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Veröffentlicht am 30.11.2025

Die Kraft eines Fuchses

Elf ist eine gerade Zahl
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Martin Beyers Roman "11 ist eine gerade Zahl" gehört zu den Büchern, die für mich persönlich schwer zu bewerten sind, weil sie auf sehr persönlichen Erfahrungen beruhen und eine Thematik berühren, die ...


Martin Beyers Roman "11 ist eine gerade Zahl" gehört zu den Büchern, die für mich persönlich schwer zu bewerten sind, weil sie auf sehr persönlichen Erfahrungen beruhen und eine Thematik berühren, die kaum schwerer sein könnte. Es geht um Krankheit, Hoffnung, Verlust und darum, wie man inmitten eines solchen Schicksals überhaupt weiterlebt.
Im Zentrum stehen die Jugendliche Paula, die an Krebs erkrankt ist und ihre Mutter Katja. Paula kämpft sich durch Krankenhausaufenthalte und eine erneute Chemotherapie. Begleitet wird sie von ihrem Kuschelfuchs, der eine Art emotionaler Anker für sie ist. Um ihrem Kind Halt zu geben, beginnt Katja eine fantastische Parallelgeschichte zu erzählen. Diese Fantasiewelt läuft neben der realen Handlung her und spiegelt sie als düstere Metapher. Paula wird damit ein Zugang geboten, mit der eigenen Angst und Ohnmacht umzugehen.
Was besonders beeindruckt, ist der authentische, sorgfältig recherchierte Blick auf den Krankenhausalltag und auf das Erleben einer schwerkranken Jugendlichen. Im Nachwort wird deutlich, wie intensiv Beyer mit Fachpersonal gesprochen hat. Entsprechend echt, respektvoll und berührend liest sich die reale Ebene. Diese wird getragen von einem warmen, präzisen und poetischen Schreibstil. Für mich lag die Stärke des Romans auch klar in dieser realen Geschichte. Gerade die Beziehung zwischen Paula und Katja ist so einfühlsam und echt beschrieben, dass sie noch lange nachhallt. Die Parallelwelt hingegen rückte im Verlauf des Buches immer stärker in den Vordergrund und verlor für mich etwas von ihrer anfänglichen Kraft. Stellenweise empfand ich sie als langatmig. Sie nahm Raum ein, den ich lieber weiter bei Paula und ihrer Mutter verbracht hätte. Vor allem, weil auch deutlich wird, wie sehr Katja mit ihrem Alltag zu kämpfen hat.
Dennoch erfüllt diese Fantasieebene eine wichtige Funktion. Sie zeigt, wie Geschichten Trost spenden können, wie sie Eskapismus ermöglichen dürfen und wie sehr sie Eltern wie Kindern Kraft geben können, um Unbegreifliches auszuhalten. Der Fuchs wird schließlich zum Symbol für Hoffnung, Wille und Verbundenheit - ein stiller Begleiter in beiden Welten.
Der Titel des Romans ist schön gewählt und wird immer wieder aufgegriffen; für meinen Geschmack etwas zu häufig. Weniger hätte hier mehr sein können.

Trotz kleiner Kritikpunkte bleibt "11 ist eine gerade Zahl" ein tief bewegender, feinfühliger Roman. Dieses Buch zeigt, wie Liebe trägt und wie Fantasie Räume schafft, in denen Schmerz ein wenig weniger schneidet. Ein Buch, das berührt, nachdenklich macht und noch lange nachwirkt.

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Veröffentlicht am 01.11.2025

Zeitzeugen aus Papier

Lebensbande
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„Lebensbande" von Mechthild Borrmann ist eines jener Werke, die an etwas erinnern, das niemals vergessen werden darf. Ich habe bereits viele Bücher gelesen, die während oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ...

„Lebensbande" von Mechthild Borrmann ist eines jener Werke, die an etwas erinnern, das niemals vergessen werden darf. Ich habe bereits viele Bücher gelesen, die während oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg spielen. Jedes davon berührte mich tief. Auch dieses Buch hat mich wieder spüren lassen, dass hinter jeder Erzählung ein Stück Wahrheit steckt. Quasi ein Echo echter Schicksale, die niemals nur Fiktion sind. Gerade deshalb fällt es mir immer schwer, ein solches Buch zu bewerten. Denn allein die Tatsache, dass AutorInnen wie Mechthild Borrmann diese Geschichten aufgreifen und bewahren, verdient höchste Anerkennung.
„Lebensbande" basiert auf realen Zeitzeugenberichten und das macht es umso bedeutsamer in einer Zeit, in der diese Stimmen nach und nach verstummen. Ich bin Anfang dreißig, und schon meine Großeltern können nur noch ein Teil dessen erzählen, was sie im Krieg oder ihre Eltern im Krieg erlebt haben, da sie noch Kinder waren. Umso wichtiger, dass solche Bücher existieren, damit die Erinnerung nicht versiegt.
Inhaltlich hat mich besonders die Geschichte von Lene und Leo bewegt - eine junge Frau, die um ihr Kind kämpft, dem in der damaligen Zeit „Schwachsinn“ diagnostiziert wurde. Als Sonderpädagogin hat mich dieses Thema besonders berührt, weil ich täglich mit Kindern arbeite, die Förderbedarf haben. Es ist erschütternd, sich vorzustellen, wie wenig Wert man damals auf das Leben solcher Menschen legte.
Daneben fand ich die zweite Ebene des Romans – die um Nora und Lotte – sehr spannend. Das Motiv, unter falschem Namen zu leben und sich eine neue Identität zu schaffen, um Schuld oder Vergangenheit zu verbergen, war für mich neu in dieser Form. Es zeigt, wie tief der Krieg in Biografien eingreift, selbst lange nach seinem Ende.
Trotz der inhaltlichen Stärke hat mich das Buch emotional nicht ganz so gepackt wie andere Romane ähnlicher Thematik. Das liegt weniger an der Geschichte selbst, sondern an der Erzählweise. Die Autorin erzählt vieles rückblickend, aus einer eher distanzierten Perspektive, mit wenig unmittelbarer Handlung. Ich hätte mir an manchen Stellen mehr Tiefe, mehr „Dabeisein“ gewünscht, stattdessen weniger Bericht, mehr Erleben. Dadurch blieb manches für mich etwas oberflächlich.

Dennoch ist „Lebensbande“ ein wichtiges Buch, welches man lesen sollte. Und dies nicht vorrangig, um eine berührende Geschichte zu erleben, sondern um sich zu erinnern. An Menschen, die gelitten, überlebt und weitergegeben haben, was wir heute wissen dürfen. Es ist ein stilles, respektvolles Mahnmal in Romanform.

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Veröffentlicht am 02.10.2025

Themenfülle ohne Tiefe

Beste Zeiten
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"Beste Zeiten" war nach "Okaye Tage" mein zweites Buch von Jenny Mustard. Da mich der Vorgänger kaum überzeugen konnte und mich sogar in eine kleine Leseflaute gestürzt hatte, war ich zunächst skeptisch. ...

"Beste Zeiten" war nach "Okaye Tage" mein zweites Buch von Jenny Mustard. Da mich der Vorgänger kaum überzeugen konnte und mich sogar in eine kleine Leseflaute gestürzt hatte, war ich zunächst skeptisch. Der Klappentext weckte dann jedoch mein Interesse - eine junge Erwachsene zieht in die Großstadt, lässt ihr altes Leben hinter sich, entdeckt sich neu, arbeitet Vergangenes auf. Insgesamt ein verheißungsvoller Ausgangspunkt für eine Coming-of-Age-Geschichte.
Der Einstieg bestätigte allerdings meine Befürchtung. Die erste Hälfte plätschert eher dahin, ehe die Handlung langsam an Fahrt aufnimmt. Wer am Ball bleibt, findet schließlich eine Geschichte, die viele wichtige Themen berührt. Wir erfahren etwas über Mobbing, Rassismus, Sexualität, Feminismus, Liebe, Eltern-Kind-Beziehungen, häusliche Gewalt und Selbstfindung. Doch genau darin liegt für mich das Problem. Auf gut 300 Seiten wirkt diese Vielzahl an Themen überladen. Viele Aspekte werden nur angerissen, teilweise in einem einzigen Absatz abgehandelt, ohne die Tiefe, die sie verdient hätten.
Besonders auffällig wird das bei der Protagonistin Sickan. Einerseits ist ihre Entwicklung gut dargestellt, denn sie reift im Laufe der Handlung, ihre Beziehungen verändern sich, Freundschaften werden von ihr neu bewertet, sie wirkt zunehmend reflektierter. Andererseits erscheinen ihre Handlungen oft extrem und dadurch wenig authentisch. Hinzu kommt, dass sie selbst zur Täterin wird und andere mobbt – ein realistisches Phänomen, das hier jedoch ebenfalls nur oberflächlich beleuchtet bleibt. Dadurch fiel es mir schwer, eine Verbindung zu ihr aufzubauen oder Sympathie zu entwickeln.
Erst auf den letzten Seiten gewinnt das Buch mehr Tiefe. Die Auseinandersetzung mit Sickans Mutter und ihrer Vergangenheit hätte meiner Meinung nach schon viel früher stärker in den Fokus rücken können. Stattdessen blieb vieles an der Oberfläche und auch zentrale Themen wie Freundschaft wurden nur am Rande behandelt.
Was mir jedoch positiv aufgefallen ist, ist der Schreibstil von Jenny Mustard. Der Ton ist flüssig und transportiert ein wunderschönes schwedisches Flair. Die Stimmung, die Bilder und die Großstadtatmosphäre sind eindrucksvoll eingefangen. Das war für mich der Aspekt, der am meisten überzeugt hat.

Insgesamt konnte mich "Beste Zeiten" trotz dieser Stärken nicht wirklich begeistern. Zu viele Themen auf zu wenig Raum, zu wenig Tiefe in der Charakterdarstellung und eine teils unglaubwürdige Protagonistin sorgten dafür, dass der Roman für mich nur zwischen zweieinhalb und drei Sternen landet. Ein anderes thematisches Gewicht oder ein stärkerer Plottwist hätten hier viel retten können.

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Veröffentlicht am 02.10.2025

Psychospiel im Eigenheim

Welcome Home – Du liebst dein neues Zuhause. Hier bist du sicher. Oder?
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Als langjähriger Fan von Arno Strobel habe ich mich sehr auf sein neues Buch „Welcome Home“ gefreut. Da mich sein vorheriges Werk nicht völlig überzeugen konnte, war die Hoffnung umso größer, diesmal wieder ...

Als langjähriger Fan von Arno Strobel habe ich mich sehr auf sein neues Buch „Welcome Home“ gefreut. Da mich sein vorheriges Werk nicht völlig überzeugen konnte, war die Hoffnung umso größer, diesmal wieder ein fesselndes Leseerlebnis zu bekommen. Genau das hat Strobel geliefert, denn schon nach wenigen Seiten war ich in der Geschichte gefangen.
Der Roman entfaltet eine düstere, fast beklemmende Stimmung. Die Handlung spielt in den Herbst- oder Wintermonaten, was die Schwere und Dunkelheit zusätzlich verstärkt. Es ist ein Buch, das ist nur ungern im Dunkeln gelesen habe, da sich das Grauen zu sehr einschleicht. Die Handlung spart nicht mit unheimlichen und auch blutigen Momenten. Für mich hat genau das den Thrill ausgemacht. Gerade weil Strobel die Grenze zwischen subtiler Angst und expliziter Gewalt so geschickt auslotet.
Besonders gelungen fand ich die detailreiche Aufmachung. Die beigefügte Karte verschafft Orientierung über die Nachbarschaft, die Häuser und ihre Bewohner. Dadurch wird das Geschehen greifbarer, fast so, als wäre man selbst Teil dieser Siedlung.
Zudem versteht es Strobel seine Leser:innen in die Irre zu führen. Immer wieder streut er falsche Hinweise, baut Verdachtsmomente auf und zerstört sie gleich darauf. Bis zum Schluss blieb unklar, wer tatsächlich hinter den grausamen Taten steckt. Dieses permanente Rätselraten hat mich so sehr gefesselt, dass ich das Buch kaum zur Seite legen konnte, wenn dann nur aus Selbstschutz vor der düsteren Stimmung.
Die Geschichte wird vor allem aus Marcos Perspektive erzählt, ergänzt durch geheimnisvolle Einblicke aus einer zweiten Sicht. Diese Wechsel steigern die Spannung zusätzlich und machen die Handlung vielschichtig. Die Figuren sind nicht bloß Randgestalten, sondern haben Hintergründe und Verbindungen, die nach und nach aufgedeckt werden.
Wie gewohnt ist Strobels Stil rasant, klar und bildhaft. Das Buch liest sich flüssig, fast filmisch. Die falschen Fährten, die überraschenden Wendungen und die stetig wachsende Bedrohung machen es zu einem echten Pageturner.

Insgesamt hat Arno Strobel mich mit „Welcome Home“ wieder voll überzeugt. Ein packender Psychothriller, der alles bietet, was man von diesem Genre erwartet: Nervenkitzel, düstere Atmosphäre, ein clever konstruiertes Rätsel und eine tolle Auflösung.

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Veröffentlicht am 28.09.2025

Von Hustle und Hürden

Hustle
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„Hustle" von Julia Bähr ist für mich ein Buch voller Gegensätze. Was mich sofort überzeugt hat, war die Sprache. Diese ist flüssig, anschaulich, leicht sarkastisch und mit etwas Humor versehen. Julia Bähr ...

„Hustle" von Julia Bähr ist für mich ein Buch voller Gegensätze. Was mich sofort überzeugt hat, war die Sprache. Diese ist flüssig, anschaulich, leicht sarkastisch und mit etwas Humor versehen. Julia Bähr gelingt es, gesellschaftskritische Themen einzuflechten, ohne belehrend zu wirken. Auch die queeren Elemente sowie die Ansätze von Female Rage fand ich spannend. Dadurch entsteht ein Tonfall, der angenehm modern wirkt und mich der Gegenwart geht.
Die Figuren hingegen bleiben ein zwiespältiger Punkt. Zwar mochte ich die meisten Charaktere, allerdings blieben viele eher blass. Lediglich Leonie als Protagonistin habe ich mehr kennenlernen können. Bei den Handlungen konnte ich zudem nicht immer folgen. Manche Entscheidungen, insbesondere von Leonie selbst, wirkten für mich nicht nachvollziehbar oder blieben unaufgelöst. Insbesondere gegen Ende des Buches.
Das führt auch zu meinem größten Kritikpunkt, nämlich der Botschaft des Romans. Soll das Buch suggerieren, dass man sich durchs Leben hustlen muss – notfalls auch kriminell – um etwas zu erreichen? Auf den letzten Seiten nimmt die Kriminalität plötzlich stark zu, ohne dass dies größere Konsequenzen hätte oder eine klare Essenz sichtbar wird. Vieles schien wie nebenbei zu passieren, ohne echten Spannungsbogen oder roten Faden. Das Versprechen auf dem Cover „Bildet Banden und lest dieses Buch“, hatte bei mir große Erwartungen geweckt, die letztlich nicht erfüllt wurden.
Zwar ist Leonie als Protagonistin mit ihrer Liebe zur Naturwissenschaft interessant angelegt, doch bleibt sie für mich merkwürdig emotionslos. Ihre Reflexionen eröffnen Fragen, die jedoch selten beantwortet werden. So entsteht zwar keine Langeweile, aber auch kein wirklicher Sog. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass mir Fokus und Motivation in der Erzählung fehlten. Sicherlich wurde Interpretationsspielraum für die Lesenden geschaffen, aber m.E. etwas zu stark.

Insgesamt liest sich „Hustle“ leicht weg, bringt wichtige Themen und einen großartigen Schreibstil mit. Dennoch verfehlte für mich die inhaltliche Schlagkraft. Ein Buch, das mehr andeutet, als es wirkt. Daher lässt es mich eher nachdenklich als begeistert zurück.

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