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Veröffentlicht am 22.05.2024

In Torreira passieren ja keine Morde. Eigentlich (S. 327)

Südlich von Porto wartet die Schuld
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Dieser Schlusssatz ist passend für dieses Buch. In der beschaulichen portugiesischen Provinz und dem malerischen Ferienidyll grassiert im Hinter- und Untergrund das Verbrechen. Touristen ziehen ungewollt ...

Dieser Schlusssatz ist passend für dieses Buch. In der beschaulichen portugiesischen Provinz und dem malerischen Ferienidyll grassiert im Hinter- und Untergrund das Verbrechen. Touristen ziehen ungewollt Drogen und Grundstücksspekulanten nach sich, die Polizei und die Justiz haben alle Hände voll zu tun. Ein toter Richter mitten in einem Natur- und Dünenschutzgebiet am Strand wirft viele Fragen auf. Die örtliche Polizei ermittelt in alle Richtungen. Eine schöne Gelegenheit für uns, Ria Almeida, ehemals Polizistin aus Stuttgart, und Mariposa, ihre hochschwangere Kusine, Joao, Mariposas Mann und Polizist in Torreira und Nuno, Kindheitsfreund von Ria und Joaquim Baptista, Chefermittler aus Aveiro wieder zu begegnen. Es ist das uns bekannte und sympathische Ermittlerteam aus dem Vorgängerroman. Auch wenn die Begrüßung zwischen Baptista und Almeida zuerst etwas frostig ausfällt: “ Sie sind eine bessere Tippse,Almeida”...”Und Sie sind ein Arschloch". (S. 34). Zum Glück für die beiden Protagonisten (oder schade, für uns, die Leser), legt sich diese Katze-Hund Feindschaft und die zwei arbeiten hervorragend zusammen, ergänzen sich in allen Punkten und können letztendlich gemeinsam diese vertrackten Mordfälle restlos aufklären.
Der geradlinige Stil, die wenigen aber treffenden Beschreibungen, die direkten Dialoge, der immer wieder aufblitzende Schalk darin machen das Buch zu einem Lesevergnügen. Das Titelbild hätte ich mir fast ein bisschen größer gewünscht, schließlich lieben wir alle Meereslandschaften. Aber die Kacheln, die alle einem Mandala gleichen, haben das wieder wett gemacht. Die einzelnen Kapitel haben einen portugiesischen Untertitel mit einer deutschen Erklärung und sind auch zwischen Kacheln platziert. Das verleiht dem Buch einen besonderen Flair.

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Veröffentlicht am 20.05.2024

Ein Muss für Fußballfans und nicht nur.

Nachspielzeiten
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Ich habe mich um dieses Buch bemüht, um meinem Mann eine Freude zu machen. Was schenkt man einem Mann zum Hochzeitstag, der schon alles hat? Natürlich ein Buch, natürlich ein Buch über ein Thema, das ihn ...

Ich habe mich um dieses Buch bemüht, um meinem Mann eine Freude zu machen. Was schenkt man einem Mann zum Hochzeitstag, der schon alles hat? Natürlich ein Buch, natürlich ein Buch über ein Thema, das ihn interessiert, natürlich ein Buch über Fußball. Dabei bin ich selbst am Buch kleben geblieben, so ähnlich wie Hans im Glück im Märchen.

An Otto Rehagel - Rehakles - kann ich mich noch gut erinnern und an die Euphorie der Griechen in Griechenland und Europaweit. Fußball ist eigentlich eine einfache Sache. 22 Jungs oder Mädchen in kurzen Hosen gehen auf den Rasen, dreschen 90 Minuten auf einen Ball ein und gut is. Aber es sind die Anekdoten und Geschichten rund um Spieler, Trainer und das Stadion, die den Fußball erst interessant machen. Und das hat mich fasziniert. Ob Rehagel ohne seinen griechischen Assistenten wohl solch einen Erfolg mit der griechischen Mannschaft gehabt hätte? Manchmal ist die Übersetzung wichtiger als die Originalsprache.
Da ich manche Sendungen der privaten Sender nicht verfolge, mangels Interesse und qualitativ besser verbrachten Zeit, war mir neu, dass manche Profi-Fußballer im Dschungelcamp mitgemacht haben oder sogar zu Wrestler wurden.
Dass Fußballer ständig auf den Rasen spucken, ist nichts Neues, nur Ekliges. Ich würde den Stadionrasen nicht mal mit Springerstiefeln betreten. Dass sich Fußballer foulen, die Knie, Knöchel oder Beine zertrümmern, ist auch bekannt. Aber dass sie sich hinterrücks und trotzdem vor aller Augen tätlich angreifen, so wie Vinnie Jones es mit Paul Gascoigne getan hat, hätte ich lieber nicht gewusst. Da finde ich die Männerfreundschaft zwischen Péle und Franz Beckenbauer schon viel schöner.
Das ganze Buch ist voller Anekdoten, Berichte, Zitate, Kommentare. Der Stil ist einzigartig und hat mich an Fußball erinnert: Vogelsang nimmt Anlauf, stoppt kurz, dribbelt ein paar Schritte auf der Stelle oder nach rechts, um dann sofort wieder die Richtung zu wechseln, Gesagtes dadurch in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Dadurch wird das Buch erst richtig lebendig und nicht wie ein Geschichtstraktat eines Oberstudienrates.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Spuren des Krieges, lange nach Kriegsende.

Wo die Asche blüht
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Der Vietnamkrieg dauerte 10 Jahre lang. Von 1965 bis 1975. Wieviel Kinder
vietnamesischer Mütter und amerikanischen Väter wurden in dieser Zeit geboren? Wieviel
amerikanische Väter bekannten sich zu ihrer ...

Der Vietnamkrieg dauerte 10 Jahre lang. Von 1965 bis 1975. Wieviel Kinder
vietnamesischer Mütter und amerikanischen Väter wurden in dieser Zeit geboren? Wieviel
amerikanische Väter bekannten sich zu ihrer vietnamesischen Familien, ob mit oder ohne
Trauschein?
Der US-Staat hat auch versagt. Der Vatikan gesteht seinen Priestern Kindergeld für bis zu
fünf Kindern zu, heimlich, unter der Hand, aber das berühmte „Fräulein Pfarrköchin“ gibt es
so nicht mehr. Der US-Staat hat sich da nicht so effizient involviert, hat mit allen Mitteln
versucht, diese Kinder zu unterdrücken, totzuschweigen. Es waren ja nicht reinrassige weiße Kinder, es waren „Amerasier“, umso schlimmer, wenn der Erzeuger ein schwarzer GI war.. Diese Amerasier hatten ein schweres Leben in Vietnam. Ver- und missachtet von der Gesellschaft, fiel es ihnen sehr schwer, irgendwo Fuß zu fassen. Viele Mütter haben in ihrer Verzweiflung die Kinder in Waisenhäuser abgesetzt. und haben sich davon gemacht. Mit einem unehelichen Amerasierkind wären sie auch von der Gesellschaft verachtet worden.

Phan Que Mai schildert solch eine Situation. Zwei junge Schwestern ziehen während des Krieges nach Sai Gon um Arbeit zu suchen und die verarmten Eltern finanziell zu unterstützen. Sie landen in einer Bar, müssen sich prostituieren, steigen immer weiter ab. Die eine Schwester stirbt,die andere wird von einem schwarzen GI, einem Kunden, geschwängert. Und sie muss die Eltern nun allein unterstützen. Sie muss das Kind aussetzen. Das Ganze wird so undramatisch, fast beiläufig erzählt, und doch durchdringt den Leser das ganze Drama, das sich da hundert- und tausendfach in Vietnam abspielt.
Aber auch viele Amerikaner, längst wieder in der Heimat, werden von Erinnerungen und Gewissensbisse geplagt, was mit ihrem Kind und der Geliebten in Vietnam wohl geschehen ist, ob und wie sie überlebt haben. Phan Que Mai verschönert nichts. Unaufgeregt erzählt sie von der Teilnahmslosigkeit der US-Botschaft in Vietnam, die darauf aus ist, möglichst viele Amerasier davon abzuhalten, in die Staaten auszuwandern. Sie erzählt auch von einem ehemaligen Soldaten, Hubschrauberpilot, der 2016 erst den Mut findet, nach Vietnam zurückzukehren und nach seiner Geliebten von damals und dem Kind zu suchen. 1969, als er von der Schwangerschaft erfuhr, hat er sich nur umgedreht und ist davongelaufen. Und nun, 47 Jahre später, besinnt er sich und sucht nach der Frau und seinem Kind. Es ist so banal wie alltäglich: Besatzungssoldaten drücken sich vor der Verantwortung, die Frauen in der ganzen Welt werden mit ihren Sorgen und Problemen wegen der Schwangerschaft u nd dem Kind allein gelassen.

Und doch, Dan kann zwar sein Kind nicht finden, nimmt sich aber Phongs und seiner Familie an. Vielleicht, um getanes Unrecht zu sühnen, der späte Versuch der Wiedergutmachung, oder einfach, weil er ein anderer, ein besserer und reifer Mensch geworden ist.
Das Buch endet in einer sehr versöhnlichen Note: “Ich habe dieses Buch geschrieben als Gebet für eine Welt, in der es mehr Mitgefühl, Frieden, Vergebung und Heilung gibt. Möge unser Planet nie wieder einen bewaffneten Konflikt erleben” (S. 439). Das Buch erschien 2024. Zwei Jahre seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und ein halbes Jahr seit dem Krieg im Gaza-Streifen zwischen Hisbollah und Israel.


Ho Shi Min Stadt, das ehemalige Sai Gon, hat viel menschliches Leid und Kummer gesehen.Die Menschen die den Vietnamkrieg überlebten, in Vietnam aber auch in den USA überwinden ihre gemeinsame Vergangenheit und lernen aufeinander zuzugehen in diesem bewegenden und doch so bescheidenen Roman.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Ein Epos für die Frauen Siziliens, wie ein antiker Heldengesang

Die Frauen der Familie Carbonaro
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Wunderschöner Roman, der es geschickt vermag, unterschiedliche Zeit- und Handlungsebenen zu verbinden. Der Schreibstil ist ruhig, erzählerisch, ohne je hastig zu werden, auch wenn das Thema schrecklich ...

Wunderschöner Roman, der es geschickt vermag, unterschiedliche Zeit- und Handlungsebenen zu verbinden. Der Schreibstil ist ruhig, erzählerisch, ohne je hastig zu werden, auch wenn das Thema schrecklich oder brutal ist. Als ob die Sonne Siziliens alles verklären aber auch alles ans Licht zerren würde. Das Wunderschöne und Begeisternde, aber auch das Harte, Tödliche. Alles liegt offen, vor den Augen der Sizilianer.

Die Münchner Jahre der Familie Carbonaro hingegen sind von der deutschen Wirklichkeit der Zwischenkriegszeit und den Bombennächten und Terror während des Zweiten Weltkriegs, der fanatischen Nazi-Ideologie einiger Nachbarn und Schulkinder. geprägt.

Zu den schönsten und auch bedeutendsten Szenen des Buches gehört gleich die Eröffnungsszene. Der Autor erzählt von der Begegnung mit drei Carbonaro-Frauen: Urgroßmutter Pina, Großmutter Anna, Tante Maria, als Vertreterinnen aller Carbonaro-Frauen: “Ich weiß, wo ich bin. Dies ist das Haus der Zeit, dort, wo Vergangenheit und Zukunft verschmelzen. In den Zimmern, Sälen, Kammern und Nischen sitzen die Geister eines vergangenen Jahrhunderts, raunen sich Dinge zu und runden die Kanten. Eines Tages werde ich einer von ihnen sein oder bin es bereits. Die drei Frauen vor mir sind meine Familie. Ich bon hier, um ihnen zuzuhören.” (S. 13). Der Autor hält Wort, er hört diesen Frauen zu, lässt sie geduldig zu Wort kommen, lässt sie von ihrem harten Leben erzählen, von den vielen Kindern, die sie geboren haben, von denen nicht viele überlebt haben, wie sie ihr Schicksal auf sich genommen haben und um ihr bisschen Glück und Freiheit gekämpft haben.

Allen dreien blieb der Lebenstraum verwehrt: die eine wollte ihrem Mann im Geschäft zur Seite stehen, die andere wäre gern Sängerin geworden, die dritte wäre gern Großhändlerin geworden, um sizilianische Früchte und Säfte nach Deutschland zu exportieren. Sie durften oder konnten es nicht tun, weil sie Frauen in einer strikten Männerwelt waren. Und doch hat jede von Ihnen es den Frauen in der nächsten Generation ermöglicht, wenigstens einen Teil ihrer Träume zu verwirklichen. Sei es die Tochter, die öffentlich auftreten und singen darf, oder die Tochter, die eine höhere Schule besuchen kann. Diese drei Frauen besitzen einen doppelten Schatten, der sie als Nachfahrinnen von Meeresnixen ausweist. In Sizilien können andere Frauen ihre Schatten sehen und meiden sie. In München hingegen sind diese Schatten nicht mehr sichtbar, sie können sich ungehindert auf den Straßen bewegen.

Alle drei Frauen heiraten den Mann, den sie lieben, doch die Männer der ersten beiden Generationen sind Patriarchen, oder wären es gern, zu stolz und zu schwach zugleich, auf Ihre Frauen zu hören. Nur Maria, die Frau aus der dritten Generation, heiratet nach einer großen Enttäuschung in der Liebe endlich einen Mann, den sie liebt, der sie liebt, und der ihr vor allem zuhört und ihr helfen will, ihren Traum zu verwirklichen. doch er stirbt viel zu früh an einer unerbittlichen Krankheit und Maria muss ihre Firma verkaufen und kehrt mit ihrem Kind nach Sizilien zurück.

Die Patruneddi, Hausgeister, sind faszinierend. Sie sind Teil der Familie, des Mobiliars, des Hauses.

Das Buch endet in einer versöhnlichen und bejahenden Stimmung: “Wir waren die Frauen der Familie Carbonaro… Wenn es Tag wurde, würden wir wieder zwei Schatten werfen, aber wir fragten nicht mehr, wer wir sind. Wir sind das, was man von uns erzählt.” (S. 503”

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Veröffentlicht am 07.04.2024

Konfuse Handlung dafür aber ein herrlicher Stil

9mm Cut
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Wirklich. Sybille Ruge hat es mit dem Sprüche klopfen drauf. Wer kann bei solchen Sätzen widerstehen? “Ein Land [die Schweiz] von Schiller erfunden, um den Deutschen zu zeigen, wie Heimatliebe geht” (S. ...

Wirklich. Sybille Ruge hat es mit dem Sprüche klopfen drauf. Wer kann bei solchen Sätzen widerstehen? “Ein Land [die Schweiz] von Schiller erfunden, um den Deutschen zu zeigen, wie Heimatliebe geht” (S. 32). oder wenn Eve das Gespräch mit renitenten Zahlern das Gespräch so eröffnet: “Die vertraulichen Einzelsitzungen zur Konsensfindung leite ich mit einer Grundsatzfrage ein. Möchtest Du Invalidenrente? Eine Win-win-situation, besonders aufgrund der geringen Bürokratie" (S. 11). Einer meiner Favoriten ist der Dialog zwischen Eve und Karnofsky: “Ich sage dir etwas. Ich habe die Bilanzen überflogen” Antwort: “Im Sturzflug oder im Heißluftballon?” (S. 132) Damit meint Ruge, der Geschäftsführer hätte die Bilanzen viel früher und genauer studieren müssen. Mein Literatenherz hat bei dem Spruch “Amazon würde Dr. Faust unter Arztroman ablegen” (S. 152) fast einen Aussetzer gemacht. Lakonisch und trocken: “Apropos Poesie, ich halte einen abgetrennten Kopf für eine starke Metapher.” (S. 157). Und so geht es das ganze Buch durch, man liest und blättert nur wegen dieser sprachlichen Bilder und brillianten Einfälle. Ruges trockener Humor ist nicht zu überbieten.
Leider kommt bei dieser tollen Sprache der Krimi an sich etwas zu kurz. Die Handlung scheint mir verworren, etliche Gestalten versprechen einen interessanten Nebenstrang um dann doch nicht ausgebaut zu werden. Die Zwillinge Lara und Laura sind leider nichts mehr als ein Störfaktor im Buch. Ich hätte gerne gewusst, wie sich ihr Leben weiter entwickeln wird. Mit Helene, der neurotischen Mutter (Spitzname “Hell”) können die Mädchen nicht weiter leben, ob der Vater sich mehr um sie kümmern wird?
Alles in allem, ein unterhaltsamer Krimi mit einigen Schwächen aber einem hervorragenden Gebrauch der Sprache.

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