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Veröffentlicht am 27.12.2021

Schwerer, schöner Weg

Im Winter Schnee, nachts Sterne. Geschichte einer Heimkehr
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In diesem Buch begleite ich Enaiatollah Akbari auf einem Stück seiner Lebensreise. Dies ist die zweite Publikation des Autorenduos. „Im Meer schwimmen Krokodile“ – welches ich (noch) nicht gelesen habe ...

In diesem Buch begleite ich Enaiatollah Akbari auf einem Stück seiner Lebensreise. Dies ist die zweite Publikation des Autorenduos. „Im Meer schwimmen Krokodile“ – welches ich (noch) nicht gelesen habe – handelte von der Flucht des Kindes. „Im Winter Schnee, nachts Sterne“ begleitet den jungen Mann auf der Suche nach seiner Familie und dem Wunsch nach Heimkehr.

Dabei werde ich als Leserin an die Hand genommen, in den Lebenslauf mit einbezogen, indem mir ein kurzer Blick auf den bisherigen Weg Akbaris ermöglicht wird und ich problemlos den Fortgang der Ereignisse nachvollziehen kann. Es erfolgt auch ein kurzer Abriss der wendungsvollen Historie Afghanistans, was meinen Horizont erweitert und mich die Probleme in diesem Land mehr nachvollziehen lässt, als es in den täglichen Nachrichten vermittelt wird.

Das Leben eines Flüchtlings ist schwere Kost, was die Bereitschaft voraussetzt, sich dieser zu stellen, hinzusehen und emotional mitzuerleben. Den Autoren gelingt es ungeachtet aller Realität auf angenehme Weise, die Last des Gelesenen zu erleichtern, indem auch wunderschöne Bilder gezeichnet werden, Raum zum Wegträumen bleibt und ein feiner, augenzwinkender Humor ein Lächeln schenkt.

Ich habe Enaiatollah auf seinem wechselvollen Weg sehr gerne begleitet, habe mit ihm geweint, gelacht und von Herzen gefreut. Die Geschichte Akbaris ist für mich ein wertvolles Zeitzeugnis, welches eine ungefähre Ahnung vermittelt, was es bedeutet, in diesen Tagen Flüchtling zu sein, ein Status, welcher den gesamten Lebensweg überschatten wird. Die Schönheit der Sprache, welche einfache Worte wählt, lädt m. E. dazu ein, dass jede*r dieses Buch im wahrsten Wortsinn erleben könnte.

Das verlockende, schön gestaltete Cover bildet für mich treffend die Handlung des Geschriebenen ab, lädt es doch schon zum Träumen ein, obwohl ein langer Weg sich erahnen lässt.

„Im Winter Schnee, nachts Sterne“ ist ein Buch, welches evtl. sogar dazu geeignet wäre, als Schullektüre junge Menschen an ein aktuelles Thema heranzuführen.

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Veröffentlicht am 17.12.2021

Was kann "Freundschaft" aushalten?

Was wir verschweigen
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Ein „typisch finnisches“ Saufgelage, welches schon Tage andauert. Unvermittelt steht ein Mann auf, holt sich in der Küche ein Messer und ersticht einen der anderen Gäste. Der Fall scheint klar, der Täter, ...

Ein „typisch finnisches“ Saufgelage, welches schon Tage andauert. Unvermittelt steht ein Mann auf, holt sich in der Küche ein Messer und ersticht einen der anderen Gäste. Der Fall scheint klar, der Täter, Antti Mielonen, wird blutüberströmt im Wald gefunden. Der Fall kann schnell abgeschlossen, der Täter seiner gerechten Strafe zugeführt werden. Eigentlich.

In der Tatnacht herrschen apokalyptische Verhältnisse, was die Spurensuche und -sicherung erheblich erschwert. Des Weiteren ist der Tatort kontaminiert durch die anwesenden Mitfeiernden, deren Aussagen im Alkoholnebel wenig detailliert erfolgen.

Jari Pavoliita, Interimsleiter der Abteilung, beauftragt seine Kollegen Henrik Oksman und Linda Toivonen den Tatort aufzusuchen und vor Ort die Ermittlungsarbeiten zu koordinieren.

„Was wir verschweigen“ ist ein „anderer“ Kriminalroman. Selbstverständlich gibt es auch klassische Ermittlungsarbeit, aber der Fokus liegt primär auf der gemeinsamen Vergangenheit von Antti und Jari, welche von Kindesbeinen an beste Freunde sind, die sich jedoch aufgrund unterschiedlicher sozialer Schichten und Lebensläufen über die Jahre aus den Augen verloren haben. In dem Moment, wo Jari gewahr wird, wer da inhaftiert wurde, beginnt eine Veränderung. Jari verschweigt nicht nur seine Befangenheit, sondern zweifelt die scheinbar eindeutigen Indizien an und fordert überdies weitere, neutrale, ergebnisoffene Ermittlungen, zumal die Tatwaffe nicht gefunden wurde. Ungeachtet daraus entstehender großer Irritation stellt Oksman im Hintergrund eigene Nachforschungen an, welche einen neuen Blick auf das Ganze eröffnen.

Das Buch öffnet sich mir nicht leicht, die ersten Kapitel erscheinen mir sperrig. Je tiefer das Buch in die gemeinsame Vergangenheit von Jari und Antti eindringt, desto interessanter wird die Handlung, wobei die eigentliche kriminalistische Arbeit in den Hintergrund rückt, um zum Ende hin wieder an Bedeutung zu gewinnen.
„Was wir verschweigen“ erhält in diesem Roman mehrfache Bedeutung. Zum einen haben die Protagonisten allesamt Geheimnisse, deren Ursprung sich höchstens erahnen lässt, zum anderen hält Jari die Jugendfreundschaft so lange wie möglich geheim.
Das Cover passt sehr gut zum Inhalt, bildet es doch die düstere, unwirtliche Stimmung ab, welche in der Tatnacht und im inneren der Protagonisten herrscht. Der blaue Schnitt veredelt das „einfache“ Taschenbuch.

Nach dem für mich etwas holprigen Einstieg hat mich dieser Kriminalroman gut unterhalten. Der Handlung liegt ein ausgefeilter Plot zugrunde, welcher sich erst nach und nach zögernd zu erkennen gibt. So fesselt mich der Fortgang der Entwicklungen und auch die Ermittlungsarbeit erhält letztlich noch eine Spannung erzeugende Tiefe.

Dieser Kriminalroman bewirbt sich als Auftakt einer insgesamt sechsteiligen Serie. Es gibt einige Cliffhanger, deren Fortgang mich interessieren würde, der Hauptdarsteller ist für mich jedoch „verbrannt“, so dass es spannend sein dürfte zu erfahren, wie der Autor die Reihe fortsetzt.


Arttu Tuominen, Was wir verschweigen, Kriminalroman, flexibler Einband, Lübbe Verlag, 16,00 €, 416 Seiten, Erscheinungstermin 26.11.2021

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Veröffentlicht am 16.11.2021

Aktuelle Themen schön verpackt

Miss Veronica und das Wunder der Pinguine
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Veronica McCreedy, 86, eine etwas verschrobene Dame in gut situierten Verhältnissen und einem Tür-Tick verbringt ihr Leben an der schottischen Küste mit Spaziergängen und immer wieder gerne einer guten ...

Veronica McCreedy, 86, eine etwas verschrobene Dame in gut situierten Verhältnissen und einem Tür-Tick verbringt ihr Leben an der schottischen Küste mit Spaziergängen und immer wieder gerne einer guten Tasse Tee. Angespornt durch eine Dokumentationsserie im Fernsehen beschließt sie, in die Antarktis zu reisen, um sich einen Eindruck vom dortigen Pinguin-Forschungsprojekt zu verschaffen, dem sie ihr Vermögen zu hinterlassen gedenkt.

Mit sturem Durchsetzungsvermögen, Ignoranz, selektiver Schwerhörigkeit, bester Polar-Ausstattung sowie ihrem Lieblingstee ausgerüstet, erreicht sie die Forschungsstation, wo sie von dem Forscher-Trio mit zwiegespaltenen Gefühlen empfangen wird. Ihr erster Marsch zur Kolonie der Adeliepinguine bestärkt sie in ihrer Entscheidung; die kleinen Frackträger erobern ihr Herz im Sturm, ungeachtet von Massen unappetitlichen Guanos und „unfreundlichen“ Pinguinen.

„Miss Veronica und das Wunder der Pinguine“ ist ein wunderbares Buch, dessen Inhalt m. E. sehr gut vom Cover transportiert wird. Dabei ist es keinesfalls ein oberflächliches Märchen, sondern bietet einen zum Teil unerwarteten Tiefgang, nimmt mich emotional auf einer Berg- und Talfahrt mit. Und wer mag, kann auch für sich selbst noch etwas „mitnehmen“.


Dieses eBook habe ich im Rahmen des Angebots von PenguinRandomhouse-Testleser vorab lesen dürfen.


Hazel Prior, Miss Veronica und das Wunder der Pinguine, Roman, eBook, Goldmann Verlag, 9,99 €, 464 Seiten in der Print-Ausgabe, Erscheinungstermin 15.11.2021

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Veröffentlicht am 01.11.2021

Das Fremde - in Person und an sich

Der Verrückte
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Bertil hat „immer schon“ in Stockholm gelebt. Als er in der Zeitung von einem kleinen Marktflecken liest, dessen Sägewerk immer wieder Personal benötigt, macht er sich auf den Weg. Wir befinden uns in ...

Bertil hat „immer schon“ in Stockholm gelebt. Als er in der Zeitung von einem kleinen Marktflecken liest, dessen Sägewerk immer wieder Personal benötigt, macht er sich auf den Weg. Wir befinden uns in der Nachkriegszeit, einer Zeit des Umbruchs und des doch Gleichbleibens. Bertil geht mit gewisser Konsequenz seinen eigenen Weg, ist und bleibt jedoch ein Fremder.

Und wie es jedem „Fremden“ damals und heute „gerne“ ergeht, wird er zum Dreh- und Angelpunkt von Unzufriedenheit / Unverständnis / Schuld. Als dann noch das Sägewerk und damit der größte Arbeitgeber in der Region einer Brandstiftung zum Opfer fällt, wird Bertil Ziel des Verdachts, welcher zukünftig immer schwelen und aufflammen wird.

Die Elite des Dorfes – und damit die Arbeitgeber, Rechtsprecher, Fahnder, Versorger – hat sich aus den Mächtigen / Verantwortlichen zu Zeiten des Krieges gebildet, deren oberstes Interesse darin besteht, ihre begangenen Gräueltaten und unveränderte Gesinnung „unter der Decke zu halten“. Da kommt eine Person wie Bertil zur Ablenkung sehr gelegen, so dass er auch von „oben“ instrumentalisiert wird; teils durch Streuen von Gerüchten, teils durch öffentliche Verleumdung.

„Der Verrückte“ ist Mankells Erstlingswerk, welches posthum ins Deutsche übersetzt wurde. Es ist bemerkenswert, aber auch verstörend, mit welcher Aktualität dieses Zeitzeugnis eines Ortes im Schweden der Nachkriegszeit in die Gegenwart hineinstrahlt.
Dieses Buch beginnt für mich etwas sperrig, verlangt mir im ersten Fünftel ein gewisses Durchhaltevermögen ab, welches sich jedoch auszahlt und mit einer unterschwellig spannenden, teilweise bedrohlichen, bis verstörenden Erzählung belohnt wird. Meine Erwartungen hinsichtlich des Finales werden nicht erfüllt; ich bleibe zunächst etwas ratlos zurück, finde in der Reflexion des Gelesenen einen für mich gelungenen Abschluss.

Mankell erzeugt durch seinen Erzählstil Bilder, welche mich mitnehmen in seine Geschichten. So auch hier. Ich bin Bertil verbunden und an seinem Wohl interessiert, möchte, dass es ihm gut geht. Aber wie im richtigen Leben hält das – vom Autor geschaffene – Universum Umwege und andere Pläne bereit…

Für mich ein lesenswerter Roman als Zeugnis eines Stücks Geschichte und „unseres“ Umgangs mit dem Fremden in Person und / oder an sich.


Henning Mankell, Der Verrückte, Roman, gebundene Ausgabe, Zsolnay Verlag, 26,00 €, 512 Seiten, Erscheinungstermin 27.09.2021

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Veröffentlicht am 22.10.2021

Sieben Geschichten, ein Thema

Eifersucht
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Eifersucht ist nicht gut. Egal ob sie begründet oder unbegründet daherkommt. Sie ist m. E. eines der „niederen Gefühle“, welches sich von besorgter Beobachtung schnell in Hass, Wut und Gewalt, letztlich ...

Eifersucht ist nicht gut. Egal ob sie begründet oder unbegründet daherkommt. Sie ist m. E. eines der „niederen Gefühle“, welches sich von besorgter Beobachtung schnell in Hass, Wut und Gewalt, letztlich auch in tätliche Handlung verwandeln kann, indem sie die innere Gedankenwelt verlässt. Insofern scheint es naheliegend, dass ein Thriller-Autor sich auch dieses Themas annimmt.

„Eifersucht“ ist jedoch ein anderer Nesbø, als der Erzähler, den ich z. B. von den Harry Hole-Kriminalromanen kenne. In diesem Buch werden mehrere Kurzgeschichten von unterschiedlicher Länge erzählt. Jede Geschichte ist in sich abgeschlossen. Nur das Thema Eifersucht haben sie allesamt gemein. Der Umgang mit dem Thema variiert jedoch genau so wie der jeweilige Lösungsweg.

Wiederholt werde ich überrascht vom Ausgang eines Kapitels. Besonders gefällt mir die Geschichte zum Titel, „Eifersucht“ (auch die längste Geschichte in diesem Buch), weil sie den Ausdruckt des Autors, wie ich ihn mag, am nächsten kommt, zumal sie eine schöne Spannungskurve entwickelt. Die anderen Plots sind auch gut, in sich stimmig, in besonderer Art geschrieben und interessant, bieten jedoch für mich keine Spannung, wie ich sie im Grunde erwartet habe. Dies bereitet meinem Lesegenuss jedoch keinen Abbruch.

Praktisch an dieser Sammlung von Erzählungen ist natürlich, dass ich das Buch hin und wieder zur Hand nehmen kann, um eine dieser Geschichten zu lesen.

Das Cover ist schlicht und die verlaufende Tinte könnte ein Hinweis auf die vergossenen Tränen aus Eifersucht sein. Oder eben eine Assoziation zum Blut, welches infolge der Eifersucht vergossen werden könnte…


Jo Nesbø, Eifersucht, Thriller, eBook, Ullstein Buchverlage, 18,99 €, 272 Seiten in der Printausgabe, Erscheinungstermin 01.11.2021

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