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Veröffentlicht am 13.08.2023

Das älteste Gewerbe der Welt

Die Wölfe von Pompeji
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Das Leben der Prostituierten war und ist nicht leicht. Weder im Altertum noch heutzutage. Ob aus Armut von der Familie verkauft oder geraubt, Sklavinnen sind sie alle. Ob aus Karthago, Rom, dem antiken ...

Das Leben der Prostituierten war und ist nicht leicht. Weder im Altertum noch heutzutage. Ob aus Armut von der Familie verkauft oder geraubt, Sklavinnen sind sie alle. Ob aus Karthago, Rom, dem antiken Griechenland oder heute aus Osteuropa, Sexsklavinnen sind sie alle.
Dieses Buch ist hervorragend recherchiert, sehr spannend geschrieben und regt zum Nachdenken an. Die latente Gewalt die jederzeit den Sklavinnen droht, sei es von Freiern, Zuhälter, Bordellbesitzern und deren Handlangern wird in diesem Roman überdeutlich. Die Frauen sind nur dem Namen nach Wölfinnen. Eigentlich werden sie den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Manchmal haben sie Glück, wenn sie nur zur musikalischen Unterhaltung einer Gesellschaft gebucht werden, oder wenn ein reicher Mann sie für einige Tage aus dieser Hölle zu sich holt oder ein Gönner sie freikauft. Die meisten sterben noch jung, verbraucht, schwanger, oder alt, vom Mitleid der jungen Prostituierten lebend. Es gibt auch junge Männer, die ebenso zur Prostitution gezwungen werden.
Wenn eine Frau freigekauft wird, ist sie bereit, dafür alles zu opfern, auch ihre große Liebe. Denn Liebe unter Sklaven, die unterschiedlichen Herrn gehören, bringt nichts. Außer Not, Herzeleid und womöglich neue Sklaven.
Dieses Buch spielt im antiken Pompeji, im Jahr 74. Nur 5 Jahre später wird der Vesuv ausbrechen. Ob jemand aus diesem Buch überleben wird?
Aber das Buch ist nicht nur ein fundierter historischer Roman. Es zeigt auch das Leben der heutigen Prostituierten. Denn egal ob antikes Pompeji oder der heutige Kiez in Hamburg, Sexsklavinnen führen immer ein hartes und gefährliches Leben.
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Veröffentlicht am 13.08.2023

Überall ist Nincshof!

Nincshof
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Ein Hoch auf den schrägen österreichischen Humor. Johanna Sebauer hat uns hier eine herrliche Kostprobe österreichischen Humors geliefert. Sehr fein gezeichnet, subtil und zum Nachdenken und Genießen, ...

Ein Hoch auf den schrägen österreichischen Humor. Johanna Sebauer hat uns hier eine herrliche Kostprobe österreichischen Humors geliefert. Sehr fein gezeichnet, subtil und zum Nachdenken und Genießen, ist dieser Humor herzerwärmend, ohne in Ironie zu verfallen. Die Gestalten wirken liebenswürdig und wie aus dem (Provinz)Leben gegriffen. Nincshof ist klein. Missverständnisse und Lügen waren hier "schwierig zu navigierende Gewässer in einem Dorf wie Nincshof in dem alle der paar Hundert Einwohner einander kannten." (S. 13)
Erna Rohdiebl ist die unbestrittene Heldin des Romans. Bald 80, erlaubt sie sich so manche Freiheiten, wie z. B. nächtens unerlaubt in einem fremden Swimming Pool zu baden. Oder gegen die drei schrulligen Oblivisten aufbegehren und sich mit Isa Bachgasser, Wienerin und bekannte Dokumentarfilmerin, anzufreunden.
Überhaupt, die drei Oblivisten: das sind der seiner Repräsentationspflichten überdrüssig gewordene Bürgermeister, der schüchterne und sture Valentin und Sipp Sepp, älter als die Zeit. Sie beschließen, im Alleingang das Dorf Nincshof ins große Vergessen zurückzuführen. Die Touristen stören sie, die neuen Bewohner aus Wien und deren Ideen den Tourismus anzukurbeln sowieso. Die Oblivisten greifen zu unlauteren Mitteln: Jauche wird auf Fahrradtouristen versprüht, Ortsschilder werden entfernt, Interneteinträge werden gelöscht, Seiten aus Enzyklopädien werden herausgerissen, Bücherdiebstähle aus Büchereien. Sie schrecken auch nicht vor Kidnapping der wertvollen und einzig trächtigen Irrziege aus Europa. Die drei kennen keine Skrupel und überreden Erna mitzumachen. Das Ganze wird detailliert und spritzig humorvoll beschrieben, bis die ganze Chose auffliegt und die Geschichte zu einem herrlich schrägen Ende kommt. Natürlich darf der Pusztafeigenschnaps dabei nicht fehlen. Und bitte stellt Euch vor, wie die gefangene Ziege in Ernas Küche gestunken haben muss!

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Krimis aus Skandinavien sind die besten!

Refugium
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Das Buch beginnt so harmlos: auf dem Bootssteg einer Schäreninsel soll eine kleine Midsommerparty steigen. Der längste Tag, der keine richtige Nacht aufkommen lässt soll mit Geschäftspartnern und deren ...

Das Buch beginnt so harmlos: auf dem Bootssteg einer Schäreninsel soll eine kleine Midsommerparty steigen. Der längste Tag, der keine richtige Nacht aufkommen lässt soll mit Geschäftspartnern und deren Ehefrauen gefeiert werden. Die pubertierende Tochter des Hauses muss da mitmachen und repräsentieren. Doch die Party findet ein jähes Ende, als alle plötzlich erschossen werden. Nur die junge Astrid entkommt, geistesgegenwärtig hat sie sich unter den Tisch fallen lassen und von da in das Wasser unter dem Bootssteg. Von da an beginnt der eigentliche Thriller. Vorher erfahren wir noch, wie Julia Malmros, ehemalige Polizistin und nun Krimiautorin und der junge gut situierte Hacker Kim Ribbing sich kennenlernen. Ungewollt werden sie in den Untersuchungen zu den Morden im Schärengarten hinzugezogen. Kim entdeckt Astrid im Wasser und zieht sie heraus. Kim und Julia beginnen parallel zur Polizei auch zu ermitteln, sie helfen sich gegenseitig und es kommen immer mehr Details ans Tageslicht. Vom Schärengarten erweitern sich die Ermittlungen nach Stockholm, Shanghai, Kuba und auf einer Bohrinsel vor Norwegens Küste, weil der Fall immer internationaler wird und weite Kreise zieht.
Der Thriller wird noch interessanter durch die erotische Anziehungskraft zwischen Julia und Kim und Johnnys Eifersucht, Julias Ex-Ehemann. Faszinierend ist es, Kims Werdegang zu erfahren. Seine qualvolle Kindheit beim sadistischen Großvater und wie Kim Rache genommen hat, seine offene Rechnung mit einem anderen Sadisten, Martin Rudbeck. Erst als sich Martin Rudbeck an Astrid, der Überlebenden der Midsommermorde vergreifen will, beschließt Kim, es ist an der Zeit, diese offene Rechnung ebenfalls zu begleichen. Kim ist ein interessanter Charakter, mit sehr vielfältigen Kenntnissen und Fähigkeiten. gefährlich und anziehend zugleich, wirkt er faszinierend. Julia hingegen ist bodenständig und realistisch. Als sie erkennt, dass ihre Ehe mit Johnny in eine Sackgasse geraten ist, lässt sie sich scheiden und lebt sehr wohl allein weiter. Die Begegnung mit Kim bedeutet ihr sehr viel, ohne es offen zuzugeben. Lindquist beschreibt diese Gestalten sehr lebensnah und mit Feingefühl.
Die Handlung spielt auf mehreren Ebenen, die Kindheit von Kim, die Krimiautorin, die einen neuen Roman schreiben wird und ein Massaker auf einer Schäreninsel im Midsommer. Das Zusammenspiel der Hauptgestalten, die ganze Dynamik die sich zwischen ihnen entwickelt macht das Buch noch interessanter, abgesehen von der Handlung.
Die Lektüre war spannend. Sowohl die Anfangsszene, in der die Morde geschehen, als auch die beiden anderen Showdowns gegen Ende des Buches waren atemberaubend. Kims Flashbacks in seine Kindheit und Jugend waren an einigen Stellen direkt verstörend zu lesen. Sie geben direkt Aufschluss auf sein gegenwärtiges Handeln. Vor allem die Schlussszene hat mir imponiert.
Fazit: klare Leseempfehlung für einen nach klassischem Krimi aufgebauten Roman. Spannung, Erotik und glaubwürdige Handlung lassen dieses Buch lesenswert erscheinen.

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Veröffentlicht am 30.06.2023

Skandinavische Krimis gehören zur Meisterklasse

Sommersonnenwende
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Das Autorenduo Pascal Engmann und Johannes Selaker hat einen sehr interessanten und vielschichtigen Krimi vorgelegt. Traumatische Erinnerungen aus den Balkankriegen verknüpfen sich mit gegenwärtigen Kriminalfällen ...

Das Autorenduo Pascal Engmann und Johannes Selaker hat einen sehr interessanten und vielschichtigen Krimi vorgelegt. Traumatische Erinnerungen aus den Balkankriegen verknüpfen sich mit gegenwärtigen Kriminalfällen für einen Ermittler der Stockholmer Polizei. Hinzu addiert sich noch die Wiederbegegnung mit einer jungen Frau, in die er sich während seines Bosnien-Einsatzes verliebt hatte. Eine junge Journalistin, Vera Berg muss sich um einen fremden Jungen, Sigge kümmern, obwohl sie einen neuen Job antreten müsste. Sigges Vater Johnny ist einfach abgehauen und hat sich wochenlang nicht mehr gemeldet. Vera kann Sigge nicht einfach der Jugendfürsorge übergeben. Kurzentschlossen nimmt sie ihn mit, in ihr neues Leben nach Stockholm.
Es geschehen mehrere Frauenmorde, Tomas ermittelt vonseiten der Polizei, Vera als Journalistin. Sie bedienen sich unterschiedlicher Informationsquellen, kommen aber zum gleichen Schluss. Der Serienmörder macht sich gewisse Umstände in Schwedens Polizeiapparat zunutze, um ungehindert morden zu können. Zeitweise gerät Tomas selbst in Verdacht, die Morde getan zu haben. Der Krimi ist sehr interessant, vor allem durch die Verwicklungen, die sich für die Protagonisten ergeben. Dieses Buch schreit nach einer Fortsetzung. Das Ende ist dermaßen offen, dass es für mich direkt frustrierend war. Vera muss Johnny gegenübertreten, Tomas steht eine blutige Auseinandersetzung mit seinem Bruder entgegen. Von keiner dieser Konfliktsituationen wissen wir, wie sie ausgehen wird. Ich hoffe sehr, die Herrn Engman und Selaker wissen, was sich gehört!
Ein Highlight des Buches ist die Fußball WM die 1994 in den USA ausgetragen wurde und die Spiele der schwedischen Nationalmannschaft im Buch eine wichtige Rolle spielen. Woran kann ich mich an diese WM erinnern? Da war doch ein Skandal um Effenberg, der dem amerikanischen Publikum den Effenberg-Finger gezeigt hatte. Ich eiß nicht einmal mehr, wie weit unsere Mannen damals gekommen waren. Ist mir ehrlich gesagt, auch nicht so wichtig um es zu googeln.Ich kann mich noch an das deutsche Sommermärchen 2006 erinnern: da hatten unsere geschätzten Politiker heimlich und im Schatten des kollektiven Fußballrausches eine drastische Diätenerhöhung für sich selbst durchgesetzt. Ja, ja, Fußball Weltmeisterschaften sind immer wichtig.
Doch zurück zum Buch: der lebhafte Stil, die knappen Dialoge, die oft wie aus einer Theaterszene herausgeschnitten sind, die interessante Handlung, die Vera oder Tomas als Hauptagierenden haben, machen daraus eine sehr angenehme Lektüre.
Ich mag skandinavische Krimis. Sie haben Tiefgang und zeigen gleichzeitig auch die menschliche Seite der Protagonisten.

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Veröffentlicht am 29.06.2023

Die Geschichte des Aeneas heute

City of Dreams
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Vergil schrieb vor gut 2000 Jahren die Aeneis und brachte somit den ersten Sequel in der Literaturgeschichte zu Wege. Denn Homer schrieb die Ilias über den trojanischen Krieg und die Odyssee, über den ...

Vergil schrieb vor gut 2000 Jahren die Aeneis und brachte somit den ersten Sequel in der Literaturgeschichte zu Wege. Denn Homer schrieb die Ilias über den trojanischen Krieg und die Odyssee, über den von den Gestaden Trojas heimkehrenden Odysseus. Nun hat also Vergil Aeneas’ Flucht aus dem brennenden Troja und seine Fahrt nach Westen in heldenhaften Gesängen beschrieben. Don Winslow greift dieses Thema der Flucht auf und macht daraus einen Roman epischen Ausmaßes. Was Don Windows hier tut, ist Aeneas' Geschichte in die heutige Zeit und in die Staaten zu versetzen. Obwohl - ich weiß nicht, ob Aeneas Mannen sich in einer Taverne mit Transvestiten oder Drag Queens abgegeben haben.
Auch der Vorgängerroman, City of Fire, basiert auf ein antikes Epos, Ilias von Homer. Der Kampf um Troja der mit der völligen Zerstörung der Stadt und dem Sieg der Griechen über die Trojaner endet, wird im modernen Rhode Island im Kampf zwischen der irischen Band um Danny Ryan und der italienischen Mafia-Familie der Morettis aufgegriffen.
Nun also hat die Zerstörung der irischen Bande stattgefunden und Danny / Aeneas flieht mit Vater und Sohn und seinen überlebenden Getreuen auch gen Westen, den Westen der USA. City of Dreams ist Hollywood, Königin Dido aus dem alten Karthago ist die wunderschöne, talentierte und Drogenabhängige Diane Carson. Genau wie im Altertum verlieben sich Danny und Diane und wollen einfach nur zusammen glücklich sein, doch es gibt immer größere Probleme. In der Aeneas mischen Götter und Nebenbuhler sich ins Geschehen ein, hier, im modernen Hollywood sind es alte Mafiastrukturen die den Liebenden im Weg stehen.
Und das ist gerade das Interessante am Buch: man kann es sehr gut lesen, auch ohne die antiken Vorbilder zu kennen, denn es ist spannend, voller Leben, Ironie und Witz, die Handlung lässt einen kaum das Buch aus der Hand legen. Wer aber die antiken Vorbilder kennt, hat ein zusätzliches Schmankerl zum Lesevergnügen und einen Grund mehr, mal wieder die alten Werke zur Hand zu nehmen. Der Stil und das Thema erinnern an Mario Puzos Paten und brauchen den Vergleich nicht zu scheuen.

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