommen lässt. Die blonde Sekretärin aus dem Ministerium, die sich flachlegen lässt, und deren Namen der Antagonist gleich wieder vergisst. Ein Wurzelzwerg von Reichsbürger, der so weit vorbereitet ist, dass er alles außer einer Atombombe übersteht. Ein Asiate, meist stoisch und natürlich in Kampfkunst geschult und loyal bis zum Schluss. Bei den Auswirkungen des Black Outs hatte ich das Gefühl, das gleichnamige Buch von Elsberg nochmal zu lesen. Das wäre alles nicht so übel, wie es sich jetzt anhört, wenn wenigstens die Ausgangsbasis für die ganze Geschichte einen logischen Untergrund besäße. Mit ein bisschen Nachdenken wird jedoch klar, dass man sich schon hier in Treibsand befindet. Wer sollte den Aussagen von Stephan und den Kindern glauben? Genau. niemand. Zwischendurch kann man sich auch fragen, wie es der schurkische Schurke überhaupt innerhalb der wenigen Jahre geschafft hat, in eine so hohe Position zu steigen, wie er besetzt. Aber das ist dann bei all dem, worüber man sich so Gedanken macht, nur noch Nebensache und macht das Buch dann auch nicht besser oder schlechter.

Empfehlung: Klüpfel/Kobr, bleibt bei euren Leisten im Allgäu.