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Veröffentlicht am 22.05.2020

Cold Case wird zum Hattrick

Die Toten vom Lärchensee
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Krimis müssen nicht immer todernst und bedrückend sein. Es geht auch humorvoll, charmant, spritzig wie ein guter Jahrgangssekt. und solch einen Lesegenuss verspricht Joe Fischler im "Die Toten vom Lärchensee". ...

Krimis müssen nicht immer todernst und bedrückend sein. Es geht auch humorvoll, charmant, spritzig wie ein guter Jahrgangssekt. und solch einen Lesegenuss verspricht Joe Fischler im "Die Toten vom Lärchensee". Das Coverbild ist leicht karikiert gezeichnet, Berge, eine Vespa, eine Schale Eis mit Schlagobers und Himbeersoße - könnte aber auch Blut sein, das macht uns neugierig auf den Inhalt. Der Ermittler in diesem Krimi, der als Cold Case beginnt, Arno Bussi, wirkt sympathisch. Auch weil er es gewagt hat, die Ehefrau seines obersten Chefs zu verführen und deswegen vom Innenminister höchstpersönlich in den Innendienst zur Kriminalstatistik und Datenerfassung versetzt wird. Und der gleiche Innenminister schickt ihn nun nach Tirol, wo er einen sogenannten Cold Case lösen soll. Weil Arno Bussi eine Rückkehr in den aktiven Dienst in Aussicht gestellt wird und weil ihm nichts anderes übrigbleibt, nimmt er den Auftrag an. Und kaum in Stubenwald in Tirol angekommen, beginnen sich die Ereignisse zu überstürzen. Fragwürdiges Brunnenwasser, fragwürdige Bauvorhaben, fragwürdige Inselbesetzungen, denkwürdige Rauschorgien auf besagter Insel, interessante Verwicklungen, politischer und amouröser Natur, alles in der herrlichen Landschaft Tirols.
Alles beschrieben in einer herrlichen spritzigen Sprache, mit wunderschönen Bildassoziationen: Innenminister Qualtinger wird „etwas von Cicero, wenn nicht gar von Cäsar“ nachgesagt, auch wenn er wenig später „in Bildungskarenz“ geht, was immer das auch heißen mag, denn eigentlich werden ihm etliche Unregelmäßigkeiten vorgeworfen. Oder die Stubenwalder Bürgermeisterin reagiert „situationselastisch“ und ist nun auf einmal gegen das Bauvorhaben am Lärchensee, wo sie anfangs das Projekt sehr befürwortet hat.
Joe Fischlers Krimi ist etwas für Krimiliebhaber aber auch für diejenigen, die einfach die Sprache, sei sie österreichisch oder berlinerisch geprägt, genießen möchten.

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Veröffentlicht am 14.05.2020

Liebe ist immer gleich, ob in Zeiten des Krieges oder des Friedens

Die Kleider der Frauen
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Interessante Geschichte mit einigen Schwächen.
Die Handlung spielt auf zwei Ebenen, während des Zweiten Weltkrieges und in unserer Zeit. Handlungsorte alternieren, in der Kriegszeit zwischen Frankreich ...

Interessante Geschichte mit einigen Schwächen.
Die Handlung spielt auf zwei Ebenen, während des Zweiten Weltkrieges und in unserer Zeit. Handlungsorte alternieren, in der Kriegszeit zwischen Frankreich und USA und in der Gegenwart zwischen USA und Australien. Auch wie die beiden Handlungsstränge miteinander verbunden sind, ist gut gemacht, trägt zur Spannung bei.
Was ich dem Buch vorwerfe – und es liegt nicht an der Übersetzung sind immer mal wieder Entgleisungen ins Triviale, z.B. in der Beschreibung der Hauptpersonen. Die Guten sind schön und perfekt, den Bösen, den ominösen Mr. Harry Theft sieht man sofort an, er ist depraviert und ein Wüstling.
Ein anderer Abzugspunkt ist die viel zu starke Betonung des modischen Aspektes. Herr Gott nochmal, es ist Krieg. Da dürfte ein Faltenwurf, ein angeschnittener Ärmel, eine Stoffblume oder ein Zierknopf nicht so wichtig sein. Aber vielleicht sehe ich das zu eng. Zugegeben, die Frauen, die in Kriegszeiten ihren Mann im Beruf stehen mussten, benötigten eine andere Art von Kleidung als in Friedenszeiten. Und Kombimode kam wohl damals in Mode. Kann ein Kragen kriegsentscheidend sein? Immerhin hatte schon Coco Chanel im Ersten Weltkrieg mit Korsett und am Rücken zugeknöpften Kleidern aufgeräumt.
Ich weiß, von der Mode leben viele Menschen. De Modeschaffenden, die Models, die Schneider, die Textil- und Schuhindustrie mit ihren Vertriebsketten, die Kinder und Frauen, die für einen Hungerlohn in Asien die Bekleidung herstellen, die Mode ernährt sie alle. Aber die Glamour Seite der Mode ist mir zu oberflächlich. Ich kann einer Modeshow nichts abgewinnen, Hochglanzmagazine verleiten mich nicht zum Zugreifen. Eher ein gut geschriebenes Buch.

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Veröffentlicht am 14.05.2020

Steht in der Tradition der großen russischen Erzählkunst

Rote Kreuze
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Wer den Diogenes Verlag kennt, weiß, da wartet ein wunderschönes und hoch interessantes Buch auf uns. Wir müssen nur zugreifen. Die Handlung ist schnell umrissen. Ein junger Mann bezieht in Minsk eine ...

Wer den Diogenes Verlag kennt, weiß, da wartet ein wunderschönes und hoch interessantes Buch auf uns. Wir müssen nur zugreifen. Die Handlung ist schnell umrissen. Ein junger Mann bezieht in Minsk eine neue Wohnung in einem Altbau, seine Nachbarin ist eine alte Dame, bei der Alzheimer diagnostiziert wurde. Interessant ist, wie Tatjana Alexejewna ihre Krankheit betrachtet: wie eine Abwehr Gottes. Denn Tatjana hat alle Gräueltaten des 20 Jahrhunderts in Sowjetrussland am eigenen Leib erlebt. Nun hat sie sich vorgenommen, wenn sie im Augenblick ihres Todes vor Gottes Angesicht treten wird, wird sie von ihm Rechenschaft fordern, warum er soviel Hass, Not, Elend und Schmerz in der UdSSR zugelassen hat. In ihren eigenen Worten: „Gott hat Angst vor mir. Zu viele unbequeme Fragen kommen da auf ihn zu.“ (S.11) Doch da sie nun Alzheimer hat, ständig Teile ihres Lebens vergisst, kann sie nicht mehr Aufschluss von diesem Gott verlangen. Die Immobilienmaklerin hingegen, erklärt Tatjana, dass Alzheimer eine Wohltat Gottes ist, so hat sie nun die Möglichkeit all das Hässliche und Schlimme und Schmerzhafte aus ihrer Vergangenheit zu vergessen und sich auf das Schöne Leben in der Gegenwart konzentrieren. Aber wieviel Schönes kann sie noch genießen, wenn Ihr Mann erschossen wurde und ihr Kind verhungert ist während sie 10 Jahre im Gulag mehr schlecht als recht darben musste?
Der junge Mann, Alexander, hat eine drei Monate alte Tochter, deretwegen er nach Minsk gezogen ist. Seine Frau ist vor 6 Monaten gestorben, ihr Körper wurde künstlich am Leben gehalten bis das Kind per Kaiserschnitt geboren wurde. Traumatisiert von diesen Geschehnissen, erkennt er in Tatjana Alexejewna eine verwandte Seele. Geduldig hört er ihr zu, fragt nach, hilft ihr gegen das Vergessen anzukämpfen. Tatjanas Erzählungen und die oft bruchstückhaften Dialoge dieser zwei Menschen üben eine eigenartige Faszination auf den Leser aus. Dass Stalin unbeschreiblich in seinem Land gewütet hat, dass sowjetische Kriegsgefangene bei ihrer Freilassung und Rückkehr in die Heimat exekutiert wurden, dass er sich geweigert hat den Kriegsgefangenen anderer Völker in der UdSSR zu erlauben, über das Rote Kreuz Kontakt zu ihren Angehörigen und Regierungen zu nehmen. Dass die eigenen Bürger bespitzelt und denunziert und jahrelang in Gulags inhaftiert wurden, das weiß man, gehört sozusagen zur Allgemeinbildung. Aber in Tatjanas Lebensgeschichte wird alles noch einmal lebendig, wird uns akut vor Augen geführt, wie schrecklich das Leben war.
Besonders schmerzhaft: Genau wie bei uns die Holocaustverweigerer, gibt es auch in den Ländern der ehemaligen UdSSR Menschen, die fest überzeugt sind, dass Stalin Recht hatte, dass die Gulags ihre Berechtigung hatten, dass die Inhaftierten nicht unschuldig Fronarbeit in Lagern verrichten mussten.
Die langsame Annäherung zwischen Tatjana und Alexander findet statt, trotz Tatjanas zunehmender Vergesslichkeit oder gerade deswegen, um gegen das Vergessen ein Mahnmal zu setzen.
Sasha Filipenko hat es mit diesem Buch auch getan.

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Veröffentlicht am 08.05.2020

Wiener Schmäh vom Feinsten

Rückwärtswalzer
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Als deutscher Tourist in Wien kriegt man wenig vom viel gelobten Schmäh mit, dazu sind die Wiener zu höflich. Man kriegt es höchstens mal in einem Café mit, wenn man sich im Kurzen, Langen, Braunen oder ...

Als deutscher Tourist in Wien kriegt man wenig vom viel gelobten Schmäh mit, dazu sind die Wiener zu höflich. Man kriegt es höchstens mal in einem Café mit, wenn man sich im Kurzen, Langen, Braunen oder Schwarzen verheddert, dann wird allerhöchstens ganz dezent eine Augenbraue sanft in die Höhe gezogen. Das war’s aber auch schon. Aber wenn man diesen Schmäh genießen will, weshalb soweit verreisen? Ein Spaziergang in die Buchhandlung deines Vertrauens und Vea Kaiser liefert uns den allerfeinsten allerbesten, allerschönsten und allercharmantesten Wiener Schmäh. Die Leseprobe hat mich verzaubert, ich bin auf das Buch gespannt. Das Titelbild ist bewusst verhalten, sozusagen ein Understatement. Aber eine Vea Kaiser braucht keine reißerischen Coverbilder. Ihr Name ist Programm.
Eine Wiener Familie gebildet aus drei Schwestern, ein Ehemann, ein Neffe. Die Töchter der drei Schwestern haben nur kurze Auftritte, ebenso der eine Bruder und der andere Schwager. Sie illustrieren nur, wie sehr die drei Schwestern, die ständig im Streit miteinander liegen, eigentlich zusammenhalten, sich auch wortlos verstehen und im Grunde immer einer Meinung sind. Und dann der Neffe Lorenz Prischinger. Versinkt in Selbstmitleid, kaufsüchtig bis der Gerichtsvollzieher kommt, Schauspieler ohne Engagement, die Serie bei der er hoffte mitzuspielen, wird ohne ihn fortgeführt. Seine Freundin hat ihn verlassen, ist aus Wien fortgezogen, nach Heidelberg, hat einen anderen. Ein Bild des Jammers. Doch als er gebraucht wird, ist er zur Stelle, kutschiert von Wien bis Montenegro die drei Tanten und den Schockgefrorenen Onkel Willi. Denn Onkel Willi ist unerwartet an einem Herzinfarkt gestorben und die drei Schwestern wollen ihm seinen größten Wunsch erfüllen, in Montenegro beerdigt zu werden. Es beginnt eine aberwitzige Reise quer durch mehrere Länder auf dem Balkan, bis nach Montenegro. Der Trip findet mit einem kleinen Fiat Panda statt. Und bitte lasst jetzt das Kopfkino an: Vorne sitzen Lorenz, als Chauffeur, als Beifahrer der blasse und steife Onkel Willi, im Fond zusammengepfercht die drei Tanten, wohlverpackt in Pelzmäntel. Denn natürlich ist die Klimaanlage auf kalt gestellt, denn es ist Hochsommer und Onkel Willi kann in seinem Zustand keine Wärme vertragen.
Wien ist ja das Herz Österreichs. In diesem Roman aber wird deutlich, Wien ist viel mehr als nur die Hauptstadt der kleinen Alpenrepublik. Es war ja auch das Zentrum der K.u.K. Monarchie, und etwas von den vielen Ländern, die Habsburg ausgemacht haben, lebt in Wien und in seinen Bewohnern fort. Pragmatismus, Liebe, Weltoffenheit, Verständnis für die Nöte und Sorgen anderer, Akzeptanz und Schicksalsergebenheit mit der man widrige Umstände hinnimmt und meistert, all dies kombiniert mit einer fantastischen Eleganz, das macht die Wiener aus. Und Vea Kaiser lässt diese Wiener Mentalität vor unseren Augen entstehen. Die drei Schwestern hatten es nicht leicht im Leben. Früh verloren sie einen Bruder, der andere blieb in der Provinz, während Mirl, Hedi und Wetti nach und nach in Wien eintreffen und auch bleiben. Hedi und ihr Mann Willi werden zum Mittelpunkt der Großfamilie, man kommt täglich zusammen. Der Werdegang der drei Schwestern ist nicht einfach, jede von ihnen hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Mirl hat zwar gut geheiratet, ist aber in ihrer ehe unzufrieden. Wetti ist autistisch veranlagt, aber für die Menschen, die sie liebt, ist sie bereit bis aufs Blut zu kämpfen. Hedi stellt ihre Küche den Schwestern, Nichten und Neffen zur Verfügung, sie und Willi sind der ruhende Pol in diesem Familienstrudel.

Eine Magierin der Sprache, vermag es Vea Kaiser uns zu bezaubern. Zum vom Sofa lachen ist die Szene in der Lorenz mit den drei Tanten und der dementen Frau Sterbeitz zum Großmarkt fährt, um Rabatte auf Großpackungen zu bekommen. Und am Ende kriegt man Appetit auf Käsekreiner Würste. (Oder schwört ihnen auf ewig ab)

Das Buch ist auf mehreren Ebenen aufgebaut. Erstens, die Haupthandlung sozusagen, die Fahrt von Wien nach Montenegro. Dazwischen dann Erinnerungen und Episoden aus der Kindheit und Jugend der Prischinger Frauen, manche humorvoll, gewitzt, andere ernst bis schmerzvoll. Und irgendwann merkt man, auch wenn unterschiedliche Erzählungsstränge da miteinander verwoben werden, es ist ein einziger großartiger Roman, den man nur ungern aus der Hand legt, wenn der Schlusssatz fällt: „Das Leben ging weiter. Und auch diejenigen, die nicht mehr waren, blieben dabei. Solange man auf sie hörte.“

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Veröffentlicht am 29.04.2020

Ein Buch das zu Herzen geht

Pandatage
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Danny Malooley und sein Sohn Will müssen sich nach dem Unfalltod der Mutter alleine durchschlagen. Und das gelingt mehr schlecht als recht. Will flüchtet sich in die Sprachlosigkeit, weil er nicht weiß ...

Danny Malooley und sein Sohn Will müssen sich nach dem Unfalltod der Mutter alleine durchschlagen. Und das gelingt mehr schlecht als recht. Will flüchtet sich in die Sprachlosigkeit, weil er nicht weiß wie mit dem Schmerz umgehen und treibt dadurch seinen Vater zur Verzweiflung. Danny muss neben den Sorgen um seinen Sohn auch noch mit einem raffgierigen Vermieter fertig werden und um einen schlecht bezahlten Job auf dem Bau bangen, den er auch prompt verliert. Dabei beobachtet er im Park, wie andere Straßenkünstler mit ihren Künsten ihren Lebensunterhalt verdienen. Mit dem Mut der Verzweiflung kauft er sich ein Panda Kostüm und beginnt unbeholfen im Park zu tanzen. Natürlich bleibt das große Geld aus, das kleine Geld wird ihm auch noch gestohlen. Aber ihm gelingt etwas ganz und gar Unerwartetes, das ihn darin bestärkt, weiterzumachen. ER nimmt sogar Tanzunterricht bei einer Poletänzerin.
Der Roman lebt von den Charakteren im Buh: Da wären einmal Danny, der sich und seinen Sohn nicht aufgibt, für ihn weiterkämpft um ihre Existenz zu sichern. Oder Krystal, die Poletänzerin, die wie eine Barsängerin in einem alten Western, außen rau und schön, innen aber einen sehr weichen Kern hat. Oder Igor, der Hühne der Dannys Freund ist, oder der junge Will, der in der Schule von anderen Schülern gemobbt und geschlagen wird und der aber auch einen treuen Freund zur Seite hat, Mo, der zu ihm hält. Von den Straßenkünstlern gefiel mir Tim mit seinem Kater, der Danny zu einem Wettbewerb anmeldet. Und dann sind da auch noch die bösen, die so eindeutig böse sind, dass man am liebsten ins Romangeschehen eingreifen würde um sie buchstäblich aus den Seiten zu reißen: Reg, der fiese betrügerische Vermieter und sein Handlanger, Mr Dent oder der untalentierte und neidische Zauberer El Magnifico der mittels Gedankenkraft andere anzünden will, es aber nie schafft.
Die Sprache des Buches ist sanft, angenehm, gewinnt nur an Schärfe, wenn der hinkende Reg auftaucht und Danny bedroht.
Und zum Schluss wird alles gut, wenn auch nicht so, wie wir es ursprünglich gedacht haben. Denn ein Pandabär steht für das Gute und Schöne.
Dies ist ein Wohlfühlbuch, ohne ins Kitschige zu verfallen. Ich möchte es in die Kategorie „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ einreihen.

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